TE OGH 1989/4/18 4Ob38/89 (4Ob39/89)

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.04.1989
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W***-Schutzverband zur Förderung lauteren Wettbewerbs im In- und Ausland, Salzburg, Imbergstraße 17, vertreten durch Dr.Wolf Schuler, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Ö*** B***,

Wien 1., Elisabethstraße 9, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, und den auf der Seite der beklagten Partei beigetretenen Nebenintervenienten Erwin S***, ÖBB-Oberrevident i.R., Wien 5., Brandmayergasse 35, vertreten durch Dr.Herbert Schachter, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 3 Millionen S) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 17.November 1988, GZ 1 R 202, 203/88-39, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 12.April 1988, GZ 18 Cg 21/87-32, sowie das Ergänzungsurteil desselben Gerichtes vom 9.Mai 1988, GZ 18 Cg 21/87-33, bestätigt wurden, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 20.056,50 und dem Nebenintervenienten die mit S 24.067,80 (darin S 4.011,30 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist ein Verein mit dem Sitz in Salzburg; zu seinen Mitgliedern gehören die Landesgremien des Brennstoffhandels in Salzburg und Vorarlberg sowie eine Anzahl von Brennstoffhändlern. Vereinszweck ist unter anderem die Wahrung und Förderung der Interessen der in Österreich tätigen Gewerbetreibenden und die Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs.

Die Beklagte hat keine Gewerbeberechtigung für den Handel mit Brennstoffen. Sie gibt seit rund 80 Jahren Brennstoffe an ihre Bediensteten ab. Dabei handelt es sich um eine Wohlfahrtseinrichtung, die für die Bediensteten der Beklagten geschaffen wurde. Derzeit wird die Abgabe der Brennstoffe durch die Dienstvorschrift D 6 geregelt, deren Bestimmungen mit dem Abschluß der einzelnen Dienstverträge Bestandteil jedes Dienstvertrages eines Bediensteten der Beklagten werden. Laut Punkt I/2 dieser Dienstvorschrift sind die Brennstoffe nur für die anspruchsberechtigten und die mitanspruchsberechtigten Personen bestimmt, die im Anhang 1 zur Dienstvorschrift D 6 angeführt sind. Voraussetzung für die Anweisung fester Brennstoffe ist jedoch, daß Heizstellen für feste Brennstoffe (Einzelöfen, Etagenheizungen, Zentralheizungen von Eigenheimen) benützt werden. Nach Punkt I 4 wird das Bezugsausmaß nach den Wohnverhältnissen und den zu berücksichtigenden Haushaltsangehörigen ermittelt. Eine Weitergabe oder ein Verkauf der für den Hausbrand bezogenen Brennstoffe ist gemäß Punkt I/7 verboten. Jeder Mißbrauch beim Brennstoffbezug, wie Doppelbezug, falsche Angaben zur Erlangung größerer Mengen, Weitergabe oder Verkauf usw., wird - abgesehen von einer allfälligen Bestrafung nach der Disziplinarordnung - grundsätzlich mit dem dauernden Entzug der Bezugsberechtigung geahndet. Laut Anhang 1 zur Dienstvorschrift D 6 sind Anspruchsberechtigte für den Bezug von Hausbrand-Brennstoffen die aktiven und die im Ruhestand befindlichen Bediensteten der Beklagten und deren Hinterbliebene. Mitanspruchsberechtigte sind Ehegatten, die mit dem Bediensteten in aufrechter Ehe und Hausgemeinschaft leben, Kinder, wenn die Voraussetzungen für die Gewährung eines Dauerausweises (AT-Fahrbegünstigung) vorliegen, und bestimmte andere Verwandte, wenn sie mit dem Anspruchsberechtigten in Hausgemeinschaft leben und von diesem ganz oder überwiegend erhalten werden müssen. In Punkt 1.6 des Anhanges 1 zur Dienstvorschrift D 6 wird das Bezugsausmaß festgelegt, das nach der Zahl der Personen gestaffelt ist; bei ein oder zwei Personen beträgt die Bezugsmenge auf Steinkohlenbasis bei Vorhandensein von Gas- oder Elektrokochgeräten 3.000 kg, bei Fehlen solcher Geräte 3.500 kg. Diese Mengen steigen bis zu höchstens 5.000 kg bzw. 5.500 kg bei mehr als fünf Personen. Dabei handelt es sich um Höchstmengen pro Jahr.

Die Beklagte kalkuliert ihre Verkaufspreise auf folgende Weise:

Nachdem sie im Herbst die Bedarfsanmeldungen erhalten hat, richtet die Beklagte - über die Firma Importkohle - Preisanfragen an die ausländischen Lieferanten. Die Kohle wird insbesondere aus dem Ruhrgebiet und aus Polen, Braunkohle vorwiegend aus der DDR, bezogen. Nach dem Einlangen der Angebote werden Preisverhandlungen mit den Anbietern geführt. Bei den Einkäufen wird außer dem Preis auch der Transportweg berücksichtigt; aus diesem Grund werden für den Bedarf der Bundesbahndirektion Wien die Brennstoffe vorwiegend aus dem Osten, für den Bedarf der Bundesbahndirektion Innsbruck vorwiegend aus dem Westen bezogen. Der Einstandspreis ist ein Mischpreis aus den Preisen der verschiedenen Lieferanten. Zum Einstandspreis kommen noch die Verwaltungskosten, die von der Stabsstelle Betriebswirtschaft innerhalb der Generaldirektion der Beklagten festgestellt werden. Dann werden die Frachtkosten in Österreich, der Außenhandelsförderungsbeitrag von 0,3 % und Bankspesen von gleichfalls 0,3 % dazugeschlagen; außerdem wird ein Grusanteil von 0,6 % berücksichtigt. Die dabei errechnete Gesamtsumme wird meist durch ein Guthaben aus dem vergangenen Jahr korrigiert; sodann wird die Mehrwertsteuer von 20 % und - weil es sich um Sachbezugsvorteile der Bediensteten handelt - ein Lohnsteueranteil hinzugeschlagen. Dieser wird von der Abteilung II/1 der Generaldirektion der Beklagten - der Steuerabteilung - mitgeteilt. Er ist mit den Finanzbehörden abgesprochen; das Finanzamt überprüft ihn jährlich. Nach Hinzurechnung des Dienstgeberbeitrages und des Dienstgeberzuschlages ergibt sich der Gesamtpreis je Tonne. In Verhandlungen mit der Personalvertretung wird dann der Detailabgabepreis festgelegt. Die dabei festgelegten Preise liegen im Rahmen des kalkulierten Abgabepreises; es erfolgen aber Auf- und Abrundungen auf runde Beträge. Sofern sich dadurch für die Gesamtmenge ein höherer als der kalkulierte Betrag ergibt, wird der Überschuß als Guthaben bei der Festlegung des Preises im nächsten Jahr berücksichtigt. Die Beklagte arbeitet bei der Abgabe der Brennstoffe an ihre Bediensteten ausgeglichen ohne jeden Gewinn, aber auch ohne jeden Verlust. Die anspruchsberechtigten ÖBB-Bediensteten werden bei den einzelnen Dienststellen erfaßt; dort wird auch ihr Bedarf überprüft. Jeder ÖBB-Bedienstete, der Hausbrand beziehen will, hat ein entsprechendes Formular bei seiner Dienststelle auszufüllen; darin ist eine Belehrung über Punkt I/7 der Dienstvorschrift D 6 enthalten. Sache der jeweiligen Dienststelle ist es, die Angaben des Bezugsberechtigten in diesem Formular zu überprüfen. Jedes dieser Formulare wird mit dem jeweiligen Personalakt verglichen. Fallweise, wenn Zweifel aufkommen, verlangt die Beklagte vom Gemeindeamt oder vom Rauchfangkehrermeister eine Bestätigung. Solche Überprüfungen erfolgen meist auf Grund von Anzeigen. Durchschnittlich gibt es rund 15 bis 20 solcher Fälle im Jahr. Nach der Überprüfung setzt die Dienststelle ihren Stempel auf das Formular und bestätigt damit die Richtigkeit der Angaben des Bediensteten. Die Formulare werden sodann in der EDV-Stelle der Beklagten gespeichert; dort wird einmal jährlich eine Bezieherliste ausgedruckt. Die Bezugsscheine werden bei der jeweiligen Dienststelle des Anspruchsberechtigten ausgegeben. Der Bedienstete erhält dort einen Hausbrand-Erlagschein, zahlt den darauf angegebenen Betrag und meldet unter Vorlage des Zahlungsbeleges seinen Bedarf an. Bei Bezugsstellen mit einer Lagerhaltung kann sich der Bezugsberechtigte die Kohle entweder selbst aus dem Lager holen oder den eingerichteten Zustelldienst in Anspruch nehmen. Besteht keine Lagerhaltung, dann wird die Kohle aus dem Waggon verladen. Der Bezugsberechtigte kann sie selbst abholen; vielfach übernimmt der örtliche Kohlenhändler gegen Entgelt das Beladen und Zustellen. Der Bedienstete ist verpflichtet, allfällige, seine Anspruchsberechtigung berührenden Änderungen der Beklagten bekanntzugeben.

Wird bekannt, daß ein Bezugsberechtigter Kohle weitergegeben hat, so wird das der zuständigen Dienststelle mitgeteilt. Diese hat eine Einvernahmeschrift mit dem betreffenden Berechtigten anzufertigen und einer bestimmten Abteilung in der Generaldirektion der Beklagten zu übermitteln. Wird der Mißbrauch bewiesen, dann wird dem Bediensteten der Brennstoffbezug auf Dauer gesperrt; der zuständige Vorstand kann überdies eine Ordnungsstrafe aussprechen. Die zuständige ÖBB-Direktion wird in jedem Fall verständigt und kann in besonders krassen Fällen ein Disziplinarverfahren einleiten. Seit dem Wirtschaftsjahr 1980 wurden 39 Anspruchsberechtigte der Beklagten vom Brennstoffbezug ausgeschlossen.

Die Finanzbehörden betrachten die an Bedienstete der Beklagten verbilligt überlassenen Brennstoffe mit jenem Differenzbetrag, der sich bei der Gegenüberstellung des ortsüblichen Mittelpreises und des Überlassungspreises ergibt, als steuerpflichtigen Vorteil aus dem Dienstverhältnis. Um den bei individueller steuerlicher Behandlung der einzelnen Bediensteten der Beklagten entstehenden beträchtlichen Verwaltungsaufwand zu vermeiden, wurde zwischen der Beklagten und dem Finanzamt für Körperschaften eine Vereinbarung getroffen, nach welcher die Beklagte der Finanzverwaltung zur Abgeltung dieser Steueransprüche jährlich einen Pauschalbetrag zahlt und diesen Betrag auf den Preis der jährlichen Kohlenbezugsmenge überwälzt. Diese Überwälzung nimmt die Beklagte auch tatsächlich vor. Mit der Behauptung, daß die Beklagte dadurch, daß sie ohne Gewerbeberechtigung gewaltige Brennstoffmengen verkaufe, sowohl gegen das ÖBB-Gesetz als auch gegen die Gewerbeordnung und damit gleichzeitig gegen § 1 UWG verstoße und die österreichischen Brennstoffhändler als ihre Mitbewerber stark beeinträchtige, stellt der Kläger das Hauptbegehren, die Beklagte schuldig zu erkennen, es sofort zu unterlassen, Kohle für den Hausbrand (Steinkohle, Braunkohle, Koks und Briketts) an ihre Bediensteten oder über diese an außenstehende dritte Personen weiterzugeben bzw. zu verkaufen; nach seinem Eventualbegehren soll der Beklagte die Abgabe von Kohle für den Hausbrand an ihre Bediensteten in solchen Mengen untersagt werden, die über den eigenen tatsächlichen Bedarf ihrer Bediensteten hinausgehen. Außerdem stellt der Kläger ein Veröffentlichungsbegehren.

Die Beklagte und der ihr beigetretene Nebenintervenient beantragen die Abweisung des Klagebegehrens. Der Kläger sei kein nach § 14 UWG legitimierter Verband. Die Beklagte betreibe keinen Handel mit festen Brennstoffen, sondern gebe diese nur auf Grund des geweiligen Dienstvertrages als lohnsteuerpflichtigen Sachbezug an berechtigte Dienstnehmer ab; das geschehe weder im geschäftlichen Verkehr noch zu Zwecken des Wettbewerbs, sondern ohne jeden Vorteil für die Beklagte zu einem sozialen Zweck. Die Beklagte verstoße daher nicht gegen wettbewerbsrechtliche Vorschriften. Der Erstrichter wies das Haupt- und das Eventualbegehren ab. Rechtlich würdigte er den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt wie folgt:

Da die Beklagte die festen Brennstoffe ihren Bediensteten ohne jede Gewinnabsicht zukommen lasse, handle sie dabei weder im geschäftlichen Verkehr noch zu Zwecken des Wettbewerbes. Eine Absicht der Beklagten, ihren Absatz über den Kreis ihrer Bediensteten hinaus zum Nachteil von Brennstoffhändlern ausdehnen, sei nicht erwiesen. Bei dieser Sachlage sei die Wettbewerbsabsicht der Beklagten nicht zu vermuten, sondern vom Kläger zu beweisen; diesen Beweis habe er jedoch nicht erbracht.

Mangels Gewinnabsicht im Sinne des § 1 GewO habe die Beklagte auch nicht gegen die Gewerbeordnung verstoßen. Daß sie wissentlich und willentlich ihren Bediensteten Brennstoffe in solchen Mengen verkaufe, die über den eigenen tatsächlichen Brennstoffbedarf der Käufer hinausgingen, sei gleichfalls nicht erwiesen. Die Beklagte treffe alle ihr zumutbaren Maßnahmen, um einen über den tatsächlichen Bedarf ihrer Bediensteten hinausgehenden Brennstoffbezug und die Weitergabe der abgegebenen Brennstoffe an Dritte zu verhindern. Daraus, daß gelegentlich Mißbräuche durch Bedienstete der Beklagten vorkämen, könne ihr wettbewerbsrechtlich kein Vorwurf gemacht werden.

Das Berufungsgericht bestätigte das Hauptund das Ergänzungsurteil des Erstrichters und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes hinsichtlich des Haupt- und des Eventualbegehrens je 300.000 S übersteige. Ergänzend stellte es fest, daß die Beklagte in den Jahren 1985 bis 1987 folgende Mengen an festen Brennstoffen beschafft und davon für Eigenbedarf und Hausbrandzwecke ihrer Bediensteten verwendet hat:

Jahr     insgesamt           davon               davon

     beschafft        Eigenbedarf          Hausbrand

1985     284.421 t         15.407 t            268.041 t

1986     252.613 t         13.406 t            236.419 t

1987     260.691 t     ca. 12.430 t        ca. 247.700 t.

Auch das Gericht zweiter Instanz war rechtlich der Meinung, daß hier schon das Tatbestandsmerkmal des Handelns "zu Zwecken des Wettbewerbs" weder nach objektiven noch nach subjektiven Merkmalen vorliege. Objektiv diene eine Handlung nur dann Wettbewerbszwecken, wenn sie den eigenen Kundenkreis auf Kosten der Mitbewerber erweitern solle. Diese Voraussetzung fehle hier, weil die Beklagte durch die beanstandeten Handlungen den Kundenkreis ihres Unternehmens, das sich mit der Beförderung von Personen und Gütern befasse, nicht erweitern könne; sie wende sich mit ihrem Angebot an einen anderen Kundenkreis als der Brennstoffhandel. Die Brennstoffabgabe der Beklagte sei eine historisch begründete, rein unternehmensinterne und dienstvertraglich im einzelnen geregelte Wohlfahrtseinrichtung. Die Befürchtung, daß die Beklagte ihre Kohlenverkäufe nach Belieben ausdehnen und gleichartige Aktionen auf jeden beliebigen Wirtschaftsgegenstand erstrecken könnte, seien unberechtigt. Möge auch die Beklagte durch die Auslastung der sonst möglicherweise nicht benötigten Güterwaggons intern einen Vorteil erzielen, so könne sie doch damit nicht den eigenen Kundenkreis auf Kosten der übrigen Anbieter von Transportleistungen vermehren. Auch fremder Wettbewerb werde durch die beanstandeten Handlungen der Beklagten nicht gefördert.

In subjektiver Hinsicht müsse die Wettbewerbshandlung von der entsprechenden Wettbewerbsabsicht getragen sein. Eine solche Absicht sei dann anzunehmen, wenn jemand eigene wirtschaftliche Interessen oder die Interessen eines Dritten dahin begünstigen wolle, seinen Absatz zu behaupten und zu fördern, den von Mitbewerbern dagegen zu schmälern. Das treffe hier nach den unbedenklichen Feststellungen des Erstrichters nicht zu. Daß eine bestimmte Handlung einer Wettbewerbsabsicht entspringe, müsse grundsätzlich derjenige beweisen, der daraus Rechtsfolgen ableitet. Der objektive Charakter einer Wettbewerbshandlung könne zwar so stark sein, daß sich der besondere Nachweis der Wettbewerbsabsicht erübrige; davon könne aber hier keine Rede sein, weil ja schon die objektiven Merkmale eines Handelns zu Zwecken des Wettbewerbes fehlten. Nur bei Handlungen konkurrierender Gewerbetreibender sei die Wettbewerbsabsicht zu vermuten; sonst sei sie vom Kläger zu beweisen. Dieser Pflicht sei der Kläger nicht nachgekommen.

Dagegen wendet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und Aktenwidrigkeit mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß dem Klagehaupt-, allenfalls dem Eventualbegehren stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Beklagte und ihr Nebenintervenient beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Dem Kläger ist darin zuzustimmen, daß die Beklagte - entgegen der Meinung des Erstrichters - bei der beanstandeten Abgabe von Kohle an ihre Bediensteten im geschäftlichen Verkehr handelt. Lehre (Hohenecker-Friedl 17 f; Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht15, 266 ff Rz 206 Einl UWG) und Rechtsprechung (SZ 51/171; ÖBl. 1983, 9; ÖBl. 1988, 6 u.v.a.) stimmen darin überein, daß der "geschäftliche Verkehr" im Sinne des Wettbewerbsrechtes jede auf Erwerb gerichtete Tätigkeit - im Gegensatz zur rein privaten oder amtlichen Tätigkeit - umfaßt, maW: jede geschäftliche Betätigung im weitesten Sinn. Gewinnabsicht ist dabei nicht erforderlich; vielmehr genügt eine selbständige, zu wirtschaftlichen Zwecken ausgeübte Tätigkeit, in der eine Teilnahme am Erwerbsleben zum Ausdruck kommt. Auch wohltätige und gemeinnützige Unternehmen sowie Vereine, deren satzungsmäßiger Zweck an sich nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb ausgerichtet ist, können sich in dieser Weise betätigen (ÖBl. 1983, 9; MuR 1988, 194 mwN). Das gleiche gilt für die Anschaffung von Waren durch die Beklagte, um sie, ohne dabei einen Gewinn zu erzielen, in Erfüllung dienstvertraglicher Pflichten den eigenen Bediensteten preisgünstig zur Verfügung zu stellen. Nicht jedes Verhalten eines Unternehmers im geschäftlichen Verkehr verfolgt aber Zwecke des Wettbewerbs; zur "Wettbewerbshandlung" wird es erst im Rahmen des Wettstreites mit den Konkurrenten. Die beanstandete Handlung muß daher, wie schon die Vorinstanzen zutreffend ausgeführt haben, nicht nur objektiv geeignet sein, den Absatz der Ware oder Leistungen eines - meist des eigenen - Unternehmens zu fördern, sondern darüber hinaus auch subjektiv von der entsprechenden Wettbewerbsabsicht getragen werden (ÖBl. 1983, 9; ÖBl. 1987, 124; MuR 1988,194).

Der Kläger meint, daß die beanstandete Handlungsweise der Beklagten sehr wohl geeignet sei, ihren eigenen Absatz zu fördern. Das Berufungsgericht habe zu Unrecht nur jenen Geschäftsbereich der Beklagten in Betracht gezogen, der der Beförderung von Personen und Gütern diene; bei der allein richtigen juristischen Qualifikation der Kohlenabgabe als Kohlenverkauf sei die Beklagte aber Kohlenverkäuferin und damit Mitbewerberin der Brennstoffhändler. Daß sie damit ihr gesetzlich vorgeschriebenes Tätigkeitsgebiet überschreite, ändere daran nichts, weil es nur auf das tatsächliche Handeln und nicht auf den gesetzlichen Sollzustand ankomme. Die ÖBB-Bediensteten zählten auch zum Kundenpotential der Brennstoffhändler. Sei aber die Beklagte deren Mitbewerberin, so bestehe die Vermutung, daß sie in Wettbewerbsabsicht gehandelt habe; ihre Sache wäre es gewesen, diese Vermutung zu widerlegen. Soweit die Vorinstanzen die Wettbewerbsabsicht der Beklagten unter Hinweis darauf verneint hätten, daß sie der Kläger nicht bewiesen habe, seien sie von einer unrichtigen Beurteilung der Beweislast ausgegangen. Mangels Widerlegung der Vermutung durch die Beklagte wäre ihr Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs auch in subjektiver Hinsicht zu bejahen. Dem kann nicht gefolgt werden:

Aufgabe der Beklagten ist nach Maßgabe der ihr unmittelbar auf Grund der Gesetze oder auf Grund behördlicher Genehmigungen zustehenden Berechtigung die Beförderung von Personen und Gütern sowie die Herstellung und die Unterhaltung aller hiezu notwendigen Einrichtungen und die Besorgung aller damit zusammenhängenden oder dadurch veranlaßten Geschäfte (§ 1 Abs 1 Satz 1 des Bundesbahngesetzes BGBl. 1969/137 in der Fassung BGBl. 1984/151). Tatsächlich ist die Personen- und Güterbeförderung das wesentliche Tätigkeitsfeld der Beklagten. Daß sie durch die Abgabe von Kohle an ihre Mitarbeiter den Absatz ihrer Leistungen als Transportunternehmen fördere, behauptet der Kläger selbst nicht und trifft auch nicht zu. Als Kohlenhändlerin kann aber die Beklagte ungeachtet ihres großen Umsatzes mit diesem Brennstoff nicht angesehen werden, weil sie festgestelltermaßen die Brennstoffe ihren Bediensteten zu den Selbstkosten - ohne jeglichen Gewinn und ohne Verlust - überläßt, um ihnen damit

einen - begünstigten - Naturalbezug zu verschaffen (vgl. § 28 Abs 1 Besoldungsgesetz BGBl. 1963/170). Für den Kläger wäre aber auch dann nichts gewonnen, wenn man die Beklagte als Brennstoffhändlerin ansehen und ihren Umsatz mit Kohle demnach als objektives Handeln zu Zwecken ihres Wettbewerbes als Kohlenhändlerin bewerten wollte:

Eine Wettbewerbshandlung erfordert die Absicht, den - eigenen oder fremden - Wettbewerb zum Nachteil eines anderen Mitbewerbers zu fördern. Beim Zusammentreffen mehrerer Beweggründe reicht es aus, daß diese Absicht nicht völlig zurücktritt (Hohenecker-Friedl 20, Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht15, 283 Einl UWG Rz 232; ÖBl. 1983, 9 mwN; 4 Ob 56/88). Die Wettbewerbsabsicht hat grundsätzlich derjenige zu beweisen, der sie behauptet (ÖBl. 1983, 9 und 13 u.a.). Nach der Lebenserfahrung spricht allerdings eine tatsächliche Vermutung für die Wettbewerbsabsicht, wenn miteinander im Wettbewerb stehende Gewerbetreibende im geschäftlichen Verkehr Äußerungen machen, die objektiv geeignet sind, eigenen oder fremden Wettbewerb zu fördern (Hohenecker-Friedl aaO; Baumbach-Hefermehl 284 Rz 233 Einl UWG; ÖBl. 1983, 9 u.a.); der objektive Charakter einer (typischen) Wettbewerbshandlung unter unmittelbaren Konkurrenten kann sogar so beherrschend sein, daß sich der besondere Nachweis einer (mit-)bestimmenden Wettbewerbsabsicht im Einzelfall erübrigt (Hohenecker-Friedl aaO; Baumbach-Hefermehl aaO 285; ÖBl. 1983, 9 mwN). Keine dieser Voraussetzungen liegt aber hier vor. Daß die Beklagte, deren Unternehmensgegenstand vor allem in der Beförderung von Personen und Gütern liegt, ihren Bediensteten Brennstoffe zum Selbstkostenpreis abgibt, läßt gewiß nicht vermuten, sie tue das (auch) zu dem Zweck, den Absatz der Kohlenhändler zu beeinträchtigen und ihren eigenen Absatz an Brennstoffen erweitern. Dabei handelt es sich um keine typische Wettbewerbshandlung gegenüber den Brennstoffhändlern. Bei dieser Sachlage hätte der Kläger die Wettbewerbsabsicht der Beklagten beweisen müssen. Eine solche Wettbewerbsabsicht - deren Feststellung eine Tat- und keine Rechtsfrage ist (ÖBl. 1987, 23; MuR 1988, 194 u.a.) - ist aber unbewiesen geblieben. Die in diesem Zusammenhang geltend gemachte Aktenwidrigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs 1 ZPO).

Der Kläger meint, die Wettbewerbsabsicht der Beklagten ergebe sich zwingend daraus, daß die - offenkundige - Absicht der Beklagten, ihren Mitarbeitern eine günstige Möglichkeit zum Bezug von Kohle zu verschaffen, notwendig die Absicht in sich schließe, den Kohlenhändlern das entsprechende Nachfragevolumen zu entziehen.

Dem kann nicht zugestimmt werden: Aus dem Bewußtsein der Beklagten, daß sich durch die beanstandeten Kohlenverkäufe den Absatz von Brennstoffhändlern beeinträchtigt läßt sich noch nicht auf ihre Absicht schließen, ihren eigenen (oder eines Dritten) Absatz zu steigern; gerade das wäre aber für die Wettbewerbsabsicht wesentlich. Da somit eine Wettbewerbsabsicht der Beklagten - unabhängig von der in der Revision aufgeworfenen Frage, ob dafür Gewinnabsicht Voraussetzung ist - nicht bewiesen ist, kommt es nicht darauf an, ob die Beklagte im Zusammenhang mit der Kohlenabgabe wirtschaftliche Vorteile in Form günstigerer Preise für die Brennstoffe ihres Eigenbedarfes sowie einer besseren Auslastung ihrer Güterwaggons udgl. erzielt und dabei gegen Gesetze verstößt und mit "weitgehenden Marktfolgen" handelt. Auch die geltend gemachten Feststellungsmängel liegen mangels rechtlicher Erheblichkeit nicht vor. Da die Revision keine Rechtsausführungen zum Eventualbegehren enthält, war dessen Abweisung nicht weiter zu prüfen. Die Revision mußte mithin erfolglos bleiben.

Der Kostenausspruch gründet sich auf die § 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E17582

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0040OB00038.89.0418.000

Dokumentnummer

JJT_19890418_OGH0002_0040OB00038_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten