TE OGH 1989/5/11 8Ob549/89

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Veröffentlicht am 11.05.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch, Dr. Huber, Dr. Schwarz und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Edith P***, Hauseigentümerin, Leydoltgasse 4, 1150 Wien, vertreten durch Dr. Friedrich Pechtold, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Mustafa T***, Gastwirt, Dopplergasse 10/14, 1110 Wien, vertreten durch Dr. Christian Jelinek, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 10. November 1988, GZ 48 R 461/88-25, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 19. Mai 1988, GZ 6 C 5016/86-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit S 6.172,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (einschließlich Umsatzsteuer S 1.028,70) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin begehrte die Räumung der vom Beklagten gemieteten Geschäftsräumlichkeiten in Wien 15., Leydoltgasse 4, im Parterre Nr. 1 bis 6 mit der Begründung, daß seit September 1986 keine Mietzinse mehr bezahlt wurden, weshalb sie zur sofortigen Auflösung des Bestandverhältnisses berechtigt sei (AS 41).

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, daß er das in den gemieteten Räumlichkeiten betriebene Restaurantunternehmen mit Notariatsakt vom 30. Mai 1986 an die Y*** und G*** GmbH verkauft und am gleichen Tag übergeben habe. Dies sei auch der Klägerin bekannt gewesen.

Die Klägerin replizierte, daß der Beklagte zwar Anfang des Jahres 1986 bekanntgegeben habe, das Lokal verkaufen zu wollen; mit der Hausverwaltung sei jedoch vereinbart worden, daß mit dem neuen Mieter ein eigener Mietvertrag erst dann abgeschlossen werden sollte, wenn der Beklagte ausdrücklich auf seine Hauptmietrechte verzichte. Diese Vereinbarung sei auch den Käufern bekannt gewesen. Der Beklagte habe jedoch keine derartige Verzichtserklärung abgegeben, weshalb auch kein neuer Vertrag zustandegekommen sei. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es

traf - zusammengefaßt dargestellt - folgende Feststellungen:

Der Beklagte mietete ab 1. Februar 1985 die genannten Geschäftsräumlichkeiten zum Betrieb eines Gastronomiebetriebes. Im § 7 des Mietvertrages wurde ihm ein Weitergaberecht für branchengleiche Betriebe eingeräumt.

Mit dem Notariatsakt vom 30. Mai 1986 veräußerte der Beklagte das in den Geschäftsräumlichkeiten betriebene Unternehmen an die zu diesem Zeitpunkt im Gründungsstadium befindliche Y*** und G*** GmbH samt allem rechtlichen und faktischen Zubehör.

Auf Seite 6 des Kaufvertrages wurde folgendes vereinbart:

"Die Vertragspartner halten ausdrücklich fest, daß die Mietrechtsübertragung auf die Käuferin und die diesbezüglichen Bedingungen bereits geklärt sind (insbesondere die unveränderte Höhe des Mietzinses sowie das Schicksal der vom Verkäufer für das Bestandobjekt geleisteten Zahlungen und seiner diesbezüglichen Ansprüche zum Beispiel aus Erhaltungsbeiträgen und gemäß § 10 MRG, welche sodann der Käuferin zustehen).

Hiezu halten die Vertragspartner ferner fest, daß die Übertragung der Mietrechte mit Bezahlung des vereinbarten Kaufpreises von S 200.000,-- erfolgt und mit der Hausinhabung bereits geregelt ist, daß gegen Nachweis der Zahlung ohne weitere Erklärung des Verkäufers die Mietrechtsübertragung erfolgt. Der Verkäufer verpflichtet sich der Käuferin gegenüber über ihr Verlangen alle hiezu noch notwendigen weiteren Erklärungen in der erforderlichen Form unverzüglich und unentgeltlich abzugeben und über die Mietrechte nicht anderweitig zu verfügen. Ungeachtet dieser Vereinbarung hat die Käuferin jedoch für die mit dem Mietgegenstand verbundenen Zahlungen ab Vertragsstichtag aufzukommen."

Die Zahlung des Kaufpreises von S 200.0000,-- sollte am 30. August 1986 und am 30. September 1986 in Teilbeträgen von je S 100.000,-- erfolgen. Die Übergabe und Übernahme des Unternehmens in den Besitz und Genuß der Käuferin wurde auf den Stichtag 30. Mai 1986, 0 Uhr bezogen; von diesem Zeitpunkt an sollte die Käuferin alle Vorteile und jeden Nutzen ziehen, aber auch nach Maßgabe des Vertrages alle damit verbundenen Lasten, Steuern und Abgaben sowie Gefahr und Zufall tragen.

Es konnte nicht festgestellt werden, daß am 30. Mai 1986 auch schon die Konditionen der Übertragung der Mietrechte festgelegt gewesen wären. Erst am 2. Juni 1986 fand in der Kanzlei des von der Klägerin und der Gebäudeverwalterin Jutta W*** bevollmächtigten Rechtsanwaltes Dr. Friedrich P*** eine Besprechung statt, an der außer Jutta W*** und Dr. P*** noch der Beklagte sowie Fikret Y*** und Nasuhi G*** teilnahmen. Dabei wurde davon gesprochen, daß die Gesellschaft das Unternehmen gekauft habe. Der Beklagte verlangte jedoch eine Absicherung, daß auch eine noch offene Zahlung von S 100.000,-- geleistet würde. Aus diesem Grund wurde vereinbart, daß der Mietvertrag erst abgeschlossen werden sollte, wenn der Beklagte ausdrücklich erklärt habe, auf seine Hauptmietrechte zu verzichten. Erst mit Abschluß des neuen Mietvertrages sollte der Verzicht wirksam werden. Als Beginn des neuen Bestandverhältnisses wurde der 1. Oktober 1986 in Aussicht genommen. Dr. P*** und Jutta W*** waren mit dieser Vorgangsweise einverstanden, obwohl es Dr. P*** lieber gewesen wäre, sofort den Mietvertrag abzuschließen.

Dr. P*** erstellte in der Folge einen Mietvertragsentwurf. Als ihm Jutta W*** telefonisch mitteilte, daß Nasuhi G*** Alleinmieter werden sollte, errichtete Dr. P*** noch einen weiteren Entwurf, der am 28. Juli 1986 an den Beklagten geschickt wurde.

Da Nasuhi G*** und Fikret Y*** festellten, daß der Beklagte Schulden hatte, zahlten sie die restlichen S 100.000,-- abweichend von der getroffenen Vereinbarung nicht ihm, sondern beglichen damit seine Schulden. Der Beklagte war damit schließlich einverstanden. Eine Verzichtserklärung auf die Mietrechte gab er jedoch weder gegenüber Jutta W*** noch gegenüber Dr. Friedrich P*** ab. Auch die Bezahlung der (weiteren) S 100.000,-- wurde weder von dem Beklagten noch von Fikret Y*** oder Nasuhi G*** gegenüber Jutta W*** oder Dr. P*** nachgewiesen. Jutta W*** sah aus diesem Grund weiterhin den Beklagten als Hauptmieter an und schrieb daher nur ihm, nicht dagegen der Y*** und G*** GmbH oder Fikret Y*** bzw. Nasuhi G*** den Mietzins vor.

Der Beklagte leistete Mietzinszahlungen nur bis einschließlich August 1986. Danach erfolgten keine weiteren Zahlungen, sodaß für die Zeit von September 1986 bis September 1987 ein Rückstand an Hauptmietzins von S 110.500,-- besteht.

Rechtlich war das Erstgericht der Ansicht, daß der Beklagte aufgrund der Vereinbarung der Parteien, wonach der Übergang der Mietrechte an die Käufer erst nach seiner ausdrücklichen Verzichtserklärung erfolgen sollte, mangels Verzichtserklärung nach wie vor Hauptmieter sei; der Beklagte sei daher für die Räumungsklage passiv legitimiert. Das Klagebegehren sei berechtigt, weil der festgestellte Mietzinsrückstand bestehe.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, S 300.000,-- übersteigt. Das Gericht zweiter Instanz verwarf die Mängelrüge des Beklagten, wonach das Erstgericht zu Unrecht von der Beiziehung eines Dolmetsch Abstand genommen habe. Rechtlich vertrat das Berufungsgericht die Auffassung, daß nach dem Wortlaut und Sinn des bezogenen Notariatsaktes nur das Unternehmen, nicht aber die Mietrechte des Beklagten am 30. Mai 1986 auf die erwerbende GmbH oder einen ihrer Gesellschafter übergegangen seien. Da ein Weitergaberecht der Hauptmieterin vereinbart wurde, bestehe kein Grund zur Anwendung der Grundsätze des § 12 Abs 3 MRG, weil mit dieser Vereinbarung der Übergang der Mietrechte allein in die Hand des Berechtigten gelegt wurde; nur dieser bestimme, ob und wann seine Mietrechte auf den Nachfolger übergehen sollen. Im Punkt 5) des Notariatsaktes sei die Übertragung der Mietrechte jedoch von der Bezahlung eines Geldbetrages an den Beklagten abhängig gemacht worden. Da keine Verständigung der Vermieterseite von einer Zahlung stattfand, sei auch kein Verzicht des Beklagten auf seine Hauptmietrechte erfolgt. Nach der Auflösungserklärung gemäß § 1118 ABGB habe der Beklagte aber über seine Mietrechte nicht mehr verfügen können.

Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die Revision des Beklagten aus den Anfechtungsgründen des § 503 Abs 1 Z 2 und 4 ZPO mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben oder dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen wird.

Die Klägerin beantragt in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Unter dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des berufungsgerichtlichen Verfahrens rügt der Beklagte die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß das Erstgericht mit Recht von der Beiziehung eines Dolmetsch zur Einvernahme des Zeugen G*** und des Beklagten als Partei Abstand genommen habe. Hat aber das Gericht zweiter Instanz einen Verfahrensverstoß des Erstgerichtes verneint, kann dieser mit Revision nicht mehr geltend gemacht werden. Der Revisionsgrund nach § 503 Abs 1 Z 2 ZPO ist daher nicht gegeben (§ 510 Abs 3 ZPO).

In der Rechtsrüge stellt sich der Beklagte lediglich auf den Standpunkt, daß aus der Diktion des Punktes 5) des Notariatsaktes, "wonach die Mietrechtsübertragung auf die Käuferin und die diesbezüglichen Bedingungen bereits geklärt sind", auf die "kongruente" Übertragung des Unternehmens und der Mietrechte geschlossen werden müsse. Bevor allerdings darauf einzugehen ist, bedarf es noch folgender Erwägungen:

Nach Lehre und Rechtsprechung bewirkt die Veräußerung des im Bestandobjekt betriebenen Unternehmens zwar ex lege den Eintritt des Unternehmenserwerbers in das Mietverhältnis über die Geschäftsräume, in denen das Unternehmen betrieben wird; dies ohne Rücksicht auf eine Erklärung, ja selbst gegen den Willen des bisherigen und des neuen Mieters (Derbolav, MRG 37, Anm. 5 zu § 12; Würth-Zingher, MRG2, 55, Anm. 6 zu § 12; Schuppich, Die Neuordnung des Mietrechts 119; Frotz-Hügel, ÖStZ 1982, 143 f; SZ 57/191; JBl 1986, 314; 5 Ob 11/84). Der Vertragsübergang stellt relativ zwingendes Recht dar, so daß er nicht zu Ungunsten des Mieters abdingbar ist (Schimetschek, ImmZ 1984, 173; SZ 57/191 ua); mit Zustimmung des Vermieters kann aber - worauf das Berufungsgericht mit Recht verweist - insbesondere dann, wenn dem Mieter aufgrund des Bestandvertrages wie im vorliegenden Fall ein Weitergaberecht bereits eingeräumt ist, eine andere Lösung als sie im § 12 Abs 3 MRG normiert ist, vereinbart werden (Würth in Rummel, ABGB, Rz 7 zu § 12 MRG; darauf verweisend Fenyves in Korinek-Krejci, Handbuch zum MRG, 323; 3 Ob 584, 585/87). Darauf haben die Parteien im vorliegenden Fall zurückgegriffen, indem sie unter Beteiligung aller drei in Betracht kommenden Vertragspartner eindeutig klarstellten, daß der Mietrechtsübergang - zur Sicherung der Ansprüche des über ein diesbezügliches Gestaltungsrecht vertraglich verfügenden beklagten Mieters - erst erfolgen sollte, wenn dieser erklärt, auf seine Hauptmietrechte zu verzichten. Eine solche Erklärung hat er aber nach den getroffenen Feststellungen nicht bzw. nicht zu einem Zeitpunkt abgegeben, zu dem er über seine Mietrechte noch wirksam verfügen konnte.

Das nunmehr zu behandelnde Argument des Revisionswerbers, daß mit Punkt 5) des bezogenen Notariatsaktes der Mietrechtsübergang gleichzeitig mit der Unternehmensübertragung vertraglich vereinbart war, ist nicht stichhältig; es läßt sich nicht darauf stützen, daß nach dem Wortlaut des genannten Vertragspunktes die "Mietrechtsübertragung und die diesbezüglichen Bedingungen bereits geklärt" seien. Zutreffend hielt das Berufungsgericht der dargelegten Auffassung des Beklagten entgegen, daß damit keine endgültige Gestaltung erklärt wurde und daß mit der weiteren Formulierung, wonach "ungeachtet der Vereinbarung über die durch eine Zahlung bedingte Mietrechtsübertragung die Käuferin jedoch für die mit dem Mietgegenstand verbundenen Zahlungen ab Vertragsstichtag aufzukommen" habe, geradezu das Gegenteil der vom Beklagten angestrebten Auslegung des Vertragspunktes zum Ausdruck gebracht wurde.

Es hat daher bei der Entscheidung der Sache durch die Vorinstanzen zu verbleiben, so daß der Revision der Erfolg zu versagen ist.

Der Kostenausspruch beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E17390

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0080OB00549.89.0511.000

Dokumentnummer

JJT_19890511_OGH0002_0080OB00549_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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