TE OGH 1989/4/27 6Ob523/89

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Veröffentlicht am 27.04.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Schlosser und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) Willibald K***, Pensionist,

2) Leopoldine K***, Pensionistin, beide in 8020 Graz, Afritschgasse 25, beide vertreten durch Dr. Walter Schlick, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Dr. Othmar R***, öffentlicher Notar, 8010 Graz, Jakominiplatz 14, vertreten durch Dr. Herbert Jürgens, Rechtsanwalt in Graz, wegen

S 72.398,75 sA und monatlich S 3.000,-- sA (Gesamtstreitwert: S 432.398,75), infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 25. Oktober 1988, GZ 5 R 182/88-20, womit das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 11. Mai 1988, GZ 16 Cg 396/86-15, unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Prozeßkosten.

Text

Begründung:

Mit Bestandvertrag vom 31. Oktober 1973 vermietete der Erstkläger den überwiegenden, näher bezeichneten Teil der in seinem Alleineigentum stehenden Liegenschaft EZ 249 KG Neudorf an Josef Z***. Das Bestandrecht wurde - ebenso wie ein Vorkaufsrecht des Bestandnehmers - im Grundbuch eingetragen. Schon in diesem Bestandvertrag ist dem Bestandnehmer für den Fall, daß er durch Ausübung seines Betriebes (Spezialwerkstätte für Kraftfahrzeuge) auf dem Bestandobjekt einen monatlichen Reingewinn von mehr als S 15.000,-- erzielt, das Recht eingeräumt worden, die ganze angeführte Liegenschaft gegen Zahlung einer monatlichen Leibrente (in Höhe des bisherigen Bestandzinses) an die beiden Kläger in sein Eigentum zu übernehmen. Hiezu sah Punkt 3 letzter Absatz des Bestandvertrages folgendes vor:

"Selbst bei Übertragung der gegenständlichen Liegenschaft in das Eigentum des Bestandnehmers bleibt auf Lebensdauer der Leibrentenberechtigten der auch vom Bestandobjekt nicht erfaßte Teil ausgenommen, welcher Teil zur unentgeltlichen Benützung auf Lebensdauer dem Herrn K*** und dessen Gattin zur Verfügung steht."

In der Folge besprachen der Erstkläger und Josef Z***, wie diesem die Liegenschaft verkauft und übergeben werden könne; dies sollte gegen Bezahlung einer monatlichen Leibrente erfolgen. Der schon im Rahmen des Bestandverhältnisses ausgenommene Teil der Liegenschaft sollte aber auch weiterhin dem Erstkläger im Rahmen eines lebenslänglichen unentgeltlichen Nutzungsrechtes vorbehalten bleiben. Das waren die Vertragsvorstellungen der Kläger bevor der Beklagte konsultiert wurde.

Am 15. Oktober 1975 schloß der Erstkläger unter Beitritt der Zweitklägerin mit den Ehegatten Josef und Gertrude Z*** mittels eines vom Beklagten errichteten Notariatsaktes einen "Übergabs- und Leibrentenvertrag", nach welchem Josef und Gertrude Z*** die Liegenschaft EZ 249 KG Neudorf je zur Hälfte in ihr Eigentum übernahmen. Gemäß Punkt VI des Notariatsaktes "bleibt das im Bestandvertrag vom 31. Oktober 1973 stipulierte lebenslängliche unentgeltliche Nutznießungsrecht des Übergebers und seiner Gattin hinsichtlich eines Teiles des Übergabsobjektes auch weiterhin aufrecht und wird hiemit von den beiden Übernehmern neuerlich ausdrücklich bestätigt sowie eingeräumt". Im übrigen verpflichteten sich die Übernehmer gemäß dem weiteren Text des Vertragspunktes zur Zahlung einer Leibrente von wertgesichert S 4.600,-- monatlich. Die Vertragspartner erklärten ihre ausdrückliche Einwilligung, daß auf Grund dieses Notariatsaktes die Löschung des Bestandrechtes, das Eigentumsrecht für Josef und Gertrude Z*** und die "Reallast der Leibrente nach Inhalt und Maßgabe der Bestimmungen des Punktes VI" einverleibt werde.

Die ersten Gespräche zwecks Errichtung und Abschluß dieses Notariatsaktes fanden beim Beklagten am 2. September 1979 statt. Bei einem weiteren Gespräch am 10. September 1975 wurde bereits der Rohentwurf des Notariatsaktes festgelegt.

Der Erstkläger, dem die Einrichtung des Grundbuches und dessen Zweck "grundsätzlich bekannt" waren, deponierte dem Beklagten gegenüber seine Forderungen nach Übergang der Liegenschaft im Leibrentenwege auf die Ehegatten Z*** unter Vorbehalt eines bestimmten Teiles des Gartens zum Zwecke der lebenslänglichen und unentgeltlichen Nutzung durch ihn und seine Gattin. Der Beklagte nahm keine eingehende Belehrung über die rechtlichen Probleme im Zusammenhang mit der grundbücherlichen Sicherstellung der Ansprüche der Kläger vor. Über die bestehende uneinheitliche Rechtsprechung zur Frage der gleichzeitigen Verbücherung der Reallast der Leibrente und eines Fruchtgenußrechtes nahm der Beklagte weder eine ausdrückliche Belehrung noch eine Erörterung vor. Über seine Anregung wurde ein Vorkaufsrecht zugunsten der Kläger aufgenommen, an dessen Ausübung aber im damaligen Zeitpunkt nicht zu denken war, weil den Klägern die hiefür erforderlichen finanziellen Mittel fehlten. Ein vom Erstkläger gewünschtes Belastungs- und Veräußerungsverbot nach § 364 c ABGB wurde vom Beklagten unter Hinweis auf die gesetzlichen Bestimmungen nicht in den Vertrag aufgenommen. Im übrigen erfolgte nur ein kurzes Durchbesprechen der Punkte des Notariatsaktes, worauf dieser von den Parteien unterschrieben wurde.

Vor und bei Errichtung des Vertrages war "die unabdingbare Absicht" der Kläger darauf gerichtet, daß nicht nur die wertgesicherte Leibrente, sondern auch ihr Fruchtgenußrecht grundbücherlich intabuliert werden solle. Der Erstkläger war nach Errichtung des Notariatsaktes durch den Beklagten der Meinung, daß nach seinen Intentionen für ihn alles zum Besten bestellt sei. Die Verbücherung des Notariatsaktes erfolgte am 4. Mai 1976. Eine weitere Verständigung der Kläger, daß bezüglich des Nutznießungsrechtes eine grundbücherliche Absicherung nach Erachten des Beklagten nicht möglich sei, erfolgte ebensowenig wie eine solche über die Möglichkeit der Abtrennung des vom Nutznießungsrecht umfaßten Teiles der Liegenschaft.

Im Jahre 1982 wurde über das Vermögen der Ehegatten Z*** der Konkurs eröffnet und mit Beschluß vom 22. Oktober 1982 die kridamäßige Versteigerung auch der Liegenschaft EZ 249 KG Neudorf bewilligt, welche das Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz durchführte. Die Liegenschaft wurde der R***

GRAZ-ST.P*** zugeschlagen. Die Ersteherin hatte die Reallast der Leibrente ohne Anrechnung auf das Meistbot zu übernehmen. Sie verkaufte die Liegenschaft mit Kaufvertrag vom 30. Dezember 1983 an Edith F***. Über deren zu 25 Cg 249/84 des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz eingebrachten Klage wurde rechtskräftig in allen drei Instanzen festgestellt, daß den Klägern ob der Liegenschaft EZ 249 KG Neudorf keine über die einverleibte Reallast der Leibrente hinausgehenden Rechte zustehen, insbesondere nicht das Nutzungsrecht hinsichtlich zweier auf den Liegenschaften befindlichen Garagen bzw das Nutzungsrecht hinsichtlich irgend eines Teiles der Liegenschaft.

Die Kläger wurden in jenem Verfahren durch Rechtsanwalt Dr. Gerhard S*** vertreten. Dieser vereinbarte mit dem Beklagten, ihn von den Verfahrensschritten auf dem Laufenden zu halten. Nach Auffassung des Beklagten war der Rechtsstreit für die Kläger nicht aussichtslos und sollte von ihnen geführt werden. Den in jenem Rechtsstreit unterlegenen Klägern erwuchsen insgesamt Kosten von S 58.898,75. Sie mußten die von ihrem "Nutzungsrecht" umfaßten Flächen am 15. Juli 1986 räumen.

Mit ihrer beim Erstgericht am 4. Dezember 1986 eingelangten Klage begehrten die Kläger vom Beklagten den Ersatz der Prozeßkosten des Vorprozesses von insgesamt S 58.898,75 sowie für die Zeit vom 15. Juli 1986 bis einschließlich November 1986 die Zahlung von S 13.500,-- als Schadenersatz für den Wegfall des Nutzungsrechtes am genannten Liegenschaftsteil; aus demselben Titel begehrten sie schließlich ab Dezember 1986 auf Lebenszeit die Zahlung von wertgesicherten S 3.000,-- monatlich. Die Kläger behaupteten, sie hätten vom Beklagten im Hinblick auf die bei Errichtung des Notariatsaktes bereits bestandene, zumindest unklare finanzielle Situation der Ehegatten Z*** ausdrücklich eine grundbücherliche Absicherung ihres lebenslänglichen unentgeltlichen Nutzungsrechtes gefordert. Der Beklagte sei aber diesem Wunsch der Kläger nicht nachgekommen und habe sie auch nicht entsprechend aufgeklärt. Insbesondere habe er sie keineswegs auf die uneinheitliche Judikatur zur Frage der Sicherstellung hingewiesen. Hätte der Beklagte die Kläger darauf aufmerksam gemacht, daß eine solche grundbücherliche Sicherstellung nicht möglich sei, so hätten sie darauf bestanden, daß entweder der in ihrer Nutzung verbleibende Liegenschaftsteil abgeschrieben werde, oder eine andere Regelung getroffen. Den Vorprozeß hätten die Kläger im Einvernehmen und über ausdrücklichen Wunsch des Beklagten geführt. Der Beklagte habe den Standpunkt vertreten, daß ihnen ohnedies ein verdinglichtes Nutzungsrecht zustehe, weil jeder Dritte auch den Inhalt der Urkunden gegen sich gelten lassen müsse und sich nicht auf die "Kurzeintragung im Hauptbuch" verlassen dürfe.

Der Beklagte hielt dem entgegen, er habe den Notariatsakt in Bindung an den bereits mit Bestandvertrag vom 31. Oktober 1973 niedergelegten Parteiwillen nach bestem Wissen und Gewissen sowie in Kenntnis der uneinheitlichen Judikatur über die Zulässigkeit einer gleichzeitigen bücherlichen Eintragung sowohl einer Reallast der Leibrente als auch eines lebenslänglichen unentgeltlichen Nutzungsrechtes an derselben Liegenschaft errichtet. Nach seiner Auffassung habe er ohnehin eine Verdinglichung der Nutzungsrechte der Kläger erreicht, weil sich die Aufsandungserklärung des Notariatsaktes auf den gesamten Inhalt des Punktes VI bezogen habe. Die Kläger hätten im übrigen eine grundbücherliche Absicherung ihres lebenslänglichen, unentgeltlichen Nutzungsrechtes gar nicht verlangt. Ihr Interesse sei vielmehr darauf gerichtet gewesen, die wertgesicherte Leibrente als Reallast absolut sicherzustellen. Überdies habe der Beklagte die Kläger auch auf mögliche Schwierigkeiten und die Tatsache, daß eine gleichzeitige Verbücherung der Reallast und des Fruchtgenusses nicht möglich sei, hingewiesen. Es treffe ihn daher kein Verschulden am Verlust des Nutzungsrechtes der Kläger. Die Kläger hätten ihn auch keineswegs auf eine damals etwa bereits bestandene zumindest unklare finanzielle Situation der Übernehmer aufmerksam gemacht. Überdies hätten sie bis zur Versteigerung der Liegenschaft ihre Rechte gegenüber dem Ehepaar Z*** auch absichern können und mögliche Einwendungen im Exekutionsverfahren unterlassen. Keinesfalls hafte der Beklagte für den Ersatz der Prozeßkosten des Vorprozesses. Selbst bei einer fehlerhaften Vertragsverfassung hätten die Kläger submittieren müssen. Sie könnten daher nur den Rechtsanwalt in Anspruch nehmen, der sie dort vertreten, ihnen aber einen solchen Rat nicht erteilt habe.

Die von ihm noch "vorsichtsweise" erhobene Einrede der Verjährung begründete der Beklagte damit, daß die Kläger spätestens mit Zustellung des Grundbuchsbeschlusses vom 4. Mai 1976 etwa um den 1. Juni 1976 vom Mangel der Verdinglichung ihres Nutzungsrechtes erfahren hätten.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt. Es stellte über den eingangs geschilderten Sachverhalt hinaus noch fest, daß für die monatliche Nutznießung einer gleichwertigen Grundfläche mit darauf errichtetem Gebäude ein Betrag von S 3.000,-- aufzuwenden wäre.

Rechtlich folgerte das Erstgericht daraus, der Beklagte habe die Kläger bei Abschluß des Übergabs- und Leibrentenvertrages unzureichend belehrt. Er hätte als Vertragserrichter nicht nur die rechtlichen, sondern auch die wirtschaftlichen Auswirkungen berücksichtigen müssen und daher die Interessen der Kläger nicht ausreichend abgesichert. Er habe deshalb für deren Schäden zu haften. Das Berufungsgericht gab mit dem angefochtenen Beschluß der Berufung des Beklagten Folge. Es hob das Urteil des Erstgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Prozeßgericht erster Instanz zurück. Das Berufungsgericht übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen - mit Ausnahme jener über die erforderlichen monatlichen Aufwendungen für die Nutznießung einer gleichwertigen Grundfläche mit darauf errichtetem Gebäude - und erachtete diese sowohl zur Frage des Grundes und der Höhe der geltend gemachten Schadenersatzansprüche als auch zum Verjährungseinwand des Beklagten als ergänzungsbedürftig.

Gemäß der vom Berufungsgericht dargestellten Lehre und Rechtsprechung zur Haftung eines Notars nach § 1299 ABGB als Sachverständiger für einen "Kunstfehler" bei Vertragsverfassung und/oder für Unterlassung einer nach den Umständen des Falles gebotenen Belehrung werde das Erstgericht im fortgesetzten Verfahren eindeutig festzustellen haben, ob der Beklagte die Kläger im Sinne ihres Sachvorbringens bei der Vertragsverfassung - sei es eingehend oder nur kurz, unter Hinweis auf eine einheitliche oder uneinheitliche Rechtsprechung - über die nötige bücherliche Absicherung der persönlichen Dienstbarkeit belehrt oder ob er gar einer diesbezüglichen ausdrücklichen Forderung der Kläger nicht entsprochen habe. Wenn auch ein Teil der Rechtsprechung die gleichzeitige Eintragung der Reallast des Ausgedinges und des Fruchtgenußrechtes als unzulässig erachte, weil es in einem solchen Fall an wirtschaftlichen Erträgnissen der Liegenschaft mangle, aus denen die Ausgedingsleistungen erbracht werden könnten, dem Gericht aber nicht die Verbücherung eines von mehreren konkurrierenden Rechten überlassen bleiben dürfe, so stelle sich diese Problematik hier gar nicht, weil die den Klägern vertraglich eingeräumte persönliche Servitut nur etwas mehr als ein Fünftel der gesamten Liegenschaft betroffen habe. Das Argument des Nichtzureichens der wirtschaftlichen Erträgnisse für das Erbringen der Leibrentenbeträge sei daher im vorliegenden Fall unanwendbar. Ein Fruchtgenußrecht könne aber durchaus der Ausübung nach auf ein bestimmtes oder bestimmbares Flächenausmaß eines Grundstückes eingeschränkt werden. Zur Beurteilung der schadenersatzrechtlichen Verpflichtung des Beklagten in Ansehung der Prozeßkosten des Vorprozesses seien die bisherigen Feststellungen schon deshalb nicht ausreichend, weil die Kläger ihre diesbezügliche Ersatzforderung selbst nur damit begründet hätten, daß die Prozeßführung im Einvernehmen mit dem Beklagten und über dessen ausdrücklichen Wunsch erfolgt sei. Auch der - vom Erstgericht gänzlich

unberücksichtigte - Verjährungseinwand des Beklagten könne noch nicht abschließend beurteilt werden, weil die für den Beginn der Verjährungsfrist maßgeblichen Umstände nicht festgestellt worden seien. Die Verjährung habe erst ab dem Zeitpunkt zu laufen beginnen können, in dem den Klägern objektiv alle für das Entstehen des Schadenanspruches maßgebenden Umstände - Schaden und Ersatzpflichtiger - bekannt gewesen seien. Die Kenntnis müsse dabei den ganzen anspruchsbegründenden Sachverhalt umfassen, daher hier auch jene Umstände, aus denen sich selbst für einen Laien ein Einblick in die für das Verschulden des Schädigers maßgeblichen Zusammenhänge ergebe.

Gegen diesen Beschluß des Berufungsgerichtes richtet sich der Rekurs des Beklagten mit dem Antrag auf Aufhebung des Beschlusses und Erlassung des Auftrages an das Gericht zweiter Instanz, über die Berufung in der Sache selbst im Sinne einer gänzlichen Klagsabweisung zu erkennen.

Die Kläger stellen den Antrag, dem Rechtsmittel des Beklagten nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zwar wegen des nach § 519 Abs 2 ZPO im Hinblick auf die Voraussetzungen des § 502 Abs 4 Z 2 ZPO zutreffend beigesetzten Rechtskraftvorbehaltes zulässig, er ist jedoch nicht berechtigt.

Mit seinen Rechtsmittelausführungen macht der Beklagte vornehmlich geltend, die Sache sei bereits zur Entscheidung im Sinne einer Klagsabweisung reif, weil die von den Klägern erhobenen Schadenersatzansprüche jedenfalls verjährt seien.

Dem ist jedoch folgendes entgegenzuhalten:

Für den Beginn der Verjährungsfrist ist - weil hier kein Sachverhalt vorliegt, aus dem dieser mit größter Wahrscheinlichkeit erschlossen werden kann - der Beklagte behauptungs- und beweispflichtig, der die Verjährung aller Ansprüche der Kläger einwendete (SZ 52/186; SZ 56/36; JBl 1988, 321; JBl 1989, 113 ua). Eine Schadenersatzklage der vorliegenden Art verjährt gemäß § 1489 erster Satz ABGB in drei Jahren von der Zeit an, von welcher dem Geschädigten der Schaden und die Person des Beschädigers (Ersatzpflichtigen) so weit bekannt wurde, daß eine Klage mit Aussicht auf Erfolg erhoben werden kann (Schubert in Rummel, ABGB, Rz 3 zu § 1449). Dabei ist die Kenntnis der (gesamten) Schadenshöhe wegen der Möglichkeit der Erhebung einer Feststellungsklage nicht Voraussetzung des Beginnes des Laufes der Verjährungsfrist (JBl 1988, 321; ZVR 1988/83 ua). Um eine Schadenersatzklage mit Aussicht auf Erfolg erheben zu können, muß im übrigen die Kenntnis des Geschädigten den ganzen anspruchsbegründenden Sachverhalt umfassen, in Fällen der Verschuldenshaftung daher auch jene Umstände, aus denen sich das Verschulden des Schädigers ergibt (SZ 56/76; JBl 1987, 450; JBl 1988, 321 ua). Die Verjährungsfrist beginnt insbesondere nicht, wenn der Geschädigte als Laie - wie hier die Kläger - keinen Einblick in die für das Verschulden maßgeblichen Zusammenhänge hat (1 Ob 682, 683/76 ua) und etwa erst durch ein Sachverständigengutachten hievon Kenntnis erhält

(MietSlg 29.217 ua). Die bloße Möglichkeit einer Ermittlung einschlägiger Tatsachen vermag ihr Bekanntsein nicht zu ersetzen;

Kennenmüssen reicht nicht aus (Schubert, aaO; SZ 30/40;

JBl 1988, 321 ua).

Der Beklagte hat im vorliegenden Fall seinen Verjährungseinwand ausschließlich darauf gestützt, daß die Kläger spätestens mit Zustellung des Grundbuchsbeschlusses vom 4. Mai 1976 etwa um den 1. Juni 1976 herum vom Mangel der Verdinglichung des Nutzungsrechtes erfahren hätten. Soweit er daher nunmehr in seinem Rekurs erstmalig die Behauptung aufstellt, den Klägern habe jedenfalls seit dem Versteigerungstermin vom 21. September 1983, bei dem der Zuschlag der Liegenschaft an die R*** GRAZ-ST. P*** erfolgt sei, bekannt sein müssen, daß sie ihr Fruchtgenußrecht nicht mehr ausüben könnten, liegt - abgesehen davon, daß Kennenmüssen nicht ausreichend ist - eine unzulässige und daher unbeachtliche Neuerung vor. Seine erstinstanzlichen Behauptungen zum Beginn der Verjährungsfrist hat der Beklagte aber nach den vorliegenden Feststellungen nicht erwiesen, war er doch nach seinen eigenen Behauptungen als rechtskundiger Notar selbst der Auffassung, durch die Einverleibung der Reallast der Leibrente "nach Inhalt und Maßgabe der Bestimmungen des Punktes VI" des von ihm errichteten Notariatsaktes sei auch eine dingliche Sicherstellung des vertraglichen Nutzungsrechtes der Kläger bewirkt worden. Schon deshalb ist es unerfindlich, wieso die Kläger als juristische Laien aus dem seinerzeitigen Grundbuchsauszug Gegenteiliges hätten entnehmen sollen, hat doch der Beklagte an seiner Rechtsauffassung auch noch im vorliegenden Verfahren zu einem Zeitpunkt festgehalten, wo solches im Hinblick auf die im Vorprozeß ergangene Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 18. März 1986, 2 Ob 527/86, keinesfalls mehr vertretbar war.

Im Gegensatz zur Meinung des Berufungsgerichtes wäre daher die Sache anhand des festgestellten Sachverhaltes in bezug auf den vom Beklagten erhobenen Verjährungseinwand spruchreif, weil die dreijährige Verjährungsfrist keinesfalls - im Sinne seiner erstinstanzlichen Sachbehauptungen - bereits am 1. Juni 1976 zu laufen begonnen haben kann. Die Urteilsaufhebung erweist sich aber zum Grund der geltend gemachten Schadenersatzansprüche und zu deren Höhe als gerechtfertigt:

Das Berufungsgericht hat die von Lehre und Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Haftung eines Notars als Vertragsverfasser zutreffend dargestellt. In dieser Eigenschaft übt auch der Notar einen rechtsberatenden Beruf aus (Schwimann/Harrer, ABGB, V, § 1300 Rz 17). So wie bei einem Rechtsanwalt gehört daher die Belehrung der meist rechtsunkundigen Vertragsparteien gleichermaßen zu den Aufgaben eines Notars (vgl SZ 56/181; SZ 58/165; RdW 1986, 268 ua). Als Urkundenverfasser haben Notare nicht nur die rechtlichen, sondern auch die wirtschaftlichen Auswirkungen zu berücksichtigen (Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 18 zu § 1299; SZ 43/221; JBl 1975, 328; MietSlg 32.229, 33.225; 6 Ob 593/87). Ein derartiger berufsmäßiger Vertragsverfasser und Parteienvertreter muß in der Regel mit der Möglichkeit einer ungünstigen Entwicklung der Wirtschaftslage des anderen Vertragspartners rechnen und seine Tätigkeit in Wahrung der beiderseitigen Parteiinteressen darauf einstellen (MietSlg 32.229). Allerdings darf der Sorgfaltsmaßstab des § 1299 ABGB nicht überspannt werden, demzufolge nur für die Sorgfalt eines durchschnittlichen Fachmannes des jeweiligen Gebietes einzustehen ist (Reischauer, aaO, Rz 2; SZ 38/165; JBl 1970, 621; vgl. auch EvBl 1982/3). Insbesondere dann, wenn die Parteien den Vertrag bereits errichtet haben und ihn nur mehr in die entsprechende juristische Form bringen wollen, hat der Vertragserrichter in der Regel lediglich die Pflicht, das Vereinbarte entsprechend zu formulieren und sinnvolle Ergänzungen vorzunehmen (Reischauer, aaO). Es ist dann nicht seine Aufgabe, auf eine Abänderung des abgeschlossenen Vertrages hinzuwirken (vgl SZ 28/57) oder gar, einen Teil von der Vertragsunterzeichnung abzuhalten (6 Ob 593/87). In diesem Sinne hat das Berufungsgericht zutreffend erkannt, daß das auf Lebenszeit der Kläger vereinbarte Nutzungsrecht an einem räumlich bestimmten Teil der zu übergebenden Liegenschaft (vgl dazu Petrasch in Rummel, ABGB, Rz 2 zu § 509) grundsätzlich in gleichem Maße sicherungsbedürftig war wie die vereinbarte Leibrentenzahlung durch die Übernehmer. Das vom Beklagten im Rekurs wiederholte Argument, er sei bei Vertragsverfassung bereits an die im Bestandvertrag vom 31. Oktober 1973 enthaltenen Vereinbarungen über das Nutzungsrecht der Kläger und ihren Leibrentenanspruch gebunden gewesen, ist deshalb nicht stichhältig, weil dort über eine allfällige dingliche Sicherstellung dieser Rechte noch keinerlei Vereinbarungen getroffen worden waren. Daß eine solche Sicherstellung aber schon im Hinblick auf die unbestimmte Dauer dieser Rechte auf Lebenszeit der Kläger geboten war, hat der Beklagte zumindest in bezug auf die Leibrentenforderungen und deren Sicherstellung im Wege der Verbücherung einer Reallast vorgesehen. Er hätte aber - auch ohne diesbezügliche ausdrückliche Forderung der Kläger - ebenso erkennen müssen, daß im gleichen Ausmaß ein Sicherungsbedürfnis für ihre Nutzungsrechte gegeben war. Dies umsomehr, als ja sogar im vorangegangenen Bestandvertrag eine dingliche Sicherstellung des Bestandnehmers erfolgte. Nach seinem eigenen Parteivorbringen war dem Beklagten dieses Sicherungsbedürfnis auch bewußt und er bedachte die Rechtslage im Hinblick auf eine gleichzeitige dingliche Sicherstellung eines Fruchtgenußrechtes und einer Reallast der Leibrente. Wenn er aber eine solche Möglichkeit wegen uneinheitlicher Rechtsprechung für nicht gangbar oder wenig aussichtsreich hielt und - wie nunmehr feststeht - an deren Stelle den untauglichen Versuch unternommen hat, durch eine besondere Formulierung der Aufsandungsklausel eine solche Sicherstellung des Nutzungsrechtes zu erreichen, so hätte er die rechtsunkundigen Kläger über all diese Umstände jedenfalls eingehend aufklären und ihnen das Problem aus seiner Sicht auch darlegen müssen. Im übrigen hat das Berufungsgericht zutreffend dargestellt, daß im vorliegenden Fall die gleichzeitige Eintragung eines Fruchtgenußrechtes (an einem relativ kleinen Teil der Liegenschaft) und der Reallast der Leibrente mit größten Erfolgsaussichten sogar möglich gewesen wäre. Nach den vorliegenden Feststellungen hat der Beklagte jedenfalls diese Aufklärungs- und Belehrungspflicht gegenüber den Klägern verletzt. Seine Ersatzpflicht für dadurch entstandene Vermögensschäden der Kläger ist daher bereits grundsätzlich zu bejahen. Ob die Kläger jedoch den von ihnen behaupteten Schaden durch Wegfall ihres Nutzungsrechtes seit 15. September 1986 überhaupt erlitten haben und ob dieser tatsächlich mit monatlich S 3.000,-- zu veranschlagen ist, muß noch geprüft werden. Dasselbe gilt auch im Sinne der zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes für den Grund des von ihnen geforderten Ersatzes der Kosten des Vorprozesses.

Die Rechtssache ist daher aus allen diesen Gründen noch nicht entscheidungsreif, so daß sich der angefochtene Aufhebungsbeschluß jedenfalls als gerechtfertigt erweist.

Dem Rekus mußte somit ein Erfolg versagt bleiben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

Anmerkung

E17329

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0060OB00523.89.0427.000

Dokumentnummer

JJT_19890427_OGH0002_0060OB00523_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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