Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josefine S***, Krankenschwester, geboren am 18.September 1934 in Pernersdorf, Wien 16., Herbststraße 1/32, vertreten durch Dr. Markus Schuster, Dr. Josef Unterweger, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Leopold S***, Gemeindebediensteter, geboren am 23.Mai 1937 in Pernersdorf, Wien 21., Anton Bosch-Gasse 24/3/7, vertreten durch Dr. Karl Leitner, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ehescheidung infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 29.November 1988, GZ 47 R 3033/88-14, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Hernals vom 29.Juli 1988, GZ 3 C 144/87-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 3.706,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 617,70 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Streitteile sind österreichische Staatsbürger; sie schlossen am 11.2.1961 die Ehe. Aus der Ehe entstammen drei Kinder. Die Klägerin begehrt die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden des Beklagten. Der Beklagte habe seit einigen Jahren zur Klägerin und den Kindern jeden Kontakt abgebrochen. Wochenlang habe er kein Wort gesprochen; seine Freizeit und den Urlaub habe er allein verbracht. Zur Haushaltsführung habe er weder finanziell noch materiell ausreichende Beiträge geleistet. Im Jänner 1987 habe der Beklagte ohne Angabe von Gründen die Ehewohnung verlassen. Seither lebe er bei Isabella G***, mit der er ehewidrige Beziehungen unterhalte.
Der Beklagte wendete ein, die Zerrüttung der Ehe beruhe auf dem Verhalten der Klägerin. Die Klägerin habe ihn am 24.12.1986 aus der Wohnung gewiesen. Für den Fall der Stattgebung stellte er einen Mitschuldantrag. Die Klägerin treffe ein zumindest gleichteiliges Verschulden.
Das Erstgericht schied die Ehe aus dem überwiegenden Verschulden des Beklagten. Es stellte fest: Die Ehe sei in den ersten zehn Jahren gut verlaufen. Dann habe sich das Verhältnis zwischen den Ehepartnern allmählich verschlechtert. Die Gründe seien darin gelegen, daß der Beklagte seine Freizeit und den Urlaub nur selten mit der Familie, sondern meistens allein verbracht habe. Er habe mehr Zeit und Interesse für sein Hobby Musik aufgewendet als für seine Familie. Im Haushalt habe er, obwohl die Klägerin berufstätig gewesen sei, nicht wesentlich mitgewirkt. Er habe zwar ein höheres Einkommen als die Klägerin erzielt, zum Familienunterhalt aber weniger beigesteuert. Der Kontakt zwischen den Ehegatten habe sich weiter verschlechtert, als die Klägerin eine Stellung als Krankenschwester angenommen habe, so daß nun beide Wechseldienst hatten. Die Ehegatten hätten immer weniger miteinander gesprochen. Am 14.1.1984 sei es zu einem größeren Streit gekommen, als der Beklagte gegen 22 Uhr nach Hause gekommen sei und ihm von der Klägerin Vorhaltungen gemacht worden seien. Die Klägerin habe ihm gesagt, er habe bei ihr nichts mehr zu suchen. Im Verlaufe dieser Auseinandersetzung habe die Klägerin dem Beklagten ein Handtuch ins Gesicht geworfen. Der Beklagte sei auf die ihm gemachten Vorwürfe nicht näher eingegangen und habe schließlich erwidert: "Wenn du mich hinausschmeißt, dann gehe ich eben." Er habe für fünf Wochen die gemeinsame Wohnung verlassen. In der Folge sei das eheliche Verhältnis wieder etwas besser gewesen. Es habe sich jedoch im September 1985 erneut verschlechtert, als die Klägerin eine fünftägige Dienstreise unternommen habe. Der Beklagte sei über diese Reise informiert gewesen. Er habe die Klägerin selbst zur Abreise gebracht, sei jedoch verärgert darüber gewesen, daß ihm die Klägerin, die selbst noch nicht gewußt habe, ob die Reise in die Schweiz oder nach Frankreich ginge, nicht mitgeteilt habe, wohin sie fahre. Der Beklagte sei tagelang, darunter auch an den Wochenenden, nicht nach Hause gekommen. Seit Dezember 1985 habe er weder mit der Klägerin noch mit den Kindern gesprochen. Da die Ehegatten im Sommer 1986 kaum mehr miteinander gesprochen haben und der Beklagte äußerst selten zu Hause gewesen sei, habe ihn die Klägerin von einer Spanienreise, die sie mit der Tochter unternommen habe, nur mittels eines Zettels informiert. Die Kommunikation zwischen den Ehepartnern sei in der Folge ganz zusammengebrochen. Anfang 1987 sei der Beklagte endgültig aus der Ehewohnung ausgezogen. Er wohne seither in der Wohnung seiner Bekannten Isabella G***. Eine ehewidrige Beziehung des Beklagten zu Isabella G*** habe nicht nachgewiesen werden können. Der Beklagte sei nicht von der Klägerin aus der Wohnung gewiesen worden; er sei aus eigenem Antrieb ohne Angabe von Gründen ausgezogen. Im gleichen Maße wie zwischen den Streitteilen habe sich auch zwischen dem Beklagten und den ehelichen Kindern eine Entfremdung vollzogen, so daß der Beklagte im Jahr 1983 auch seine Beiträge zu deren Unterhalt eingestellt habe. Auf Betreiben der Klägerin sei der Beklagte zu einer Vergleichsverhandlung geladen worden, in der er einen gerichtlichen Vergleich geschlossen habe, mit dem er sich für die beiden jüngeren Kinder zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von je S 2.000 verpflichtet habe. Dieser Verpflichtung sei er aber nicht regelmäßig machgekommen, so daß die Klägerin am 3.9.1987 die Exekution beantragt habe. Die Ehe der Streitteile sei derart zerrüttet, daß die Wiederherstellung einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Gemeinschaft nicht zu erwarten sei. Diese Zerrüttung zu verhindern hätten allerdings weder der Beklagte noch die Klägerin nachhaltig versucht. Durch das Abbrechen des persönlichen Kontaktes zu seiner Familie, durch das alleinige Verbringen seiner gesamten Freizeit und Urlaubszeit, die Verletzung der Unterhaltspflicht und schließlich durch das Ausziehen aus der Ehewohnung habe der Beklagte mehrere schwere Eheverfehlungen im Sinn des § 49 EheG gesetzt. Auch die Klägerin habe sich nicht nachhaltig um die Erhaltung bzw. die Wiederherstellung des Kontaktes und der Gemeinschaft bemüht. Sie habe daher auch selbst zur Zerrüttung der Ehe beigetragen. Insbesondere sei der Vorfall vom 14.1.1984 auch als Eheverfehlung der Klägerin zu werten. Stelle man die Eheverfehlungen einander gegenüber, so wiegen die Eheverfehlungen des Beklagten erheblich schwerer als die der Klägerin. Es sei auch als gravierend anzusehen, daß die ersten Schritte zu einer Verschlechterung und letztlich zum Abbruch der Beziehungen jeweils vom Beklagten gesetzt worden seien, indem er sich ohne Angabe von Gründen immer mehr von seiner Familie zurückgezogen, immer weniger gesprochen und es vorgezogen habe, seine Freizeit ohne seine Familie zu verbringen. Er sei nach einem Streit bereits einmal für fünf Wochen ausgezogen und habe letztlich durch seinen Auszug zu Beginn des Jahres 1987 den letzten Schritt zu einem völligen Bruch in der Ehe gesetzt. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten, mit der er den Ausspruch des gleichteiligen Verschuldens anstrebte, nicht Folge. Es übernahm die auf Grund eines mängelfreien Verfahrens getroffenen Feststellungen des Erstgerichtes und billigte dessen rechtliche Beurteilung. Der letzte Schritt, der schließlich die unheilbare Zerrüttung der Ehe der Streitteile herbeigeführt habe, sei das endgültige Verlassen der Ehewohnung durch den Beklagten Anfang 1987 und das Beziehen einer anderen Wohnung gewesen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Beklagten, in der er die Berufungsanträge wiederholt, ist nicht berechtigt.
Die geltend gemachten Revisionsgründe nach § 503 Abs 1 Z 2 und 3 ZPO, mit der der Beklagte ausschließlich die irrevisible Beweiswürdigung der Vorinstanzen bekämpft, liegen, wie der Oberste Gerichtshof prüfte (§ 510 Abs 3 ZPO), nicht vor. Ein Vorbringen, daß auf Grund des beiderseitigen Verhaltens die Ehe bereits im Jahre 1985 zerrüttet gewesen sei, wurde vom Beklagten nicht erstattet. Er selbst führt die Zerrüttung der Ehe vielmehr darauf zurück, daß er von der Klägerin am 24.12.1986 aus der Wohnung gewiesen worden sei. Ein solches Verhalten der Klägerin wurde aber von den Vorinstanzen nicht festgestellt.
Auch die Rechtsrüge versagt. Ungeachtet der Abkühlung der beiderseitigen Beziehungen verblieb der Beklagte in der Ehewohnung. Es konnte daher sehr wohl noch mit der Wiederaufnahme einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft gerechnet werden. Erst der nicht auf das Verhalten der Klägerin zurückzuführende Auszug des Beklagten aus der Ehewohnung wurde mit Recht von der Klägerin als endgültiges Scheitern ihrer Ehe gewertet. Der Beklagte hat daher nicht nur während aufrechter Lebensgemeinschaft überwiegende Eheverfehlungen gesetzt, er hat letztlich auch den entscheidenden Schritt dazu getan, daß die Ehe unheilbar zerrüttet wurde. Ohne Rechtsirrtum nahmen die Vorinstanzen daher seine überwiegende Mitschuld an.
Der Revision ist der Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E17208European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1989:0010OB00575.89.0524.000Dokumentnummer
JJT_19890524_OGH0002_0010OB00575_8900000_000