TE OGH 1989/4/27 7Ob11/89

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Veröffentlicht am 27.04.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz, Dr.Warta, Dr.Egermann und Dr.Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hermann B***, Pensionist, Traun, Gartenstraße 10 a, vertreten durch Dr.Ernest Beherstorfer und Dr.Klaus Fürlinger, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei D*** Allgemeine Versicherungs-Aktiengesellschaft, Wien 1., Schottenring 15, vertreten durch Dr.Georg Maxwald und Dr.Georg Bauer, Rechtsanwälte in Linz, wegen S 70.000,-- s.A. infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 19.Jänner 1989, GZ 13 R 87/88-10, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 13.Juli 1988, GZ 7 Cg 58/88-4, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit § 3.706,20 (darin enthalten S 617,70 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 17.März 1986 stürzte der Kläger beim Schifahren und zog sich einen komplizierten Schien- und Wadenbeinbruch zu. Im Unfallszeitpunkt bestand zwischen den Streitteilen ein aufrechter Unfallversicherungsvertrag, dem die AUVB 1965 zugrunde lagen. Der Kläger meldete den Unfall der Beklagten mit der Unfallanzeige vom 4. Juli 1986, welche der Vertreter der Beklagten Franz Z*** für ihn ausgefüllt hatte. Während die auf der ersten Seite des von der Beklagten stammenden Formulars stehenden Fragen (über die persönlichen Daten des Versicherten, die Unfallszeit, den Unfallsort und den Unfallshergang) beantwortet wurden, blieben die auf der Rückseite angeführten - vom behandelnden Arzt zu

beantwortenden - Fragen, insbesondere darüber, ob der Unfall eine bleibende Invalidität zur Folge haben werde, unbeantwortet. Der Kläger legte der Unfallanzeige jedoch die Krankengeschichte des Allgemeinen Öffentlichen Krankenhauses der Stadt Linz und die Bestätigung seines damaligen Dienstgebers über die Dauer des unfallsbedingten Krankenstandes bei. Aus diesen Beilagen ergab sich aber kein Hinweis auf irgendwelche Dauerfolgen. Auf Grund dieser Unterlagen wies die Beklagte dem Kläger ein Taggeld von insgesamt S 6.500 an.

Der Kläger hatte auch mit einer anderen Gesellschaft eine Unfallversicherung abgeschlossen. Diese beauftragte den Facharzt für Unfallchirurgie Dr.Dietmar S***, ein Gutachten zur Abklärung möglicher Dauerfolgen zu erstellen. Nach der Untersuchung des Klägers am 3.Juni 1987 kam Dr.S*** in seinem Gutachten vom 3. Juli 1987 zum Ergebnis, daß der Kläger durch den Unfall eine bleibende Gebrauchswertminderung des linken Beines um 20 % des Beinwertes erlitten habe. Von diesem Untersuchungsergebnis erhielt der Kläger mit Schreiben vom 20.Juli 1987 Kenntnis. Am 24.August 1987 verständigte der Kläger erstmals die Beklagte davon, daß bei ihm Dauerfolgen verblieben seien. Die Beklagte lehnte die Ansprüche des Klägers auf Versicherungsleistungen wegen Dauerinvalidität mit Schreiben vom 28.August 1987 unter Berufung auf Art. 8 II Z 2 AUVB 1965, wonach Ansprüche auf Leistung für Dauerfolgen innerhalb von 15 Monaten vom Unfallsstag an geltend zu machen sind, ab.

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Zahlung von S 70.000 s.A. wegen der Dauerfolgen nach dem Unfall vom 17.März 1986. Auf Grund seiner Unfallanzeige seien der Beklagten sämtliche Unterlagen über seinen Unfall zur Verfügung gestanden. Zum Zeitpunkt der Unfallmeldung sei dem Kläger selbst noch nicht bekannt gewesen, daß eine dauernde Invalidität zurückbleiben werde. Dennoch habe er damit sämtliche Leistungen aus dem Versicherungsvertrag geltend gemacht. Erst am 2.August 1987 habe er durch die Zusendung des Gutachtens Dris.S*** erfahren, daß er Dauerfolgen nach dem Unfall zu tragen habe. Die Beklagte habe ihn aus Anlaß der Unfallanzeige nicht auf die Frist des Art. 8 II Z 2 AUVB 1965 aufmerksam gemacht. Ihr Einwand, daß die Ansprüche wegen Dauerfolgen verspätet geltend gemacht würden, verstoße daher gegen Treu und Glauben. Aus Art. 8 II Z 2 AUVB 1965 ergebe sich aber auch nicht der Verlust der Ansprüche im Fall der Nichteinhaltung der darin genannten Frist.

Die Beklagte stellte das Klagebegehren rein der Höhe nach außer Streit, beantragte jedoch die Abweisung der Klage. Sie habe dem Kläger auf Grund der Unfallanzeige das zustehende Taggeld ausgezahlt. Ansprüche wegen Dauerfolgen habe der Kläger erstmals am 24. August 1987, somit nach Ablauf der in Art. 8 II Z 2 AUVB 1965 vorgesehenen Frist, geltend gemacht. Dem Kläger seien die Dauerfolgen schon lange vor Ablauf dieser Frist bekannt geworden. Die ursprüngliche Unfallanzeige habe keinen Hinweis auf Dauerfolgen enthalten.

Das Erstgericht gab der Klage statt. Art. 8 II Z 2 AUVB 1965 enthalte weder eine Ausschlußfrist noch eine Obliegenheit. Dem Beklagten sei die Nichteinhaltung dieser Frist nicht vorwerfbar, weil er selbst erst nach deren Ablauf von den Dauerfolgen Kenntnis erlangt habe. Die Berufung auf den Ablauf der Frist würde auch gegen Treu und Glauben verstoßen. Nach der Übung des redlichen Verkehrs wäre die Beklagte, die eine Einschränkung der Unfallanzeige auf das Taggeld nicht habe annehmen dürfen, verpflichtet gewesen, den Kläger auf die Frist zur Geltendmachung der Ansprüche auf Leistung für Dauerfolgen hinzuweisen.

Das Berufungsgericht wies die Klage ab. Art. 8 II Z 2 AUVB 1965 enthalte eine Ausschlußfrist. Es treffe nicht zu, daß die Beklagte den Kläger durch treuwidriges Verhalten an der rechtzeitigen Geltendmachung der Ansprüche gehindert habe. Nur dann, wenn der Versicherer nach der ihm gegebenen Schilderung des Unfalls und seiner Folgen mit der Möglichkeit einer Invalidität rechnen müsse, sei er verpflichtet, den Versicherten vor Fristablauf auf die Notwendigkeit der rechtzeitigen Geltendmachung seiner Ansprüche hinzuweisen. Ansonsten müsse er nicht auf bestimmte Fälle des Ausschlusses vom Versicherungsschutz verweisen. Die Unfallanzeige des Klägers habe keinerlei Hinweis auf die Möglichkeit von Dauerfolgen enthalten. Die Beklagte sei daher zu keiner Belehrung über die Frist zur Geltendmachung derartiger Ansprüche verpflichtet gewesen. Wegen der Fristversäumung sei daher der Anspruch des Klägers auf Entschädigung für Dauerfolgen erloschen. Gegen dieses Urteil richtet sich die wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision des Klägers mit dem Antrag, das Urteil des Erstgerichtes wiederherzustellen; hilfsweise stellt der Kläger auch einen Aufhebungsantrag. Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Kläger bekämpft in seiner Revision in erster Linie die Auffassung des Berufungsgerichtes, daß Art. 8 II Z 2 AUVB 1965 eine Ausschlußfrist vorsehe. Ansprüche wegen dauernder Invalidität habe er schon in seiner Unfallanzeige, in der alle damals bekannten Unfallfolgen genannt worden seien, geltend gemacht, so daß ihm eine Fristversäumung nicht zur Last falle. Die Beklagte berufe sich aber auch wider Treu und Glauben auf die Verfristung des geltend gemachten Anspruchs, weil ihm ein "Direktor" der Beklagten beim Ausfüllen der Unfallanzeige behilflich gewesen sei. Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen seien der Versicherungspolizze auch nicht beigelegen. Der Kläger habe selbst erst nach dem 20.Juli 1987 von seiner bleibenden Invalidität erfahren und die Beklagte davon unverzüglich verständigt. Daher liege auch ein Entschuldigungsgrund für die Fristversäumung vor.

Diesen Ausführungen in der Revision kann nicht beigepflichtet werden: Nach ständiger Rechtsprechung bestimmt Art. 8 II Z 2 AUVB 1965 (auch idF 1976) eine Ausschlußfrist (7 Ob 48/81; 7 Ob 9/85; 7 Ob 52/87; VersRdsch 1989, 22). Diese Auffassung steht mit der Rechtsprechung des BGH (VersR 1978, 1036 ff) und der deutschen Lehre (Wussow-Pürckhauer, AUB-Komm5 178 ff; Grimm, AUB-Komm 135; Prölss-Martin VVG24 1525) im Einklang. Anders als die Rechtsprechung in der Bundesrepublik Deutschland hat der Oberste Gerichtshof aber den Rechtsverlust als Folge der Versäumung einer Ausschlußfrist nicht davon abhängig gemacht, ob die Frist schuldhaft versäumt wurde (ZVR 1979/44). Obwohl es sich um eine Ausschlußfrist handelt, kann der Versicherer jedoch dadurch, daß er sich auf diese Frist beruft, gegen Treu und Glauben verstoßen (7 Ob 52/87;

7 Ob 3/88; VersRdSch 1989, 22; Prölss-Martin aaO; Grimm aaO 136;

Wussow-Pürckhauer aaO 179). Gegen Treu und Glauben verstößt die Berufung auf die Fristversäumnis u.a. dann, wenn sie in irgendeiner Weise durch das Verhalten des Versicherers verursacht worden ist (Wussow-Pürckhauer aaO). Außerdem kann die Berufung auf den Fristablauf treuwidrig sein, wenn sich der Versicherer nach Fristablauf noch auf Verhandlungen einläßt und neue Gutachten anfordert (Prölss-Martin aaO). Eine Verpflichtung, auf die Notwendigkeit zur fristgemäßen Geltendmachung des Invalititätsanspruches hinzuweisen, besteht allerdings nur dann, wenn sich aus der Unfallanzeige ein Hinweis auf die Möglichkeit des Verbleibens von Dauerfolgen ergibt (Grimm aaO, Wussow-Prückhauer aaO 177 f; Prölss-Martin aaO). Andernfalls müßte der Versicherer - in unzumutbarer Weise - auf alle möglichen Ausschlüsse von der Versicherung hinweisen, ohne dafür wegen des ihm bekannten Sachverhalts einen sachlichen Grund dafür zu haben. Im vorliegenden Fall hat der Kläger selbst in seiner Unfallanzeige keinerlei Angaben über mögliche Dauerfolgen gemacht. Aber auch aus der diesem Bericht angeschlossenen Krankengeschichte konnte die Beklagte keinen solchen Hinweis entnehmen. Aus der Art der - zwar schweren - Verletzung mußte die Beklagte ebenfalls keinen Schluß auf mögliche Dauerfolgen ziehen, weil erfahrungsgemäß nach ordnungsgemäß verheilten Beinbrüchen keine Dauerfolgen verbleiben. Der Hinweis in der Revision, der Kläger habe bereits mit der Unfallanzeige den Anspruch wegen dauernder Invalidität geltend gemacht, trifft daher nicht zu. Die bloße Mitteilung des Unfalls und der unmittelbaren Verletzungsfolgen genügt aber nicht für die Geltendmachung des Ersatzanspruches für Dauerfolgen (Grimm aaO 136). Mangels jeglicher Bezugnahme auf Dauerfolgen konnte die Beklagte aber auch nicht verpflichtet sein, den Kläger auf die Ausschlußfrist des Art. 8 II Z 2 AUVB 1965 hinzuweisen. Daß ein Angestellter der Beklagten dem Kläger bei der Ausfüllung der Unfallanzeige behilflich war, besagt für sich allein noch nicht, daß die Beklagte die Versäumung der Frist für die Ansprüche für dauernde Invalidität verursacht hat. Der Kläger hat im Verfahren erster Instanz auch nicht behauptet, daß der Vertreter der Beklagten schon damals Kenntnis von Dauerfolgen gehabt, dennoch aber die Geltendmachung der sich daraus ergebenden Ansprüche schon in der Unfallanzeige unterlassen habe. Schließlich ist es Sache des Versicherten, der einen Versicherungsvertrag unter Geltung Allgemeiner Versicherungsbedingungen abschließt, sich die - jederzeit möglich - Kenntnis davon zu verschaffen. Unkenntnis der Allgemeinen Versicherungsbedingungen reicht für die Begründung der Einrede der treuwidrigen Berufung auf darin enthaltenen Ausschlußfristen nicht aus (vgl. Grimm aaO 135). Die Ausführungen in der Revision aber, der Kläger habe die Ausschlußfrist ohne sein Verschulden versäumt, sind im Hinblick auf deren Rechtsnatur nicht zielführend. Keinesfalls liegt im Fehlen eines Verschuldens auf Seite des Klägers schlechthin ein Verhalten der Beklagten, das den Kläger an der rechtzeitigen Geltendmachung des Anspruches für dauernde Invalidität gehindert hat. Mangels rechtzeitiger Geltendmachung ist der Anspruch des Klägers wegen dauernder Invalidität erloschen. Der Revision war somit ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E17603

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0070OB00011.89.0427.000

Dokumentnummer

JJT_19890427_OGH0002_0070OB00011_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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