Index
L82007 Bauordnung Tirol;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fritz, über die Beschwerde der SW GmbH & Co KG in K/U, vertreten durch Hoffmann & Brandstätter, Rechtsanwälte KEG in 6020 Innsbruck, Fallmerayerstraße 5, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Innsbruck vom 12. Mai 2004, Zl. I-Rm-00028e/2004, betreffend Untersagung von Werbeeinrichtungen gemäß § 45 Abs. 4 TBO 2001, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Landeshauptstadt Innsbruck hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit der am 26. März 2003 persönlich der Baubehörde überreichten, als Bauanzeige gedeuteten Eingabe zeigte die Beschwerdeführerin die Errichtung von drei Werbetafeln in der Größe von 5,1 m x 2,4 m an, wobei sich aus dem beigelegten Lageplan jeweils ein Abstand zwischen den Plakatwänden von 0,5 m ergibt. Diese Werbetafeln sind nach der Anzeige auf der S-Straße teils gegenüber dem Gebäude M-Gasse 15 bzw. östlich von diesem Gebäude auf der gegenüberliegenden Straßenseite auf dem Grundstück Nr. 468/1, KG I., vorgesehen. Nach den Ausführungen in der Anzeige sollen die Werbetafeln im Bereich der Einmündung der M-Gasse in die S-Straße in einem, sohin in einer Länge von 15,30 m errichtet werden.
Mit Bescheid vom 24. April 2003, in dem die angezeigten drei Werbetafeln derart beschrieben werden, dass zwischen ihnen ein Abstand von 0,5 m bestehe, untersagte der Stadtmagistrat der Landeshauptstadt Innsbruck die Ausführung der geplanten Errichtung der verfahrensgegenständlichen Werbeeinrichtungen gemäß § 45 Abs. 4 TBO 2001.
Die Beschwerdeführerin erhob dagegen die Berufung vom 7. Mai 2003 (eingelangt beim Stadtmagistrat am 9. Mai 2003) und brachte in der Folge bei der belangten Behörde den Devolutionsantrag vom 25. Februar 2004 (eingelangt beim Stadtmagistrat am 4. März 2004) ein.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Devolutionsantrag Folge und wies die Berufung der Beschwerdeführerin als unbegründet ab.
Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass gemäß § 45 Abs. 3 Tiroler Bauordnung 2001 (TBO 2001) die Behörde die Aufstellung einer Werbeeinrichtung dann zu untersagen habe, wenn insbesondere das Orts- oder Straßenbild erheblich beeinträchtigt werde. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes liege eine erhebliche Beeinträchtigung vor, wenn eine massive und nachhaltige negative Beeinträchtigung des vorgegebenen Orts- und Straßenbildes im betreffenden Stadtbereich vorliege. Ob nun ein Bauwerk bzw. eine Einrichtung geeignet sei, das Orts- und Straßenbild bzw. das charakteristische Gepräge des geschützten Ortsteiles erheblich zu beeinträchtigen, sei im Zuge des baubehördlichen Verfahrens festzustellen. Diese Feststellung sei Gegenstand des Beweises durch Sachverständige, wobei der Befund all jene Grundlagen nennen müsse, die für das Gutachten, also für das sich auf den Befund stützende Urteil des Sachverständigen erforderlich seien.
Zum Vorbringen der Beschwerdeführerin, das dem erstinstanzlichen Bescheid zu Grunde liegende Gutachten weise nicht die Qualität eines solchen auf, sei im Rahmen des zweitinstanzlichen Ermittlungsverfahrens ein ergänzendes Gutachten des Stadtplanungsamtes, Referat städtebauliche Bauberatung und Gestaltung vom 24. November 2003 eingeholt worden, in dem der befasste Sachverständige das Umfeld des Aufstellungsortes wie folgt beschreibe:
"Bei der S-Straße handelt es sich um eine stark frequentierte Verkehrsverbindung, die vom S-Ring abzweigend als eine der Hauptzufahrten zum Hauptbahnhof von I dient. Die Westseite der S-Straße ist fast durchwegs mit Gebäuden unterschiedlicher Höhe bebaut, während sich die Ostseite ab der Einmündung der L-Straße bis kurz vor dem Busbahnhof als völlig unbebaut darstellt. Hier befindet sich lediglich eine für das Stadtgebiet von I übliche, horizontal ausgerichtete, in einheitlicher Farbgebung ausgeführte Einfriedung (aufgesetztes, in Felder gegliedertes Metallgitter auf Betonsockel) und der dahinter liegende - nicht durch Gebäude verbaute - Freiraum des Bahnhofareals mit verschiedenen Einrichtungen der ÖBB (Schienen, Masten für Oberleitungen, Beleuchtungsmasten, Signalgeber, etc.).
Die Liegenschaften im südlichen Bereich der S-Straße weisen ein inhomogenes Erscheinungsbild auf. Die Baukörper sind uneinheitlich groß, stellen sich mit ebenso unterschiedlicher Farbgebung dar und werden teilweise gewerblich und teilweise zu Wohnzwecken genutzt. Durch die unterschiedlichen Gebäudestrukturen, Nutzungen und den teilweise desolaten baulichen Zustand der Gebäude ergibt sich für den südlichen Bereich, insbesondere an der Ostseite des gegenständlichen Straßenzuges, ein uneinheitliches Straßenbild mit einer insgesamt schlechten baulichen und optischen Qualität.
Der nördliche Bereich an der West- und Ostseite der S-Straße
weist im Gegensatz dazu eine städtebaulich und stadtgestalterisch
gute Qualität auf. So wurde der Bereich des ehemaligen 'A-A' mit
einem von A..., T... und Partner geplanten Büro- und Geschäftshaus
mit Glasfassade und vorgesetzter Baumreihe entlang der
Südbahnstrecke bebaut.
Südlich daran anschließend befindet sich das gemäß § 3
Denkmalschutzgesetz unter Schutz stehende, von L... W... geplante
Objekt S-Straße 14a (S-Haus A). ...
Die südlich an das denkmalgeschützte Gebäude anschließende Freifläche wird als Parkplatz genützt und ist zur Verkehrsfläche hin mit einer Mauer abgegrenzt. Die Mauer war zum einen ein Teil des (denkmalgeschützten) Gebäudes und hat sich zum anderen als Einfriedung nach Süden weiter fortgesetzt. Gegenüber dem ATP-Haus befindet sich das Objekt S-Straße 1 und 1a, ein 7- bis 10- geschossiges Gebäude mit aufwändig gestalteter Paneelfassade und akzentuierter Farbgebung. Südlich daran anschließend (Aufstellort) befindet sich die bereits erwähnte schlicht ausgeführte und eine für I typische Einfriedung mit dem dahinter liegenden Areal des Hauptbahnhofes.
...
Zusammenfassend betrachtet ist das Straßenbild des nördlichen Teiles der S-Straße (ab dem Objekt M-Gasse 15) als Übergang zum zentralen innerstädtischen Bereich, auch unter Berücksichtigung der in Kürze beginnenden Sanierung der Liegenschaft 'S-Haus', als qualitativ hochwertig, baulich einwandfrei, gepflegt und als ordentlich zu bezeichnen.
3. Beschreibung des Aufstellortes:
Der ggst. Aufstellungsort der Plakatwandanlage befindet sich am Anfang des nördlichen Teiles der S-Straße, teilweise gegenüber dem Objekt M-Gasse 15 bzw. teilweise gegenüber der unbebauten Flächen südlich des Objektes S-Straße 14a, direkt an der Ostseite der öffentlichen Verkehrsfläche."
Im Gutachten führte der Sachverständige aus, es handle sich beim gegenständlichen Aufstellungsort der Plakatwandanlage um eine stark frequentierte Verkehrsverbindung, die vom S-Ring abzweigend als eine der Hauptzufahrten zum Hauptbahnhof von I diene, und damit auch eine für die Gesamtstadt "imageprägende Funktion" ausübe. Nachdem der nördliche Bereich der S-Straße ab dem Objekt M-Gasse 15 eine städtebaulich und stadtgestalterisch gute Qualität aufweise, sich dort denkmalgeschützte Objekte sowie vor kurzem fertig gestellte und mit hohen gestalterischen Ansprüchen errichtete Gebäude befänden, gelte es die Nutzung und Gestaltung dieses urbanen Bereiches beizubehalten, und damit einen attraktiven öffentlichen Raum am Übergang zum innerstädtischen Bereich zu sichern. Dies sei jedenfalls durch eine Reihe auswechselbarer Plakatwände in der Art des vorliegenden Ansuchens nicht möglich, weil der Passant nicht die Möglichkeit habe, den stadträumlichen Bereich anhand der ihm eigenen, spezifischen Merkzeichen zu identifizieren. Auf Grund der exponierten Lage des Aufstellungsortes in einem ansonsten unbebauten Bereich werde der Teil des öffentlichen Raumes durch die qualitätslose, bunte und deplatzierte Großflächenwerbung gestört und optisch überlastet, woraus ein zufälliges und inhomogenes Straßen- und Ortsbild mit einer aufdringlichen Wirkung entstehe. Dies habe ein Absinken des stadtgestalterischen Niveaus in diesem Bereich zur Folge. (An dieser Stelle wird im Gutachten auf ein nachfolgendes Foto verwiesen "aus dem" wie angegeben wird, "die - für den innerstädtischen Bereich - überdimensionale Größenordnung zu sehen" sei. Das Foto zeigt eine durchgehende Werbetafel, auf der 3 große Plakate angebracht sind, wobei zwischen zwei Plakaten eine weiße Fläche von ca. 0,5 m gelegen ist. Eine weitere solche weiße Fläche befindet sich auch noch an einem Ende dieser Werbetafel.)
Weiters übernehme die Werbeeinrichtung teilweise die Funktion der Einfriedung auf die ihr eigene, dominierende und penetrante Art, wodurch es zu einer Bedeutungsvermischung komme. Die Plakatwände überragten das auf den Betonsockeln aufgesetzte Metallgitter der Einfriedung um mehr als das Doppelte. Ebenso wie die Höhe, stehe auch die bunte Farbgebung der Werbeeinrichtungen im Gegensatz zur einheitlichen Darstellung des Bestandes und dominierten durch die Aneinanderreihung einzelner, großformatiger, üblicherweise bunter und über die Einfriedung ragender Plakate den städtebaulich ruhigen Raum. Das bestehende, dezente und schlichte Straßenbild gegenüber der Freifläche der Liegenschaft mit dem denkmalgeschützten Objekt "S-Haus" werde übertrumpft, die Einfriedung durch die nachträgliche Applikation der Plakatwände teilweise verdeckt, zum Werbeträger degradiert und lasse den, das Straßenbild prägenden Freiraum des Bahnhofareals und dessen Einfriedung visuell in den Hintergrund rücken.
Durch die geplante Überschreitung der Oberkante der Einfriedung und durch die Addition mehrerer Werbeeinrichtungen fehle die Bezugnahme auf die ausschlaggebenden und bedeutenden Merkmale des dortigen Elementes, die Dimension werde gesprengt, die klare horizontale Linienführung werde verwischt und somit verlören die markanten, die Einfriedung prägenden Elemente (durchgehender Sockel, aufgesetztes gegliedertes Element, einheitliche Höhe) an Wertigkeit. Eine uneinheitliche, ungeordnete und störende Wirkung sei die Folge. Durch das zinnenartige "Auf und Ab", das aus dieser Überschreitung der Zaunhöhe durch die Werbeanlage resultiere, werde der Einfriedung ein fremdes Element aufoktroyiert und zerstöre so das bisherige zurückhaltende Format gänzlich. Weiters werde durch die optische Überlagerung der Werbeeinrichtungen mit dem Freiraum des Bahnhofareals, eine kulissenartige Front gebildet, womit der Hintergrund zum sekundären Element verfalle.
Die optische Wirkung der verfahrensgegenständlichen Plakatwände beeinflusse den nördlichen Teil der S-Straße weiterhin erheblich negativ. Die Engstelle der S-Straße - mit dem desolaten Gebäude M-Gasse 15 an der Westseite und den bestehenden Plakatwänden an der Ostseite - stelle den Übergang zum qualitätsvollen Nordteil der S-Straße und das optische Einfahrtstor zum innerstädtischen Bereich dar. Durch die Weiterführung von auswechselbaren und anonymen Großflächenwerbungen im Ausmaß von "(15,3 m x 2,4 m =) rund 13 m2" würde die stadtgestalterische Qualität auch dieses Bereiches erheblich sinken. Gerade auf Grund der Tatsache, dass das dortige Gebäude M-Gasse 15 ein desolates Erscheinungsbild aufweise, sei es erforderlich, die dortige stadtgestalterische Qualität zu heben und nicht durch qualitätslose Großflächenwerbungen weiter zu belasten. Gerade am Beginn des sensibelsten Bereiches - nach der angeführten Engstelle - würde eine unvertretbare Massierung von Werbeeinrichtungen auftreten.
Zusammenfassend betrachtet sei der Zustand der einzelnen Elemente nach der Engstelle zum nördlichen Bereich der S-Straße als qualitativ hochwertig, baulich einwandfrei, gepflegt und als ordentlich zu bezeichnen. Das vorliegende Straßenbild stelle eine homogene und ruhige Einheit dar, in dem alle Elemente im natürlichen gleichwertigen und neutralen Nebeneinander vorkommen. Im Gegensatz dazu werde dieser bestehende ruhige und homogene Gesamteindruck durch die qualitätslos gestaltete Plakatwandanlage intensiv gestört, da diese bunte Erscheinung die Blicke der Betrachter auf sich ziehe, sich die Aufmerksamkeit lediglich auf dieses Element richte und damit einen einseitigen optischen Schwerpunkt im Orts- und Straßenbild schaffe. Durch das Applizieren des Großplakates und das teilweise Verdecken der Einfriedung, einer für das Stadtgebiet von I üblichen baulichen Anlage, werde die visuelle Komposition der wechselnden Wirkung zwischen den verschiedenen Einzelelementen gestört und die klare Funktion der Einfriedung als Abgrenzung des Bahnhofareals aufgehoben.
Die Beschwerdeführerin habe zu diesem Gutachten in ablehnender Form Stellung genommen. Es komme ihrer Ansicht nach durch die Aufstellung der beantragten Werbeeinrichtungen nicht zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Orts- und Straßenbildes und im Gutachten seien keine überzeugenden Argumente dafür geliefert worden, warum das Orts- und Straßenbild durch das angezeigte Bauvorhaben beeinträchtigt werden könnte.
Auf Grund sämtlicher schriftlicher Eingaben der Beschwerdeführerin sowie der ausführlichen Darlegungen des Amtssachverständigen im Gutachten vom 24. November 2003 sowie insbesondere auch "in Übereinstimmung mit den vom Stadtsenat am 18.2.2004 beschlossenen 'stadtgestalterischen Richtlinien für großflächige Werbeanlagen'" nehme die belangte Behörde nachstehenden Sachverhalt als erwiesen an:
Der in der S-Straße, im nördlichen Bereich der selben gelegene Aufstellungsort auf der Einfriedungsmauer zum Bahngelände weise im Gegensatz zum südlichen Bereich der genannten Straße eine städtebauliche und stadtgestalterisch gute Qualität auf. Dies insbesondere deshalb, als der Bereich des ehemaligen "A-A" mit einem von bekannten Architekten geplanten Büro- und Geschäftshaus mit Glasfassade und vorgesetzer Baumreihe entlang der S-Straße bebaut worden sei, und sich im Nahbereich dazu ein Gebäude, nämlich das "S-Haus" A Objekt südlich daran anschließend befinde, welches unter Denkmalschutz stehe. Die S-Straße an sich stelle eine Hauptzufahrt zum Hauptbahnhof von I dar und übe daher eine für die Gesamtstadt imageprägende Funktion aus. Wie den dem Gutachten beigeschlossenen fotografischen Darstellungen zu entnehmen sei, sei der Zustand der einzelnen Elemente im Bereich der nördlichen S-Straße als qualitativ hochwertig, baulich einwandfrei, gepflegt und als ordentlich zu bezeichnen. Das Straßenbild stelle sich als homogene und ruhige Einheit dar, in dem alle Elemente im natürlichen, gleichwertigen und neutralen Nebeneinander vorkämen. Durch die beabsichtigte Aufstellung der in Rede stehenden Werbeeinrichtungen würden diese die Funktion der Einfriedung übernehmen, penetrant und dominierend wirken, sodass es zu einer Bedeutungsvermischung mit dem gegebenen Straßenbild und seinen Elementen komme. Der ruhige Straßenraum werde durch die dominierenden großflächigen Plakattafeln und deren Aneinanderreihung entscheidend beeinträchtigt. Nach Ansicht der belangten Behörde stellten diese Werbeflächen einen Fremdkörper für die Einfriedung dieses Straßenabschnittes dar und das ruhige und homogene Erscheinungsbild würde erheblich beeinträchtigt. Dazu komme, dass nach Applikation der künftigen, farblich mit Reizen versehenen Plakate ein zusätzliches unruhiges Element eingebracht werde und das derzeitige Straßenbild in dieser Flut von Reizen untergehe und daher überflüssig werde.
Dieser von der belangten Behörde anzunehmende Sachverhalt habe durch die nicht weiter begründete bloße Negation in der Stellungnahme der Beschwerdeführerin auf fachlicher Ebene nicht widerlegt werden können, sodass auf Grund der sachlich begründeten und schlüssigen Darlegungen im Gutachten des Amtssachverständigen bei der Beurteilung der Frage, ob durch die in Rede stehenden Werbeeinrichtungen das bestehende Orts- und Straßenbild erheblich beeinträchtigt werde, grundsätzlich der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides zu folgen gewesen sei und zusammenfassend davon auszugehen sei, dass durch die beantragte Werbeeinrichtung das bestehende Orts- oder Straßenbild im Bereich der nördlichen S-Straße nachhaltig und erheblich beeinträchtigt werde.
In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes, Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde geltend gemacht.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
In § 45 Abs. 1, 3 und 4 Tiroler Bauordnung 2001 - TBO 2001, LGBl. Nr. 94 i.d.F. LGBl. Nr. 89/2003, ist betreffend "Werbeeinrichtungen, Zulässigkeit und Verfahren" Folgendes vorgesehen:
"§ 45
Werbeeinrichtungen, Zulässigkeit und Verfahren
(1) Die Errichtung, Aufstellung und Änderung von frei stehenden Werbeeinrichtungen innerhalb geschlossener Ortschaften ist der Behörde schriftlich anzuzeigen, sofern hiefür nicht eine Bewilligung nach § 14 Abs. 1 lit. e des Tiroler Stadt- und Ortsbildschutzgesetzes 2003 erforderlich ist. Der Anzeige sind ein Lageplan, eine Beschreibung der technischen Ausführung und eine planliche Darstellung der betreffenden Werbeeinrichtung in zweifacher Ausfertigung anzuschließen. § 22 Abs. 2 zweiter und dritter Satz gilt sinngemäß.
(2) ...
(3) Die Errichtung, Aufstellung oder Änderung einer anzeigepflichtigen Werbeeinrichtung ist unzulässig, wenn durch die Materialbeschaffenheit, Größe, Form, Farbe oder Lichtwirkung der Werbeeinrichtung das Orts- oder Straßenbild erheblich beeinträchtigt würde.
(4) Die Behörde hat die angezeigte Errichtung, Aufstellung oder Änderung einer Werbeeinrichtung zu prüfen. Ergibt sich dabei, dass das angezeigte Vorhaben nach Abs. 3 unzulässig ist, so hat die Behörde dessen Ausführung innerhalb von zwei Monaten nach Vorliegen der vollständigen Anzeige mit schriftlichem Bescheid zu untersagen. ... "
Die Beschwerdeführerin macht zunächst geltend, dass der Sachverständige P., der das ergänzende Gutachten vom 24. November 2003 erstellt habe, ein weisungsgebundener Beamter des Referates III betreffend städtebauliche Bauberatung und Gestaltung und ein Sachbearbeiter der Abteilung Stadtplanung sei. Dasselbe Referat habe den erstinstanzlichen Bescheid erlassen. Das Gutachten trage dieselbe Geschäftszahl wie der erstinstanzliche Baubescheid. P. sei keineswegs ein qualifizierter unabhängiger Sachverständiger im Sinne des § 52 AVG. Er sei auch nicht als Sachverständiger beeidet worden. Von Bedeutung sei weiters, dass auf der letzten Seite des Gutachtens festgestellt werde:
"Der Stadtsenat hat die MA III/Stadtplanung am 24.06.2003 beauftragt, stadtgestalterische Richtlinien für die Genehmigungsfähigkeit von großflächigen Werbeanlagen in I auszuarbeiten. Auf der Basis von der MA III/Stadtplanung daraufhin entwickelten stadtgestalterischen Richtlinien für großflächige Werbeanlagen sind Standorte in der Art des ggst. Ansuchens grundsätzlich für derartige Großplakate nicht geeignet."
Daraus ergebe sich, dass sich die Stadtplanung, also dieselbe Abteilung, die das Gutachten vom 24. November 2003 erstellt habe, bereits grundsätzlich gegen die Errichtung großflächiger Werbeanlagen ausgesprochen habe, P. habe demnach bereits ein anderes Gutachten für den Stadtsenat bezüglich der Aufstellung von großflächigen Werbeanlagen im Bereich der Stadtgemeinde I. erarbeitet. Er habe sich damit präjudiziert und könne daher in der vorliegenden Angelegenheit keineswegs ein Gutachten als objektiver Sachverständiger unbeeinflusst von den Vorgaben seines Dienstgebers erstellen. Er müsse daher als befangen angesehen werden.
Zu diesem Vorbringen ist einerseits auszuführen, dass § 52 Abs. 1 AVG dann, wenn die Aufnahme eines Beweises durch Sachverständige notwendig wird, die Beiziehung der der Behörde beigegebenen oder zur Verfügung stehenden amtlichen Sachverständigen (Amtssachverständige) vorsieht. Nur aus den im § 52 Abs. 2 AVG genannten Gründen können ausnahmsweise nichtamtliche Sachverständige, die gemäß § 52 Abs. 4 AVG zu beeiden sind, im Verwaltungsverfahren herangezogen werden. Der Amtssachverständige ist ein - nicht notwendig ausschließlich - zur Begutachtung von Fachfragen dauernd bestellter Organwalter. Er ist der Behörde beigegeben, wenn er organisatorisch in sie eingegliedert ist (vgl. Walter - Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze2, S. 795, Anm. 3). Der Umstand, dass ein Amtssachverständiger Mitarbeiter einer Abteilung einer Behörde ist, stellte seine fachliche Kompetenz nicht in Frage (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 21. Juni 2005, Zl. 2004/06/0033). Der Umstand, dass die Magistratsabteilung, der der Sachverständige P. angehört, stadtgestalterische Richtlinien für großflächige Werbeanlagen festgelegt hat und der Sachverständige darauf in seinem Gutachten Bezug genommen hat, führt nicht zwangsläufig dazu, diesen Sachverständigen als befangen zu beurteilen.
Die Beschwerdeführerin rügt weiters, dass auf Seite 6 des Gutachtens über die geplante Größe der Werbeanlage ein falsches Bild eingefügt sei. Auf diesem Bild seien Plakattafeln ohne Zwischenabstand, wobei keine Meterangabe erfolge, abgebildet.
Diesem Vorbringen kommt Berechtigung zu. Abgesehen von dem von der Beschwerdeführerin erwähnten Foto betreffend die geplante Größe der verfahrensgegenständlichen Werbeeinrichtungen geht das Gutachten vom 24. November 2003 auch auf Seite 2 davon aus, dass drei Plakattafeln mit einer Länge von 5,10 m und einer Höhe von 2,40 m ohne Zwischenabstand vorgesehen seien. Im Gutachten ist festgehalten (S. 2), dass die Plakattafeln zu einer Tafel zusammengefasst werden sollen, sodass diese einen 15,30 m langen Abschnitt der S-Straße einnähmen. Gegenstand der verfahrensgegenständlichen Bauanzeige waren drei Plakattafeln in der Größe von 5,1 m x 2,4 m mit einem Zwischenabstand jeweils von 0,5 m, wie dies insbesondere den beigelegten Plänen der Bauanzeige zu entnehmen war. Der erstinstanzliche Bescheid bezog sich auf die Werbetafeln in dieser Ausgestaltung. Die Unklarheit, die sich diesbezüglich aus dem als Bauanzeige gedeuteten Eventualantrag in der Berufung der Beschwerdeführerin an sich ergeben hat (zwischen der verbalen Beschreibung des Vorhabens in der Anzeige und der Ausgestaltung gemäß den beigeschlossenen Plänen), wurde im Verfahren durch die Berufung der Beschwerdeführerin beseitigt, in der sie zu der im Bescheid explizit vorgenommenen Beschreibung des angezeigten Vorhabens (drei Werbetafeln in der Größe von 5,10 m x 2,40 m mit jeweils Abständen von 0,5 m) keinen Einwand erhob. Das von der belangten Behörde herangezogene Gutachten ging somit von einem anderen Verfahrensgegenstand aus, weshalb die Heranziehung dieses Gutachtens schon deshalb nicht als schlüssig erachtet werden kann.
Die Beschwerdeführerin rügt aber auch zutreffend, dass sich der bekämpfte Bescheid (wie auch das Gutachten vom 24. November 2003) auf die vom Stadtsenat am 18. Februar 2004 beschlossene "stadtgestalterische Richtlinie für großflächige Werbeanlagen" bezieht, ohne dass diese Richtlinie der Beschwerdeführerin je zur Kenntnis gebracht worden wäre. Da der Inhalt dieser Richtlinie nicht bekannt ist, kann nicht ausgeschlossen werden, dass sie für die vorliegende Entscheidung von maßgeblicher Bedeutung war. Mangels Offenlegung dieses Beschlusses des Stadtsenates kann weder die Beschwerdeführerin noch der Verwaltungsgerichtshof die Übereinstimmung dieses Beschlusses mit den gesetzlichen Grundlagen (§ 45 Abs. 3 TBO 2001) überprüfen. Der Verwaltungsgerichtshof wird dadurch gehindert, die Schlüssigkeit des ergänzenden Gutachtens (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Juli 2005, Zl. 2004/06/0057) wie auch des angefochtenen Bescheides zu überprüfen. In dieser Hinsicht liegt somit ein wesentlicher Verfahrensmangel des angefochtenen Bescheides vor.
Die Beschwerde stellt das Gutachten des Sachverständigen P., auf das sich die belangte Behörde maßgeblich gestützt hat, auch insofern in Frage, als sich die verfahrensgegenständlichen drei Werbetafeln zur Hälfte gegenüber der auch vom Sachverständigen als völlig desolat beschriebenen Fassade des Gebäudes M-Gasse 15 befänden, während die ins Treffen geführten Gebäude im nördlichen Bereich der S-Straße (das Haus der Kunst, das S-Haus und das gegenüberliegende neue Geschäfts- und Wohnhaus S-Straße 1 und 1a) in ca. 95 m Entfernung vom verfahrensgegenständlichen Aufstellungsort der drei Werbetafeln der Beschwerdeführerin gelegen seien.
Auch diesem Vorbringen kommt Berechtigung zu. Auch für den Verwaltungsgerichtshof ist nicht nachvollziehbar, warum der Aufstellungsort der verfahrensgegenständlichen drei Werbetafeln, der zur Hälfte dem auch nach Ansicht der belangten Behörde desolaten Gebäude M-Gasse 15 gegenüberliegt und somit in dessen Nahebereich liegt, als ein Bereich beschrieben werden kann, der als qualitativ hochwertig, baulich einwandfrei, gepflegt und als ordentlich zu bezeichnen sei, bzw. von einem bestehenden ruhigen und homogenen Gesamteindruck gesprochen werden kann. Jene Gebäude im nördlichen Teil der S-Straße, die für den Sachverständigen für diese Bewertung maßgeblich waren, liegen - worauf die Beschwerdeführerin zutreffend verweist - in größerer Entfernung von dem verfahrensgegenständlichen Aufstellungsort.
Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes erscheint es auch nicht schlüssig, bei der Beurteilung der Frage der Beeinträchtigung des Orts- und Straßenbildes allein darauf abzustellen, dass eine vorhandene Einfriedung (in diesem Fall zum Bahnhofsgelände) durch das Aufstellen der verfahrensgegenständlichen drei Werbetafeln verändert wird. Das Orts- und Straßenbild kann - ohne besondere, im Gutachten nachvollziehbar ausgeführte Gründe - nicht auf die Ausgestaltung einer Straßenseite reduziert werden, sondern setzt sich vor allem aus sämtlichen baulichen Anlagen des für die Beurteilung maßgeblichen Bezugsbereiches zusammen, wobei nach der hg. Judikatur für das Ortsbild auch noch die bildhafte Wirkung von Grünanlagen, Parklandschaften, Schloßbergen udgl. miteinzubeziehen ist (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 24. März 1969, VwSlg. Nr. 7538/A).
Die vorliegenden Beweismittel boten somit keine Grundlage, davon auszugehen, dass die verfahrengegenständlichen Werbetafeln eine erhebliche Beeinträchtigung des Orts- und Straßenbildes bewirkten. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 20. Oktober 2005
Schlagworte
Amtssachverständiger der Behörde beigegeben Anforderung an ein Gutachten Befangenheit von Sachverständigen Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Sachverständigenbeweis Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Rechtliche Beurteilung Verfahrensbestimmungen freie BeweiswürdigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2004060089.X00Im RIS seit
23.11.2005