TE OGH 1989/5/23 10ObS132/89

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Veröffentlicht am 23.05.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Kellner als weitere Richter sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Herbert Vesely (Arbeitgeber) und Dr. Wolfgang Dorner (Arbeitgeber) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Waltraud A***, Überfuhrgasse 47, 9872 Millstatt, vertreten durch Dr. Werner Russek, Rechtsanwalt in Spittal an der Drau, wider die beklagte Partei A***

U***, Adalbert Stifterstraße 65, 1200 Wien, vertreten durch Dr. Adolf Fibich, Dr. Vera Kremslehner, Dr. Josef Milchram, Rechtsanwälte in Wien, wegen Witwenrente, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 12.Jänner 1989, GZ 7 Rs 148/88-17, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 6.Mai 1988, GZ 31 Cgs 117/88-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahin abgeändert, daß es insgesamt lautet:

"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei ab 1.4.1987 eine Witwenrente im gesetzlichen Ausmaß, höchstens jedoch S 2.500 monatlich, zu bezahlen.

Auf diese Witwenrente ist ein Betrag von S 12.710,20 anzurechnen. Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei die mit S 2.357,85 (darin S 214,35 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung binnen 14 Tagen zu bezahlen." Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 3.087 (darin S 514,50 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Ehe der Klägerin mit ihrem am 1.4.1987 verstorbenen Ehegatten wurde am 2.8.1979 vom Bezirksgericht Spittal/Drau gemäß § 55 a EheG geschieden (Sch 26/79). Im Zuge des Scheidungsverfahrens hatten die Ehegatten einen Unterhaltsvergleich geschlossen, in dem sich der Ehemann verpflichtete, der Klägerin einen monatlichen Unterhalt von S 2.500 jeweils bis zum 10. eines Monates im vorhinein zu bezahlen und in dem die Klägerin auf eine Wertsicherung des Unterhaltes ausdrücklich verzichtete.

In der Folge klagte der geschiedene Ehemann die Klägerin im Verfahren 3 C 167/84 des Bezirksgerichtes Spittal/Drau auf Unterhaltsherabsetzung. In diesem Verfahren schlossen die Parteien am 10.3.1986 folgenden Vergleich:

1. Der Kläger verpflichtet sich, der Beklagten aus dem Titel des Unterhaltes einen Abfindungsbetrag von S 200.000 in vier gleichen Raten a S 50.000, die erste Rate fällig binnen 14 Tagen, die Folgeraten fällig am 31.12.1986, 30.4.1987, 31.12.1987, zu bezahlen.

2. Darüberhinaus verzichtet die Beklagte auf jeden weiteren Unterhalt gegenüber dem Kläger, auch für den Fall der Not, geänderter Gesetzeslage oder sonst wie geänderter Umstände. Diese Verzichtserklärung wird erst rechtswirksam, wenn der Kläger den im Punkt 1. genannten Ratenverpflichtungen nachgekommen ist, dh., die aus dem Vergleich des Bezirskgerichtes Spittal/Drau vom 2.8.1979, Sch 26/79, sich ergebende Unterhaltsverpflichtung des Klägers der Beklagten gegenüber, wird bei Nichteinhaltung einer Rate wieder voll wirksam. Inzwischen bezahlte Unterhaltsbeträge sind anzurechnen.

3. Der Kläger verpflichtet sich ferner, der Beklagten die Verfahrenskosten in der Höhe von S 17.289,90 in drei gleichen Raten a S 5.000, fällig am 30.5.1986, 30.9.1986 und 31.12.1986, und einer weiteren Rate von S 2.289,80 fällig am 31.3.1987 zu Handen des Beklagtenvertreters, zu bezahlen.

Bis zu seinem Tod am 1.4.1987 hatte der geschiedene Ehemann der Klägerin aus diesem Vergleich insgesamt S 60.000 bezahlt, wovon S 17.289,80 auf Verfahrenskosten und restliche S 42.710,20 auf Unterhaltsraten entfallen.

Im Verlassenschaftsverfahren meldete die dort nicht anwaltlich vertretene Klägerin ihre unberichtigte Forderung aus dem Vergleich mit restlichen S 157.289,80 (= S 200.000 - S 60.000 + S 17.289,80) an.

Das Erstgericht erkannte "die beklagte Partei schuldig, der Klägerin ab 1.4.1987 im Umfang des Punktes 1. des Vergleiches vom 2.8.1979, Sch 26/79 des Bezirksgerichtes Spittal/Drau eine monatliche Witwenrente zu bezahlen, allerdings unter Anrechnung der aufgrund des Vergleiches vom 10.3.1986, 3 C 167/84 des Bezirksgerichtes Spittal/Drau bereits geleisteten Ratenzahlungen im Ausmaß von S 32.310,20, soweit diese Zahlung auf den Zeitraum nach dem 1.4.1987 Anrechnung findet" und die Prozeßkosten zu bezahlen. Der von der Klägerin im Vergleich vom 10.3.1986 abgegebene Unterhaltsverzicht sei ausdrücklich von der vollständigen Bezahlung des Abfindungsbetrages abhängig gemacht worden. Zum Zeitpunkt des Todes des geschiedenen Ehemannes der Klägerin seien zumindest zwei Raten noch nicht einmal fällig gewesen. Es sei daher davon auszugehen, daß der Unterhaltsverzicht nicht wirksam geworden sei. Daher gelte die Unterhaltsverpflichtung aus dem Scheidungsvergleich. Damit bestehe der Anspruch der Klägerin auf Witwenrente grundsätzlich zu Recht, wobei der Rentenanspruch nach oben mit der vereinbarten monatlichen Unterhaltszahlung von S 2.500 begrenzt sei und im übrigen von der der Rentenbemessung zugrundeliegenden Bemessungsgrundlage abhänge.

Das Berufungsgericht gab der wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung der beklagten Partei keine Folge. Nach dem klaren Wortlaut des Vergleiches vom 10.3.1986 sollte der dort von der Klägerin abgegebene Unterhaltsverzicht erst wirksam werden, wenn ihr geschiedener Ehemann seine Ratenverpflichtungen vollständig erfüllt habe. Dies sei schon zum Zeitpunkt seines Todes nicht der Fall gewesen, weil bis dorthin zwei Unterhaltsraten zu je S 50.000 sowie sämtliche Verfahrenskostenraten von zusammen S 17.289,80 zu bezahlen gewesen wären, während insgesamt nur S 60.000, davon auf den Unterhalt daher nur S 42.710,30 geleistet worden seien. Auch die Tatsache, daß die Klägerin ihre auf Bezahlung der restlichen Abfindungsraten gerichtete Forderung im Verlassenschaftsverfahren angemeldet habe, ändere nichts daran, daß der geschiedene Ehegatte zum Zeitpunkt seines Todes bereits in Verzug gewesen und daher die Bedingung für das Wirksamwerden des Unterhaltsverzichtes gar nicht mehr termingerecht hätte erfüllen können. Aus dieser Anmeldung sei jedenfalls nicht abzuleiten, daß die Klägerin mit einem Beharren auf Abfindungsleistung den eingetretenen Verzug sanieren und damit den Eintritt der Bedingung für ihren Unterhaltsverzicht wieder ermöglichen wollte. Da die Witwenrente nur den durch den Tod des früheren Ehemannes wegfallenden Unterhalt ersetzen solle, habe das Erstgericht zu Recht auch eine Anrechnung der geleisteten Beträge vorgenommen, soweit nach Berücksichtigung des vorangegangenen Zeitraumes ab 1.4.1987 noch ein Restbetrag verbleibe. Der dabei offensichtlich unterlaufene Rechenfehler - tatsächlich geleisteter Unterhalt nach Abzug der zur Gänze bereits fälligen Verfahrenskosten S 47.710,30 und nicht S 32.310,20 werde zu berücksichtigen sein. Diese Berichtigung ist in der Zwischenzeit allerdings nur in den Entscheidungsgründen, nicht auch im Spruch des Ersturteiles erfolgt.

Rechtliche Beurteilung

Der wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Revision der beklagten Partei kommt nur zu einem Teil Berechtigung zu. Die Auslegung von Verträgen und abgegebenen Erklärungen hat nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes zu erfolgen. Nach dem Vergleich vom 10.3.1986 wurde ein in Raten zu zahlender Unterhaltsabfindungsbetrag vereinbart. Ausdrücklich wurde festgehalten, daß die darüber hinaus abgegebene Verzichtserklärung der Klägerin auf jeden weiteren Unterhalt erst rechtswirksam wird, wenn ihr geschiedener Mann seinen Ratenverpflichtungen nachgekommen ist. Diese Erklärung wurde noch weiter dahin verdeutlicht, daß die aus dem Scheidungsvergleich bestehende Unterhaltsverpflichtung bei Nichteinhaltung einer Rate wieder voll wirksam werden und inzwischen bezahlte Unterhaltsbeträge (dh Abfindungsraten) anzurechnen seien. Diese jeden Zweifel auschließende Formulierung bedeutet, daß der Unterhaltsverzicht der Klägerin nur unter der aufschiebenden Bedingung - pünktliche Einhaltung der vereinbarten Raten - abgegeben wurde. Ist aber ein Rechtsgeschäft unter einer aufschiebenden Bedingung geschlossen, so beginnen die Rechtswirkungen erst dann, wenn das ungewisse Ereignis eintritt, bis dahin besteht bloß eine Anwartschaft auf den künftigen Erwerb des Rechtes, bei Ausfall der Bedingung treten die Wirkungen überhaupt nicht ein. Zum Zeitpunkt des Todes des geschiedenen Ehemannes der Klägerin war aber wegen des Rückstandes mit fällig gewordenen Abfindungsraten der Eintritt der Bedingung für das Wirksamwerden des Unterhaltsverzichtes schon nicht mehr möglich.

Zu Recht haben die Vorinstanzen darauf verwiesen, daß Schrammel in Tomandl System 3.ErgLfg. 123 nur den Fall behandelt, daß die Unterhaltsleistung in Form einer Abfindung, allenfalls kombiniert mit einer Ratenzahlung, betragsmäßig beschränkt wird und zu dem Ergebnis gelangt, daß ein durch einen Kapitalbetrag abgefundener Unterhaltsanspruch, auch wenn Ratenzahlungen vereinbart wurden, endgültig erlischt und nicht wieder auflebt und daß ein Weiterbestehen der Angehörigeneigenschaft nur dann angenommen werden könnte, wenn die Vereinbarung einer bestimmten Geldsumme, die in monatlichen Teilbeträgen auszuzahlen ist, als befristete Unterhaltsleistung angesehen werden könnte, wobei das Ende der Frist durch das Erreichen der Gesamtsumme bestimmt würde. Im vorliegenden Fall aber sollte der Unterhaltsanspruch nach dem Scheidungsvergleich überhaupt erst mit dem Eintritt der vereinbarten aufschiebenden Bedingung erlöschen. Da, wie ausgeführt, wegen des Verzuges der Bedingungsfall gar nicht mehr möglich war, ist davon auszugehen, daß der geschiedene Ehemann im Zeitpunkt seines Todes gegenüber der Klägerin eine Unterhaltsverpflichtung aufgrund des Scheidungsvergleiches zu erfüllen hatte.

Zutreffend haben die Vorinstanzen auch ausgeführt, daß aus der Tatsache der Anmeldung der Restforderung aus dem Vergleich vom 10.3.1986 im Verlassenschaftsverfahren noch kein konkludenter Verzicht auf den Unterhaltsanspruch aus dem Scheidungsvergleich abgeleitet werden kann. Ein stillschweigender Verzicht kann nur angenommen werden, wenn besondere Umstände darauf hinweisen, daß er ernstlich gewollt war, hiezu reicht aber die bloße Anmeldung einer Forderung im Verlassenschaftsverfahren nicht aus.

Zu Recht rügt die beklagte Partei aber, daß der Klägerin durch den (hinsichtlich des unterlaufenen Rechenfehlers noch immer unberichtigten) Urteilsspruch des Erstgerichtes eine höhere Leistung zugesprochen wurde, als ihr nach dem Gesetz zusteht. Gemäß § 215 Abs 3 ASVG wird die Witwenrente der geschiedenen Frau mit dem Betrag gewährt, der dem gegen den Versicherten zur Zeit seines Todes bestehenden Anspruch auf Unterhalt entspricht. Sie darf 20 % der Bemessungsgrundlage des Versicherten jährlich nicht übersteigen. Der tatsächlich bestehende Unterhaltsanspruch stellt somit nur eine Obergrenze dar, übersteigt er 20 % der Bemessungsgrundlage, so ist die Witwenrente nur in dieser geringeren Höhe zu leisten. Darüber hinaus ist im Urteil des Erstgerichtes jener Betrag, der auf die Witwenrente anzurechnen ist, nicht ausreichend bestimmt. Der Vergleich wurde am 10.3.1986 abgeschlossen, die Klägerin hatte somit vom 1.4.1986 bis zum 1.4.1987 einen Unterhaltsanspruch von monatlich S 2.500, insgesamt daher von S 30.000, sodaß von dem aus dem Titel des Unterhaltes vom Verstorbenen bezahlten Betrag von S 42.710,20 noch S 12.710,20 verbleiben, die nach dem in diesem Punkt unangefochtenen Ersturteil auf die ab 1.4.1987 zustehende Witwenrente anzurechnen sind. Insofern war der Spruch klarer zu fassen, ohne daß - mangels Anfechtung durch die Klägerin - zu prüfen war, ob eine derartige Anrechnung zugunsten des Sozialversicherungsträgers zulässig war.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

Die Entscheidung über die Kosten der Berufungs- und Revisionsbeantwortung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG.

Anmerkung

E18012

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:010OBS00132.89.0523.000

Dokumentnummer

JJT_19890523_OGH0002_010OBS00132_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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