TE Vwgh Erkenntnis 2005/10/20 2004/11/0223

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.10.2005
beobachten
merken

Index

E000 EU- Recht allgemein;
E3L E13301500;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
10/13 Amtshaftung Organhaftpflicht Polizeibefugnis-Entschädigung;
40/01 Verwaltungsverfahren;
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;
82/04 Apotheken Arzneimittel;
86/01 Veterinärrecht allgemein;

Norm

31990L0676 Nov-31981L0851 Art4 Abs4;
AHG 1949 §11 Abs1;
AHG 1949 §11;
AMG 1983 §11 Abs1;
AVG §52;
BDG 1979 §112 Abs1;
BienenSG 1988 §1 Z1;
BienenSG 1988 §7 Abs1;
BienenSG 1988 §7;
B-VG Art131 Abs2;
EURallg;
VwGG §28 Abs1 Z4;
VwGG §28 Abs2;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §38 Abs2;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z2;
VwGG §42 Abs2 Z3;
VwGG §64;
VwGG §65;
VwGG §67;
VwGG §70;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über den auf § 11 Abs. 1 des Amtshaftungsgesetzes gestützten Antrag des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 10. November 2004, Zl. 18 Cg 146/02v, auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz vom 8. August 1997, Zl. 18.2 B 72/1997, betreffend behördliche Anordnung einer Maßnahme nach § 7 des Bienenseuchengesetzes (weitere Parteien:

1. W, vertreten durch Friedl & Holler Rechtsanwalt-Partnerschaft, 8462 Gamlitz, Marktplatz 6, und 2. Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1010 Wien, Singerstraße 17-19), zu Recht erkannt:

Spruch

Gemäß § 67 VwGG wird festgestellt, dass der "Spruch 3" des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz vom 8. August 1997, Zl. 18.2. B 72/1997, rechtswidrig ist.

Begründung

Die Bezirkshauptmannschaft Leibnitz erließ gegenüber dem Imker A.R. folgenden nach der Aktenlage rechtskräftigen Bescheid vom 8. August 1997:

"I. Spruch 1:

Gemäß § 6 (1) des Bienenseuchengesetzes, BGBl. Nr. 290/1988, wird Ihr Bienenstand in G. gesperrt. Aus dem gesperrten Standort dürfen Bienenvölker, Schwärme und Königinnen nicht weggebracht werden.

Spruch 2:

Gemäß § 7 (2) des Bienenseuchengesetzes, BGBl. Nr. 290/1988, wird die Tötung und schadlose Beseitigung der als unheilbar beurteilten Völker Ihres Bienenstandes in G. angeordnet.

Spruch 3:

Gemäß § 7 (1) des Bienenseuchengesetzes, BGBl. Nr. 290/1988, wird für Ihren Bienenstand in G. die Behandlung aller Bienenvölker dieses Bestandes angeordnet. Die Behandlung ist durch Anwendung des Mittels Sulfadimidin-Natrium entsprechend der Gebrauchsinformation durchzuführen. Kommen Sie dieser Anordnung nicht nach, so wird die Behörde die Behandlung auf Ihre Kosten vornehmen lassen.

II. Gemäß § 64 (2) AVG 1950 wird die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Berufung gegen diesen Bescheid ausgeschlossen."

Begründend führte die Behörde zum ersten Spruchpunkt aus, dass im Bienenstand des Imkers A.R. eine unter § 1 Bienenseuchengesetz fallende Krankheit, nämlich die "bösartige Faulbrut", seuchenartig aufgetreten sei. Die Behörde habe daher den betroffenen Bienenstand sperren müssen. Ihren dritten Spruch begründete die Bezirkshauptmannschaft Leibnitz unter Bezugnahme auf diese Sperre wie folgt:

"Gemäß § 7 (1) des Bienenseuchengesetzes war daher das im Spruch 3 angeführte Heilverfahren, welches nach den Erkenntnissen der veterinärmedizinischen Wissenschaft zur Bekämpfung der bösartigen Faulbrut nach den gegebenen Verhältnissen am geeignetsten erscheint, anzuordnen."

Beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz ist unter der Geschäftszahl 18 Cg 146/02v ein Amtshaftungsverfahren des Imkers W.Z. gegen die Republik Österreich anhängig. Der Kläger begehrt in diesem Verfahren den Ersatz jenes Schadens, der ihm durch die Kontaminierung mehrerer Tonnen Honigs mit Sulfathiazol entstanden sei. Mit Beschluss vom 10. September 2004 hat das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz diesen Amtshaftungsprozess gemäß § 11 des Amtshaftungsgesetzes (AHG) unterbrochen.

Mit Schriftsatz vom 10. November 2004 beantragte das genannte Gericht beim Verwaltungsgerichtshof gemäß § 11 Abs. 1 AHG und § 65 VwGG die Feststellung der Rechtswidrigkeit des genannten Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz vom 8. August 1997. Zur Begründung des Antrages wurde ausgeführt, dass die Entscheidung im Amtshaftungsverfahren von der Frage der Rechtswidrigkeit der mit dem angefochtenen Bescheid angeordneten Behandlung der Bienenvölker des A.R. mit Sulfadimidin-Natrium abhänge, weil dieses Mittel nach den Angaben des Klägers durch Bienen auch in seine Bienenstöcke übertragen worden sei und zur Kontamination seines Honigs geführt habe. Zur Rechtswidrigkeit der bescheidmäßigen Anordnung, das Mittel Sulfadimidin-Natrium anzuwenden, verwies das antragstellende Gericht darauf, dass "jede chemotherapeutische Intervention bei Honigbienen gemäß RL 90/676/EWG verboten und die so genannte 'Kaskadenregelung' nicht anzuwenden sei (Schreiben des Bundeskanzleramtes vom 21.12.1999, GZ. 39.660/39-VI/A/4b/99)".

Das zuletzt genannte (nach Erlassung des angefochtenen Bescheides ergangene) Schreiben des Bundeskanzleramtes vom 21. Dezember 1999 lautet wie folgt:

"REPUBLIK ÖSTERREICH

BUNDESKANZLERAMT

GZ. 39.660/39-VI/A/4b/99

An alle

Landeshauptmänner

Betrifft: Bösartige Faulbrut der Honigbiene;

Unzulässigkeit des Einsatzes von Sulfonamiden

als Bekämpfungsmaßnahme

Die Veterinärverwaltung im Bundeskanzleramt weist aus gegebenem Anlass darauf hin, dass der Einsatz von Sulfonamiden zur Bekämpfung der Bösartigen Faulbrut der Honigbiene nicht zulässig ist.

Dieser Wirkstoff sowie auch andere antimikrobiell wirksame Substanzen sind in Österreich für die Honigbiene nicht zugelassen, eine Umwidmung durch den Tierarzt ist nicht statthaft, da die so genannte 'Kaskadenregelung' gemäß der RL 90/676/EWG nicht für die Behandlung von Bienen gilt.

Herr Landeshauptmann werden daher dringend ersucht, die Damen und Herren Amtstierärzte dahingehend zu informieren, dass eine Sulfonamid-Behandlung von Bienen verboten ist und daher auch nicht Gegenstand eines veterinärbehördlichen Sperrbescheides sein kann."

Mit Verfügung vom 17. Jänner 2005 leitete der Verwaltungsgerichtshof das Verfahren gemäß § 65 Abs. 3 VwGG ein. Mit Schreiben vom 31. Jänner 2005 teilte die Bezirkshauptmannschaft Leibnitz mit, in ihrem Veterinärreferat seien bis zum wiedergegebenen Erlass vom 21. Dezember 1999 keine schriftlichen Unterlagen vorhanden gewesen, aus denen sich ergeben hätte, dass der Einsatz von Sulfonamiden zur Bekämpfung der bösartigen Faulbrut der Honigbiene nicht zulässig sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zwei schriftliche Stellungnahmen der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen vom 16. März 2005 und vom 24. Mai 2005 eingeholt, zu denen sich die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens im Rahmen des Parteiengehörs nicht geäußert haben.

Über den vorliegenden Antrag des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz wurde erwogen:

In seinem Erkenntnis vom 23. November 2001, Zl. 99/19/0140, hat der Verwaltungsgerichtshof folgende - auch für den gegenständlichen Fall maßgebende - Aussagen getroffen:

"Ist die Entscheidung des Rechtsstreites von der Frage der Rechtswidrigkeit des Bescheides einer Verwaltungsbehörde abhängig, über die noch kein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes oder des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt und hält das Gericht den Bescheid für rechtswidrig, so hat es gemäß § 11 Abs. 1 AHG, sofern die Klage nicht gemäß § 2 Abs. 2 leg. cit. abzuweisen ist, das Verfahren zu unterbrechen und beim Verwaltungsgerichtshof mit Beschwerde (Antrag) nach Art. 131 Abs. 2 B-VG die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides zu begehren. Nach Einlangen des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes hat das Gericht das Verfahren fortzusetzen und den Rechtsstreit unter Bindung an die Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes zu entscheiden.

Das antragstellende Gericht hat dargelegt, dass die Entscheidung eines vor ihm anhängigen Rechtsstreites von der Frage der Rechtswidrigkeit des im Antrag bezeichneten Bescheides abhängt.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes brauchen die Voraussetzungen, die für Bescheidbeschwerden gegeben sein müssen, nämlich insbesondere, dass es sich um letztinstanzliche, noch dem Rechtsbestand angehörige Bescheide handeln muss, bei Beschwerden nach dem zweiten Unterabschnitt des VwGG "Besondere Bestimmungen über Beschwerden in Amts- und Organhaftungssachen" nicht vorliegen.

Nach § 65 Abs. 2 VwGG hat der Antrag (Abs. 1) den Bescheid und allenfalls die Punkte zu bezeichnen, deren Überprüfung das Gericht verlangt. Dem Antrag sind die Akten des Rechtsstreites anzuschließen.

Nach § 67 VwGG hat das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes über die Rechtswidrigkeit eines Bescheides lediglich feststellende Bedeutung. Die in diesem Verfahren erwachsenden Kosten sind nach § 68 VwGG Kosten des Rechtsstreites vor dem antragstellenden Gericht.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Antrag des Zivilgerichtes gemäß § 11 AHG als Beschwerde im Sinne des Art. 131 Abs. 2 B-VG aufzufassen. Im Falle der Stattgebung des Antrages hat der Verwaltungsgerichtshof die Rechtswidrigkeit des Bescheides festzustellen, andernfalls ist der Antrag abzuweisen. Bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit eines Bescheides hat der Verwaltungsgerichtshof die Sachlage und Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides zu Grunde zu legen (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 2000, Zl. 2000/07/0237).

Soweit sich aus den §§ 64 bis 69 VwGG nicht anderes ergibt, gelten nach § 70 leg. cit. die §§ 22 bis 25, 29, 31 bis 34, 36 Abs. 8, 40, 41 Abs. 1, 43 Abs. 1, 2, 3, 4, 5, 7 und 8, §§ 45, 46 und 62 sinngemäß.

Nach der auf Grund des § 70 VwGG im Verfahren über Amtshaftungssachen anzuwendenden Bestimmung des § 41 Abs. 1 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof, soweit er nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde oder wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften gegeben findet (§ 42 Abs. 2 Z. 2 und 3) und nicht § 38 Abs. 2 anwendbar ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhaltes im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte (§ 28 Abs. 1 Z. 4) oder im Rahmen der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 28 Abs. 2) zu überprüfen."

Aus dem Beschwerdevorbringen des antragstellenden Gerichts ist unzweifelhaft abzuleiten, dass sich das Feststellungsbegehren ausschließlich auf den dritten Spruch des angefochtenen Bescheides vom 8. August 1997 bezieht, weil nur dort die nach dem Beschwerdevorbringen entscheidungswesentliche Anordnung, die Bienenvölker mit Sulfadimidin-Natrium zu behandeln, vorgeschrieben wurde. Nach dem Gesagten bestimmt sich die für die Beurteilung durch den Verwaltungsgerichtshof maßgebliche Rechtslage nach dem Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides; das war nach dem Verwaltungsakt der 14. August 1997.

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Bienenseuchengesetzes, BGBl. Nr. 290/1988, lauten:

"§ 1. Dieses Bundesgesetz gilt für folgende ansteckende Krankheiten der Bienen:

1. die ansteckenden Brutkrankheiten;

2.

die Acariose;

3.

die Nosematose bei seuchenhaftem Auftreten;

4.

die Varroatose bei seuchenhaftem Auftreten.

§ 7. (1) Nach Feststellung einer der im § 1 genannten Krankheiten hat die Behörde nach den Erkenntnissen der veterinärmedizinischen Wissenschaft geeignete Heil- und Desinfektionsmaßnahmen durch Bescheid anzuordnen, wobei unter besonderer Bedachtnahme auf die Biologie der Honigbiene, je nach Seuchenlage und der Gefahr der Weiterverbreitung der Seuche, biologische Bekämpfungsmethoden zu berücksichtigen sind.

(2) Erweist sich nach Feststellung der Behörde die Krankheit als unheilbar, so hat die Behörde die Tötung und schadlose Beseitigung der als unheilbar beurteilten Völker mit Bescheid anzuordnen. Bei den Brutkrankheiten und der Nosematose ist überdies die schadlose Beseitigung der Waben anzuordnen."

Das Arzneimittelgesetz, BGBl. Nr. 185/1983 in der hier maßgeblichen Fassung des BGBl. Nr. 657/1996, lautet auszugsweise:

"Begriffsbestimmungen

§ 1. (1) 'Arzneimittel' sind Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die nach der allgemeinen Verkehrsauffassung dazu dienen oder nach Art und Form des Inverkehrbringens dazu bestimmt sind, bei Anwendung am oder im menschlichen oder tierischen Körper

1. Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu helfen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen,

2. die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktionen des Körpers oder seelische Zustände erkennen zu lassen,

3. vom menschlichen oder tierischen Körper erzeugte Wirkstoffe oder Körperflüssigkeiten zu ersetzen,

4. Krankheitserreger, Parasiten oder körperfremde Stoffe abzuwehren, zu beseitigen oder unschädlich zu machen oder

5. die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktionen des Körpers oder seelische Zustände zu beeinflussen.

...

(5) 'Arzneispezialitäten' sind Arzneimittel, die im Voraus stets in gleicher Zusammensetzung hergestellt und unter der gleichen Bezeichnung in einer zur Abgabe an den Verbraucher oder Anwender bestimmten Form in Verkehr gebracht werden.

...

Zulassung von Arzneispezialitäten

§ 11. (1) Arzneispezialitäten dürfen im Inland erst abgegeben oder für die Abgabe im Inland bereitgehalten werden, wenn sie vom Bundesminister für Gesundheit und Konsumentenschutz zugelassen sind, es sei denn, es handelt sich um

1. gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 2309/93 zugelassene Arzneispezialitäten,

2. Arzneispezialitäten, für die eine Bewilligung nach dem Arzneiwareneinfuhrgesetz, BGBl. Nr. 179/1970, erteilt worden ist oder deren Einfuhr nach § 5 Arzneiwareneinfuhrgesetz nicht bewilligungspflichtig ist, oder

3. Arzneispezialitäten im Sinne des § 12 Tierseuchengesetz, RGBl. Nr. 177/1909.

(2) Arzneispezialitäten, die einer Monographie des Arzneibuches im Sinne des § 1 des Arzneibuchgesetzes entsprechen, in einer Apotheke hergestellt werden und dazu bestimmt sind, in der Apotheke, in der sie hergestellt worden sind, unmittelbar an den Verbraucher abgegeben zu werden, unterliegen nicht der Zulassung. Diese Arzneispezialitäten sind gemäß § 7 zu kennzeichnen und mit einer Gebrauchsinformation gemäß § 8 zu versehen.

(2a) ..."

Die Richtlinie 90/676/EWG des Rates vom 13. Dezember 1990 zur Änderung der Richtlinie 81/851/EWG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Tierarzneimittel lautet (auszugsweise):

"Artikel 4

(1) Ein Tierarzneimittel darf in einem Mitgliedstaat erst dann in Verkehr gebracht werden, wenn die zuständige Behörde dieses Mitgliedstaates die Genehmigung dafür erteilt hat.

...

(3) Ein Tierarzneimittel darf Tieren erst verabreicht werden, wenn die Genehmigung nach Absatz 1 erteilt ist; ausgenommen sind Tierarzneimittelversuche gemäß Artikel 5 Absatz 2 Nummer 10, die von den zuständigen innerstaatlichen Behörden gebilligt werden, nachdem sie gemäß den geltenden einzelstaatlichen Rechtsvorschriften mitgeteilt oder zugelassen wurden. ...

(4) Für den Fall, dass es kein zugelassenes Arzneimittel für die Behandlung einer Erkrankung gibt, können die Mitgliedstaaten, insbesondere um den betreffenden Tieren unzumutbare Leiden zu ersparen, ausnahmsweise zulassen, dass folgende Tierarzneimittel einem Tier oder einer kleinen Gruppe von Tieren eines bestimmten Betriebs von einem Tierarzt oder unter seiner direkten persönlichen Verantwortung verabreicht werden;

a) ein Tierarzneimittel, das in dem betreffenden Mitgliedstaat für eine andere Tierart oder für dieselbe Tierart, aber für eine andere Krankheit zugelassen ist; oder,

b) wenn es ein Arzneimittel nach Buchstabe a) nicht gibt, ein Arzneimittel, das in dem betreffenden Mitgliedstaat in Übereinstimmung mit der Richtlinie 65/65/EWG beim Menschen verwendet werden darf; oder,

c) wenn es ein Arzneimittel nach Buchstabe b) nicht gibt, im Rahmen der Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaates ein Tierarzneimittel, das von einer nach einzelstaatlichem Recht hierzu befugten Person fallweise nach tierärztlichem Rezept zubereitet wird.

Wird das Arzneimittel Tieren verabreicht, deren Fleisch oder Erzeugnisse zum menschlichen Verzehr bestimmt sind, so darf es nur Stoffe enthalten, die in einem Tierarzneimittel enthalten sind, das in dem betreffenden Mitgliedstaat für solche Tiere zugelassen ist, und der verantwortliche Tierarzt muss eine angemessene Wartezeit für Nutztiere festlegen, um sicherzustellen, dass die von den behandelten Tieren gewonnenen Nahrungsmittel keine für die Verbraucher gefährlichen Rückstände enthalten.

..."

Aus dem Verwaltungsakt geht hervor, dass die Bundesanstalt für veterinärmedizinische Untersuchungen in Graz mit Schreiben vom 6. August 1997 der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz mitgeteilt hat, dass bei der Untersuchung einer Wabenprobe des Imkers A.R. "Bacillus larvae (bösartige Faulbrut) nachweisbar" gewesen sei. Dabei handelt es sich - gegen die Begründung zum ersten Spruch des Bescheides vom 8. August 1997 wurde im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nichts vorgebracht - um eine Krankheit im Sinn des § 1 (Z 1) des Bienenseuchengesetzes. Die Behörde hatte daher gemäß § 7 Abs. 1 leg. cit. nach den Erkenntnissen der veterinärmedizinischen Wissenschaft "geeignete" Heil- und Desinfektionsmaßnahmen durch Bescheid anzuordnen.

Nach den Gesetzesmaterialien zur letztgenannten Bestimmung (RV 490.BlgNR. XVII. GP, 5) hat die Behörde auf Grund des Urteils des Amtstierarztes und des zugezogenen Sachverständigen festzustellen, was geeignete Heil- und Desinfektionsmaßnahmen sind. Ein diesbezügliches amtstierärztliches Gutachten findet sich im Verwaltungsakt der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz nicht. Aus dem Verwaltungsakt ist auch nicht erkennbar, ob der angefochtene Bescheid von einem Amtstierarzt unterfertigt wurde (wogegen die auf Seite 46 des Zivilgerichtsaktes genannten Namen der zuständigen Amtstierärzte sprechen). Es kann aber im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob der angefochtene Bescheid mangels Zugrundeliegens eines amtstierärztlichen Gutachtens oder deshalb, weil sich der angefochtene Bescheid in der Begründung nicht mit der Frage biologischer Bekämpfungsmethoden im Sinn des § 7 Abs. 1 Bienenseuchengesetz auseinander setzt, wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften rechtswidrig ist.

Vorrangig von Bedeutung ist im vorliegenden Fall nämlich, dass Heil- und Desinfektionsmaßnahmen im Sinn der letztgenannten Bestimmung jedenfalls dann nicht als "geeignet" angesehen werden können, wenn sie gegen bestehende Rechtsvorschriften verstoßen. Nach der Stellungnahme der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen vom 24. Mai 2005 ist Sulfadimidin-Natrium ein Arzneimittel (pharmakologisch aktiver Stoff), das (der) als wirksamer Bestandteil in - nach § 11 Abs. 1 Arzneimittelgesetz grundsätzlich zulassungspflichtigen - Arzneispezialitäten enthalten ist. Daher durfte Sulfadimidin-Natrium nach der letztgenannten Bestimmung (die Ausnahmen von der Zulassungspflicht nach § 11 Arzneimittelgesetz kommen gegenständlich nicht zum Tragen) nur dann im Inland abgegeben oder zur Abgabe bereit gehalten werden, wenn eine Zulassung durch den zuständigen Bundesminister vorlag, was, wie sich aus der von den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens unwidersprochen gebliebenen Stellungnahme der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen vom 16. März 2005 ergibt, bei Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht der Fall war. Die im angefochtenen Bescheid enthaltene Anordnung der Behandlung von Bienenvölkern mit dem nach dem Arzneimittelgesetz nicht zugelassenen Sulfadimidin-Natrium war somit keine geeignete Heil- und Desinfektionsmaßnahme im Sinn des § 7 Bienenseuchengesetz und damit inhaltlich rechtswidrig.

Zu keinem anderen Ergebnis gelangte man, wenn bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der mit dem angefochtenen Bescheid angeordneten Anwendung von Sulfadimidin-Natrium die vom antragstellenden Gericht genannte Richtlinie 90/676/EWG - dieser Richtlinie käme freilich nur dann Bedeutung zu, wenn sie von der belangten Behörde unmittelbar anzuwenden gewesen wäre - einzubeziehen wäre (die Änderung einzelner Bestimmungen dieser Richtlinie durch die Richtlinie 93/40/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 spielt im vorliegenden Zusammenhang keine Rolle). Zwar sieht Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 90/676/EWG vor, dass die Mitgliedstaaten trotz des Fehlens eines zugelassenen Arzneimittels ausnahmsweise zulassen können, dass näher genannte Tierarzneimittel von einem Tierarzt verabreicht werden. Es bedarf hier aber keiner weiteren Klärung, ob gegenständlich die in der Richtlinie dafür vorgesehenen Voraussetzungen (siehe lit. a. bis c. dieser Bestimmung) vorlagen, weil diese Ausnahme in der selben Bestimmung der Richtlinie eingeschränkt wird (darauf scheint sich auch der eingangs zitierte Erlass des Bundeskanzleramts vom 21. Dezember 1999 zu beziehen). Wird nämlich das Arzneimittel Tieren verabreicht, deren Erzeugnisse - wie die der Biene - zum menschlichen Verzehr bestimmt sind, so darf dieses Arzneimittel nur Stoffe enthalten, die in einem für solche Tiere zugelassenen Arzneimittel enthalten sind. Zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides fehlte aber, wie bereits gesagt, eine solche Zulassung.

Der Verwaltungsgerichtshof hatte daher gemäß § 67 VwGG festzustellen, dass die Anordnung unter "Spruch 3" des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz vom 8. August 1997 rechtswidrig ist.

Wien, am 20. Oktober 2005

Schlagworte

Allgemein Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Entscheidungsrahmen und Überprüfungsrahmen des VwGH Allgemein Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Erklärung und Umfang der Anfechtung Anfechtungserklärung Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Rechtslage Rechtsgrundlage Rechtsquellen Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4 Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Diverses Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung Arzt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2004110223.X00

Im RIS seit

25.11.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten