TE OGH 1989/4/27 6Ob574/89

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Veröffentlicht am 27.04.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Schlosser und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hans-Jörgen M***, Journalist, Wien 3., Am Modenapark 6/8, vertreten durch Dr. Johannes Patzak, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Gertraud B***, Angestellte, Wien 7., Hermanngasse 20, vertreten durch Dr. Peter Rustler, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung einer Wohnungsmiete, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 7. Dezember 1988, GZ 41 R 674/88-16, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 2. August 1988, GZ 41 C 659/87w-11, unter Rechtskraftvorbehalt zur Verfahrensergänzung aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht stattgegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind Kosten des zu ergänzenden Verfahrens.

Text

Begründung:

Der Kläger hat als Minderheits-Hausmiteigentümer (255/1000) mit Zustimmung des Mehrheitseigentümers (745/1000) der Beklagten die Miete der aus Zimmer, Küche und Vorraum bestehenden Wohnung zum 31. März 1988 aufgekündigt und als Kündigungsgrund nach Anführung der Gesetzesstelle "30 Abs 2 Z 4 MRG" wörtlich ausgeführt: "Die vermietete Wohnung wird nicht zur Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses der Mieterin bzw. eintrittsberechtigter Personen regelmäßig verwendet."

Der über diese Aufkündigung ergangene Gerichtsbeschluß vom 9. Dezember 1987 wurde der Beklagten am 11. Dezember 1987 zugestellt. Der Kläger erläuterte sein Vorbringen zum geltend gemachten Kündigungsgrund im Zuge der Verhandlung dahin, daß die aus Zimmer, Küche und Vorraum bestehende Raumeinheit zur Benützung als "Wohnung" vermietet worden sei, die Beklagte auf Mieterseite in den Bestandvertrag aus dem Jahre 1950 eingetreten sei, die Räume aber zu geschäftlichen Zwecken verwendet würden. Dazu hätten die Vermieter niemals zugestimmt.

Die Beklagte gab als richtig zu, daß ihr ihr Vater die Mietrechte an der Wohnung überlassen und dies auch im November 1967 der Hausverwaltung angezeigt habe. Die Wohnung werde seit 1973 nicht mehr zu Wohnzwecken, sondern mit Wissen und Einverständnis der Hausinhabung als Archiv und Arbeitsstätte (Küche zur Erprobung von Kochrezepten), und zwar als solche regelmäßig benützt. Auf diese Wohnungsnutzung wiesen seit 1973 ein an der Wohnungstür und ein im Hausflur angebrachtes Schild (mit der Aufschrift "publicity und studio" und dem Namen ihres Mannes) hin; ein drittes derartiges, neben dem Haustor an der Hauswand 1973 montiertes Schild sei 1982 oder 1983 durch Unbekannte entfernt worden. Weder der durch Anführung der Gesetzesstelle § 30 Abs 2 Z 4 MRG noch der mit den Worten des § 30 Abs 2 Z 6 MRG geltend gemachte Kündigungsgrund sei durch das Tatsachenvorbringen des Klägers schlüssig ausgeführt. Nach den Tatsachenbehauptungen des Klägers hätte dieser allenfalls den Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 7 MRG geltend machen müssen. Die Vermieter hätten sich aber in Ansehung der Verwendung der Wohnung zu geschäftlichen Zwecken jedes Kündigungsanspruches "verschwiegen". Das Prozeßgericht erster Instanz hob die Aufkündigung als rechtsunwirksam auf.

Das Berufungsgericht faßte einen Aufhebungsbeschluß, dem es mit dem gleichzeitigen Aussprach, daß der Wert des Streitgegenstandes 15.000 S, nicht aber 300.000 S übersteigt, einen Rechtskraftvorbehalt beisetzte.

Das Prozeßgericht erster Instanz hatte im wesentlichen festgestellt:

Nach der (im Sinne des § 19 Abs 4 MG erfolgten) Anzeige von der Überlassung der Mietrechte benützte die Beklagte den aus Zimmer, Küche und Vorraum bestehenden Mietgegenstand als ihre Wohnung. Im Jahre 1968 heiratete sie, der Mietgegenstand diente fortan der Beklagten und ihrem Ehemann als Ehewohnung. Ab dem Jahre 1972 übte der Ehemann der Beklagten auch seine berufliche Tätigkeit als "Werbe- und Zeitschriftentexter" in der Wohnung aus. Im Jahre 1973 bezogen die Beklagte und ihr Ehemann eine andere Wohnung. Der Ehemann der Beklagten verwendete die von der Beklagten in Bestand gehaltene Wohnung weiterhin als Büro im Rahmen seines Berufes eines Werbetexters. Im Jahre 1973 wurden im Haus drei nach ihrer Gestaltung und ihrem Schriftbild als deutlich erkennbar zu bezeichnende Geschäftsschilder mit dem Hinweis auf das "publicity studio" des namentlich genannten Ehemannes der Beklagten angebracht, eines an der Wohnungstüre, eines im Hausflur beim Stiegenaufgang und eines an der Außenwand des Hauses nächst dem Haustor. Dieses zuletzt genannte Schild ist seit einigen Jahren entfernt, die beiden anderen Schilder sind nach wie vor vorhanden.

Als die Beklagte und ihr Ehemann aus der ehemals von ihrem Vater in Bestand genommenen Wohnung in eine andere ausgezogen waren und den Bestandgegenstand nicht mehr zu Wohnzwecken verwendeten, setzten sie die Hausverwaltung davon nicht in Kenntnis. Der Hausverwalter kam aber vor allem anläßlich von Reparaturarbeiten ins Haus, nahm von den Geschäftsschildern Kenntnis, unterließ aber ungeachtet der sich aus den Schildern ergebenden Hinweise auf die Nutzung der Räume als Büro jede Kontaktaufnahme mit der Beklagten hierüber und schrieb wie bis dahin die Mietzinse unter dem Ehenamen der Beklagten (ohne Vornamen) vor.

Der Ehemann der Beklagten verlegte Ende 1982 einen Teil seines Betriebes in ein anderes Objekt. In der nun aufgekündigten Wohnung bearbeitete er die mit Lebensmittelpublikationen zusammenhängenden Werbeaufträge. Im Rahmen dieses bestimmten Aufgabengebietes erprobt er in der eigens für diesen Zweck ausgestatteten Küche, die vorher vornehmlich als Lagerraum in Verwendung stand, Kochrezepte. Das Zimmer dient hauptsächlich als Archiv und Lagerraum. Die geschäftliche Nutzung dieser Art erfolgt nach wie vor regelmäßig. Der Kläger wußte aus seiner Berufstätigkeit bereits seit 1975 oder 1976, also seit einer Zeit, in der er noch nicht Anteilseigentümer des Hauses war, daß der Ehemann der Beklagten sein Studio unter der Anschrift der nun aufgekündigten Wohnung betrieb. Seit Beginn des Jahres 1987 ist ein neuer Verwalter mit der Hausverwaltung betraut. Dieser ließ im März 1987 durch einen Mitarbeiter eine Hausbegehung vornehmen.

Wegen der als erwiesen angenommenen Kenntnis des seinerzeitigen Hausverwalters von der Verwendung der Wohnung als Büro sah das Prozeßgericht erster Instanz von der Vernehmung zweier zum Beweis dafür nahmhaft gemachter Zeugen ab, daß der Hauseigentümer zur Widmungsänderung der Mietwohnung niemals eine Zustimmung erteilt oder ein Einverständnis erklärt habe. Wegen rechtlicher Unerheblichkeit der einander widersprechenden Parteienbehauptungen über die Regelmäßigkeit der Benützung der nun aufgekündigten Wohnung zu geschäftlichen Zwecken nahm das Prozeßgericht erster Instanz auch davon Abstand, einen vom Kläger namhaft gemachten Zeugen und eine von der Beklagten beantragte Zeugin zu vernehmen.

Das Prozeßgericht erster Instanz hatte in rechtlicher Würdigung gefolgert, die Beklagte habe den Wegfall eines Wohnbedürfnisses im Sinne des § 30 Abs 2 Z 6 MRG nie bestritten, aber den Verlust des Kündigungsrechtes aus diesem Grunde eingewendet. Die festgestellte Reaktionslosigkeit des seinerzeitigen Hausverwalters auf die ihm erkennbar gewesene ausschließliche Benützung der Wohnung zu geschäftlichen Zwecken müßten sich die Hauseigentümer als schlüssigen Verzicht auf die Geltendmachung der Widmungsänderung zurechnen lassen. Mit welcher Regelmäßigkeit die Wohnung für geschäftliche Zwecke benützt werde, sei für den einzigen geltend gemachten Kündigungsgrund unerheblich. Ebenso unerheblich sei der Umstand, daß der Kläger im September 1987 eine Aufkündigung gegen den Ehegatten der Beklagten angebracht (und nach Einwendung der mangelnden Mietereigenschaft wieder zurückgenommen) habe. Das Berufungsgericht erachtete in rechtlicher Beurteilung die jahrelange ausschließliche Verwendung des für Wohnzwecke in Bestand gegebenen Mietgegenstandes zu geschäftlichen Zwecken dem Tatbestand nach § 30 Abs 2 Z 6 MRG subsumierbar, so daß die Aufkündigung nicht wegen Geltendmachung eines verfehlten Kündigungsgrundes aufzuheben wäre. Streitentscheidend sei daher der eingewendete Verlust des Kündigungsanspruches (wegen "Verschweigung"). Der vom Kläger in seiner Berufung gerügte Verfahrensmangel, der in der Nichtvernehmung der beiden zum Verhalten des früheren Hausverwalters auf die geänderte Benützung der Wohnung geführten Zeugen erblickt werde, liege vor, weil nicht nur zur Widerlegung einer ausdrücklich erklärten Zustimmung, sondern auch zur Beurteilung eines schlüssigen Erklärungsverhaltens von den beantragten Zeugen erhebliche Bekundungen erwartet werden dürften, zumal im gegebenen Zusammenhang gemäß § 863 ABGB wesentlich sei, in welchem Umfang der Vermieter oder dessen Hausverwalter von den für den Kündigungsgrund maßgebenden Umständen Kenntnis gehabt und wie sich diese Personen daraufhin verhalten hätten. Entscheidend sei daher, ob und zutreffendenfalls wann Vermieter oder Hausverwalter davon Kenntnis erlangt hätten, daß die nun aufgekündigte Wohnung nur noch zu Geschäftszwecken verwendet werde, und wie sie im Besitz solchen Wissens reagiert hätten.

Die Beklagte ficht den berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschluß wegen qualifiziert unrichtiger Lösung der Frage nach der Subsumierbarkeit einer widmungswidrigen Verwendung eines als Wohnung vermieteten Bestandgegenstandes ausschließlich zu geschäftlichen Zwecken unter den Tatbestand nach § 30 Abs 2 Z 6 MRG und einer ebenso qualifizierten unrichtigen Beurteilung der für eine schlüssige Erklärung erforderlichen Umstände mit einem auf Unwirksamerklärung der Aufkündigung und Abweisung des Räumungsbegehrens zielenden Abänderungsantrag an.

Der Kläger strebt die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung an.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zwar zulässig, aber nicht berechtigt. Es erfüllt einen Kündigungsgrund, daß "die vermietete Wohnung nicht zur Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses des Mieters oder der eintrittsberechtigten Personen (§ 14 Abs 3) regelmäßig verwendet wird, es sei denn, daß der Mieter zu Kur- oder Unterrichtszwecken oder aus beruflichen Gründen abwesend ist". Diese Formulierung stimmt - vom Klammerzitat abgesehen - wörtlich mit der Regelung nach § 19 Abs 2 Z 13 MG überein, wie diese durch das Mietrechtsänderungsgesetz 1967 gefaßt worden war, wogegen die nicht regelmäßige Verwendung vermieteter Geschäftsräume zu (irgendeiner) geschäftlichen Betätigung (durch wen immer) als Kündigungsgrund nach § 19 Abs 2 Z 14 MRG umschrieben war. Daraus ergab sich zweifelsfrei ein wechselseitiger Ausschluß der Anwendbarkeit des erstgenannten Kündigungsgrundes auf Geschäftsraummieten und es zweitgenannten Kündigungsgrundes auf Wohnungsmieten. Daran ist ungeachtet des im § 30 Abs 2 Z 7 MRG verwendeten Ausdruckes "vermietete Räumlichkeiten" gegenüber dem im § 19 Abs 2 Z 14 MG gebrauchten Ausdruck "vermietete Geschäftsräume" festzuhalten. Aus den erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage und dem Ausschußbericht läßt sich nämlich nicht erkennen, daß der Ersetzung des Wortes "Geschäftsräume" durch "Räumlichkeiten" ein normativer Gehalt zukommen sollte. Nach der Formulierung der Kündigungstatbestände in der Regierungsvorlage (425 BlgNR XV.GP, 14) war die Trennung zwischen Z 6 (die vermietete Wohnung) und Z 7 (die vermieteten sonstigen Räumlichkeiten) noch klar und eindeutig. Im Ausschußbericht (880 BlgNR XV.GP, 23) fehlte in dem zu Z 7 formulierten Kündigungsgrund das den Gegensatz zu Wohnungen ausdrückende Wort sonstige, ohne daß aus den Erläuterungen (S. 5 zum § 30) ein Grund für die offensichtlich nur aus sprachlichen Rücksichten vorgenommene textliche Änderung hervorginge. In der Kommentarliteratur zum Mietrechtsgesetz wurde auch nicht im leisesten daran gezweifelt, daß der Wegfall eines schützenswerten Bedarfes an Wohnungen durch den einen und der Entfall eines solchen Bedarfes an Geschäftsräumen durch den anderen Kündigungsgrund erfaßt sein sollten (vgl Derbolav in dem von Korinek und Krejci herausgegebenen Handbuch zum Mietrechtsgesetz, S 445 und S 446 und Würth im Rummel-Kommentar zu § 30 MRG jeweils in den von ihnen gewählten Überschriften: Nichtverwendung - bzw. Nichtbenützung - der Wohnung und Nichtverwendung - bzw. Nichtbenützung - von Geschäftsräumen).

Der Mieter läßt es nicht nur dann an der regelmäßigen Verwendung der zu Wohnzwecken vermieteten Räume fehlen, wenn er (oder eine eintrittsberechtigte Person) die Wohnung überhaupt nicht oder nicht regelmäßig bewohnt, sondern auch wenn er sie regelmäßig, selbst unter Anerkennung eines dringenden Raumnutzungsbedürfnisses für diesen Zweck ausschließlich (oder so gut wie ausschließlich) zu geschäftlicher Betätigung nutzt.

Diese Auslegung las Zingher bereits in der von ihm herausgegebenen kommentierten Gesetzesausgabe des Mietengesetzes, MGS Nr. 2016 (1974) aus den von ihm in der Abteilung III/1 zu § 19 Abs 2 Z 13 unter Nr. 13 zitierten Entscheidungen heraus. Die ausschließliche Verwendung einer ausdrücklich als Wohnung vermieteten Raumeinheit zu geschäftlicher Betätigung erfüllt den Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 6 MRG.

Die gegenteilige Auffassung der Beklagten steht mit dem klaren und undeutigen Wortlaut der zitierten Gesetzesbestimmung im Widerspruch. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Aufkündigung nicht schon wegen Geltendmachung eines verfehlten Kündigungsgrundes aufzuheben sei.

Es ist daher Sache der Beklagten, die für den Verlust des Kündigungsanspruches sprechenden Tatumstände zu erweisen. Soweit aus der jahrelangen Untätigkeit der Vermieter (und ihrer Verwalter) ein diesbezüglicher Schluß gezogen werden soll, hat das Berufungsgericht zutreffend hervorgehoben, daß dazu die Kenntnis der Vermieter und ihrer Verwalter von allen für das Bestehen eines Kündigungsgrundes erheblichen Tatumständen wesentlichen ist. Wenn das Berufungsgericht in dieser Hinsicht das Verfahren als ergänzungsbedürftig erachtet, liegt dem keine unrichtige rechtliche Beurteilung zugrunde. Der Beklagten, die die Vermieter von ihrer einseitig vorgenommenen Änderung des Gebrauches der Wohnung nicht unterrichtete, steht zwar der Beweis offen, daß die Vermieter oder ihre Verwalter hievon dennoch Kenntnis erlangt haben, aber durch bloße Berufung auf den objektiv zu beurteilenden Wert eines Erklärungsverhaltens vermag sie sich schon deshalb nicht ihrer Beweislast zu entledigen, weil auch der objektive Erklärungswert einer Unterlassung nur danach beurteilbar ist, in Kenntnis welcher Umstände eine bestimmte Reaktion unterblieben ist.

Dem Rekurs war aus diesen Erwägungen ein Erfolg zu versagen. Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens beruht auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E17354

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0060OB00574.89.0427.000

Dokumentnummer

JJT_19890427_OGH0002_0060OB00574_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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