TE OGH 1989/5/24 1Ob583/89

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.05.1989
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Petra K***, Angestellte, Schlitters 88, vertreten durch Dr. Ekkehard Beer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei R***-Seilbahn Aktiengesellschaft, Maurach am Achensee, vertreten durch Dr. Heinz Bauer und Dr. Harald E. Hummel, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen S 490.644,02, abstrakter Rente und Feststellung (Revisionsinteresse S 511.200 s.A.) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 7. Februar 1989, GZ 1 R 331/88-36, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 26. Juli 1988, GZ 18 Cg 46/87-27, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichtes wird dahin abgeändert, daß das erstinstanzliche Urteil mit der Maßgabe wiederhergestellt wird, daß dieses im Punkt 1 b ".... für alle künftigen nachteiligen Folgen ..." zu lauten hat.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 10.000,-- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen; im übrigen werden die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gegeneinander aufgehoben.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin kam am 17. Februar 1984, nachdem sie die R***-Seilbahn mit einer Halbtageskarte benützt hatte, bei der Abfahrt vom Schiweg ab, stürzte und verletzte sich dabei schwer. Die Klägerin begehrte die Verurteilung der beklagten Partei zum Ersatz ihres mit S 490.664,02 bezifferten Schadens, zur Leistung einer monatlichen abstrakten Rente von S 1.875 bis 30. April 2013 sowie die Feststellung, daß ihr die beklagte Partei für alle nachteiligen Folgen aus dem Schiunfall einzustehen habe. Der Schiweg sei von der beklagten Partei im Sturzbereich trotz seiner welligen Bodenbeschaffenheit unzureichend gesichert gewesen. Die beklagte Partei sei ihrer Verpflichtung zur Pistenpflege und zur Pistensicherung - etwa durch Anbringung eines Fangnetzes - nicht nachgekommen und habe damit gegen vertragliche und gesetzliche Verpflichtungen verstoßen. Die Klägerin habe infolge des Sturzes schwerste Verletzungen erlitten. Eine Niere habe entfernt werden müssen, die zweite sei ebenfalls verletzt worden. Außerdem seien Blutungen im Gehirnschädel aufgetreten, die linke Ohrmuschel sei teilweise abgerissen worden, am linken Ohr sei Gehörverlust eingetreten; überdies habe sie Brüche mehrerer Rippen erlitten. Erst Ende Februar 1984 sei sie wieder voll wach und orientiert gewesen und am 13. März 1984 in häusliche Pflege entlassen worden. Sie fordere ein Schmerzengeld von S 310.000, eine Verunstaltungsentschädigung von S 50.000, den Verdienstentgang von S 79.444,02, den Ersatz einer Haushaltshilfe von S 50.000, den Ersatz der Reinigungskosten und des Verlustes eines Ohrringes (S 1.200) sowie eine abstrakte Rente von monatlich S 1.875. Die beklagte Partei wendete insbesondere ein, der Unfall habe sich auf einem durchschnittlich 4,3 m breiten Schiweg mit einem Gefälle von 12 % ereignet. Kehren oder sonstige gefährliche Stellen habe die beklagte Partei ohnedies durch Fangnetze abgesichert. Im Bereich der Unfallstelle verlaufe der Weg gerade und übersichtlich, seine Bodenwellen entsprächen natürlichen Gegebenheiten. Infolge Pulverschnees sei der Schiweg bestens befahrbar gewesen. Die Klägerin sei infolge eines Fahrfehlers zum Sturz gekommen und habe sich die Unfallsfolgen daher selbst zuzuschreiben. Die Absicherung des Schiweges an der Unfallstelle sei nicht erforderlich gewesen. Soweit dieser nach dem Unfall verbreitert worden sei, sei dies nur im Zuge der allgemeinen Pistenpflege wegen der zunehmenden Wintersporttätigkeit erfolgt.

Das Erstgericht gab dem Leistungsbegehren mit S 211.415,43 s.A. und dem Feststellungsbegehren insofern statt, als die beklagte Partei der Klägerin für die nachteiligen Folgen aus dem Schiunfall jeweils zur Hälfte einzustehen habe, und wies das Mehrbegehren (S 279.922,59 s.A., die abstrakte Rente sowie die Feststellung der Haftung der beklagten Partei zur Gänze) ab. Es stellte, soweit dies für die Erledigung der Revision noch bedeutsam ist, fest:

Am 17. Februar 1984 habe die Klägerin bei der beklagten Partei eine Halbtageskarte gelöst und die R***-Seilbahn benützt, um Schi zu fahren. Nachdem sie bereits verschiedene Abfahrtsmöglichkeiten ausgenützt habe, sei sie zwischen 15 und 16 Uhr in der Jausenstation "Buchaueralm" eingekehrt, wo sie eine Gulaschsuppe und einen Tee konsumiert habe. Alkoholische Getränke habe sie vor dem Unfall nicht genossen. Gegen 16 Uhr 20 sei die Klägerin, eine gute Schifahrerin, die bereits an Meisterschaften und Punkterennen teilgenommen habe und auch auf dieser Schiabfahrt seit 15 Jahren gefahren sei, mit einer Gruppe von Schilehrern, die sie in der Jausenstation angetroffen habe, auf dem Schiweg im Schigebiet der beklagten Partei unterhalb der Jausenstation als letzte in der Gruppe der Schilehrer abgefahren. Auf dem als "Langen Weg" genannten Teil dieses Schiweges habe die Klägerin zwischen der vierten und fünften Kehre infolge Unachtsamkeit verkantet, sei deshalb über die ungesicherte steile Böschung des Schiweges abgestürzt und gegen einen Baum geprallt. Das Schigebiet der beklagten Partei bestehe aus mehreren Schiliften und Schipisten. Auf einer Höhe von etwa 1400 m gingen die Schipisten in einen Schiweg über. Von der Jausenstation "Buchaueralm" (Seehöhe 1385 m) habe der Schiweg zur Unfallszeit in durchschnittlicher Breite von rund 3,5 bis 4 m in sechs Kehren zur Talstation der R***-Seilbahn geführt. Nach der vierten Kehre beginne der "Lange Weg", der im Unfallsbereich ein Gefälle von 12 bis 14 % aufweise. Die Unfallstelle befinde sich in einem langgezogenen Linksschwung, an dessen Beginn der "Lange Weg" eine Neigung von 16 % aufweise, die weiter unten noch 17 % erreiche; die Böschungsneigung an der Unfallstelle lasse sich nicht mehr genau messen, weil das Gelände ausgeböscht worden sei und die Hangbrückenelemente 1,5 m aus dem Boden herausragten. Vergleichsmessungen in unmittelbarer Umgebung hätten eine Neigung von 110 % ergeben. Diese Neigung sei zum Unfallszeitpunkt mit größter Wahrscheinlichkeit auch im Unfallsbereich vorhanden gewesen. Im Bereich der Unfallstelle habe der Schiweg kein Quergefälle aufgewiesen. Die Bäume rechts der Abfahrt seien im Unfallszeitpunkt nicht unmittelbar am Weg, sondern in der Böschung nahe des Weges gestanden. Der Schiweg sei die einzige zur Talstation führende Abfahrt. Allerdings könne man auch mit der Seilbahn talwärts fahren. Im Unfallszeitpunkt hätten gute Schneeverhältnisse geherrscht; der Schnee sei damals weich gewesen.

Der Schiweg sei 1960 von der Forstinspektion S*** projektiert und gebaut worden. Im Sommer und Herbst 1984, also nach dem Unfall, sei der Schiweg auf 5,7 m verbreitert worden. Um die Verbreiterung des Weges an der Unfallstelle zu ermöglichen, sei eine Hangbrücke angelegt worden. Der gesamte Geländeabschnitt im Unfallsbereich sei jetzt mit einem durchgehenden Sicherheitsnetz mit einer Höhe von 2 m talseitig abgesichert. Um Unfallszeitpunkt sei an dieser Stelle keinerlei Sicherung vorhanden gewesen; mit Netzen seien nur die Wegkehren gesichert gewesen. Die Talfahrt bis zur Talstation des Mauritsliftes sei im Unfallszeitpunkt mit roten Markierungstafeln mit der Zahl 1 und ab dieser Talstation an der Buchaueralm vorbei bis in den Bereich der Seilbahntalstation mit blauen Tafeln mit der Aufschrift "1 a" bezeichnet gewesen. Die roten Tafeln wiesen auf eine mittelschwere Abfahrt hin, die blauen Tafeln auf eine leichte Schipiste, die mit Ausnahme kurzer Teilstücke im offenen Gelände ein Längs- bzw. Quergefälle von 25 % nicht übersteige. Bei Beginn der blauen Pistenmarkierungen hätten sich zum Unfallszeitpunkt gelbe Hinweistafeln "Engstelle" und "Absturzgefahr" befunden. Vor der Unfallstelle sei zum Unfallszeitpunkt am rechten Pistenrand eine Hinweistafel "Engstelle" an einem Baum angebracht gewesen. Der gesamte Schiweg habe im Unfallszeitpunkt von der "Buchaueralm" an durchgehend dieselbe Beschaffenheit aufgewiesen. Im gesamten Bereich seien tal- und bergseitig steile Böschungen vorhanden gewesen. Der Klägerin wäre es "im Normalfall" möglich gewesen, den Weg im Schneepflug oder in kurzen Schwüngen zu befahren bzw. an der Unfallstelle ungehindert anzuhalten. Wäre die Unfallstelle (Engstelle) zum Unfallszeitpunkt mit einem Fangnetz der jetzt vorhandenen Konstruktion abgesichert gewesen, hätte die Klägerin nicht über die Schiwegkante hinausfahren können, so daß ihr Absturz unterblieben wäre. Es könne allerdings nicht ausgeschlossen werden, daß sich die Klägerin nicht - je nach dem Auffahrwinkel - Bänderzerrungen, Prellungen oder ähnliche Verletzungen zugezogen hätte, wäre sie mit den Schiern im Netz hängengeblieben. Fahre man mit einer Gruppe nicht besonders guter Schifahrer über den Schiweg ab, müsse man die Anweisung geben, ständig zu bremsen. Als mögliche Anhalteplätze müsse man solche im Bereich der Kehren auswählen. Zum Unfallszeitpunkt wäre jedermann, der verkantet hätte, über den Abbruch abgestürzt. Diese Absturzgefahr habe auf dem Schiweg nicht nur an der Unfallstelle, sondern auch an anderen Stellen bestanden. Technisch wäre die Montage von Fangnetzen an der Unfallstelle auch im Unfallszeitpunkt möglich gewesen. Der Schiweg könne nur nach Betriebsschluß, in den frühen Morgenstunden oder am späteren Nachmittag präpariert werden, weil sonst Pistenbenützer im Bereich der Engstellen gefährdet wären. Der Schiweg sei am 16. Februar 1984 am späten Nachmittag mit einem talwärts fahrenden Pistengerät, an dem Zusatzgeräte wie Schubschild, Rammschild und Fräse montiert werden könnten, und am 17. Februar 1984 in den Morgenstunden mit einem bergwärts fahrenden Pistengerät präpariert worden. Die Schipisten würden nicht behördlich freigegeben bzw. genehmigt. Auf freiwilliger Basis könne man beim Amt der Tiroler Landesregierung um die Verleihung des Tiroler Pistengütesiegels ansuchen; in einem solchen Fall würden neben den infrastrukturellen Einrichtungen auch die Anlage und die Pflege der Pisten begutachtet. Die beklagte Partei habe nie um die Verleihung dieses Gütesiegels angesucht. Der Schiweg sei u.a. deshalb verbreitert worden, weil der alte Schiweg infolge der Engstellen nicht mehr mit den neuen Pistengeräten hätte befahren werden können und die mit den Engstellen und dem steil abfallenden Gelände verbundenen Gefahren beseitigt werden sollten. Rechtlich meinte das Erstgericht, die beklagte Partei habe ihre Pistensicherungspflicht verletzt. Zwar habe der Pistenhalter nur vor atypischen Gefahren und den Pistenrand demgemäß nur zu sichern, wenn Unfälle etwa infolge Vereisung bei Querneigung oder scharfer Richtungsänderung auch für vorsichtige Schiläufer nicht leicht vermeidbar seien und bei Überfahren des Pistenrandes besondere Gefahren drohten, doch sei eine Sicherungspflicht des Pistenhalters auch dort anzunehmen, wo selbst ein verantwortungsbewußter Schifahrer beim Sturz über den Pistenrand hinaus geraten könne und im Bereich einer erheblichen Hangneigung Verletzungsgefahr bestehe. Im Hinblick auf die Breite und das Gefälle des Schiweges sowie die Böschungsneigung reichten die Hinweistafeln "Engstelle" und "Absturzgefahr" nicht aus, zumal die Unfallstelle sonst als leichte Abfahrt gekennzeichnet gewesen sei und der Schifahrer beim Verkanten unweigerlich über den Abbruch am Pistenrand abstürzen müsse. Die Klägerin treffe jedoch ein Mitverschulden, weil sie - möglicherweise infolge Unachtsamkeit oder Einhaltung überhöhter Geschwindigkeit - verkantet habe. Eine wellige Schipiste stelle für sich noch keine atypische Gefahr dar; die Klägerin hätte vielmehr mit Wellen rechnen und ihre Fahrweise darauf einrichten müssen.

Danach erscheine eine Verschuldensteilung von 1 : 1 gerechtfertigt. Das Gericht zweiter Instanz änderte infolge Berufung beider Teile das Urteil nach Außerstreitstellungen in der Berufungsverhandlung unter Einschluß der nicht bekämpften erstinstanzlichen Aussprüche dahin ab, daß dem Leistungsbegehren mit S 411.200 s.A. und dem Feststellungsbegehren zur Gänze stattgegeben wurde und das Mehrbegehren von S 79.444,02 s.A. sowie das Rentenbegehren abgewiesen wurden. Die Klägerin habe infolge eines Aufmerksamkeitsfehlers verkantet, sei dadurch zum Sturz gekommen und über den Rand des Schiweges die Böschung hinabgestürzt. Solche auf fahrtechnische Fehler wie im vorliegenden Fall zurückzuführenden Stürze seien dem Wesen des Schisports entsprechend noch nicht ungewöhnlich und daher an sich auch noch nicht rechtlich vorwerfbar. Ein über das bloße Verkanten, wie es jedermann unterlaufen könne, hinausgehendes Fehlverhalten - etwa überhöhte Geschwindigkeit, Einlassung auf zu schwieriges Gelände oder Alkoholisierung - könne der Klägerin nicht zur Last gelegt werden. Verkanten infolge mangelnder Aufmerksamkeit allein begründe daher noch nicht den Vorwurf mangelnder Sorgfalt gegenüber eigenen Rechtsgütern. Der beklagten Partei sei dagegen der Gefahrenbereich schon im Hinblick auf die vorhandene Engstelle bekannt gewesen; sie habe deshalb auch durch ein Gefahrenzeichen gewarnt. Sie sei zur Absicherung des unmittelbar talseits des Schiwegs anschließenden abschüssigen Geländes verpflichtet gewesen, weil mit einem Sturz von Schifahrern über den Pistenrand hinaus stets gerechnet werden müsse. Gefahrenquellen unmittelbar neben der Piste seien nach der Rechtsprechung zumindest im Randbereich einer Schilänge (etwa 2 m) jedenfalls zu sichern. Das gelte für ungewöhnliche Gefahren außerhalb der Piste. Eine Böschung von 110 %, die einem Anstiegswinkel von 50 Grad entspreche, sei jedenfalls als sehr steil anzusehen. Beim Sturz über den Rand des Schiweges sei für die Klägerin der Absturz nicht vermeidbar gewesen. Bei dieser Sachlage sei die beklagte Partei zur Sicherung des Pistenrandes durch geeignete Maßnahmen verpflichtet gewesen; diese Pistensicherungspflicht habe sie im vorliegenden Fall verletzt. Daß die beklagte Partei auf Grund des Beförderungsvertrages mit der Klägerin für jeden Grad der Fahrlässigkeit zu haften habe, werde selbst in der Berufung nicht bezweifelt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der beklagten Partei ist nicht berechtigt. Sie wendet sich nur mehr gegen die Beurteilung der Verschuldensfrage durch das Berufungsgericht und strebt die Annahme des Alleinverschuldens der Klägerin oder doch wenigstens deren gleichteiligen Mitverschuldens an. Die Klägerin hat am Unfallstag mit der beklagten Partei einen Beförderungsvertrag abgeschlossen. Auf Grund eines solchen Vertrages trifft den Seilbahn- bzw. Liftunternehmer die Pflicht zur Pistensicherung jedenfalls dann, wenn er die Piste (Schiweg) - wie im vorliegenden Fall - präpariert (ZVR 1986/7 uva.). Diese Verpflichtung darf zwar nicht überspannt werden, weil abfahrende Schifahrer Hindernisse und Gefahren, die sich aus dem Wesen der Schiabfahrt ergeben, auf sich nehmen und bewältigen müssen; sie dürfen jedoch auf eine sorgfältige Anlage der Piste, die unvorhergesehene Gefahren ausschließt, vertrauen. Wie der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach (vgl. die Nachweise in ZVR 1988/158) ausgesprochen hat, erstreckt sich diese Sicherungspflicht nicht bloß auf den Bereich der gewidmeten bzw. durch Präparierung bestimmter Geländeteile schlüssig verbreiterten Piste, sondern reicht insofern darüber hinaus, als unmittelbar neben dem Pistenrand befindliche Gefahrenstellen auf geeignete Weise abgesichert werden müssen, weil mit dem Sturz von Schifahrern über den Pistenrand hinaus stets - also auch bei mäßiger Geschwindigkeit - gerechnet werden muß. Aus dieser Erfahrungstatsache folgt zwangsläufig, daß Gefahrenquellen zumindest im Bereich des Pistenrandes entsprechend abzusichern sind (vgl. ZVR 1988/72 und 158; Pichler-Holzer, Schirecht (1987), 31 f; Pichler in ZVR 1988, 315).

Nach den erstinstanzlichen Feststellungen war die Piste (Schiweg) im Unfallszeitpunkt im Bereich der Unfallstelle etwa 3,5 bis 4 m breit und, wie vor allem aus den instruktiven Lichtbildern im angeschlossenen Akt U 283/84 des Bezirksgerichtes Schwaz ersichtlich ist, sowohl berg- als auch talseitig von Steilböschungen eingegrenzt; die talseitig abfallende, mit Nadelbäumen bestandene Böschung schloß unmittelbar an den - in Fahrtrichtung der Klägerin - linken Rand der von der beklagten Partei präparierten Piste an, so daß Schifahrer, die - wie die Klägerin infolge Verkantens - über den linken Pistenrand hinausstürzten, unweigerlich über die Steilböschung hinab gegen einen der auf der Böschung stehenden Bäume prallen mußten.

Wie das Erstgericht festgestellt hat, wäre der Absturz vermieden worden, wäre die Engstelle der Piste, in deren Bereich die Klägerin stürzte, von der beklagten Partei im Unfallszeitpunkt talseitig ebenso wie derzeit durch ein Fangnetz gesichert gewesen; wohl könne nicht ausgeschlossen werden, daß die Klägerin auch dann Verletzungen erlitten hätte, wenn sie mit ihren Schiern im Netz hängengeblieben wäre, diese Verletzungen wären aber jedenfalls ungleich weniger folgenschwer gewesen (ON 27, S. 17). Die Absicherung der talseitig gelegenen Steilböschung durch (Verbreiterung des Schiweges und) durch Anbringung eines Fangnetzes wäre somit eine geeignete Sicherungsmaßnahme gewesen; die beklagte Partei hat diese Vorkehrung - gerade auch zur Entschärfung dieser Gefahrenstelle - nach dem Unfall der Klägerin auch auf sich genommen. Die Vorinstanzen haben der beklagten Partei damit zu Recht eine schuldhafte Vernachlässigung der Pistensicherungspflicht infolge Unterlassung notwendiger und zumutbarer Sicherungsvorkehrungen zur Last gelegt.

Dagegen hat das Gericht zweiter Instanz das vom Erstgericht angenommene Mitverschulden der Klägerin zu Unrecht verneint. Mitverschulden im Sinne des § 1304 ABGB setzt kein Verschulden im technischen Sinn voraus; schon Sorglosigkeit gegenüber den eigenen Gütern führt dazu, daß der Geschädigte weniger schutzwürdig erscheint, weshalb dem Schädiger nicht mehr der Ersatz des gesamten Schadens aufzuerlegen ist (ZVR 1984/122; ZVR 1982/317; SZ 54/85 uva.; Koziol, Haftpflichtrecht2 I 236 f.). Das Erstgericht hat festgestellt, daß die Klägerin infolge Unachtsamkeit verkantete, deshalb zum Sturz kam und über den Pistenrand hinaus die Steilböschung hinabstürzte. Das Verkanten ist ein fahrtechnischer Fehler (Kanten- und Belastungsfehler), der bei fortgeschrittenen Schiläufern - wie dies die Klägerin auch schon im Unfallszeitpunkt war - zumeist auf ein vorausgehendes vermeidbares Fehlverhalten (etwa relativ überhöhte Geschwindigkeit = unkontrolliertes Fahren) zurückzuführen ist (vgl. Pichler in ZVR 1985, 258 mwN). Das Verkanten ist demnach ein Fahrverhalten, das typischerweise das Verschulden des Schiläufers indiziert.

Das Erstgericht hat als Ursache des sturzauslösenden Verkantens der Klägerin prima facie deren Unachtsamkeit angenommen. Den Zwischenfall, der zu seinem Sturz geführt hat und der ihn möglicherweise entlasten könnte, kennt im Regelfall auch nur der Schiläufer selbst, nicht aber auch der Pistenhalter, der deshalb zu dessen Aufklärung im allgemeinen nichts beitragen kann (vgl. Pichler aaO). Es wäre daher an der Klägerin gelegen gewesen, Umstände darzutun, die trotz der festgestellten Unachtsamkeit keinen Schluß auf ein Mitverschulden rechtfertigen. Die Klägerin konnte sich aber ihrer Aussage zufolge den Sturz selbst nicht erklären. Ist aber eine Sorglosigkeit der Klägerin anzunehmen und vermochte die Klägerin diesen Anscheinsbeweis nicht zu erschüttern, so erweist sich die vom Erstgericht vorgenommene Verschuldensteilung im Verhältnis 1 : 1, wenn auch noch darauf Bedacht genommen wird, daß die Klägerin eine erfahrene und ortskundige Schiläuferin war, als angemessen.

Der Revision ist im Sinne der Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteiles Folge zu geben. Der Ausspruch über das Feststellungsbegehren ist jedoch durch die Einschränkung der Haftung auf alle künftigen Nachteile zu berichtigen, weil erkennbar ist, daß das Erstgericht ohnehin nur über die in der Zukunft liegenden Schäden absprechen wollte.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 43 Abs 1 und 50 ZPO. Im Berufungsverfahren hatten beide Rechtsmittel nach dem Streitausgang keinen Erfolg; auch im Revisionsverfahren ist die beklagte Partei nur mit ihrem hilfsweisen Rechtsmittelantrag durchgedrungen, so daß auch in diesem Umfang die Kosten gegeneinander aufzuheben sind. Allerdings hat die Klägerin der beklagten Partei die halbe Pauschalgebühr für die Revision gemäß § 43 Abs 1 letzter Satz ZPO zu ersetzen.

Anmerkung

E17657

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0010OB00583.89.0524.000

Dokumentnummer

JJT_19890524_OGH0002_0010OB00583_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten