TE Vwgh Erkenntnis 2005/10/20 2005/07/0076

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Veröffentlicht am 20.10.2005
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
83 Naturschutz Umweltschutz;

Norm

AVG §45 Abs2 impl;
AVG §45 Abs2;
AWG 1990 §1 Abs3 Z3;
AWG 1990 §32 Abs1 idF 1998/I/151;
AWG 2002 §1 Abs3;
AWG 2002 §15 Abs3;
AWG 2002 §2 Abs2;
AWG 2002 §73 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Graf und die Hofräte Dr. Bumberger, Dr. Beck, Dr. Hinterwirth und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Chlup, über die Beschwerde des R S in G, vertreten durch Keimel Baldauf Schnalzer, Rechtsanwälte KEG in 8280 Fürstenfeld, Bismarckstraße 5, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Burgenland vom 23. März 2005, Zl. 5-W-AW1083/6-2004, betreffend einen Behandlungsauftrag nach dem Abfallwirtschaftsgesetz 2002, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 23. März 2005 wurde dem Beschwerdeführer der auf § 73 Abs. 1 des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 102/2002 (AWG 2002), gestützte Auftrag erteilt, eine Reihe näher umschriebener Autowracks von Grundstücken der KG G zu entfernen und nachweislich einer ordnungsgemäßen Behandlung oder Lagerung zuzuführen.

In der Begründung heißt es, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes könne nach der Lebenserfahrung davon ausgegangen werden, dass in Autowracks umweltrelevante Mengen an gefährlichen Anteilen und Inhaltsstoffen enthalten seien und es daher keiner detaillierten Untersuchung der Autowracks bedürfe, um von einem derartigen Sachverhalt ausgehen zu können. In einem solchen Fall sei es Sache des Adressaten eines Behandlungsauftrages, präzise anzugeben, dass und aus welchen Gründen diese Annahme in seinem Fall nicht zutreffen sollte.

Die vom erstinstanzlichen Bescheid erfassten Fahrzeuge würden als havariert, zum Teil "stark verrostet oder verrostet", Unfallautos, ohne gültige amtliche Prüfplakette bezeichnet. Gründe, warum diese Fahrzeuge umweltgefährdende Anlagenteile (z.B. Starterbatterie) oder Inhaltsstoffe (z.B. Öl, Bremsflüssigkeit) nicht mehr beinhalten sollten, seien im Verfahren nicht hervorgekommen und werde dies vom Beschwerdeführer auch gar nicht behauptet.

Es könne daher davon ausgegangen werden, dass die gegenständlichen, auf unbefestigten Flächen gelagerten Fahrzeuge umweltrelevante Mengen an gefährlichen Anteilen und Inhaltsstoffen enthielten, sodass die Gefahr einer Verunreinigung der Umwelt über das unvermeidliche Maß hinaus bestehe. Es handle sich somit um bewegliche Sachen, deren Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich sei, um öffentliche Interessen nicht zu beeinträchtigen.

Bei der (von der Erstbehörde durchgeführten) Augenscheinsverhandlung sei festgestellt worden, dass die Fahrzeuge auf unbefestigten Flächen im Freien gelagert würden. Dabei handle es sich weder um einen für die Sammlung oder Behandlung vorgesehenen geeigneten Ort im Sinne des § 15 Abs. 3 AWG 2002 noch liege eine entsprechende Anlagengenehmigung vor.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Der Beschwerdeführer bringt vor, die belangte Behörde habe "ohne eingehende oder überhaupt stattgefunden habende Prüfung" den gegenständlichen Sachverhalt ohne weiters unter § 73 Abs. 1 bzw. § 1 Abs. 3 sowie § 2 Abs. 1 und § 15 Abs. 3 AWG subsumiert.

Jene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach nach allgemeiner Lebenserfahrung davon ausgegangen werden könne, dass Autowracks umweltrelevante Mengen an gefährlichen Anteilen und Inhaltsstoffen enthielten, sei auf den Beschwerdefall nicht anzuwenden, weil der gegenständliche Sachverhalt schon seit 1999 in diversen Verfahren bei der BH G anhängig sei und insbesondere "amtskundig" sei, dass bei den Fahrzeugen des Beschwerdeführers sämtliche Betriebsflüssigkeiten entfernt worden seien. Ein diesbezügliches Vorbringen habe der Beschwerdeführer auch in der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhoben. Sowohl die Erstbehörde als auch die belangte Behörde hätten jegliche Prüfung unterlassen, ob die Gegenstände des Behandlungsauftrages - Kraftfahrzeuge - geeignet seien, eine im Sinne des AWG relevante Umweltgefährdung bzw. Gefährdung der öffentlichen Interessen herbeizuführen. Dazu hätte es der Beiziehung eines Sachverständigen bedurft. Bei den vom Behandlungsauftrag erfassten Kraftfahrzeugen handle es sich nicht um abgestellte Kraftfahrzeuge bzw. normale Autowracks, sondern um Sammlerstücke, aus denen sämtliche Betriebsflüssigkeiten entfernt worden seien. Es handle sich daher auch nicht um Autowracks. Diese Fahrzeuge repräsentierten einen enormen Sammlerwert. Allein schon diese Tatsache bzw. die Tatsache der Betriebsbereitschaft eines Großteiles dieser Fahrzeuge (nach Befüllen mit den dafür erforderlichen Betriebsstoffen) weise unwiderlegbar darauf hin, dass von diesen Kraftfahrzeugen keine Umweltgefährdung ausgehen könne. Zur Entscheidungsfindung wäre es erforderlich gewesen, die Kraftfahrzeuge einer entsprechenden KFZ-technischen Untersuchung zuzuführen bzw. als primäre Vorfrage die Frage einer Umweltgefährdung zu klären.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 73 Abs. 1 AWG 2002 lautet:

"Behandlungsauftrag

"§ 73. (1)

1. Werden Abfälle nicht gemäß den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes oder nach diesem Bundesgesetz erlassenen Verordnungen gesammelt, gelagert oder behandelt,

2. werden Abfälle nicht gemäß den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes oder der EG-VerbringungsV befördert oder verbracht oder

3. ist die schadlose Behandlung der Abfälle zur Vermeidung von Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) geboten,

hat die Behörde die erforderlichen Maßnahmen, einschließlich der Untersagung des rechtswidrigen Handelns, dem Verpflichteten mit Bescheid aufzutragen."

Was unter dem Begriff "Abfälle" zu verstehen ist, ergibt sich aus § 2 AWG 2002. Dessen für den Beschwerdefall einschlägige Bestimmungen lauten:

"Begriffsbestimmungen

§ 2. (1) Abfälle im Sinne dieses Bundesgesetzes sind bewegliche Sachen, die unter die in Anhang 1 angeführten Gruppen fallen und

1. deren sich der Besitzer entledigen will oder entledigt hat oder

2. deren Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich ist, um die öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) nicht zu beeinträchtigen.

(2) Als Abfälle gelten Sachen, deren ordnungsgemäße Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall im öffentlichen Interesse erforderlich ist, auch dann, wenn sie eine die Umwelt beeinträchtigende Verbindung mit dem Boden eingegangen sind. Die Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall im öffentlichen Interesse kann auch dann erforderlich sein, wenn für eine bewegliche Sache ein Entgelt erzielt werden kann.

(3) Eine geordnete Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist jedenfalls solange nicht im öffentlichen Interesse (§ 1 Abs. 3) erforderlich, solange

1.

eine Sache nach allgemeiner Verkehrsauffassung neu ist oder

2.

sie in einer nach allgemeiner Verkehrsauffassung für sie bestimmungsgemäßen Verwendung steht."

Der im § 2 Abs. 3 AWG 2002 zitierte § 1 Abs. 3 AWG 2002 hat folgenden Wortlaut:

"(3) Im öffentlichen Interesse ist die Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich, wenn andernfalls

1. die Gesundheit der Menschen gefährdet oder unzumutbare Belästigungen bewirkt werden können,

2. Gefahren für die natürlichen Lebensbedingungen von Tieren oder Pflanzen oder für den Boden verursacht werden können,

3. die nachhaltige Nutzung von Wasser oder Boden beeinträchtigt werden kann,

4. die Umwelt über das unvermeidliche Ausmaß hinaus verunreinigt werden kann,

5.

Brand- oder Explosionsgefahren herbeigeführt werden können,

6.

Geräusche oder Lärm im übermäßigen Ausmaß verursacht werden können,

              7.              das Auftreten oder die Vermehrung von Krankheitserregern begünstigt werden können,

              8.              die öffentliche Ordnung und Sicherheit gestört werden kann oder

              9.              Orts- und Landschaftsbild erheblich beeinträchtigt werden können."

Die Erstbehörde hat am 28. Juni 2004 eine mit einem Ortsaugenschein verbundene mündliche Verhandlung durchgeführt, bei der auch der Beschwerdeführer anwesend war. Bei dieser Verhandlung wurden durch einen wasser- und abfalltechnischen Amtssachverständigen die den Gegenstand des angefochtenen Bescheides bildenden Objekte (Kraftfahrzeuge) besichtigt, beschrieben und begutachtet und dabei festgestellt, dass durch diese Objekte öffentliche Interessen im Sinne des § 1 Abs. 3 AWG 2002 beeinträchtigt werden.

Die Beschreibung der vom Behandlungsauftrag erfassten Objekte durch den Sachverständigen in Verbindung mit dem Umstand, dass von ihnen Gefahren für die Interessen im Sinne des § 1 Abs. 3 AWG 2002 ausgehen können, rechtfertigt ihre Einstufung als Abfall.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann nach der Lebenserfahrung davon ausgegangen werden, dass in Autowracks, die auf unbefestigtem Boden gelagert werden, umweltrelevante Mengen an gefährlichen Anteilen und Inhaltsstoffen enthalten sind und es daher keiner detaillierten Untersuchung der Autowracks bedarf, um von einem derartigen Sachverhalt ausgehen zu können. In einem solchen Fall ist es Sache des Adressaten eines Behandlungsauftrages, präzise anzugeben, dass und aus welchen Gründen diese Annahme in seinem Fall nicht zutreffen sollte (vgl. das Erkenntnis vom 25. März 2004, 2003/07/0169, und die dort angeführte Vorjudikatur).

Entgegen der Behauptung in der Beschwerde hat der Beschwerdeführer weder im Verfahren vor der Erstbehörde noch in der Berufung ein Vorbringen erstattet, aus dem ersichtlich wäre, dass und aus welchen Gründen in den beschwerdegegenständlichen Autowracks keine umweltrelevanten Mengen an gefährlichen Anteilen und Inhaltsstoffen mehr enthalten seien. Er hat in der Berufung lediglich bemängelt, dass die Erstbehörde nicht erwähne, ob die Fahrzeuge Betriebsflüssigkeiten enthielten. Dass ein solches Vorbringen nicht ausreicht, zu belegen, dass in den Fahrzeugen keine Betriebsflüssigkeiten und dergleichen mehr enthalten sind, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrmals ausgesprochen (vgl. das Erkenntnis vom 25. März 1999, 99/07/0002).

Ob die Fahrzeuge für den Beschwerdeführer einen Wert darstellen, ist für ihre Abfalleigenschaft ohne Bedeutung, bestimmt doch § 2 Abs. 2 AWG 2002 ausdrücklich, dass die Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall im öffentlichen Interesse auch dann erforderlich sein kann, wenn für eine bewegliche Sache ein Entgelt erzielt werden kann.

Die erstmals in der Beschwerde aufgestellte Behauptung, der Behörde sei aus früheren Verfahren bekannt, dass in den Autowracks keine umweltrelevanten Mengen an gefährlichen Anteilen und Inhaltsstoffen mehr enthalten seien, stellt eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung dar.

Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 20. Oktober 2005

Schlagworte

Beweiswürdigung Sachverhalt angenommener geklärterBeweismittel Augenschein

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2005070076.X00

Im RIS seit

14.11.2005

Zuletzt aktualisiert am

23.03.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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