Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R*** T*** G*** Druckformengesellschaft mbH & Co. KG, Graz Jauerburggasse 25, vertreten durch Dr.Gerhard Richter und Dr.Rudolf Zahlbruckner, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei S*** W*** Gesellschaft mbH, Klagenfurt, Mantschehofgasse 1, vertreten durch Dr.Günther Nowak, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen S 130.080,-- s.A., infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 10. November 1988, GZ 6 R 196/88-41, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 3.Juni 1988, GZ 19 Cg 74/86-36, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit S 6.172,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (davon S 1.028,70 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin erhielt von dem als "freier Mitarbeiter" der Beklagten tätigen Paul S*** den Auftrag zur Herstellung von "122 Vierfarblithos auf 40 Seiten A 4
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'15651 Steyr-Fiat'" (Beilage K)
und stellte hiefür S 130.080 in Rechnung. Sie begehrt von der Beklagten die Zahlung dieses Betrages s.A..
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, daß sie mit der Klägerin nie in Geschäftsverbindung gestanden sei und insbesondere den oben genannten Auftrag nicht erteilt habe. Diesen habe Paul S*** nicht in ihrem Namen, sondern in Vertretung der I*** T*** T*** Import-Export GmbH (kurz: Firma T***) als Subunternehmerin der S*** Handelsgesellschaft mbH (kurz: Firma S***) erteilt; nur gelegentlich sei Paul S*** auch freier Mitarbeiter der Beklagten gewesen. Die Firma S*** habe von der S***utohandels- und Service GmbH (kurz: Firma S***) den Auftrag zur Herstellung von Werbekatalogen erhalten.
Die Klägerin erwiderte, daß sie mit der Beklagten schon seit einigen Jahren in Geschäftsverbindung stehe. Für die Beklagte habe hiebei stets Paul S*** gezeichnet; bei der gegenständlichen Bestellung habe er aber nicht erwähnt, nunmehr nicht für die Beklagte aufzutreten. Die Klägerin habe von den von der Beklagten behaupteten tatsächlichen Auftraggebern keine Kenntnis gehabt. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren - mit Ausnahme der (in Rechtskraft erwachsenen) Abweisung eines Teils des Zinsenbegehrens - statt und traf folgende wesentliche Feststellungen:
Paul S*** war als "freier Mitarbeiter" bzw. als
"freischaffender Handelskaufmann" für die Beklagte tätig; ferner war er auch freier Mitarbeiter der Firma T*** und verrichtete außerdem graphische Arbeiten für die Firma S***. Paul S*** hatte der Klägerin schon vor dem klagegegenständlichen Geschäftsfall wiederholt Aufträge im Namen der Beklagten erteilt; wenn er dabei mit der Klägerin in Verbindung trat, ging es stets nur um Geschäftskontakte mit der Beklagten. Den gegenständlichen Auftrag erteilte Paul S*** der Klägerin am 31.Juli 1985. Er wollte den Auftrag, Druckunterlagen herzustellen, im Namen der Firma T*** erteilen, sagte das aber der Klägerin nicht und erwähnte auch nicht, daß die Druckunterlagen für die Firma T*** und nicht für die Beklagte bestimmt seien.
Paul S*** erteilte der Klägerin den Auftrag, die Vorabzüge der Firma S*** zu übermitteln, von der auch ein Teil der zur Durchführung des Auftrages notwendigen Unterlagen stammte; den größten Teil der Unterlagen erhielt die Klägerin allerdings von Paul S***. Die Firma S*** stellte die Vorabzüge der Klägerin zurück. Die Klägerin richtete die mit dem gegenständlichen Auftrag zusammenhängenden Rückfragen wegen der graphischen Gestaltung an Paul S***, der für sie unter der Anschrift der Beklagten erreichbar war. Paul S*** ersuchte einen Angestellten der Klägerin fernmündlich, die Rechnung über den Auftrag an die Firma S*** zu legen, die jedoch eine Zahlung ebenso wie die Firma S*** ablehnte, so daß die Klägerin die Arbeiten schließlich der Beklagten (als vermeintlicher Auftraggeberin) übermittelte. Die fertigen Arbeiten übersandte die Klägerin ebenfalls der Beklagten zu Handen Paul S***, der die Ware unwidersprochen übernahm. "Auch die Beklagte widersprach der Warenübernahme nicht".
Das Erstgericht war der Ansicht, die Klägerin habe der berechtigten Meinung sein können, daß der Auftrag von der Beklagten erteilt worden sei, weil Paul S*** bei seinen früheren Bestellungen stets diesen Eindruck erweckt habe; dies gehe zu Lasten der Beklagten, die sich Paul S*** bedient habe. Die Beklagte sei daher als Vertragspartnerin des Klägers anzusehen. Das Verhalten Paul S*** sei der Sphäre der Beklagten zuzurechnen. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge, bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß die Revision nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig sei.
Es stellte ergänzend fest, daß die Beklagte im Jahre 1985 bis zum Zeitpunkt der strittigen Bestellung (31.Juli 1985) insgesamt sechs weitere Bestellungen (am 29.Jänner, 4. und 23.Februar, 5.März, 7. Juni, 15.Juli) schriftlich unter Verwendung ihres mit der Firma versehenen Papiers vorgenommen habe. Sämtliche Bestellschreiben seien von Paul S*** ohne jeden auf seine selbständige Vertreterstellung hinweisenden Zusatz eigenhändig unterschrieben worden; in drei Fällen sei die Unterschrift unmittelbar unter die Firmenbezeichnung "S*** Siebdruck Klagenfurt" gesetzt worden. Paul S*** habe den Namen seines Machtgebers nicht ausdrücklich offengelegt, doch könne dies auch schlüssig geschehen. Da die bisherigen Kontakte der Streitteile stets von Paul S*** hergestellt worden seien und alle vorausgehenden Bestellungen im Jahre 1985 von Paul S*** ohne jeden Hinweis auf seine Stellvertretereigenschaft unterfertigt worden seien, habe bei der Klägerin der Eindruck entstehen können, daß der bei der Beklagten telefonisch erreichbare Paul S*** ein Organ der Beklagten sei; sie habe daher auch die gegenständliche Bestellung bei Überlegung aller Umstände als für die Beklagte vorgenommen ansehen können. Aus denselben Gründen seien aber auch Umstände vorgelegen, die bei der Klägerin den begründeten Glauben erwecken durften, daß Paul S*** so wie in den vorausgehenden Geschäftsfällen auch diesmal zum Abschluß eines "unternehmensbezogenen" Rechtsgeschäftes für die Beklagte befugt gewesen sei. Die Beklagte habe durch die Art der Unterfertigung ihrer Bestellschreiben durch Paul S*** im Jahre 1985 den Eindruck erweckt, als ob dieser geradezu ihrer Betriebsorganisation angehöre, und damit einen entsprechenden "äußeren Tatbestand" geschaffen, der die Überzeugung der Klägerin vom Vorhandensein der Vertretungsmacht Paul S*** zu begründen vermocht habe; diesen Schluß habe die Klägerin aus dem Verhalten Paul S*** auch tatsächlich gezogen.
Die Beklagte erhebt gegen das Urteil des Berufungsgerichtes Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde; hilfsweise stellt sie Aufhebungsanträge. Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision der Beklagten nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Aus den ergänzenden Feststellungen des Berufungsgerichtes geht hervor, daß der als "freier Mitarbeiter" ("freischaffender Handelskaufmann") für die Beklagte tätige Paul S*** im Jahre 1985 vor dem klagegegenständlichen Geschäftsfall insgesamt sechsmal bei der Klägerin schriftlich Bestellungen aufgegeben und hiebei das Briefpapier der Beklagten verwendet hatte. Dazu war er - nach der Aussage des Geschäftsführers der Beklagten - für Anbote, Auftragserteilungen und Auftragsentgegennahmen und eventuelle Absprachen mit Reproanstalten wie der Klägerin berechtigt. Paul S*** war daher in diesem Rahmen "intern" bevollmächtigt (vgl Koziol-Welser, Grundriß8, 160), für die Beklagte aufzutreten. Von der Frage, ob eine Bevollmächtigung vorliegt, getrennt ist jedoch die Frage zu prüfen, ob der Bevollmächtigte dem Kontrahenten gegenüber als Vertreter auftritt, d.h. ob er das Vollmachtsverhältnis offengelegt hat (Strasser in Rummel, ABGB, Rz 50 zu § 1002). Eine ausdrückliche Mitteilung der Vollmacht Paul S*** an die Klägerin erfolgte nicht. Eine Vollmacht kann jedoch auch durch schlüssiges Verhalten offengelegt werden (Strasser in Rummel aaO Rz 49 und 50 zu § 1002). Für die Frage, ob im eigenen oder fremden Namen gehandelt wird, ist entscheidend, wie das Verhalten des Handelnden nach der Verkehrssitte verstanden werden mußte. Hiebei hat der Wille des Handelnden in den Hintergrund zu treten, ja er kann unter Umständen sogar völlig bedeutungslos sein (HS 10.176, 10.196, 10.212, 10.220; EvBl 1981/168 ua). Die wiederholte Verwendung des Briefpapiers der Beklagten durch Paul S*** konnte von der Klägerin nach der Verkehrssitte nur dahin verstanden werden, daß Paul S*** bei den aufgegebenen Bestellungen im Namen der Beklagten handelte, was bei den ersten sechs Geschäftsfällen auch tatsächlich der Fall war. Mangels sonstiger Hinweise durfte die Klägerin Paul S*** für ein ausschließlich für die Beklagte tätiges Organ (Angestellter, Handlungsbevollmächtigter) halten. Auf Grund der Art und Weise der schlüssigen Offenlegung der bestehenden Vollmacht blieb der Klägerin verborgen, daß Paul S*** als "freier Mitarbeiter" ("freischaffender Handelskaufmann") (regelmäßig?) auch für andere Unternehmen aufgetreten ist. Damit durfte aber die Klägerin auch bei dem hier strittigen Geschäftsfall davon ausgehen, daß Paul S*** wiederum im Namen der Beklagten auftrat. Die geänderte Form der Aufgabe der Bestellung - nämlich nicht mehr schriftlich, sondern fernmündlich - mußte bei der Klägerin nicht den Verdacht erwecken, daß Paul S*** diesmal in anderer Funktion als für die Beklagte tätig werde, weil sie mit Paul S*** vor diesem Geschäftsfall stets nur als Vertreter der Beklagten Kontakt gehabt hatte und er ihr gegenüber niemals für sich persönlich oder für dritte Unternehmen aufgetreten war. Die fernmündliche Form der Bestellung ließ somit nur den Schluß zu, daß die Bestellung dringend war oder daß sich der der Klägerin bereits bekannte Besteller eben diesmal die Abfassung eines Bestellungsschreibens ersparen wollte. Der vom Revisionswerber hervorgehobene allgemeine Grundsatz, daß derjenige, der nicht im eigenen Namen, sondern als Vertreter eines anderen abschließen will, dies dem Vertragspartner eindeutig zum Ausdruck bringen muß (JBl 1980, 535; HS 10.220; SZ 53.138 uva), widrigenfalls die Wirkung der direkten Stellvertretung nicht eintritt und der Vertreter persönlich für die Verbindlichkeiten aus dem Rechtsgeschäft haftet (EvBl 1972/12; EvBl 1981/168; HS 10.220; EvBl 1987/202), im Zweifel also ein Eigengeschäft anzunehmen ist, kommt im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung, weil die Vollmacht Paul S***, für die Beklagte zu handeln, vor dem gegenständlichen Geschäft wiederholt schlüssig offengelegt worden war; der äußere Anschein sprach daher auch beim gegenständlichen Geschäft mangels jeglicher gegenteiligen Hinweise Paul S*** dafür, daß er wiederum für die Beklagte tätig werden wollte, zumal es sich um ein typisches unternehmensbezogenes Rechtsgeschäft von der Art der vorher geschlossenen (siehe Beilage P) handelte, so daß auch der Anschein, es liege diesmal eine Privatbestellung Paul S*** vor, nicht erweckt wurde. Daß Paul S*** aber, wie festgestellt, für ein drittes Unternehmen tätig werden wollte, hat er mit keinem Wort offengelegt, obwohl er dazu verpflichtet gewesen wäre.
Für das Vorliegen eines Eigengeschäftes des Vertreters oder für das Tätigwerden im Namen eines anderen Auftraggebers als der Beklagten sprach aber auch nicht, daß das Auftragskennwort "Steyr Fiat" lautete und die Klägerin für die Durchführung des Auftrages auch von der Firma S*** Unterlagen erhalten und vor der Fertigstellung Vorabzüge an diese zu übermitteln hatte. Da die Beklagte nach ihrer Firmenbezeichnung (W*** GesmbH) und ihrem Geschäftsgegenstand (Beilage 7) unter anderem Kunststoffe bedruckt (= für Dritte Werbekleber herstellt), ist es nicht ungewöhnlich, wenn sie ihrem Subunternehmer den Auftrag erteilt, das herzustellende Werk vom Auftraggeber des Hauptunternehmers genehmigen zu lassen. Im übrigen war nicht die Firma S*** sondern die Firma T*** der von Paul S*** nicht offengelegte wahre Auftraggeber.
Die Klägerin durfte daher das Verhalten Paul S*** mangels jeglicher Offenlegung seines Auftraggebers auch beim klagegegenständlichen Auftrag dahin verstehen, daß er im Rahmen seiner bestehenden Vollmacht für die Beklagte handelte. Damit kommt es aber hier auf die bei Scheinvertretungen haftungsbegründende Voraussetzung, daß das Vertrauen des Dritten seine Grundlage im Verhalten des nur scheinbar Vertretenen haben muß, das diesen äußeren Tatbestand schafft und die Überzeugung des Dritten vom Vorhandensein der Vertretungsmacht begründet (JBl 1981, 151; SZ 57/209; JBl 1986, 784; Koziol-Welser aaO 162), nicht an. Für das Handeln im Rahmen der bestehenden Vollmacht war aber nicht der Wille des mit Vollmacht der Beklagten handelnden Paul S*** entscheidend, sondern wie die Klägerin seine Erklärungen als redliche Erklärungsempfängerin verstehen durfte. Die Vorgangsweise Paul S*** ist danach als Handeln für die Beklagte anzusehen, bei dem Paul S*** seine Vollmacht mißbraucht hat, weil er zwar im Rahmen der erteilten Vollmacht, aber unter Verstoß gegen deren Begrenzungen im Innenverhältnis gehandelt hat (Strasser in Rummel aaO Rz 23 zu § 1018; auch Stanzl in Klang2 IV/1, 857). Paul S*** durfte ja Aufträge an Reproanstalten wie die Klägerin erteilen, aber selbstverständlich nur dann, wenn das Werk für die Beklagte und nicht für ein anderes Unternehmen bestimmt war. Ein solcher Vollmachtsmißbrauch berührt grundsätzlich die Wirksamkeit des Geschäftes mit dem Dritten nicht (Strasser in Rummel aaO; Koziol-Welser aaO 168). Da die Klägerin von der Auftragsüberschreitung durch Paul S*** (unverschuldet) keine Kenntnis hatte, haftet ihr die Beklagte aus der von Paul S*** vorgenommenen Bestellung. Die Beklagte hat sich wegen des allfälligen Ersatzes an ihren unkorrekten Vertreter zu halten. Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E17293European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1989:0040OB00521.89.0418.000Dokumentnummer
JJT_19890418_OGH0002_0040OB00521_8900000_000