TE OGH 1989/4/19 8Ob636/88

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Veröffentlicht am 19.04.1989
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf. Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch, Dr. Huber, Dr. Schwarz und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Maria B***, Landwirtin, Perweingut, Laubichl 11, 5432 Pfarrwerfen, vertreten durch Dr. Wilfried Haslauer, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei R*** Ö***, vertreten durch die

F***, Singerstraße 17-19, 1011 Wien, wegen S 311.457 s. A. infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 22.April 1988, GZ 2 R 194/87-34, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 15.April 1987, GZ 4 Cg 265/84-27, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 12.686,25 (darin enthalten S 978,75 an Umsatzsteuer und S 1.920 an Barauslagen) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist Eigentümerin des "Perweingutes" in Pfarrwerfen. Der zu diesem Gut gehörende Waldbestand auf dem Grundstück Nr 44 der EZ 81 KG Grub liegt in unmittelbarer Nachbarschaft der Tauernautobahn. Mit Bescheid des Landeshauptmanns von Salzburg vom 23.12.1970 wurden zum Zweck der Errichtung der Tauernautobahn aus der seinerzeit im Eigentum der Klägerin und ihres mittlerweile verstorbenen Ehegatten Josef B*** stehenden Liegenschaft EZ 81 KG Grub unter anderem Teile des Waldgrundstückes Nr 44 im Ausmaß von

25.530 m2 enteignet. Die vom Landeshauptmann für Salzburg für die Inanspruchnahme der Grundflächen festgesetzte Enteignungsentschädigung betrug S 3,111.654,25. Am 4.2.1972 schlossen die Ehegatten Josef und Maria B*** mit der beklagten Partei zur Vermeidung des Gerichtsweges ein Übereinkommen über die Enteignungsentschädigung. Dabei vereinbarten beide Vertragsparteien unter Verzicht auf die Einbringung eines Antrags auf gerichtliche Neufestsetzung der Entschädigung eine endgültige Enteignungsentschädigung von S 3,055.440. Im Punkt 6. dieser Vereinbarung erklärten die Grundeigentümer, für alle wie immer gearteten vermögensrechtlichen Nachteile, die auf die Enteignung zurückzuführen sind und im Enteignungsbescheid behandelt wurden, mit der oben genannten Summe ein für allemal endgültig abgefunden zu sein. In der Enteignungsverhandlung hatte der forstfachliche Gutachter ausgeführt, daß wegen der Notwendigkeit der Rodung des enteigneten Teils der Waldparzelle Nr 44 und des Abbaus des Geländes auf das Niveau der Autobahntrasse Windbruch- und Schneebruchschäden auf dem verbleibenden Waldgrundstück eintreten werden, die wegen der Unsicherheit ihres Ausmaßes derzeit nicht eingeschätzt und abgegolten werden könnten; solche Schäden seien daher ehestens nach Eintritt eines Schadens der Autobahnverwaltung zwecks nachträglicher Abgeltung bekanntzugeben. Auch der Rechtsvertreter der Ehegatten Josef und Maria B*** gab dazu an, daß durch die Anlegung der Autobahntrasse der sogenannte Perweinwald im Bereich der Parzelle Nr 44 oberhalb der Autobahntrasse künftig für Windwürfe gefährdet sei, für welchen Fall sich die Grundeigentümer weitere Schadenersatzansprüche vorbehielten. Dazu erklärte der Vertreter der Autobahnverwaltung, daß die Frage der Schadenshaftung laut ABGB zu regeln sein werde, daß es daher gesonderter Anmeldungen solcher Forderungen schon vor Schadenseintritt "rechtlich nicht bedürfe". Allfällige künftige Windbruchschäden wurden demnach bei der Festsetzung der Enteignungsentschädigungssumme nicht berücksichtigt. Der Ersatz solcher Schäden wurde mit der Begründung abgelehnt, daß sie mit der Enteignung selbst nichts zu tun hätten. Die Autobahnverwaltung wollte sich erst nach dem Auftreten solcher Schäden damit auseinandersetzen.

Am 16.6.1971 stellte die Autobahnverwaltung beim Amt der Salzburger Landesregierung an die Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau den Antrag, für die für den Straßenbau eingelösten Grundflächen die Rodungsbewilligung zu erteilen. Der Antrag bezog sich auch auf die 25.530 m2 aus dem Waldgrundstück Nr 44 der EZ 81 KG Grub. In der mündlichen Verhandlung vom 16.12.1971 erklärte Josef B***, als Waldnachbar bzw Vorbesitzer der enteigneten Waldflächen keinen Einwand gegen die Erteilung der Rodungsbewilligung zu erheben. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft St.Johann im Pongau vom 10.5.1972 wurde der Autobahnverwaltung beim Amt der Salzburger Landesregierung die Rodungsbewilligung für die enteigneten 25.530 m2 aus der Waldparzelle Nr 44 EZ 81 KG Grub zur Errichtung der Tauernautobahn im Abschnitt Wengerbach-Klausgraben erteilt.

Mit rechtskräftigem Bescheid des Amtes der Salzburger Landesregierung vom 27.3.1979 wurde zugunsten der R*** Ö***, Bundesstraßenverwaltung, ein weiterer Grundstreifen im Ausmaß 2.740 m2 aus dem Waldgrundstück Nr 44, EZ 81 KG Grub der Ehegatten Josef und Maria B*** enteignet. Am 17.5.1979 beantragte die Autobahnverwaltung beim Amt der Salzburger Landesregierung auch für dieses Teilstück die Rodungsbewilligung. In der darüber angeordneten mündlichen Verhandlung vom 21.6.1979 führte der forsttechnische Gutachter aus, daß durch diese neu beantragte Rodung die bereits genehmigte Rodefläche für die Tauernautobahn um durchschnittlich 6 m verbreitert werde. Der neuerliche Bestandsrand sei wieder nach Westen hin geöffnet. Da der sturzgefährliche Wind aus Westen komme, sei der verbleibende Bestand weiterhin stark dem Wind ausgesetzt. Wegen der unbedingten Notwendigkeit (der weiteren Rodung) müßten jedoch Windschäden in Kauf genommen werden. Die Abgeltung der Schäden durch die Autobahnverwaltung erfolge jeweils nach Meldung durch den Grundbesitzer. Dieses Verhandlungsergebnis wurde vom Vertreter der Autobahnverwaltung zustimmend zur Kenntnis genommen. Mit Bescheid vom 11.7.1979 erteilte die Bezirkshauptmannschaft St.Johann im Pongau die beantragte Rodungsbewilligung für diese weitere Teilfläche von 2.740 m2 mit der Auflage, daß die Rodung zum ausschließlichen Zweck der Verwendung der Fläche zur Errichtung der Tauernautobahn zulässig sei. Der zur Rodung beantragte Waldstreifen sollte für die laufende Pflege und Räumung der Böschung sowie für Kabelverlegung, Wildzaunerrichtung und Grundvermarkung bei der Tauernautobahn verwendet werden. Die Rodung diente also dem Ausbau der Tauernautobahn im Bauabschnitt A 10 und war somit im öffentlichen Interesse gelegen. In keinem der beiden Rodungsbewilligungsbescheide hatte die Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau die Einhaltung eines Deckungsschutzes vorgeschrieben. Durch die Rodungen und die Abgrabung des Geländes auf das Niveau der Autobahntrasse entstand im Bereich des Waldgrundstückes Nr 44 entlang der Tauernautobahn eine steile Böschung, auf deren oberem Rand die Westgrenze des verbliebenen Waldbestandes der Ehegatten Josef und Maria B*** lag. Die Schlägerungen auf dem enteigneten Teil des Grundstückes Nr 44 gingen über den Umfang einer normalen Schlägerung weit hinaus. Durch sie wurde der Deckungsschutz, vor allen Dingen der sturmfeste Waldtrauf des Waldgrundstückes der Klägerin beseitigt. Dadurch wurde auch die ortsübliche Benützung des Waldgrundstücks der Klägerin wesentlich beeinträchtigt. Der Wald hat im Wirtschaftsgefüge eines Bergbauernhofes verschiedene Funktionen. Neben der Erzielung von Holzverkaufserlösen und Einkommen aus laufenden Nutzungen kommt ihm unter anderem auch eine "Sparkassenfunktion" zu, weil bei Geldbedarf auf angesammelte Holzvorräte zurückgegriffen werden kann. Bei einer dem Forstgesetz entsprechenden "normalen" Waldnutzung hätten die Schlägerungen auf der Parzelle Nr 44 keinesfalls von Westen her begonnen werden dürfen, sondern entgegen der sturzgefährlichen Windrichtung von der Ostseite her.

Bereits im August 1977 kam es entlang des neuen Waldbestandsrandes auf dem Grundstück Nr 44 der Klägerin zu Windwürfen. Den Ehegatten B*** wurde für diesen Schaden von der Unterabteilung Autobahnbau des Amtes der Salzburger Landesregierung eine Entschädigung von S 2.160 bezahlt. Weitere derartige Entschädigungen erhielten sie im Jahre 1979 in Höhe von S 1.404,90, für Windbruchschäden im Winter 1979/1980 in Höhe von S 6.111,72 und im Februar 1981 in Höhe von S 1.512,65. In diesen vier Fällen hatten die Ehegatten Josef und Maria B*** die Schäden telefonisch beim Amt der Salzburger Landesregierung, Unterabteilung Autobahnbau, gemeldet, worauf der Sachbearbeiter gemeinsam mit einem Forstsachverständigen die Schäden besichtigte und nach dem Gutachten dieses Sachverständigen in allen vier Fällen eine Kausalität zwischen den vorgenommenen Rodungen und den aufgetretenen Schäden für gegeben erachtet wurde. Die Entschädigungsbeträge wurden jeweils für Windwurfschäden vom Amt der Salzburger Landesregierung ohne Einschaltung des Bautenministeriums ausgezahlt.

Am 3.August 1981 kam es durch einen orkanartigen Sturm zu umfangreichen Windbruchschäden auf dem Waldgrundstück Nr 44 der Klägerin. Der Wald wurde bis zur östlichen Begrenzung niedergebrochen und entwurzelt. Ursache für diesen Schaden waren die bis unmittelbar an die Grenze vorgenommenen Rodungen im Zuge des Autobahnbaues. Durch den Trassenaufhieb für die Autobahn und die Rodungen wurde der Waldbestand der Klägerin auf eine Länge von 360 m nach Westen geöffnet und dadurch der unmittelbaren Einwirkung aller Westwinde ausgesetzt. Angrenzende Waldgrundstücke mit geschlossenen Bestandsrändern (Deckungsschutz, Waldtrauf) wiesen damals keine Schäden auf. Bei Erhaltung der sturmfesten Waldtraufe und des gerodeten Waldteiles wäre auch auf dem Waldgrundstück Nr 44 der Klägerin durch den Sturm vom 3.8.1981 kein flächiger Schaden eingetreten.

Vom Schaden waren insgesamt 724,32 fm Holz betroffen. Die Schadenshöhe betrug unter Berücksichtigung der Entwertung durch Stammbrüche, einer Entschädigung für den vorzeitigen Einschlag, der Mehrkosten für die Schlägerung und die Aufarbeitung sowie der Kosten für die Schlagräumung und die Wiederaufforstung S 430 netto/fm, sohin insgesamt S 310.457,60 netto. Im Zeitpunkt des Schadenseintritts am 3.8.1981 war der Autobahnbau im maßgeblichen Abschnitt längst abgeschlossen.

Die Klägerin begehrt von der beklagten Partei - im derzeitigen Verfahrensstadium - den Ersatz des Nettoschadensbetrages aus dem Sturmschaden vom 3.8.1981 sowohl als verschuldensunabhängigen Ausgleichsanspruch gemäß §§ 364, 364 a ABGB, als auch wegen Verschuldens als Schadenersatz, sowie aus dem Titel des Anerkenntnisses der grundsätzlichen Schadenstragungspflicht für künftige Windbruchschäden anläßlich der Enteignungsverhandlungen und wegen Verletzung vorvertraglicher und vertraglicher Schutz- und Aufklärungspflichten sowie aus jedem erdenklichen Rechtsgrund. Für das behauptete Anerkenntnis trug sie vor, daß die Vertreter der beklagten Partei zum ausdrücklichen Vorbehalt weiterer Schadenersatzansprüche für allfällige Windwurfschäden durch die Ehegatten B*** erklärt hätten, solche Forderungen seien im Sinne der Schadenshaftung laut ABGB zu regeln, bedürften daher vor Schadenseintritt keiner gesonderten Anmeldungen, und daß die beklagte Partei in den Jahren 1977, 1979, 1980 und 1981 jeweils kleinere Schadenersatzzahlungen für diverse Windwurfschäden geleistet hätte. Zum nachbarrechtlichen Ersatzanspruch trug die Klägerin vor, die Bestimmung des § 24 Abs 5 BStG komme nicht zur Anwendung, weil der Schaden lange nach Fertigstellung der Tauernautobahn im fraglichen Abschnitt eingetreten sei.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wandte ein, mit der bezahlten Enteignungsentschädigungssumme im Zusammenhalt mit der dabei von den Ehegatten B*** gegebenen Abfertigungserklärung seien alle auf die Enteignung zurückzuführenden vermögensrechtlichen Nachteile abgegolten worden, insbesondere auch die Verminderung des Wertes der Restfläche des Grundstücks Nr 44. Das Forstgesetz eröffne dem Enteigneten keine Möglichkeit, Schadenersatzansprüche geltend zu machen; die Rodung der enteigneten Waldfläche sei auf Grund rechtskräftiger Rodungsbewilligungen durchgeführt worden, gegen welche die Klägerin keinen Einwand erhoben und keine Vorbehalte geltend gemacht habe. Die Forstbehörde habe der beklagten Partei keinen Deckungsschutz vorgeschrieben. Im übrigen wandte die beklagte Partei mit der Behauptung, die Rodungsarbeiten seien jedenfalls vor dem Jahr 1981 beendet gewesen, Verjährung allfälliger (Ausgleichs)Ansprüche auf Grund der Rodung ein. Winde und auch orkanartige Stürme seien keine vom Nachbargrund ausgehenden Einwirkungen im Sinne des § 364 Abs 2 ABGB. Die nachbarrechtliche Haftung der beklagten Partei für Schäden aus Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Straßenbau sei gemäß § 24 Abs 5 BStG ausgeschlossen. Auch fehle ein Kausalzusammenhang zwischen der Rodung auf den enteigneten Grundflächen und dem Windwurfschaden der Klägerin. Aus den zwischen 1977 und 1981 geleisteten vier geringfügigen Schadenszahlungen könne ein Anerkenntnis der beklagten Partei für Schäden höherer Gewalt, wie sie die vorliegenden Windwurfschäden darstellten, nicht abgeleitet werden.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren insoweit statt, als es der Klägerin den Betrag von S 336.374,20 (den geltend gemachten Schaden zuzüglich 8 % Mehrwertsteuer) samt Nebengebühren und Kosten zusprach. Das darüber hinausgehende Klagebegehren wies es - seitens der Klägerin unangefochten - ab. In rechtlicher Beurteilung des dargestellten Sachverhaltes erachtete es die vorliegenden Windbruchschäden als mit der vereinbarten Enteignungsentschädigungssumme nicht mitabgegolten, sondern vielmehr von der Behandlung und Erörterung dieser Enteignungsentschädigungssumme ausgenommen. Da die Entfernung des Deckungsschutzes zufolge der behördlich bewilligten Rodungen auf dem Autobahngrundstück der beklagten Partei für den vorliegenden Sturmschaden vom 3.8.1981 auf dem Waldgrundstück der Klägerin kausal gewesen sei, stehe der Klägerin ein Ausgleichsanspruch nach § 364 a ABGB gegen die beklagte Partei zu. Im Sinne der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs JBl 1985, 669 (= SZ 57/179) stelle die Beseitigung des Deckungsschutzes durch die Rodung der für die Straßenerrichtung benötigten ehemaligen Waldfläche eine Immission nach § 364 Abs 2 ABGB dar. Dabei sei der Wind(Sturm) durchaus eine Einwirkung wie Rauchgas, Wärme oder Erschütterung. Wenngleich daher der Entstehungsort des Windes nicht auf der gerodeten Waldfläche zu suchen sei, werde der weitere Verlauf der Luftbewegung ihrer Art, Richtung und Intensität nach doch von der geänderten Beschaffenheit des ehemaligen Waldgrundstücks beeinflußt. Durch die Beseitigung des Deckungsschutzes sei aber auch die ortsübliche Nutzung des verbliebenen Waldgrundstücks der Klägerin wesentlich beeinträchtigt worden. Der Haftungsausschluß gemäß § 24 Abs 5 BStG 1971 idF BGBl 1975/239 komme hier nicht zum Tragen: Bereits aus den EB zu § 24 BStrG 1971 gehe hervor, daß mit Absatz 5 ungerechtfertigten nachbarrechtlichen Ansprüchen während des Baus von Bundesstraßen entgegengetreten werden solle. Diese Interpretation finde auch in zahlreichen Äußerungen und Entscheidungen ihren Niederschlag. Der Verfassungsgerichtshof habe in seinem über Antrag des Obersten Gerichtshofs (Entscheidung vom 7.7.1981, 5 Ob 623/80) ergangenen Erkenntnis vom 10.März 1983, G 63/81 (= VfSlg 9663), ausgesprochen, daß für Immissionen, die von Bundesstraßen ausgingen, sobald deren Bauführung abgeschlossen sei, die nachbarrechtlichen Bestimmungen des ABGB gelten. Unabhängig davon, wann nun die Rodungsarbeiten abgeschlossen gewesen seien, sei jedenfalls der vorliegende Schaden erst nach der Fertigstellung des maßgeblichen Abschnitts der Tauernautobahn eingetreten, so daß ein zeitlicher Zusammenhang zum Bau dieses Autobahnteiles nicht vorliege. Auch der Verjährungseinwand der beklagten Partei schlage nicht durch, weil der Schadenseintritt nicht in einer - etwa schon durch die Rodung anzunehmenden - Entwertung des Restgrundstückes der Klägerin liege, sondern erst durch die konkreten Sturmeinwirkungen am 3.8.1981 erfolgt sei, so daß die - am 3.8.1984 bei Gericht

eingelangte - Klage innerhalb der dreijährigen Verjährungszeit eingebracht sei.

Das Gericht zweiter Instanz gab der Berufung der beklagten Partei nur hinsichtlich des Zuspruchs eines Mehrwertsteuerbetrages Folge, bestätigte im übrigen aber den Zuspruch von S 311.457 samt 4 % Zinsen, allerdings mit der Begründung, das Verhalten der Ehegatten Josef und Maria B*** und der jeweils tätigen Vertreter der beklagten Partei im Zuge des Enteignungs- und der Rodungsbewilligungsverfahren lasse den rechtlichen Schluß zu, daß die beklagte Partei ein konstitutives Anerkenntnis zur Tragung aller enteignungs- und rodungsbedingten Windbruchschäden auf dem Restwaldgrundstück Nr 44 der Klägerin abgegeben habe.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen von der beklagten Partei wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision ist nicht gerechtfertigt.

Die gerügte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt schon deshalb nicht vor, weil, wie zur Rechtsrüge darzulegen sein wird, ein konstitutives Anerkenntnis der beklagten Partei aus den vorliegenden Feststellungen der Tatsacheninstanzen nicht ableitbar ist, so daß es auf im Zusammenhang mit der Annahme eines derartigen Anerkenntnisses behauptete Verfahrensmängel nicht ankommt. Der Revision ist nämlich vorerst zuzugeben, daß die festgestellten Erklärungen der Vertreter der beklagten Partei bei den Enteignungs- und Rodungsverhandlungen keineswegs widerspruchsfrei sind und nicht ohne jeden Zweifel erkennen ließen, daß damit von der beklagten Partei von der Enteignungsentschädigung ausgeklammerte und jedenfalls nicht völlig unerwartete Windbruchschäden als Folge der Rodung bis zur Grundgrenze von der beklagten Partei der Klägerin bzw den Ehegatten B*** ersetzt werden. Vielmehr lassen sich diese Erklärungen dahin zusammenfassen, daß die Ehegatten B*** mit derartigen Ansprüchen aus Windbruchschäden von Fall zu Fall an die Autobahnverwaltung herantreten sollten und diese sodann in eine Prüfung solcher nicht von vorneherein von der Enteignungsentschädigung mitumfaßter Ansprüche eintreten werde. Die in der auch vom Gericht zweiter Instanz ausführlich zitierten herrschenden Lehre und Rechtsprechung an die Annahme eines schlüssigen konstitutiven Anerkenntnisses gestellten strengen rechtlichen Anforderungen werden durch den vorliegenden Sachverhalt nicht erfüllt.

Zutreffend hat jedoch das Erstgericht den Anspruch der Klägerin als verschuldensunabhängigen nachbarrechtlichen Anspruch im Sinne des § 364 a ABGB beurteilt. Die Vorschriften des Nachbarrechtes gelten auch für das Verhältnis öffentlicher Straßen zu Privatgrundstücken (JBl 1987, 381; JBl 1986, 719 = SZ 59/53; SZ 58/121; SZ 55/105; SZ 54/137; 1 Ob 47/87 uva). Es trifft nicht zu, daß das Nachbarrecht gegenüber Bundesstraßen schon grundsätzlich dann ausgeschlossen ist, wenn es sich um Schäden handelt, die mit dem Straßenbau irgendwie zusammenhängen, auch wenn die Bauführung längst abgeschlossen ist, und daß in einem solchen Fall die Bestimmung des § 24 Abs 5 BStG eingreife. Gemäß § 24 Abs 5 BStG 1971 in der im Zeitpunkt der vorliegenden Schädigung gültigen Fassung der Novelle BGBl 1975/239 können die Eigentümer von der Bundesstraße benachbarten Grundstücken die beim Bau einer Bundesstraße von Grundstücken des Bundes (Bundesstraßenverwaltung) ausgehenden Einwirkungen nicht untersagen; wird aber durch solche Einwirkungen die ortsübliche Benützung des nachbarlichen Grundes wesentlich beeinträchtigt, hat der Nachbar Anspruch auf Schadenersatz gegen den Bund (Bundesstraßenverwaltung) nur dann, wenn Organe des Bundes an dieser Beeinträchtigung ein Verschulden trifft oder soweit es sich um den Ersatz von Sachschäden an Bauwerken handelt. Diese Bestimmung gilt also nur für Einwirkungen, die während des Baues einer Bundesstraße und durch diesen verursacht auftreten, nicht aber für Einwirkungen, die sich als Folge des Bestandes und der Beschaffenheit der fertiggestellten Straßenanlage ergeben. Dies hat der Verfassungsgerichtshof in dem schon vom Erstgericht zitierten Erkenntnis VfSlg 9663 klargestellt, in dem er ausführte, nicht § 24 Abs 5 BStG, sondern die allgemeinen nachbarrechtlichen Bestimmungen des ABGB seien für Immissionen maßgeblich, die von Bundesstraßen ausgingen, sobald deren Bauführung abgeschlossen ist. Da dies im vorliegenden Fall zutraf, ist § 24 Abs 5 BStG nicht anzuwenden. Die von der Klägerin in ihrer Revisionsbeantwortung angeregte Antragstellung gemäß Art 140 Abs 1 B-VG ist deshalb nicht aufzugreifen.

Die nachbarrechtlichen Bestimmungen der §§ 364 ff ABGB regeln Kollisionen zwischen gleichrangigen Eigentumsrechten. Sie sehen Einschränkungen der Nutzungsbefugnisse jedes Eigentümers im Interesse eines friedlichen Zusammenlebens der Nachbarn vor (SZ 55/28; SZ 53/11 ua; Koziol-Welser8 II 39 mwH). Das private Nachbarrecht hat den Zweck, einen angemessenen Ausgleich zwischen den verschiedenen Nutzungsinteressen der Liegenschaftsnachbarn herzustellen (Jabornegg, Privates Nachbarrecht und Umweltschutz, ÖJZ 1983, 365 ff), es sollte daher dem einen Grundeigentümer die ortsübliche Nutzung seines Eigentums ermöglichen, seinen Nachbarn aber vor damit verbundenen wesentlichen Beeinträchtigungen bewahren. Spezifisches Schutzobjekt des Immissionsrechtes sind dabei unmittelbar weder die Substanz des Grundstückes noch dessen Wert, noch auch die Person des Liegenschaftsnachbars, sondern vielmehr die aus dessen Eigentumsrecht fließenden Nutzungen oder Nutzungsmöglichkeiten (Jabornegg aaO 367). Gemäß § 364 Abs 2 ABGB kann der Eigentümer eines Grundstückes dem Nachbarn die von dessen Grund ausgehenden Einwirkungen durch Abwässer, Rauchgase, Wärme, Geruch, Geräusch, Erschütterung und ähnliche insoweit untersagen, als sie das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und die ortsübliche Benutzung des Grundstückes wesentlich beeinträchtigen. Unmittelbare Zuleitung ist ohne besonderen Rechtstitel unter allen Umständen unzulässig. Bei dem für die indirekten Immissionen vorgesehenen Sammelbegriff "ähnliche" Einwirkungen kommt es nicht so sehr darauf an, ob sie wie die davor genannten konkreten Einwirkungen ebenfalls physischer Natur und positiver Art sind und mit unwägbaren Stoffen stattfinden, sondern darauf, ob sie in gleicher oder ähnlicher Weise geeignet sind, die Grundstücksnutzung der Nachbarliegenschaft zu beeinträchtigen (Jabornegg, aaO 367). Mögen in diesem Sinne noch ideelle und negative Immissionen vielleicht den Nachbarrechtsschutz überspannen, wenngleich auch durch sie eine in ähnlicher Weise stattfindende Beeinträchtigung der Nutzung des Nachbargrundstückes vorliegen kann, so kann dies für positive Veränderungen und Vorkehrungen auf der Nachbarliegenschaft, die nicht für sich allein, aber im Zusammenhang mit natürlichen Ereignissen - wie Luftbewegungen - , Gefährdungen und Schäden für die Nachbarliegenschaft und demnetsprechende Nutzungseinbußen mit sich bringen können, nicht mehr gelten. Geht nämlich eine derartige Eingriffsgefahr - und dies stellt den Regelfall dar - von einer behördlich genehmigten Anlage auf dem Nachbargrund aus, dann ist dem Nachbarn das Untersagungsrecht des § 364 Abs 2 ABGB im Falle der beeinträchtigenden Einwirkung verschlossen und es muß stattdessen der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch zum Zug kommen. Die Hauptfälle der nachbarrechtlich bedeutsamen Immissionen entstammen behördlich genehmigten Gewerbe- und Industrieanlagen. Nach der § 364 a ABGB innewohnenden und dem Tatbestand zu entnehmenden Wertung sind aber die maßgeblichen Voraussetzungen dieses Tatbestandes jenen, die aus dem Betrieb einer genehmigten Autobahnanlage erwachsen, gleich. Stellt man richtigerweise darauf ab, welche Eingriffe im engeren Sinn und welche Gefährdungen (nicht atypischer Art) von der behördlichen Genehmigung als mitumfaßt angesehen werden müssen, leitet sich aus diesem Inhalt die Reichweite der Haftung im Sinne einer Eingriffs- und Gefährdungshaftung des Nachbarn ab (Jabornegg aaO 373).

Im vorliegenden Fall mußte die Klägerin, die sich gegen die von der beklagten Partei im Zuge der Errichtung der Autobahnanlage erwirkten Rodungsbewilligungen, gegen die dann demgemäß vorgenommenen Rodungen bis an die Waldgrenze ihres Nachbargrundstückes und gegen die durch diese Umgestaltung der Natur geschaffene Autobahnanlage nicht durch Unterlassungsansprüche wehren konnte, die von dieser behördlich genehmigten "Anlage" ausgegangene, typisch zu erwartende und - vorliegend - am 3.8.1981 auch verwirklichte Gefahr des Windbruches hinnehmen. In Analogie zu § 364 a ABGB muß ihr zufolge Verwirklichung der von der Autobahnanlage ausgegangenen und konkret voraussehbar gewesenen (nicht atypischen) Gefahr ein verschuldensunabhängiger Schadenersatzanspruch gegen die beklagte Partei als Grundnachbarin zuerkannt werden (Jabornegg, aaO 372 f).

Da nach den maßgeblichen Feststellungen der Tatsacheninstanzen die Abgeltung dieses Windbruchschadens aus dem Enteignungsverfahren und der Vereinbarung der Enteignungsentschädigung ausgeklammert war, die Kausalität zwischen der Rodung und dem vorliegenden Windwurfschaden feststeht, die Höhe des von den Tatsacheninstanzen festgestellten Schadensbetrages in der Revision nicht mehr bekämpft wird und auch die Verjährungseinrede aus den von den Vorinstanzen zutreffend dargelegten Gründen versagt, erweist sich die Revision der beklagten Partei zur Gänze als nicht berechtigt. Die Revisionskostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E17809

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0080OB00636.88.0419.000

Dokumentnummer

JJT_19890419_OGH0002_0080OB00636_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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