TE OGH 1989/5/9 10ObS91/89

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Veröffentlicht am 09.05.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Angst als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Robert Göstl (AG) und Otto Tiefenbrunner (AN) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Margarethe W***, Köchin, 3352 St. Peter in der Au, Haghofstraße 5, vertreten durch Dr. Johannes Riedl, Rechtsanwalt in Haag, wider die beklagte Partei P*** DER

A***, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, diese vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Invaliditätspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 6. September 1988, GZ 31 Rs 157/88-9, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 1. September 1987, GZ 33 Cgs 1280/87-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die beklagte Partei gewährte der Klägerin die Invaliditätspension befristet bis 31. März 1987 und wies ihren Antrag, sie ihr über diesen Zeitpunkt hinaus weiterzugewähren, ab. Das Erstgericht wies das auf Weitergewährung der Invaliditätspension gerichtete Klagebegehren ebenfalls ab. Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Die (am 15. August 1936 geborene) Klägerin war als Köchin beschäftigt. Sie erlitt im Jahr 1985 bei einem Unfall einen Bruch des linken Knöchels, dessen Folgen zur Gewährung der zeitlich begrenzten Invaliditätspension führten. Am 31. März 1987 war der Bruch achsengerecht mit einer ausgeprägten Arthrose im Bereich des oberen Sprunggelenks abgeheilt. Die Klägerin trägt orthopädische Schuhe und wegen eines Krampfadernleidens eine elastische Binde oder Stützstrümpfe am linken Bein. Durch das Krampfadernleiden entstehen Schmerzen, die sich bis zum Oberschenkel hinaufziehen. Sie ist imstande, alle leichten und mittelschweren Arbeiten ohne besondere Pausen und Unterbrechungen unter der Voraussetzung zu verrichten, daß sie einen orthopädischen Schuh trägt.

Rechtlich folgerte das Erstgericht, daß der Klägerin die Ausübung der Tätigkeit als Köchin weiterhin zumutbar sei und sie daher nicht als invalid im Sinn des § 255 Abs 1 ASVG gelte. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge, wobei es die geltend gemachten Verfahrensmängel nicht als gegeben ansah und auf die rechtliche Beurteilung der Sache durch das Erstgericht mit der Begründung nicht einging, daß die Klägerin in der Rechtsrüge nicht von dem vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt ausgehe und diese daher nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt sei.

Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Klägerin wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung, Verfahrensergänzung und Urteilsschöpfung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Die beklagte Partei erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Die Klägerin wandte sich in ihrer Berufung gegen die Ansicht des Erstgerichtes, daß es ihr zumutbar sei, den bisher ausgeübten Beruf als Köchin weiterhin auszuüben. Sie bekämpfte damit die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes. Der Vorwurf des Berufungsgerichtes, daß sie dabei nicht von dem vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt ausgehe, trifft nicht zu, weil im Urteil des Erstgerichtes keine Feststellungen enthalten sind, die es ermöglicht hätten zu beurteilen, ob die Klägerin tatsächlich den Beruf einer Köchin ohne Gefährdung für ihre Gesundheit weiterhin ausüben kann. Die Berufung enthielt daher entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes auch eine gesetzmäßig ausgeführte Rechtsrüge und es ist deshalb zulässig, daß die Klägerin die Revision wegen der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache durch das Berufungsgericht erhebt, obwohl dieses sich mit der Rechtsrüge nicht auseinandersetzte. Nur wenn in der Berufung überhaupt keine dem Gesetz gemäß ausgeführte Rechtsrüge enthalten ist, kann der angeführte Revisionsgrund auch in Sozialrechtssachen in der Revision nicht mehr geltend gemacht werden (SSV-NF 1/28 uva). Die in der Revision behaupteten Feststellungsmängel liegen auch vor. Die im Urteil des Erstgerichtes enthaltenen Feststellungen reichen nämlich nicht aus, um beurteilen zu können, ob die Klägerin schon deshalb nicht invalid ist, weil sie ihren bisherigen Beruf weiterhin ohne Beeinträchtigung ihres Gesundheitszustandes ausüben kann (vgl. hiezu SSV-NF 1/37 und 1/68). Das Erstgericht wird diese Feststellungen, zu deren Inhalt auf die Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes SSV-NF 1/11 und 1/20 hinzuweisen ist, im fortzusetzenden Verfahren nachzuholen haben, wobei die Beiziehung eines Sachverständigen für Berufskunde zu erwägen sein wird. Da somit die Urteile der Vorinstanzen schon aus diesem Grund aufgehoben werden müssen, muß auf die übrigen Revisionsausführungen, die damit ihre Grundlage verlieren, nicht weiter eingegangen werden. Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 2 Abs 1 ASGG iVm § 52 Abs 1 ZPO.

Anmerkung

E17483

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:010OBS00091.89.0509.000

Dokumentnummer

JJT_19890509_OGH0002_010OBS00091_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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