TE OGH 1989/4/26 1Ob503/89

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Veröffentlicht am 26.04.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert, Dr.Hofmann, Dr.Schlosser und Dr.Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hu Cheng L***, Unternehmer, Neubaugasse 57/3, 1070 Wien, vertreten durch Dr.Klaus-Peter Schrammel, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Johann B***, Hauseigentümer, Walfischgasse 5, 1010 Wien, vertreten durch Dr.Kurt H***, Immobilienverwalter, Landstraßer Hauptstraße 58, 1030 Wien, dieser vertreten durch Dr.Heinrich Roth, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 459.985,96 sA infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 19.Oktober 1988, GZ 41 R 568/88-24, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 13.April 1988, GZ 42 C 743/86-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 14.739,45 (darin enthalten S 1.339,95 an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tage zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der seit 1977 in Österreich lebende Kläger versteht leidlich gut die deutsche Sprache, ist seit 1978 im Restaurantgewerbe tätig und führte bereits von 1981 bis 1983 ein - allerdings im Parterre gelegenes - Restaurant in Amstetten in Niederösterreich. Auf das Bestandobjekt Tür Nr.13a im Haus Wien 6.,

Mariahilferstraße 31/1.Stock, wurde er von einem Bekannten hingewiesen, der dieses Lokal für den Betrieb eines Chinarestaurants ausgezeichnet geeignet hielt. Der Kläger entschloß sich, das Lokal zum Betrieb eines Restaurants zu mieten. Der Beklagte sprach sich durch seinen Immobilienverwalter Dr.Kurt H*** nicht dagegen aus. Der Kläger besichtigte das Lokal in Anwesenheit seines Bekannten und wandte sich dann zum Abschluß eines Mietvertrages an Dr.Kurt H***. Dieser hatte nur eine vage Vorstellung darüber, daß es gewerbebehördliche Schwierigkeiten geben könnte, wußte aber nicht, auf Grund welcher näheren Umstände und wie man solchen Schwierigkeiten entgehen konnte. Insbesondere ahnte er nicht einmal, daß bei Einhaltung der gewerbebehördlichen Vorschriften eine wirtschaftlich vernünftige Nutzung des Lokals nicht möglich wäre. Hauptaugenmerk vor Vertragsabschluß waren die voraussichtlichen baulichen Veränderungen, die, soferne sie im Rahmen baubehördlicher Bewilligung läge, von der Hausverwaltung akzeptiert werden sollten. Mit Vertrag vom 5.6.1984 mietete der Kläger vom Beklagten, vertreten durch Dr.Kurt H***, mit Wirkung vom 1.6.1984 die Geschäftsräume im Haus Wien 6., Mariahilferstraße 31/1.Stock/Tür 13a. Gemäß § 1 (Mietgegenstand) Punkt 4 wurde festgelegt, daß der Mietgegenstand aus diversen Räumlichkeiten besteht und nur zum Betrieb eines Restaurant-Betriebes verwendet werden darf (Mietvertrag Beilage 1). Von den Streitteilen wurde es damit aber nicht zur Bedingung gemacht, daß die gewerbebehördliche Betriebsanlagengenehmigung die Bedingung für den Vertragsabschluß darstelle. Nach § 12 des Mietvertrages wurde der Kläger berechtigt, auf seine Kosten am Vordach über dem Hauseingang eine Firmentafel und ein Steckschild anbringen und Umbauten im Rahmen der Wiener Bauordnung innerhalb des Mietobjektes vornehmen zu lassen. Der Kläger erlegte eine Kaution in der Höhe von S 51.800 und zahlte außerdem die Vertragsgebühren in der Höhe von S 6.210.

Am 11.August 1984 brachte der Kläger den Antrag auf gewerbebehördliche Genehmigung der im Bestandobjekt zu errichtenden Betriebsanlage ein. Anläßlich der Verhandlung am 14.September 1984 vor der Gewerbebehörde wurde (vom Verhandlungsleiter) festgehalten, daß das Haustor neu herzurichten sei, eine Mindestbreite von 1,20 m aufzuweisen habe und beide Flügel mit stets funktionsfähigen leiseschließenden Selbstschließern auszustatten seien. In diesem Verfahren wurden auch Belange des Nachbarschutzes erörtert; es stellte sich heraus, daß die Mieter des Hauses eine ablehnende Haltung gegen die Einführung des vom Kläger geplanten Chinarestaurants einnahmen. Im Verwaltungsverfahren wurde daher festgehalten, daß eine gesonderte Betriebsbewilligung für notwendig befunden werde. Die in einem solchen Verfahren als Partei anzusehenden Mieter erklärten aber schon im voraus, alle ihnen zustehenden Rechtsmittel für den Fall der Genehmigung der Betriebsanlage durch die Gewerbebehörde auszunutzen. Dadurch war klar, daß eine weitgehende Verzögerung des Verwaltungsverfahrens und damit für die Erteilung der Gewerbeberechtigung zu gewärtigen war. Weder der Kläger noch der Beklagte bzw dessen Hausverwalter wußten von solchen Schwierigkeiten. Bei Kenntnis dieser Situation hätte man von Anfang an dem Kläger infolge der wirtschaftlichen Schwierigkeiten davon abraten müssen, das Lokal zum Betrieb eines Restaurants zu mieten. Eine solche Auskunft wäre ihm auch von der Gewerbebehörde vor Abschluß des Mietvertrages jederzeit erteilt worden. Derartige Anfragen zukünftiger Mieter sind durchaus üblich. Rein technisch wäre aber die Eröffnung des Lokales als Restaurant unter Aufwendung erheblicher Mittel und nach Durchführung eines langwierigen Verfahrens möglich gewesen.

Wegen Nichtbefolgung einer gewerbebehördlichen Verfahrensanordnung wies die Gewerbebehörde mit Bescheid vom 20.3.1985 das Ansuchen des Klägers um Genehmigung der Betriebsanlage am genannten Standort zur Ausübung des Gastgewerbes zurück. Der Kläger erklärte in einem zu 42 C 145/85 beim Erstgericht anhängig gewesenen Verfahren am 11.6.1985 den Rücktritt vom Mietvertrag und stellte die Schlüssel zum Bestandobjekt an den Beklagten zurück. Während der Dauer des Bestandverhältnisses bis einschließlich Juni 1985 hatte er Mietzinszahlungen von insgesamt S 121.141,38 erbracht.

Mit der vorliegenden Klage vom 11.12.1986 begehrt der Kläger vom Beklagten aus dem Titel des Schadenersatzes die Rückzahlung der geleisteten Mietzinszahlungen, der von ihm getätigten Investitionen, der bezahlten Mietkaution, der Provision und der Mietvertragsgebühren in der Höhe des Klagebetrages. Das Mietobjekt sei zum bedungenen Gebrauch als Restaurantbetrieb nicht geeignet. Er fechte den Vertrag wegen - allenfalls gemeinsamen - Irrtums über die wesentliche Beschaffenheit des Vertragsgegenstandes an, allenfalls wegen Wegfalls der ausdrücklich zur Vertragsbedingung erhobenen Geschäftsgrundlage. Der Beklagte habe es zumindest fahrlässig unterlassen, sich über die Untauglichkeit des Bestandsobjektes zum Betrieb eines Restaurants zu informieren und den Kläger darüber aufzuklären.

Der Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Die Vertragsklausel, daß die Räumlichkeiten nur zum Betrieb eines Restaurantbetriebes verwendet werden dürfen, sei nicht Geschäftsgrundlage des Mietvertrages, sondern das angegebene Motiv des Klägers gewesen. Irreführung des Klägers durch den Beklagte sei nicht erfolgt; eine Verpflichtung des Beklagten, sich über gewerberechtliche Vorausstezungen zur Benützung des Mietobjektes als Restaurant zu erkundigen und den Mieter zu belehren oder zu warnen, bestehe nicht.

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Sie verneinten die Voraussetzungen für eine Irrtumsanfechtung, aber auch eine Anspruchsgrundlage aus dem Wegfall der Geschäftsgrundlage, weil es sich bei der Festlegung des Verwendungszweckes des Mietobjektes im Mietvertrag nicht um die Festlegung einer Geschäftsgrundlage im Sinne des § 901 erster Satz ABGB gehandelt habe, sondern der Mißerfolg der erwarteten Realisierung des Verwendungszweckes allein in der Sphäre des Klägers liege und diesen treffe. Den Beklagten bzw seinen Vertreter habe aber auch mangels Voraussetzbarkeit entsprechender gewerbebehördlicher Kenntnisse keine Verpflichtung getroffen, den Kläger vor Vertragsabschluß auf behördliche Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Betriebsanlagengenehmigung hinzuweisen, so daß auch darauf ein Anspruch des Klägers nicht gestützt werden könne. Dazu komme, daß der vom Kläger bekanntgegebene und vom Beklagten akzeptierte Verwendungszweck nicht unerreichbar gewesen wäre, mögen zu seiner Verwirklichung auch unwirtschaftliche finanzielle Aufwendungen nötig gewesen sein. Der Kläger selbst hätte derartige Schwierigkeiten eines gewerbebehördlichen Betriebsanlagengenehmigungsverfahrens vorhersehen können, sich bei der Gewerbebehörde erkundigen und damit den gesamten Schaden - durch Nichtabschluß dieses Vertrages - verhindern können. Die Zweckverfehlung habe sich in seiner Sphäre herausgestellt und sei daher ihm allein zuzurechnen.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Kläger gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhobene Revision ist nicht gerechtfertigt.

Die gerügte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Es besteht keine allgemeine Rechtspflicht, den Vertragspartner über alle Umstände, die auf seine rechtsgeschäftliche Willensentscheidung Einfluß haben oder ihn gar vom Vertragsabschluß abhalten könnten, aufzuklären. Eine Aufklärungspflicht besteht regelmäßig nur dann, wenn der andere Teil nach den Grundsätzen des redlichen Verkehrs mit Rücksicht auf die Verkehrssitte eine Aufklärung erwarten durfte (JBl 1987, 657 uam). Die Aufklärungspflicht endet an der Grenze objektiver Voraussehbarkeit einer Gefährdung der Interessen des Vertragspartners (WBl 1988, 341; 7 Ob 680/85; 6 Ob 565/85 uam). Den Vorinstanzen ist beizupflichten, daß ein Liegenschaftseigentümer, auch wenn er Geschäftsräumlichkeiten für gewerbliche Zwecke wie einen Restaurantbetrieb in Bestand gibt, weder rechtlich noch tatsächlich verhalten ist, den zukünftigen Bestandnehmer über mögliche Schwierigkeiten bei der Erlangung gewerbebehördlicher Betriebsanlagengenehmigungen oder von Konzessionen aufzuklären, damit dieser vom Vertragsabschluß absehen kann. An den Wissensstand eines Vermieters in solchen Angelegenheiten kann kein überspannter Maßstab angelegt werden, auch nicht an den des Immobilienverwalters, der für den Beklagten handelte, mit dessen Wissensstand der Kläger allenfalls noch rechnen konnte, aber auch ein solcher über konkrete gewerbebehördliche Schwierigkeiten bei der Erlangung der Betriebsanlagengenehmigung eines im 1.Stock gelegenen Restaurants nicht Bescheid wissen mußte. Haben die Parteien, wie im festgestelltermaßen vorliegenden Fall den Verwendungszweck des Bestandobjektes nicht ausdrücklich zur Vertragsbedingung im Sinne des § 901 ABGB gemacht, erweist sich die Beurteilung der Sache durch die Vorinstanzen als zutreffend, daß nicht schon bei faktischer Unerreichbarkeit des vom Mieter in Aussicht genommenen Verwendungszweckes gleichsam die Geschäftsgrundlage des Mietvertrages in Wegfall gekommen wäre und alle dem Mieter als Folge seiner Fehlscheinschätzung entstandenen Nachteile zu Lasten des Vermieters gingen. Geschäftsgrundlage von Verträgen können nur geschäftstypische Voraussetzungen, die jedermann mit einem bestimmten Geschäft verbindet und daher nicht erst einer gesonderten Vereinbarung bedürfen, sein, nicht aber individuelle Voraussetzungen, die unter die Unbeachtlichkeitsregel des § 901 zweiter Satz ABGB fallen und nur dann zu berücksichtigen sind, wenn sie ausdrücklich (im Sinne von hinreichend deutlich oder stillschweigend) zur Bedingung gemacht werden (MietSlg 38.080 mwH). Die - im vorliegenden Fall nicht einmal unerreichbare - Führung eines Restaurantbetriebes im Bestandobjekt stellt keinesfalls eine geschäftstypische Voraussetzung eines Mietvertrages dar, auch wenn dieser Verwendungszweck vom Mieter im Mietvertrag genannt und vom Vermieter zur Kenntnis genommen wurde. Damit war der Beklagte nur mit der Benützung der Räume als Restaurant einverstanden und verlangte zugleich, daß die Räume nur für diese Zwecke verwendet werden dürften. Ein derart individuelles Geschäftsmotiv des Klägers wäre erst dann Vertragsinhalt geworden, wenn der Vermieter dieses Vertragsmotiv als Bedingung ausdrücklich akzeptiert hätte und außerdem der von beiden Teilen anerkannte wesentliche Vertragszweck (Endzweck im Sinne des § 901 ABGB) nicht nur zeitweilig unerreichbar geworden wäre (MietSlg 31.103 mwH). Jeder Vertragspartner muß hingegen die Gefahr aller Umstände auf sich nehmen, die sich in seinem Bereich ereignen. Das Risiko eines Fehlschlags geschäftlicher Hoffnungen und Erwartungen trägt sohin derjenige, in dessen Sphäre sich der Mißerfolg ohne jede weitere Veranlassung oder schuldhafte Mitwirkung durch den Vertragspartner ereignet.

Es fällt daher dem Kläger selbst zur Last, wenn er durch mangelnde Betreibung des sich als schwierig darstellenden Betriebsanlagengenehmigungsverfahrens oder unter bewußter Vermeidung unwirtschaftlicher finanzieller Aufwendungen zur Erwirkung einer entsprechenden Genehmigung den von ihm erklärten Geschäftszweck des Mietvertrages nicht erreichte.

Die Revision des Klägers bleibt daher erfolglos.

Die Revisionskostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E17205

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0010OB00503.89.0426.000

Dokumentnummer

JJT_19890426_OGH0002_0010OB00503_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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