TE OGH 1989/4/20 7Ob571/89

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Veröffentlicht am 20.04.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz, Dr.Warta, Dr.Egermann und Dr.Niederreiter als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Sarah J***, geboren am 21.August 1982, infolge Revisionsrekurses des Vaters Friedrich J***, akademischer Maler, Wien 18., Theresiengasse 28/5, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 14. Dezember 1988, GZ 43 R 889/88-83, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 1.August 1988, GZ 5 P 53/88-59, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Ehe der Eltern der am 21.August 1982 geborenen Sarah J*** wurde mit Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 11. Februar 1988 geschieden.

Beide Elternteile stellten den Antrag, ihnen die elterlichen Rechte und Pflichten im Sinne des § 144 ABGB zu übertragen und das Besuchsrecht des anderen Teils zu regeln.

Mit Beschluß vom 1.August 1988 sprach das Erstgericht aus, daß das Recht und die Pflicht, die mj. Sarah zu pflegen und zu erziehen, ihr Vermögen zu verwalten und sie zu vertreten, nur der Mutter Martina J*** zusteht (Punkt 1): Den Antrag des Vaters, die elterlichen Rechte und Pflichten ihm allein zu übertragen, wies es ab (Punkt 2): Das Besuchsrecht des Vaters Friedrich J*** zur mj. Sarah regelte es in der Weise, daß der Vater berechtigt ist, das Kind an jedem 2. und 4. Wochenende im Monat in der Zeit von Samstag 9 Uhr, bis Sonntag, 18 Uhr (a), in der 1. und 3. Woche eines jeden Monats jeweils Dienstag und Donnerstag Nachmittag nach Schulschluß bis 18 Uhr (b), eine Woche in den Energie- oder Osterferien nach Vereinbarung beginnend Samstag, 9 Uhr, bis Sonntag, 20 Uhr (c), in den ersten drei Juliwochen eines jeden Jahres, beginnend mit Samstag nach Schulschluß 9 Uhr, bis Sonntag, 20 Uhr (d), und am 24.Dezember eines jeden Jahres von 9 bis 20 Uhr (e) zu sich zu nehmen. Beide Elternteile hätten sich bisher intensiv um das Kind gekümmert und seine Entwicklung gefördert, wobei der Anteil des - seit 1982 nicht berufstätigen - Vaters in der Vergangenheit zumindest nach dem 1. Lebensjahr und bis zum Eintritt in den Kindergarten überwogen habe. Auch danach bis Ende 1987 sei das Kind wochentags am Nachmittag vom Vater betreut worden: Seitdem die Mutter ihre Berufstätigkeit eingeschränkt habe - die Mutter arbeitete nach Ablauf des Karenzjahres zunächst halbtags, wobei sie auch Überstunden machte, vom Frühjahr 1985 bis Ende 1987 ganztägig und seither wieder halbtags mit freier Zeiteinteilung -, pendle das Kind zwischen den Eltern hin und her. Beide Eltern seien nicht nur in der Lage, das Kind gut zu versorgen, sondern auch es räumlich unterzubringen. Das Kind hänge an beiden Elternteilen, die allerdings einen jahrelangen haßerfüllten Krieg um das Kind gegeneinander führten, der in den letzten eineinhalb Jahren weiter eskaliert habe: Das Kind wende sich jedoch in Konfliktsituationen eher zur Mutter. Zwar zeige das Kind bisher nur geringe psychische Auffälligkeiten, doch könne nicht davon ausgegangen werden, daß das Kind diese Situation auf die Dauer unbeschadet vertrage. Nach dem persönlichen Eindruck von den Eltern in Verbindung mit den Ergebnissen des Sachverständigengutachtens komme das Erstgericht zum Ergebnis, daß ein Verbleib des Kindes bei der Mutter besser für sein Wohl geeignet sei. Die Mutter sei die Ruhigere, in ihrer Erziehungshaltung Vernünftigere, und eher bemüht, das Kind aus den Konflikten herauszuhalten und das Vaterbild nicht negativ zu zeichnen. Sie biete die günstigeren Voraussetzungen für die weitere Entwicklung des Kindes. Durch die gegenüber dem bisherigen Zustand eher restriktive Besuchsregelung solle die Familiensituation beruhigt, und es sollen die Berührungspunkte der Eltern möglichst vermindert werden.

Die zweite Instanz gab den von beiden Elternteilen erhobenen Rekursen nicht Folge. Das Erstgericht habe sich mit der Sache eingehend befaßt; es habe auch die Eltern mehrfach vernommen und sich daher von ihnen ein gehöriges Bild verschaffen können. Es bestünden keinerlei Hinweise, daß sich das Erstgericht bei seiner Beurteilung von bloßen Äußerlichkeiten habe leiten lassen. Dem eingeholten Sachverständigengutachten hafteten keine Mängel an; es sei nicht ersichtlich, daß sich die Sachverständige von anderen als sachlichen Momenten habe leiten lassen. Die Feststellungen des Erstgerichtes seien das Ergebnis einer zutreffenden Beweiswürdigung und eines mängelfreien Verfahrens. Ausgehend von diesen Feststellungen erweise sich die Zuteilung der Elternrechte an die Mutter als frei von Rechtsirrtum; weder eine weiter Einschränkung des Besuchsrechtes, noch auch dessen Ausweitung gegenüber der vom Erstgericht getroffenen Regelung sei aus den vom Erstgericht zutreffend dargelegten Gründen tunlich.

Der Vater bekämpft den Beschluß der zweiten Instanz mit Rekurs mit dem Antrag, die elterlichen Rechte und Pflichten ihm zuzuerkennen und über ein ausgedehntes Besuchsrecht der Mutter neu zu verhandeln; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag und ein Antrag auf Ausdehnung des Besuchsrechtes (in genau bezeichneter Weise) gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Da das Rekursgericht den Beschluß des Erstgerichtes bestätigt hat, findet gemäß § 16 AußStrG die Beschwerde an den Obersten Gerichtshof (außerordentlicher Revisionsrekurs) nur im Fall einer offenbaren Gesetz- oder Aktenwidrigkeit der Entscheidung oder einer begangenen Nullität statt.

Der Vorwurf einer Aktenwidrigkeit - die dann gegeben ist, wenn das Rekursgericht in seiner Entscheidung in einem wesentlichen Punkt den Akteninhalt unrichtig wiedergegeben und solcherart ein fehlerhaftes Sachverhaltsbild der richterlichen Beurteilung unterzogen hat - kann den Rechtsmittelausführungen nicht entnommen werden.

Nullität ist bei durch sinngemäße Anwendung des § 477 ZPO als nichtig angreifbaren Verfahrensverstößen, aber auch bei anderen Verfahrensverstößen gegeben, wenn sie von einschneidender Bedeutung sind. Von einem Verfahrensverstoß vom Gewicht einer Nullität könnte etwa gesprochen werden, wenn die dem Gericht im Sinne des § 2 Abs. 2 Z 5 AußStrG obliegende Stoffsammlung so mangelhaft geblieben wäre, daß dadurch Grundprinzipien des Pflegschaftsverfahrens wie das Wohl des Kindes vollkommen außer Acht gelassen würden. Davon kann hier keine Rede sein. Der Vater erhebt auch keinen derartigen Vorwurf. Die Beurteilung, ob die Aussagen von vernommenen Personen die Feststellung bestimmter Tatsachen rechtfertigen oder ob dazu noch andere Auskunftspersonen gehört werden sollen, ist eine Frage der Beweiswürdigung, die im Rahmen des außerordentlichen Revisionsrekurses nicht angefochten werden kann. Eine - nach § 16 AußStrG unzulässige - Beweiswürdigungsrüge bildet es auch, wenn Feststellungen bekämpft werden, die das Gericht auf Grund eines Sachverständigengutachtens getroffen hat. Um ein Problem der Beweiswürdigung und nicht um einen Verfahrensmangel vom Gewicht einer Nichtigkeit geht es in Wahrheit auch bei Beurteilung der Frage, ob ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen gewesen wäre. Die im Revisionsrekurs erwähnten Gutachten des Univ.-Doz. Dr.L*** L*** und Univ.-Lektor Dr.Thomas S*** wurden vom Vater mit einem Schriftsatz vom 20.Dezember 1988 (ON 80) und sohin nach den Entscheidungen der Vorinstanzen vorgelegt; sie konnten schon aus diesem Grund nicht berücksichtigt werden. Offenbare Gesetzwidrigkeit liegt nur vor, wenn ein Fall im Gesetz ausdrücklich und so klar gelöst ist, daß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann, und trotzdem eine damit in Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wird. Offenbare Gesetzwidrigkeit kann schon begrifflich nicht vorliegen, wenn es sich um eine Ermessensentscheidung handelt, außer sie verstößt gegen eine klare Gesetzeslage oder Grundprinzipien des Rechts oder sie ist ganz willkürlich und mißbräuchlich. Keine offenbare Gesetzwidrigkeit liegt vor, wenn es sich um eine einfache unrichtige rechtliche Beurteilung handelt.

Die Frage, welchem Elternteil nach erfolgter Scheidung der Ehe künftig alle aus den familienrechtlichen Beziehungen zwischen Eltern und minderjährigen Kindern erfließenden rein persönlichen Rechte und Pflichten (§ 144 ABGB) allein zustehen sollen, ist in den §§ 177, 178 a ABGB nicht bestimmt gelöst. Es wird lediglich hervorgehoben, daß für die Zuteilung der elterlichen Rechte und Pflichten in erster Linie das Wohl des Kindes maßgebend ist und daß bei Beurteilung des Kindeswohls die Persönlichkeit des Kindes und seine Bedürfnisse, besonders seine Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten sowie die Lebensverhältnisse der Eltern entsprechend zu berücksichtigen sind. Es handelt sich daher um eine Ermessensentscheidung, bei der nur dann eine offenbare Gesetzwidrigkeit gegeben sein könnte, wenn ein Verstoß gegen Grundprinzipien des Rechts vorläge, im vorliegenden Fall insbesondere durch Außerachtlassung des Wohls des pflegebefohlenen Kindes. Davon aber kann keine Redes ein, weil sich beide Vorinstanzen mit dem Wohl des Kindes eingehend auseinandergesetzt haben.

Ein Anfechtungsgrund im Sinne des § 16 AußStrG liegt sohin nicht vor, sodaß der Rekurs des Vaters zurückzuweisen war.

Anmerkung

E17369

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0070OB00571.89.0420.000

Dokumentnummer

JJT_19890420_OGH0002_0070OB00571_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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