Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith und Dr.Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Walter Zeiler und Wilhelm Hackl als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Karl R***, Diplomkrankenpfleger, 8055 Graz, Klingendrahtgasse 8, vertreten durch Dr. Kurt Klein und Dr. Paul Wuntschek, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei L*** S***, vertreten durch den Landeshauptmann Dr. Josef Krainer, 8010 Graz-Burg, dieser vertreten durch Dr. Erwin Gstirner, Rechtsanwalt in Graz, wegen 14.651 S sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 24.Oktober 1988, GZ 8 Ra 82/88-14, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 1. Juli 1988, GZ 36 Cga 78/88-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.634,24 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 439,04 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger ist seit 16. Februar 1970 Vertragsbediensteter des Landes Steiermark und im Landessonderkrankenhaus für Psychiatrie und Neurologie Graz als Diplomkrankenpfleger beschäftigt. Mit Erlaß vom 9. Februar 1968 ordnete die Steiermärkische Landesregierung für den Bereich dieses Krankenhauses an, daß den Bediensteten im Turnusdienst, die an den ihnen gebührenden Ruhetagen zu Dienstleistungen herangezogen werden, binnen 2 Monaten ein Ersatzruhetag zu gewähren ist; sollte innerhalb dieser Frist der Ersatzruhetag nicht gewährt werden, stehe ein Anspruch auf 2/26 des Monatsentgeltes zu. Mit Betriebsvereinbarung vom 21. Mai 1987 wurde bestimmt, daß diese Regelung außer Kraft trete, für alle Feiertage jeweils 8 Stunden von der monatlichen Sollarbeitszeit abgezogen werden und kein Ersatzfeiertag mehr gewährt werde. Mit einer weiteren darauf aufbauenden Betriebsvereinbarung vom 1.Oktober 1987 wurde die Diensteinteilung neu geregelt. Die Tagesarbeitszeit wurde einheitlich mit 9 Stunden festgelegt, wobei nach 3 aufeinanderfolgenden Tagen Dienstleistung der 4. und 5. Tag dienstfrei ist. Der Kläger war in seiner Funktion als Mitglied des Angestelltenbetriebsrates am Abschluß beider Betriebsvereinbarungen beteiligt.
Seit Eintritt des Klägers am 16.Februar 1970 wurde an sämtliche im Turnusdienst eingesetzte Bedienstete des Krankenhauses entgegen den Bestimmungen der Dienstordnung für jeden Feiertag, gleichgültig ob vom Bediensteten gearbeitet wurde oder nicht, eine Feiertagszulage ausgezahlt; lediglich während eines Krankenstandes oder Pflegeurlaubes wurde eine derartige Zulage nicht gewährt. Die Auszahlung erfolgte über Anweisung der zu einer derartigen Verfügung nicht berechtigten Direktion des Landeskrankenhauses für Psychiatrie und Neurologie Graz ohne Wissen und Willen der Rechtsabteilung 1 der Steiermärkischen Landesregierung. Zu einer derartigen Verfügung wäre nur die Rechtsabteilung 1 aufgrund eines entsprechenden Regierungsbeschlusses berechtigt gewesen. Die Zahlungen wurden im Gehaltszettel als Feiertagszulage ausgewiesen. Die Auszahlung erfolgte im Wege der Landesbuchhaltung durch die Landesbesoldungsstelle der beklagten Partei. Die Zulage wurde bezüglich der Lohnsteuer und der Sozialversicherungsbeiträge als normaler Entgeltbestandteil behandelt. Im Jahre 1987 hat der Kläger an einem, im Jahre 1988 an drei gesetzlichen Feiertagen gearbeitet. 2/26 des Monatsentgeltes betragen für den Kläger 1.127 S. Der Kläger begehrt für 13 im Zeitraum 8. Juni 1987 bis 19. März 1988 gelegene gesetzliche Feiertage die Zahlung der Feiertagszulage. Seit dem Jahre 1968 habe die beklagte Partei allen im Turnusdienst eingesetzten Bediensteten eine Feiertagszulage gewährt und zwar gleichgültig, ob an dem Feiertag gearbeitet worden sei oder nicht. Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Es sei nicht für alle Feiertage, an denen nicht gearbeitet wurde, eine Feiertagszulage gezahlt worden; soweit aber solche Zahlungen geleistet wurden, habe hiefür eine Rechtsgrundlage gefehlt. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß durch die regelmäßige und vorbehaltslose Gewährung der Feiertagszulage auch für Feiertage, an denen keine Dienstleistung erbracht worden sei, bei den Bediensteten der Eindruck habe entstehen müssen, die beklagte Partei wolle sich auch für die Zukunft zu einer solchen Leistug verpflichten. Dadurch sei diese regelmäßig gewährte Zuwendung zum Inhalt des Dienstvertrages des Klägers geworden. Die Betriebsvereinbarung habe auf diese Individualvereinbarung nicht einwirken können.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß mit dem Abschluß der Betriebsvereinbarung vom 21. Mai 1987 die den Betriebsparteien im § 97 ArbVG eingeräumte Regelungsbefugnis überschritten worden sei. Mangels schlüssiger Unterwerfung unter diese unzulässige Betriebsvereinbarung sei sie auch nicht Inhalt der Einzelarbeitsverträge geworden. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Auch wenn die Handlung nicht von einem zur Vertretung der Gebietskörperschaft berufenen Organ gesetzt wurde und dieser daher gemäß § 867 ABGB nicht zuzurechnen ist, ist der Dritte in seinem Vertrauen auf den äußeren Tatbestand insbesondere dann zu schützen, wenn das kompetente Organ - im Wege einer Anscheins- oder Duldungsvollmacht - den Anschein erweckt hat, die Handlung sei durch seine Beschlußfassung gedeckt (JBl 1982, 197; Eccher-Purtscheller,
Zur Gültigkeit privatrechtlicher Verträge juristischer Personen des öffentlichen Rechtes, JBl 1977, 561 ff [570], wonach auch eine Vernachlässigung der Kontrollpflichten durch das zuständige Organ zur Begründung einer Duldungsvollmacht führen kann; ferner Wilhelm,
Die Vertretung der Gebietskörperschaften im Privatrecht, 125; derselbe, Vertretung von Gebietskörperschaften und organschaftliche Vertretungsmacht und deren Übertragung, ÖJZ 1983, 181; Rummel in Rummel ABGB § 867 Rz 9; vgl. auch W. Schwarz DRdA 19 40). Erhielt nun der Kläger ebenso wie die anderen beim Landessonderkrankenhaus im Turnusdienst eingesetzten Bedienen im Wege der Landesbuchhaltung durch die Landesbesoldungsstelle der beklagten Partei mehr als ein Jahrzehnt hindurch die gegenständliche Zulage gemeinsam mit seinen übrigen Bezügen ausgezahlt, dann durfte er davon ausgehen, daß dies nicht ohne Zustimmung der zuständigen Organe der beklagten Partei erfolgte. Da das vertretungsbefugte Organ der beklagten artei - Landesregierung - die eigenmächtige Vorgangsweise der ihm unterstellten Behörden nicht in Wahrnehmung seiner Kontrollpflicht untersagte, ist auch der zur Verpflichtung des Vertretenen erforderliche Beitrag des vertretungsbefugten Organs zum äußeren Tatbestand gegeben.
Eine durch regelmäßige, vorbehaltlose Gewährung derartiger Leistungen des Arbeitgebers an bestimmte Arbeitnehmer begründete Übung wird, soweit sie den Willen des Arbeitgebers, sich diesbezüglich auch für die Zukunft zu verpflichten, unzweideutig zum Ausdruck bringt, infolge der gleichfalls schlüssigen (§ 863 ABGB) Zustimmung der Arbeitnehmer zum Inhalt der Einzelarbeitsverträge (siehe Spielbüchler in Spielbüchler-Strasser, Arbeitsrecht I3 189, mit abweichender Auffassung zu der die Verbindlichkeit begründenden Verpflichtungsform, DRdA 1980, 318 [Kerschner]; DRdA 1981, 42 [Spielbüchler] = Arb 9812 = ZAS 1980, 178 [Mayer-Maly]; JBl 1985, 632; Arb 10.434; DRdA 1987, 298 [Schwarz]; JBl 1988, 333 [Schima];
DRdA 1989, 33 [Schwarz]; weiters die einen ähnlichen Rechtsstreit mit der beklagten Partei betreffende Entscheidung 14 Ob 123-125/86;
zuletzt 9 Ob A 9/87 sowie 9 Ob A 503/88).
Durch die hier rund zwei Jahrzehnte geübte Praxis, den Turnusdienst versehenden Beschäftigten nicht die in der Dienstordnung in erster Linie vorgesehenen Ersatzruhetage zu gewähren, sondern ihnen für jeden Feiertag - unabhängig davon, ob der betreffende Arbeitnehmer an diesem Tag eingesetzt war - die nur für den Fall der Unmöglichkeit der Gewährung von Ersatzruhetagen vorgesehene Feiertagszulage zu zahlen, erwarben die Arbeitnehmer daher einen einzelvertraglichen Anspruch auf generelle Abgeltung der im Rahmen des Turnusdienstes geleisteten Feiertagsarbeit durch eine allen Bediensteten für jeden Feiertag gewährte Zulage; das während des gesamten Zeitraumes nicht ausgeübte Wahlrecht des Arbeitgebers, auch Ersatzruhetage zu gewähren, wurde hingegen nicht Gegenstand der betriebenen Übung und daher auch nicht Inhalt der Einzelarbeitsverträge.
Nach § 9 Abs 5 ARG ist geleistete Feiertagsarbeit in erster Linie durch zusätzliches Entgelt abzugelten. Die Gewährung von Zeitausgleich anstelle dieses Entgeltes bedürfte gemäß § 7 Abs 6 ARG einer Individualvereinbarung (siehe Schwarz Arbeitsruhegesetz 257) und gehört - wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat - nicht zu den in § 97 Abs 1 ArbVG aufgezählten Angelegenheiten, über die eine Betriebsvereinbarung zulässig ist. Auch wenn man davon ausgeht, daß von der in § 97 Abs 1 Z 2 ArbVG genannten Kompetenz zur generellen Festsetzung des Beginnes und Endes der täglichen Arbeitszeit, der Dauer und Lage der Arbeitspausen und der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage auch die Regelung des Umfanges der Sonn- und Feiertagsarbeit umfaßt ist (vgl. Strasser in Floretta-Strasser Komm ArbVG 551), kann daraus nicht eine Berechtigung auch zum Eingriff in die gesetzlich vorgesehene Abgeltung von Feiertagsarbeit abgeleitet werden (vgl. Grillberger Arbeitszeitgesetz 84 f; Arb 9406;
DRdA 1985, 133 [Kopler] = ZAS 1985, 20 [Fischer] = Arb 10.320;
DRdA 1986, 312 [Grillberger] = JBl 1985, 309 = SZ 57/103
= Arb 10.356).
Darüber hinaus können gemäß § 31 Abs 3 ArbVG durch Betriebsvereinbarung Einzelarbeitsverträge nicht zu ungunsten der Arbeitnehmer abgeändert werden (Strasser in Floretta-Strasser Komm ArbVG 179). Vergleicht man nun die bisherige betriebliche Übung, die Feiertagsarbeit durch einen generellen Zuschlag von 2/26 des Monatsentgeltes für jeden Feiertag zu entlohnen, mit der in der Betriebsvereinbarung vom 21. Mai 1987 getroffenen Regelung, für jeden Feiertag 8 Arbeitsstunden Zeitausgleich zu gewähren, dann fällt auf, daß die überproportionale Abgeltung der Feiertagsarbeit mit mehr als dem auf einen Arbeitstag entfallenden Entgelt durch die Gewährung eines lediglich 8-stündigen Zeitausgleiches ersetzt wurde und damit jedenfalls ungünstiger ist, als die bisherige Regelung. Auch aus diesem Grunde konnte die Betriebsvereinbarung die für die Arbeitnehmer günstigere generelle Abgeltung der Feiertagsarbeit mit 2/26 des Monatsentgeltes nicht verdrängen.
Aus der Mitwirkung des Klägers als Betriebsratsmitglied am Abschluß der Betriebsvereinbarung kann nicht seine Zustimmung zur entsprechenden Änderung seines Einzelarbeitsvertrages erschlossen werden. Er hat nämlich bei Abschluß der Betriebsvereinbarung als Vertreter der Belegschaft in deren Namen und nicht als Partei seines Einzelarbeitsvertrages im eigenen Namen gehandelt und hatte daher bei pflichtgemäßer Ausübung seines Mandates den Interessen der von ihm vertretenen Belegschaft gegenüber allfälligen abweichenden Eigeninteressen den Vorzug zu geben.
Schließlich kann entgegen der Ansicht der beklagten Partei mangels Vorliegens der strengen Voraussetzungen des § 863 ABGB eine Unterwerfung des Klägers unter die unzulässige Betriebsvereinbarung und damit ein schlüssiger Verzicht auf seinen einzelvertraglichen Anspruch auf die generelle finanzielle Abgeltung von Feiertagsdiensten nicht angenommen werden. Die Geltendmachung des nicht rechtswirksam abbedungenen einzelvertraglichen Anspruches etwa 10 Monate nach Entzug verstößt überdies nicht gegen Treu und Glauben (vgl. Rummel in Rummel ABGB § 863 Rz 14; Arb 9406; DRdA 1988 141 [Kerschner]).
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E17407European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1989:009OBA00078.89.0510.000Dokumentnummer
JJT_19890510_OGH0002_009OBA00078_8900000_000