TE OGH 1989/5/9 4Ob43/89

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.05.1989
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B*** AUSTRIA Gesellschaft mbH, Hallein, Rifer Hauptstraße 21, vertreten durch Dr.Gerhard Engin-Deniz, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei J***'S WAX Gesellschaft mbH, Wien 22., Rennbahnweg 25, vertreten durch Dr.Harald Foglar-Deinhardstein und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 900.000), infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 8.September 1988, GZ 3 R 157/88-23, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 27.Mai 1988, GZ 17 Cg 1/88-10, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten des Revisionsrekurses endgültig selbst zu tragen; die klagende Partei hat die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die Beklagte erzeugt und vertreibt (ua) ein Mittel zur Wäschevorbehandlung unter der Bezeichnung "Jubilee-Biospray". Auf dem Gebinde dieses Produktes und in ihrer sonstigen Werbung dafür verwendet die Beklagte die Slogans "Biologisch abbaubar" und "Löst auch hartnäckigste Flecken, zum Beispiel biologische Flecken, wie Obst-, Gras-, Wein- oder Blutflecken". Tatsächlich enthält der "Jubilee-Spray" nichtionische Tenside ("A***"), die zwar grundsätzlich biologisch abbaubar sind, aber eine - wenn auch möglicherweise nur geringe - Fischtoxizität bewirken. Zur Sicherung inhaltsgleicher Unterlassungsansprüche beantragt die klagende Mitbewerberin, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung beim Vertrieb ihres "Jubilee-Spray"-Flecklösers die Angaben a) "Bio" und "Biologisch abbaubar" sowie b) "Löst auch hartnäckigste Flecken, zum Beispiel biologische Flecken, wie Obst-, Gras-, Wein- oder Blutflecken" zu verbieten. Die Angaben "Bio" und "Biologisch abbaubar" seien zur Irreführung geeignet, weil das Produkt der Beklagten fischtoxische Tenside enthalte. In der Bundesrepublik Deutschland seien solche Stoffe für Waschmittel im Hausbedarf verboten, weil sie nicht bis zu 80 % biologisch rasch abbaubar seien; das Produkt der Beklagten sei jedoch nur schwer abbaubar. Die Angabe "Löst auch hartnäckigste Flecken, zum Beispiel biologische Flecken, wie Obst-, Gras-, Wein- oder Blutflecken" sei gleichfalls unrichtig, weil das Produkt der Beklagten kein Bleichmittel enthalte und daher Flecken gar nicht beseitigen könne. Die Beklagte sprach sich gegen die Erlassung der einstweiligen Verfügung aus. Die Produktangaben "Bio" und "Biologisch abbaubar" seien nicht irreführend. Ihr "Jubilee-Spray" sei nach dem derzeitigen Stand der technischen Möglichkeiten umweltfreundlicher und umweltverträglicher als früher erzeugte vergleichbare Produkte; er enthalte keine - bekanntermaßen umweltschädliche - Phosphate; die tatsächlich vorhandenen nichtionischen Tenside seien aber umweltverträglicher als vergleichbare Substanzen und entfalteten nur unter bestimmten Umständen eine - allerdings nur

geringfügige - Fischtoxizität. Die Abbaubarkeit dieses Produktes entspreche den "europäischen Standards". Auch die Angabe "Löst auch hartnäckigste Flecken, zum Beispiel biologische Flecken, wie Obst-, Gras-, Wein- oder Blutflecken" treffe zu: Es bestehe ein Unterschied zwischen dem "Lösen" und dem "Entfernen" von Flecken. Daß ihr "Jubilee-Spray" Flecke entferne, sei nie behauptet worden. Dieses zur Wäschevorbehandlung bestimmte Mittel löse aber tatsächlich die genannten Flecken; entfernt würden sie dann beim Waschen durch das - in jedem Waschmittel vorhandene - Bleichmittel. Die aufgeworfenen chemischen Fragen könnten nur auf Grund von Sachverständigengutachten beurteilt werden. Die von der Klägerin vorgelegten Privatgutachten seien unrichtig und reichten für die Bescheinigung der Klagebehauptungen nicht aus. Das Einholen von Sachverständigengutachten durch das Gericht sei aber im Provisorialverfahren unzulässig.

Das Erstgericht verbot der Beklagten, beim Vertrieb ihres "Jubilee-Spray"-Flecklösers die Angabe "Bio" zu machen, und wies das Sicherungs-Mehrbegehren ab. Ein großer Teil des umworbenen Publikums würde den im Zusammenhang mit einer Produktbezeichnung verwendeten Wortbestandteil "Bio" dahin verstehen, daß dieses Produkt die Umwelt nicht belaste; ein Waschmittel, das auch nur in geringem Umfang fischtoxisch sei, entspreche aber nicht dieser Verkehrsauffassung. Die Werbeangabe "Bio" sei daher irreführend. Der "Jubilee-Spray" sei aber grundsätzlich "biologisch abbaubar". Die Erwartungen des Verkehrs in bezug auf den Grad der Geschwindigkeit des Abbauvorganges habe mit den Mitteln des Provisorialverfahrens nicht geklärt werden können; im Hinblick auf das Vorliegen widersprechender Privatgutachten sei der Sicherungsantrag insoweit abzuweisen gewesen. Dasgleiche gelte für die Angaben über die flecklösende Wirkung des Produktes der Beklagten.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Beklagten nicht Folge; infolge Rekurses der Klägerin gab es dem Sicherungsantrag zur Gänze statt. Weiters sprach das Rekursgericht aus, daß der von der Abänderung betroffene Wert des Beschwerdegegenstandes S 15.000 und der Wert des Beschwerdegegenstandes, über den es entschieden habe, insgesamt S 300.000 übersteige. Die Angabe "Bio" sei irreführend, weil der Verkehr von einem derart bezeichneten Produkt keinesfalls erwarte, daß es fischtoxisch ist, wenn es in nicht unbeträchtlichem Umfang in die Abwässer gelangt; diese Wirkung habe die Beklagte sogar zugestanden. Daraus folge aber, daß auch die Behauptung "Biologisch abbaubar" gegen § 2 UWG verstoße, weil sie im Verkehr schon wegen des Wortes "Biologisch" die Vorstellung erwecke, daß das Produkt beim Abbau zu keinerlei Umweltbelastung führe; gerade das sei aber nicht der Fall. Der Beklagten müsse daher auch die Angabe "Biologisch abbaubar" verboten werden. Was aber die Behauptung "Löst auch hartnäckigste Flecken, zum Beispiel biologische Flecken, wie Obst-, Gras-, Wein- oder Blutflecken" anlange, so könne aus den vorliegenden - wenn auch sonst einander

widersprechenden - Privatgutachten als bescheinigt angenommen werden, daß der "Jubilee-Spray" zwar Zitronensäure enthalte, diese aber nicht geeignet sei, die genannten Flecken zu lösen; durch das Produkt der Klägerin könne hinsichtlich dieser Flecken auch keine Waschkraftverbesserung erzielt werden. Von dieser ergänzenden Feststellung ausgehend, erwiesen sich auch diese Werbeangaben als irreführend.

Gegen den abändernden Teil dieser Entscheidung wendet sich der Revisionsrekurs der Beklagten mit dem Antrag, in diesem Umfang den Beschluß des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Die Klägerin beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Nach der Auffassung der Beklagten habe das Rekursgericht die Verkehrserwartung betreffend den Begriff "Biologisch abbaubar" unrichtig angenommen; tatsächlich gehe es dabei nur darum, ob eine Substanz innerhalb einer gewissen Zeitspanne auf natürliche Weise abgebaut wird. Diese Eigenschaft habe das Erstgericht festgestellt. Das Wort "Biologisch" habe mit den Begriffen "Giftig" oder "Ungiftig" nichts zu tun. Der Verkehr betrachte die einzelnen Teile des Ausdrucks "Biologisch abbaubar" nicht isoliert und messe ihm auch nicht die in diesem Zusammenhang vom Rekursgericht angenommene Bedeutung der Ungiftigkeit bei. Das Chemikaliengesetz definiere den ähnlichen Begriff "biotransformatorisch" mit der Eignung eines Stoffes, im lebenden Organismus abgebaut oder umgewandelt zu werden; diese Eigenschaft habe der "Jubilee-Spray" in bezug auf die gesamte Umwelt. Die fehlende Eignung der in diesem Produkt enthaltenen Zitronensäure, Flecken zu lösen, habe das Rekursgericht "rechtswidrig" festgestellt; es könne nicht ernstlich angenommen werden, daß das Rekursgericht die für die Beurteilung widersprechender Sachverständigengutachten erforderlichen Fachkenntnisse gehabt habe. Diesen Ausführungen kann nicht beigepflichtet werden:

Es trifft zwar zu, daß die im Produkt der Klägerin enthaltenen nichtionischen Tenside an sich abbaubar sind; sie bewirken aber unter bestimmten Umständen eine - wenn auch möglicherweise geringe - Fischtoxizität. Zur Irreführung im Sinne des § 2 UWG kann aber eine Werbeangabe auch dann geeignet sein, wenn ihr trotz sachlicher Richtigkeit etwas Unwahres entnommen werden kann. Bei der Prüfung dieser Frage kommt es auf die Verkehrsauffassung, dh auf den Eindruck an, der sich für den Durchschnittsinteressenten bei flüchtiger Wahrnehmung ergibt (ÖBl 1984, 70 mwN). Reichen dazu die Erfahrungssätze des täglichen Lebens oder Erfahrungssätze, die auf einem Fachwissen des Richters beruhen, aus, dann ist die Irrtumseignung als Rechtsfrage zu beurteilen; daneben steht es aber auch den Parteien frei, Erfahrungssätze zu behaupten und unter Beweis zu stellen (ÖBl 1985, 105 mwN). Daß der Verkehr mit der Eigenschaft eines Produktes, biologisch abbaubar zu sein, auch die Vorstellung besonderer Umweltfreundlichkeit verbindet, kann nicht bezweifelt werden (vgl ÖBl 1984, 70). Mit der Behauptung, daß es für diesen Begriff in Österreich keine gesetzlichen Normen gebe, hat die Beklagte keinen davon abweichenden Erfahrungssatz vorgetragen. Der im Chemikaliengesetz geregelte Begriff "Biotransformatorisch" ist weiten Kreisen der Bevölkerung nicht bekannt; schon gar nicht stellen diese damit eine Verbindung zum Ausdruck "Biologisch abbaubar" her. Verbindet aber der angesprochene Verkehr mit der Werbeaussage, ein Produkt sei biologisch abbaubar, auch die Vorstellung, daß es deshalb auch umweltfreundlich ist, dann ist diese Aussage irreführend, wenn die im Zuge des Abbaus im Wasser frei werdenden Stoffe für Fische giftig sind. Zu Recht hat daher das Rekursgericht in dieser Werbeangabe einen Verstoß gegen § 2 UWG gesehen.

Die zutreffende Auffassung des Rekursgerichtes, daß auch die Werbeaussage "Löst auch hartnäckigste Flecken, zum Beispiel biologische Flecken, wie Obst-, Gras-, Wein- oder Blutflecken" wegen der in zweiter Instanz getroffenen ergänzenden Feststellung unrichtig ist, im Revisionsrekurs nicht weiter bekämpft. Die Beklagte bezeichnet lediglich - unter Verweisung auf die Entscheidung ÖBl 1982, 10 - diese Feststellung als "rechtswidrig", weil das Rekursgericht nicht über die erforderlichen Fachkenntnisse verfügt habe, um selbst derartige Schlüsse aus einander widersprechenden Privatgutachten ziehen zu können. In ÖBl 1982, 10 hat aber der Oberste Gerichtshof in einem Patenteingriffsstreit lediglich entschieden, daß die Annahme des Gerichtes zweiter Instanz, angesichts einander widersprechender Gutachten nicht feststellen zu können, ob eine Patentverletzung vorliegt, als Akt der freien richterlichen Beweiswürdigung der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof entzogen ist; zugleich wurde aber auch ausgesprochen, daß das Vorliegen einander widersprechender Privatgutachten es nicht ausschließt, daß die Tatsacheninstanzen einen bestimmten Sachverhalt als bescheinigt annehmen. Werden aber von den Tatsacheninstanzen konkrete Feststellungen getroffen, dann ist der Oberste Gerichtshof, der auch im Provisorialverfahren nur Rechts- und nicht Tatsacheninstanz ist, daran gebunden (ÖBl 1981, 157 uva).

Dem Revisionsrekurs konnte somit kein Erfolg beschieden sein.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekurses gründet sich auf §§ 78, 402 EO, §§ 40, 50, 52 Abs 1 ZPO, jene über die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung auf § 393 Abs 1 EO.

Anmerkung

E17577

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0040OB00043.89.0509.000

Dokumentnummer

JJT_19890509_OGH0002_0040OB00043_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten