TE Vwgh Erkenntnis 2005/10/20 2003/06/0170

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Veröffentlicht am 20.10.2005
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Index

L80006 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan
Steiermark;
L82000 Bauordnung;

Norm

BauRallg;
ROG Stmk 1974 §23 Abs5 litb;
ROG Stmk 1974 §23 Abs5 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fritz, über die Beschwerde der A V GmbH in G, vertreten durch Mag. Hermann Kienast, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Friedrichgasse 6/IV/17, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 11. September 2003, Zl. FA 13A-12.10 G 240- 03/3, betreffend Abweisung eines Antrages auf Erteilung einer Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde St. G an der S, vertreten durch den Bürgermeister, St. G an der S), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenbegehren der mitbeteiligten Partei wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 6. September 2002 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin, ihr die Baubewilligung für den Umbau des bestehenden Gasthauses auf dem Grundstück Nr. .40/2, EZ 452, KG St. G an der S, in einen Barbetrieb zu erteilen, im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, der im umgebauten Gebäude beabsichtigte Bar- und Bordellbetrieb sei im "allgemeinen Wohngebiet" unzulässig.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung, die mit dem Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 11. März 2003 als unbegründet abgewiesen wurde.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Vorstellung an die belangte Behörde.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 11. September 2003 wurde diese Vorstellung als unbegründet abgewiesen. Nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens und der Rechtslage führte die belangte Behörde aus, nach den erläuternden Bemerkungen zur ROG-Novelle 1985 sollte mit der Erweiterung auf weitere Wohngebiete in § 23 Abs. 5 lit. b Stmk. ROG zum Ausdruck gebracht werden, dass auch solche Betriebe errichtet werden können, die nicht nur den Bewohnern des jeweiligen Wohngebietes, sondern auch der angrenzenden Wohngebiete dienlich seien. Der Beschwerdeführerin sei dahingehend zuzustimmen, dass ein Bordell geeignet sei, sozialen Bedürfnissen zu dienen, wobei das Kriterium "soziale Bedürfnisse" keinerlei Wertung in moralischer Hinsicht enthalte. Entscheidend sei jedoch die Frage, ob ein Bordell den sozialen Bedürfnissen der Bewohner von Wohngebieten diene. Der Begriff "Bedürfnisse der Bewohner von Wohngebieten" könne somit unter Berücksichtigung der erläuternden Bemerkungen nur dahingehend interpretiert werden, dass von einem im allgemeinen Wohngebiet zulässigen Betrieb ein Kundenstrom erzeugt werde, der sich lediglich auf die angrenzenden Bereiche auswirke bzw. durch diesen Betrieb Bedürfnisse der Bewohner von Wohngebieten in der näherliegenden Umgebung des Bauplatzes gedeckt werden müssten. Gerade diese Abgrenzung spreche gegen die Zulässigkeit eines Bordells in einem allgemeinen Wohngebiet, weil ein Bordell in der vorgesehenen Art typischerweise eine Anziehungskraft auch für Bewohner der weiteren Umgebung und jedenfalls auch für Bewohner außerhalb der angrenzenden Wohngebiete entfalte. Dem Vorwurf, dass auch die in § 23 Abs. 5 lit. b ROG genannten Schulen, Kirchen, Krankenanstalten, Gasthäuser und Geschäfte nicht nur den Bedürfnissen von Bewohnern von Wohngebieten, sondern auch von solchen der weiteren Umgebung dienen, sei entgegen zu halten, dass unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und kulturellen Bedürfnisse der Bewohner von Wohngebieten solche Gemeinschaftseinrichtungen jedenfalls zulässig seien, wenn sie unter Bedachtnahme auf den Wohncharakter des Gebietes keine widersprechenden Belästigungen verursachten. Größere Schulen, Krankenanstalten etc., die Belästigungen mit sich brächten, die dem Wohncharakter des Gebietes widersprächen, seien jedenfalls auch in einem allgemeinen Wohngebiet unzulässig. Es ergebe sich somit, dass die Errichtung bzw. der Betrieb eines Bordells in einem allgemeinen Wohngebiet in der hier zu beurteilenden Art generell unzulässig sei. Weitere Erhebungen zur Frage, ob durch den Betrieb dem Wohncharakter des Gebietes widersprechende Belästigungen der Bewohnerschaft verursacht werden, seien daher nicht durchzuführen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und, ebenso wie die mitbeteiligte Marktgemeinde, in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 23 Abs. 5 lit. b des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes 1974 (ROG), LGBl. Nr. 127, idF der Novelle LGBl. Nr. 39/1986, sind "allgemeine Wohngebiete" Flächen, die vornehmlich für Wohnbauten bestimmt sind, wobei auch Gebäude, die den wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und kulturellen Bedürfnissen der Bewohner von Wohngebieten dienen (z.B. Verwaltungsgebäude, Schulgebäude, Kirchen, Krankenanstalten, Kindergärten, Garagen, Geschäfte, Gärtnereien, Gasthäuser und Betriebe aller Art, soweit sie keine dem Wohncharakter des Gebietes widersprechenden Belästigungen der Bewohnerschaft verursachen), errichtet werden können.

Das Grundstück, auf dem sich das verfahrensgegenständliche Gasthaus befindet, liegt in einem als "allgemeines Wohngebiet" gewidmeten Gebiet, in welchem - wie sich aus § 23 Abs. 5 lit. b ROG ergibt - Wohnbauten ohne jede Einschränkung und sonstige Gebäude nur, wenn sie den wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und kulturellen Bedürfnissen der Bewohner von Wohngebieten dienen, zulässig sind.

Der vorliegende Beschwerdefall gleicht damit in den für die Entscheidung relevanten Umständen jenem, der bereits mit Erkenntnis vom 27. November 2003, Zl. 2002/06/0091, entschieden wurde. In diesem Erkenntnis, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass ein Bordell eine "Vergnügungsstätte", wie sie in § 23 Abs. 5 lit. c ROG in Kern-, Büro- und Geschäftsgebieten zulässig und demnach kein "Gasthaus" im Sinne des § 23 Abs. 5 lit. b ROG ist, weil bei einem "Bordell" der sexuelle Lustgewinn, und nicht der Genuss von Speisen und/oder Getränken, die Eigenart des Betriebs dominiert. Daraus folgt, dass ein "Bordell" im allgemeinen Wohngebiet im Sinne des § 23 Abs. 5 lit. b Stmk. ROG jedenfalls unzulässig ist. Schon aus diesem Grund ist die Abweisung des Antrages auf Erteilung der Baubewilligung im Beschwerdefall nicht als rechtswidrig zu erkennen. Die vom Beschwerdeführer gerügten Verfahrensverletzungen sind daher nicht entscheidungsrelevant.

Aus diesen Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Das Kostenbegehren der mitbeteiligten Partei war abzuweisen, weil diese nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten war.

Wien, am 20. Oktober 2005

Schlagworte

Planung Widmung BauRallg3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2003060170.X00

Im RIS seit

28.11.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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