TE Vwgh Erkenntnis 2005/10/20 2002/06/0069

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Veröffentlicht am 20.10.2005
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §7 Abs1 Z4;
AVG §7 Abs1;
AVG §71 Abs4;
AVG §73 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fritz, über die Beschwerde des Dr. GS in G, vertreten durch Dr. Gert Ragossnig, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Friedrichgasse 6/IX/37, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 14. März 2002, Zl. A 17 - 4385/2002 - 1, betreffend Zurückweisung eines Devolutionsantrages in einer Baurechtsangelegenheit, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Landeshauptstadt Graz hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Stadtsenates der Stadt G vom 13. September 1995 wurde gemäß § 62 Abs. 4 AVG ein Bescheid des Stadtsenates der Stadt G vom 2. Mai 1995, mit welchem der Spruchpunkt 9) eines weiteren Bescheides des Stadtsenates der Stadt G vom 19. Jänner 1993 abgeändert worden war, dahingehend berichtigt, dass die Wortfolge in dessen Spruch "im Ausmaß von ca 490 m2 zu entfallen hat" zu lauten habe: "im Ausmaß von ca 49 m2 zu entfallen hat". Dieser Bescheid wurde an den Notar Dr. HC als bevollmächtigten Vertreter der grundbücherlichen Eigentümer der Liegenschaft G, R-Straße 3a bis 3f, gerichtet und diesem am 15. September 1995 zugestellt.

Mit Schriftsatz vom 27. September 1995 teilte der angeführte Notar dem Magistrat der Stadt G mit, dass er zwar bis zum 15. Mai 1995 beauftragter und bevollmächtigter Vertreter der grundbücherlichen Eigentümer der Liegenschaft gewesen sei, mit Zustellung des Bescheides vom 2. Mai 1995 und dessen Rechtskraft sei jedoch sein Auftrag und seine Vollmacht erloschen. Danach hätten sich die Eigentümer seines Wissens gegenüber der Stadt G - Magistrat G wiederum selbst vertreten und der Notar sei nach seiner Ansicht kein geeigneter Zustellbevollmächtigter mehr. Da jedoch eine Kontaktnahme mit dem ehemaligen Mandanten und dem nunmehrigen Bevollmächtigten der Wohnungseigentümer, dem Beschwerdeführer, nicht möglich gewesen sei, weil sich dieser im Ausland aufhalte, müsse er - so führte der Notar aus - in Entsprechung des § 1025 ABGB seine Tätigkeit zur Wahrung des Anspruchs seines ehemaligen Mandanten vorerst fortsetzen. Daher werde gegen den Bescheid des Stadtsenates der Stadt G vom 13. September 1995 Berufung erhoben. Diese ist weiter ausgeführt. Dieses Schreiben vom 27. September 1995 langte am 5. Oktober 1995 "durch Boten" im Magistrat der Stadt G ein.

Mit Schriftsatz vom 4. Oktober 1995 stellte der angeführte Notar - unter neuerlichem Hinweis auf sein früheres Vertretungsverhältnis zu den Eigentümern der angeführten Liegenschaft und auf § 1025 ABGB - den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung der Berufungsfrist und begründete dies zusammengefasst damit, er habe - vor seiner Abreise nach London - am 27. September 1995 den gesamten Akt mit unterschriebener Berufung und einem Notizzettel gemeinsam mit anderen Akten zur weiteren Erledigung auf den Schreibtisch einer Kanzleikraft gelegt und den handschriftlichen Auftrag erteilt, diese Berufung am 28. September 1995 eingeschrieben mit S 120,-- Bundesstempelmarke abzuschicken. Erst nach seiner Rückkehr aus London habe er festgestellt, dass der Akt unerledigt samt dem Berufungsschreiben bei den laufenden Akten eingelegt worden sei und seinem Auftrag daher nicht entsprochen worden sei. Er könne sich nicht erklären, wie dieser Fehler geschehen habe können, zumal seiner sehr verlässlichen Kanzleikraft ein solcher Fehler auch bisher noch nicht unterlaufen sei. Die geschilderte Vorgangsweise sei von ihm immer wieder vor einer urlaubsbedingten Abwesenheit praktiziert worden und habe nie zu irgendwelchen Fristversäumnissen oder Fehlleistungen der Kanzleikraft geführt.

Mit Bescheid des Stadtsenates der Stadt G vom 24. Jänner 1997 wurde der von Notar Dr. C eingebrachte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 Abs. 4 i.V.m. § 73 Abs. 2 AVG "abgelehnt" und dies zusammengefasst damit begründet, dass der Notar in seinem Antrag nicht ausreichend dargetan habe, dass er die ihm obliegenden Aufsichts- und Kontrollpflichten über seine Kanzleikraft eingehalten hätte. Dieser Bescheid wurde dem Notar Dr. C als bevollmächtigtem Vertreter der grundbücherlichen Eigentümer der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft am 30. Jänner 1997 zugestellt.

Mit dem an den Stadtsenat der Stadt G, Magistrat G, Baurechtsamt, gerichteten Schriftsatz vom 6. Februar 1997 erhob der Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Stadtsenates, Magistrat G, vom 24. Jänner 1997 Berufung und begründete dies zusammengefasst damit, dass der Berichtigungsbescheid des Stadtsenates vom 13. September 1995 fälschlich dem Notar Dr. C zugestellt worden sei. Dessen Vollmacht sei am 15. Mai 1995 widerrufen worden, und in der Folge habe auch der Stadtsenat der Stadt G mit dem Beschwerdeführer als Vertreter der Wohnungseigentümergemeinschaft korrespondiert und verhandelt. "Es wäre daher von der Berufungsbehörde die nicht ordnungsgemäße Zustellung des Berichtigungsbescheides vom 13.9.1995 festzustellen."

"In eventu" führte der Beschwerdeführer aus, dass der Bescheid vom 24. Jänner 1997, mit dem der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgelehnt worden sei, nicht ordnungsgemäß zugestellt worden sei. Weiters begehrte er "in eventu ... die Aufhebung des Bescheides vom 24.01.97", weil der Notar seiner Überwachungspflicht gegenüber seiner Kanzleikraft, die sich bisher als absolut verlässlich erwiesen habe, durchaus nachgekommen sei.

Mit Bescheid des Stadtsenates der Stadt G vom 7. März 1997 wurde der vom Beschwerdeführer "gestellte Antrag vom 6.2.1997 ... auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand infolge von Versäumung der Berufungsfrist betreffend das Rechtsmittel gegen den namens des Stadtsenates der Stadt G ergangenen Bescheid vom 13.9.1995" gemäß § 71 Abs. 4 i.V.m. § 73 Abs. 2 AVG abgelehnt und dies zusammengefasst damit begründet, dass dem einschreitenden Notar ein "gravierender organisatorischer Mangel" hinsichtlich seiner Überwachungspflicht hinsichtlich seiner Kanzleikraft unterlaufen sei.

Auf Grund der gegen diesen Bescheid vom 7. März 1997 vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung wurde dieser Bescheid mit Bescheid der Berufungskommission der Stadt G vom 8. September 1997 gemäß § 66 Abs. 4 AVG behoben. Dies wurde zusammengefasst damit begründet, dass der Stadtsenat der Stadt G den Schriftsatz des Beschwerdeführers vom 6. Februar 1997 zu Unrecht als einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewertet habe. Nunmehr werde - erstmals - eine Entscheidung über die Berufung vom 6. Februar 1997 zu treffen sein.

Mit dem an den Gemeinderat der Stadt G unter Berufung auf § 73 AVG gerichteten Devolutionsantrag vom 27. Dezember 2001 führte der Beschwerdeführer aus, dass über seinen Berufungsantrag vom 6. Februar 1997 gegen den Bescheid vom 24. Jänner 1997 noch nicht entschieden worden sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid des Gemeinderates der Stadt G vom 14. März 2002 wurde der Devolutionsantrag des Beschwerdeführers vom 27. Dezember 2001 gemäß § 73 AVG zurückgewiesen. Der angefochtene Bescheid wurde im Wesentlichen damit begründet, dass "der berufungs- und nunmehr devolutionsgegenständliche Bescheid vom 24.1.1997" ausschließlich an den Notar Dr. C ergangen und der Beschwerdeführer nicht dessen Adressat gewesen und daher auch nicht zur Einbringung einer Berufung gegen diesen Bescheid legitimiert sei. Der Beschwerdeführer besitze einen Rechtsanspruch auf Erledigung seines Sachantrages aber auch dann, wenn sie nur formal und demgemäß in einer Zurückweisung bestehe. Der Devolutionsantrag sei zurückzuweisen gewesen, weil der Beschwerdeführer zur Erhebung eines Rechtsmittels gegen den Bescheid vom 24. Jänner 1997 nicht legitimiert gewesen sei. Eine im Sinne des Beschwerdeführers positive Sachentscheidung hätte in keinem Fall ergehen können. Wenn der ausschließlich an den Notar Dr. C ergangene Bescheid vom 24. Jänner 1997 mangels Vertretungsbefugnis desselben zu Unrecht an diesen ergangen wäre, könne durch diesen so genannten "Nichtbescheid" auch keine Person in ihren Rechten verletzt worden sein. Die Behörde erster Instanz sei davon ausgegangen, "dass mangels des auch vom Notar unbestrittenen ausdrücklichen Widerrufes der Vollmacht an die Behörde" dieser auch betreffend den mit der ursprünglichen Entscheidung untrennbar verbundenen Berichtigungsbescheid vertretungsbefugt gewesen sei. Da der Wiedereinsetzungsantrag "darüber hinaus auch ablehnend entschieden worden" sei, wäre selbst im Falle einer bestehenden Berufungslegitimation keine andere Sachentscheidung möglich gewesen. Im Übrigen habe der Beschwerdeführer sein öffentliches Interesse als Wohnungseigentümer nie dahingehend präzisiert, wodurch er sich konkret im Zusammenhang mit der Berichtigung des Widmungsbewilligungsbescheides beschwert erachtet habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid im Wesentlichen deswegen für rechtswidrig, weil ihm mit diesem Bescheid eine Entscheidung über seine Berufung vom 6. Februar 1997 mittels rechtsmittelfähigen Bescheides verwehrt worden sei. Der Bescheid vom 24. Jänner 1997 sei ihm nicht als Bescheidadressat zugestellt worden und er habe infolge des Erlöschens des Vollmachtsverhältnisses zum Notar Dr. C ein subjektives Recht auf ordnungsgemäße Zustellung dieses Bescheides. Die Berufungsbehörde hätte von sich aus prüfen müssen, ob dem Beschwerdeführer der Bescheid vom 24. Jänner 1997 rechtswirksam zugestellt worden sei oder nicht, dies sei das Anliegen des Beschwerdeführers gewesen. Seitens der Berufungsbehörde hätte eine Zurückweisung mangels Parteistellung erfolgen müssen, dies aber mit der Begründung, dass der Bescheid vom 24. Jänner 1997 infolge der längst erfolgten Auflösung des Vollmachtsverhältnisses mit dem Notar als "Nichtbescheid" anzusehen sei und daher auch keine Person in ihren Rechten verletzen könne.

Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Die belangte Behörde ist nämlich zwar zutreffend davon ausgegangen, dass ein Rechtsanspruch auf Erledigung eines Sachantrages auch dann gegeben ist, wenn diese Erledigung in einer Zurückweisung besteht (vgl. die von Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 6. Auflage 2003, zu § 73 Abs. 3 AVG unter den RdNrn. 1 ff dargestellte hg. Rechtsprechung). Durch die Zurückweisung des Devolutionsantrages des Beschwerdeführers vom 27. Dezember 2001 hat die belangte Behörde dem Beschwerdeführer jedoch gerade dieses Recht auf Entscheidung über seinen mit Schreiben vom 6. Februar 1997 gestellten Berufungsantrag verwehrt. Die belangte Behörde hätte aber die Frage beantworten müssen, ob der Bescheid des Stadtsenates der Stadt G vom 24. Jänner 1997 dem Beschwerdeführer gegenüber Rechtswirkungen entfaltet hat. Indem sie dies unterließ und bloß den Devolutionsantrag des Beschwerdeführers vom 27. Dezember 2001 zurückwies, hat die belangte Behörde den Beschwerdeführer in Rechten verletzt.

Soweit die belangte Behörde die Zurückweisung des Devolutionsantrages des Beschwerdeführers damit begründet, er habe sein subjektiv-öffentliches Interesse dahingehend, inwiefern er sich durch die Berichtigung des Widmungsbewilligungsbescheides beschwert erachte, nicht ausreichend präzisiert, ist der belangten Behörde entgegen zu halten, dass ein derartiger Nachweis nicht zu den Voraussetzungen eines zulässigen Devolutionsantrages gemäß § 73 Abs. 1 AVG gehört.

Eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides erblickt der Beschwerdeführer auch darin, dass SR Dr. W als ausgewiesener Bearbeiter und Zeichnungsberechtigter sowohl den Bescheid des Stadtsenates der Stadt G vom 24. Jänner 1997 unterfertigt, als auch bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides mitgewirkt und diesen für die belangte Behörde gefertigt habe. Darin erblickt der Beschwerdeführer einen Befangenheitsgrund des § 7 AVG.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z. 4 AVG haben sich Verwaltungsorgane der Ausübung ihres Amtes zu enthalten und ihre Vertretung im Berufungsverfahren zu veranlassen, "wenn sonstige wichtige Gründe vorliegen, die geeignet sind, ihre volle Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen". In der Tat hätte sich der angeführte Organwalter im Grunde dieser Vorschrift der Ausübung seines Amtes enthalten und seine Vertretung veranlassen müssen, weil er sowohl den Bescheid des Stadtsenates G vom 24. Jänner 1997 als auch den angefochtenen Bescheid, mit welchem ein Devolutionsantrag hinsichtlich einer Berufung gegen den Bescheid vom 24. Jänner 1997 zurückgewiesen wurde, ausgearbeitet und gefertigt hat und dies wegen der besonderen Intensität seiner Beteiligung in beiden Instanzen einen wichtigen Grund für die Annahme gemäß § 7 Abs. 1 Z. 4 AVG darstellt. Der angefochtene Bescheid leidet daher auch an einer - relevanten - Rechtswidrigkeit wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Da der Aufhebungsgrund des § 42 Abs. 2 Z. 1 jenem der Z. 3 leg. cit. vorgeht, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 20. Oktober 2005

Schlagworte

Befangenheit innerhalb der Gemeindeverwaltung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2002060069.X00

Im RIS seit

01.12.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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