Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Kellner sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Wolfgang Dorner (AG) und Robert Freitag (AN) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Rosina K***, Rohrwies 12, 4871 Zipf, vertreten durch Dr.Hans Dallinger, Rechtsanwalt in Ried im Innkreis, wider die beklagte Partei P*** D*** A***, Roßauer Lände 3, 1092 Wien, wegen Witwenpension infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26.Jänner 1989, GZ 13 Rs 135/88-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 8.Juni 1988, GZ 24 Cgs 63/88-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit Bescheid vom 21.Jänner 1988 wies die beklagte Partei den Antrag der Klägerin auf Gewährung einer Witwenpension nach deren geschiedenem Ehegatten mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 258 Abs 4 ASVG ab.
Das Erstgericht wies die dagegen erhobene Klage ab. Es traf folgende Feststellungen:
Die Klägerin und ihr Ehemann Jakob K*** lebten bis März 1983 im gemeinsamen Haushalt im Haus der Klägerin. Im März 1983 wollte der Mann zunächst aus dem Haus ausziehen, tat dies jedoch schließlich nicht. Ab diesem Zeitpunkt wurde kein gemeinsamer Haushalt mehr geführt. Nachdem der Mann im März 1983 der Klägerin gesagt hatte, er wolle für sie nicht mehr zahlen, ging sie zu einem Richter beim Bezirksgericht Vöcklabruck, der die Eheleute zu einem Vergleichsversuch vorlud. Dieser Vergleichsversuch führte zu keiner Vereinbarung. Der Ehemann zahlte jedoch der Klägerin ab März 1983 monatlich 4.000 S. Von einer Scheidung war damals noch keine Rede. Im August 1984 zog der Ehemann ins Altersheim, nachdem er am 19.März 1984 beim Kreisgericht Wels die Scheidungsklage, gerichtet auf Scheidung der Ehe aus dem Alleinverschulden der Klägerin, eingebracht hatte. Die Klägerin sprach sich zunächst gegen eine Scheidung aus und wendete für den Fall der Ehescheidung das überwiegende Verschulden des Mannes ein. In einem Schriftsatz vom 1. Oktober 1984 brachte der Ehemann vor, daß er der Klägerin 4.000 S an Unterhalt bezahle, wozu er nicht mehr in der Lage und seines Erachtens aufgrund der Eheverfehlungen der Frau auch nicht mehr verpflichtet sei. Dennoch wurden weiterhin 4.000 S monatlich bezahlt, das letzte Mal am 5.Oktober 1987.
Mit Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 23.Juni 1986 wurde die Ehe aus dem gleichteiligen Verschulden der Streitteile geschieden. Dieses Urteil wurde vom Oberlandesgericht Linz bestätigt, auch der Revision der nunmehrigen Klägerin wurde mit Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 25.Juni 1987 nicht Folge gegeben. Dieses Urteil wurde dem Vertreter des Mannes am 14.September 1987 zugestellt. Der geschiedene Ehemann der Klägerin verstarb am 27.Oktober 1987. Rechtlich folgerte das Erstgericht aus diesem Sachverhalt, daß eine vor Auflösung der Ehe geschlossene Unterhaltsvereinbarung zwar keiner bestimmten Form bedürfe, aber so beschaffen sein müsse, daß sich aus ihr die Zahlungsverpflichtung für die Zeit nach der Scheidung ergebe. Dies könne hier nicht gesagt werden. Daß der Ehegatte der Klägerin Unterhaltsverpflichtungen für die Zeit nach der Scheidung habe übernehmen wollen, lasse sich aus seinem Vorbringen im Scheidungsverfahren keineswegs ableiten. Die schlüssige Unterhaltsvereinbarung habe mit der Scheidung der Ehe ihre Wirksamkeit verloren. Daran ändere auch nichts, daß der Mann nach Rechtskraft der Scheidung noch einmal 4.000 S bezahlt habe. Das Berufungsgericht gab der wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung der Klägerin keine Folge. § 258 Abs 4 ASVG zähle taxativ jene Rechtstitel auf, die der Frau (dem Mann) deren (dessen) Ehe mit dem (der) Verstorbenen für nichtig erklärt, aufgehoben oder geschieden worden sei, einen Anspruch auf Witwenpension (Witwerpension) sichere, nämlich daß der Versicherte zur Zeit seines Todes Unterhalt aufgrund eines gerichtlichen Urteiles, eines gerichtlichen Vergleiches oder einer vor Auflösung der Ehe eingegangenen Verpflichtung zu leisten hatte. Ein Unterhaltstitel, aufgrund dessen der Ehemann zur Leistung des Unterhaltes an seine Gattin verpflichtet sei, wirke grundsätzlich nicht über eine gemäß § 49 EheG erfolgte Scheidung hinaus, weil der Rechtsgrund eines Unterhaltsanspruches nach §§ 66 f EheG vom Rechtsgrund des während der Ehe bestandenen Unterhaltsanspruches nach § 94 ABGB verschieden sei. Eine vertragliche Verpflichtung des Ehemannes, seiner Frau nach der Scheidung der Ehe Unterhalt zu leisten, könne zwar auch schlüssig erfolgen, würde aber solche Handlungen voraussetzen, die mit Überlegung aller Umstände keinen vernünftigen Grund, daran zu zweifeln übrigen ließen, daß sich der Ehegatte der Klägerin im aufgezeigten Sinne verpflichten wollte. Bei der Beurteilung einer Handlung auf ihre konkludente Aussage sei daher größte Vorsicht geboten. Von Bedeutung könnte unter diesen Gesichtspunkten lediglich die Unterhaltszahlung des bereits rechtskräftig geschiedenen Mannes am 5.Oktober 1987 sein. Die Zustellung des oberstgerichtlichen Urteiles am 14.September 1987 sei nicht an den Ehemann selbst, sondern an dessen Rechtsvertreter erfolgt, sodaß nicht ersichtlich sei, ob dem schon 79 Jahre alten Ehegatten der Klägerin die Tatsache der Rechtskraft der Scheidung überhaupt bewußt geworden sei. Ein Bindungswille sei aus dieser einen Unterhaltszahlung nach Rechtskraft der Scheidung nicht abzuleiten. Da der geschiedene Ehegatte der Klägerin bereits am 27. Oktober 1987 verstorben sei, habe die Unterhaltsfrage für die Zeit nach der Scheidung nicht mehr hinreichend geklärt werden können. Die Voraussetzungen des § 258 Abs 4 ASVG für einen Anspruch auf Witwenpension seien daher nicht gegeben.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen dieses Urteil erhobene Revision der Klägerin ist nicht berechtigt.
Unter dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der Aktenwidrigkeit rügt die Klägerin, daß das Berufungsgericht, ohne eine entsprechende Verfahrensergänzung anzuordnen, davon ausgegangen sei, der verstorbene Ehemann der Klägerin habe vor der Überweisung der letzten Unterhaltszahlung die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes im Ehescheidungsverfahren noch nicht erhalten. Dies trifft keineswegs zu. Das Berufungsgericht hat im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung lediglich ausgeführt, daß nicht ersichtlich sei, ob dem Ehegatten der Klägerin die Tatsache der Rechtskraft der Scheidung überhaupt bewußt geworden sei. Dies aber hätte auch durch ergänzende Feststellungen, wann der Rechtsvertreter des Verstorbenen die Entscheidung weitergeleitet hat, nicht geklärt werden können. Es ist aber eine durchaus naheliegende Schlußfolgerung, daß der bereits 79-jährige, von dem die Klägerin den Eindruck hatte, er sei "geistig nicht mehr ganz da" und der, wie sich aus seinem Verfahrenshilfeantrag im Scheidungsverfahren ergibt, einen Hilflosenzuschuß und eine Blindenbeihilfe vom Land Oberösterreich bezog, sich möglicherweise der Rechtsfolgen der eingetretenen Rechtskraft des Scheidungsurteiles anläßlich der Überweisung vom 5.Oktober 1987 nicht in vollem Umfang bewußt wurde, selbst wenn er das Urteil noch vor der Überweisung erhalten haben sollte.
Wie schon das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, kommt es aber nur darauf an, ob aus dieser einen Überweisung ein Verpflichtungswille für die Zeit nach rechtskräftiger Scheidung abgeleitet werden kann. Eine konkludente Handlung darf nur dann angenommen werden, wenn sie nach den üblichen Gewohnheiten und Gebräuchen eindeutig in einer bestimmten Richtung zu verstehen ist. Es darf kein vernünftiger Grund übrig sein, daran zu zweifeln, daß der Wille, eine Rechtsfolge in einer bestimmten Richtung herbeizuführen, vorliegt (Koziol-Welser, Grundriß I8 83 f). Aus den durch Jahre hindurch auch ohne förmliche Vereinbarung geleisteten regelmäßigen Zahlungen muß zwar auf den Verpflichtungswillen zu Unterhaltszahlungen an die Klägerin während aufrechter Ehe geschlossen werden, es kann daraus aber nicht abgeleitet werden, daß damit auch eine Weiterverpflichtung für die Zeit nach Rechtskraft des Urteils im Scheidungsverfahren, in welchem unter Ausschöpfung des gesamten Instanzenzuges die Verschuldenszumessung und damit doch vorwiegend die Unterhaltsfrage nach der Scheidung strittig war, verbunden sein sollte. Aus der einmaligen Zahlung am 5.Oktober 1987 allein - zu weiteren Handlungen des geschiedenen Ehemannes, die zweifelsfrei Klarheit hätten bringen können, konnte es wegen dessen kurz darauffolgenden Todes nicht mehr kommen - kann aus den angeführten Gründen bei Zugrundelegung eines objektiven Maßstabes und der Verkehrsauffassung (§ 863 ABGB) noch nicht auf einen konkludenten Verpflichtungswillen für die Zeit nach rechtskräftiger Scheidung geschlossen werden.
Da es nach dem Gesetz nur darauf ankommt, ob der geschiedene Ehegatte zur Zeit seines Todes Unterhalt (einen Unterhaltsbeitrag) zu leisten hatte, hängt der Anspruch auf Witwenpension nur davon ab, ob der Versicherte aufgrund eines der im Gesetz angeführten rechtsbegründenden Tatbestände im Zeitpunkt des Todes zur Unterhaltsleistung verpflichtet war. Es ist daher nicht von Bedeutung, ob der Unterhalt im Zeitpunkt des Todes tatsächlich gewährt wurde. Das Vorliegen nur eines den Anspruch auf Unterhalt begründenden abstrakten Tatbestandes nach dem Ehegesetz (hier allenfalls Unterhaltsanspruch der Klägerin nach Billigkeit gemäß § 68 EheG) genügt nicht (SSV-NF 1/63).
Der Revision war daher insgesamt ein Erfolg zu versagen. Die Entscheidung über die Revisionskosten beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.
Anmerkung
E18361European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1989:010OBS00147.89.0523.000Dokumentnummer
JJT_19890523_OGH0002_010OBS00147_8900000_000