TE OGH 1989/4/18 15Os33/89

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Veröffentlicht am 18.04.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 18.April 1989 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Lässig als Schriftführer in der Strafsache gegen Dr. Friedrich T*** wegen der Vergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 (iVm Abs. 3 lit. a) und Abs. 2 lit. a (iVm Abs. 3 lit. b) FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung des Finanzamtes Steyr gegen das Urteil des Kreisgerichtes Steyr als Schöffengericht vom 15. Dezember 1988, GZ 12 Vr 193/88-38, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, welches im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch lt. Pkt. 2., jedoch nur wegen der Verkürzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für das Jahr 1983, und im Strafausspruch aufgehoben sowie die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung in diesem Umfang an das Erstgericht zurückverwiesen; im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und das Finanzamt darauf verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die den erfolglos gebliebenen Teil seiner Nichtigkeitsbeschwerde betreffenden Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Dr. Friedrich T*** der Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung (1.) nach § 33 Abs. 1 (iVm Abs. 3 lit. a) FinStrG und (2.) nach § 33 Abs. 2 lit. a (iVm Abs. 3 lit. b) FinStrG schuldig erkannt.

Darnach hat er in Bad Hall

(zu 1.) in den Jahren 1979 bis 1981 vorsätzlich unter Verletzung seiner abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht Abgabenverkürzungen bewirkt, indem er in seinen Umsatz- und Einkommensteuererklärungen für die Jahre 1977 bis 1981 zu niedrige Einnahmen auswies, wodurch die bescheidmäßig festzusetzende Umsatz- und Einkommensteuer für diese Jahre um insgesamt 7,335.430 S zu niedrig festgesetzt wurde, sowie

(zu 2.) in den Jahren 1982 bis 1984 wissentlich unter Verletzung seiner Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 des Umsatzsteuergesetzes 1972 entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung der Vorauszahlungen an Umsatzsteuer für die Jahre 1982 und 1983 um insgesamt 349.935 S bewirkt, wobei er dies nicht nur für möglich, sondern für gewiß hielt, indem er die betreffenden selbst zu berechnenden Abgaben in der bezeichneten Höhe nicht entrichtete. Der auf § 281 Abs. 1 Z 4, 5, 10 und 11 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen das bekämpfte Urteil kommt teilweise Berechtigung zu.

Nicht zielführend sind seine Einwände gegen die festgestellte Höhe der ihm zur last fallenden Verkürzung der Umsatz- und der Einkommensteuer sowie der Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für die Jahre 1977 bis 1982.

Denn vom Bestand einer mit Bescheid der Abgabenbehörde rechtskräftig festgestellten Abgabenschuld dem Grund und der Höhe nach ist entgegen der Beschwerdeauffassung im gerichtlichen Finanzstrafverfahren sehr wohl als Tatsache auszugehen (SSt. 48/36 = verst. Senat uva); die solcherart faktische Bindungswirkung rechtskräftiger Abgabenbescheide für die Gerichte folgt aus der Trennung der Justiz von der Verwaltung (Art. 94 B-VG), weil die Negierung von konstitutiven Akten zuständiger Behörden des einen Bereichs der staatlichen Vollziehung durch Organe des anderen auf eine unzulässige Überprüfung der betreffenden Entscheidungen durch letztere auf ihre materielle Richtigkeit hinausliefe (vgl. RZ 1989/10 uam). Insoweit ist demnach die Frage nach einer Bindung der Abgabenstrafbehörden an derartige Bescheide im verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren, auf welche sich die mit der Beschwerde relevierten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes beziehen, der hier aktuellen Problematik nicht gleichgelagert.

Auch Art. 6 MRK steht dieser faktischen Bindung der Strafgerichte an rechtskräftige Abgabenbescheide nicht entgegen, zumal damit weder eine Strafbarkeit des Abgabenschuldners vorweggenommen noch jenem ein in der Rechtsordnung vorgesehenes Verteidigungsmittel gegen den Vorwurf strafbaren Verhaltens abgeschnitten wird (vgl. EvBl. 1983/76 ua); unterliegen doch die über die tatbestandsmäßige Abgabenverkürzung - die auf der objektiven Tatseite durch den bescheidmäßigen Bestand der Abgabenforderung dargetan ist - hinaus aktuellen Tatbildmerkmale gleichwie die subjektive Tatseite (und die Schuld, einschließlich des Bewußtseins der Rechtswidrigkeit) jedenfalls der uneingeschränkt eigenständigen Prüfung durch das erkennende Gericht (vgl. abermals SSt. 48/36, RZ 1989/10 ua).

Für die Jahre 1977 bis 1981 sind demgemäß die Feststellungen über die Höhe der vom Beschwerdeführer zu verantwortenden Verkürzung der Umsatz- sowie der Einkommensteuer (und damit der entsprechenden Ansätze zur Ermittlung des strafbestimmenden Wertbetrages) durch die aktengetreue Bezugnahme auf die betreffenden rechtskräftigen Abgabenbescheide (einschließlich der darauf beruhenden Berechnungen des Finanzamtes) durchaus zureichend begründet worden (vgl. RZ 1984/36 ua); für die Annahme von - der Sache nach auch mit der Subsumtionsrüge (Z 10) ausschließlich geltend

gemachten - Begründungs- (Z 5) oder Verfahrensmängeln (Z 4) sowie einer rechtsirrigen Berechnung des Strafrahmens (Z 11) ist insoweit nach dem zuvor Gesagten kein Raum.

Gleiches gilt für die Konstatierung des Ausmaßes der durch die Nichtentrichtung ausreichender Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für das Jahr 1982 bewirkten Abgabenverkürzung, weil dafür, daß die nach dem rechtskräftigen Abgabenbescheid für jenes Jahr vom Angeklagten zu entrichtende Umsatzsteuer der Höhe nach etwa nicht im vollen Umfang schon von der Voranmeldungs- und Vorauszahlungspflicht nach § 21 UStG erfaßt gewesen sein könnte, aus dessen Verantwortung gleichermaßen wie aus den übrigen Verfahrensergebnissen keinerlei Anhaltspunkt zu gewinnen ist.

In bezug auf die bisher erörterten Abgabenverkürzungen war daher die Nichtigkeitsbeschwerde nach Anhörung der Generalprokuratur bereits in nichtöffentlicher Sitzung sofort zurückzuweisen (§ 285 d Abs. 1 Z 2 und Z 1 iVm § 285 a Z 2 StPO).

Rechtliche Beurteilung

Bei der Feststellung einer Verkürzung auch der Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für das Jahr 1983 hingegen hat sich das Erstgericht nicht auf einen rechtskräftigen Abgabenbescheid gestützt. Für diese Konstatierung vermag demzufolge der unsubstantiierte bloße Hinweis auf die Ergebnisse des finanzbehördlichen Verfahrens umsoweniger eine ausreichende Begründung abzugeben, als die der Annahme einer Unbedenklichkeit der hier aktuellen Berechnungen des Finanzamtes zugrunde liegende Erwägung, letztere stünden zu den die Vorjahre betreffenden "keinesfalls in auffallendem Widerspruch", nicht zutrifft. Wird doch dabei nicht nur dem Beschwerdeführer jene (auf dem Berechnungsblatt ursprünglich immerhin alternativ vorgesehen gewesene) Reduktion des vom Finanzamt veranschlagten Hinzuschätzungs-Prozentsatzes zu den von ihm deklarierten Privathonoraren (um 15 %), die ihm in Ansehung der Vorjahre im Berufungsverfahren zugestanden worden war, für das Jahr 1983 ohne ersichtlichen Grund verwehrt, sondern zudem bei der Errechnung der Abgabenverkürzung anders als für die Vorjahre (anscheinend versehentlich) auf die volle Höhe der hinzugeschätzten ("Brutto"-) Honorareingänge abgestellt anstatt auf den um die darauf entfallende (verkürzte) Umsatzsteuer (-Vorauszahlung) verminderten ("Netto"-) Betrag der betreffenden Einnahmen (S 17/II; S 254 bis 256 des Finanzstrafaktes); mit diesen Umständen hätte sich demnach das Schöffengericht bei der Feststellung der (dadurch tangierten) Höhe des Verkürzungsbetrages für das Jahr 1983 mit 195.024 S jedenfalls auseinandersetzen müssen.

Schon der damit aufgezeigte, von der Beschwerde - im Rahmen der Subsumtionsrüge (Z 10) der Sache nach - erfaßte Begründungsmangel des Urteils (Z 5) läßt im davon betroffenen Umfang eine Verfahrenserneuerung in erster Instanz als unumgänglich erscheinen, sodaß insoweit gleichfalls bereits bei der nichtöffentlichen Beratung wie im Spruch zu erkennen war (§ 285 e StPO), ohne daß es einer Erörterung des darauf bezogenen weiteren Beschwerdevorbringens bedarf.

Anmerkung

E17190

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0150OS00033.89.0418.000

Dokumentnummer

JJT_19890418_OGH0002_0150OS00033_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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