TE Vwgh Erkenntnis 2005/10/20 2002/06/0092

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Veröffentlicht am 20.10.2005
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
27/01 Rechtsanwälte;

Norm

RAO 1868 §50 Abs1 idF 1999/I/071;
RAO 1868 §50 Abs2 Z1 idF 1999/I/071;
RAO 1868 §50 Abs2 Z3 idF 1999/I/071;
Satzung Versorgungseinrichtung RAK Wr 1990 §2;
Satzung Versorgungseinrichtung RAK Wr 1990 §6 Abs1;
Satzung Versorgungseinrichtung RAK Wr 1990 §6;
Satzung Versorgungseinrichtung RAK Wr 1997 TeilA §2;
Satzung Versorgungseinrichtung RAK Wr 1997 TeilA §6 Abs1;
Satzung Versorgungseinrichtung RAK Wr 1997 TeilA §6;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fritz, über die Beschwerde des Dr. WJ in H, vertreten durch Dr. Michaela Iro, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Invalidenstraße 13/15, gegen den Bescheid des Plenums des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien vom 30. April 2002, Zl. 03/01 2001/1252, betreffend Berufsunfähigkeitsrente, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Rechtsanwaltskammer Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der im Jahr 1939 geborene Beschwerdeführer übte vom 13. Mai 1969 bis zu seinem Verzicht auf die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes aus gesundheitlichen Gründen per 25. Jänner 1999 in Wien den Beruf des Rechtsanwaltes aus. Mit dem an die Rechtsanwaltskammer Wien gerichteten Antrag vom 4. November 1999 führte der Beschwerdeführer aus, es sei im gerichtspsychiatrischen Gutachten der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. MR vom 6. April 1999 festgestellt worden, dass bei ihm ein pathologisches Spielverhalten laut den internationalen Klassifikationen für psychische Erkrankungen vorliege. Es träfen alle zehn diagnostischen Kriterien gemäß DSM IV 312.31, dem diagnostischen und statistischen Handbuch psychischer Störungen, zu. Auch der Facharzt für Psychiatrie und Neurologie Dr. PB habe in seiner Stellungnahme zum angeführten Gutachten erläutert, dass es sich bei dieser psychischen Störung um eine Krankheit handle. Weiters beeinflusse dieser irrationale Drang zum Spielen die Beurteilung der eigenen realen Gegebenheiten. Der Beschwerdeführer führte weiter aus, dass es sich bei der Spielsucht um eine Krankheit handle, die auch von der Weltgesundheits-Organisation anerkannt sei. Er stelle den Antrag auf Gewährung der Leistungen auf Grund von Berufsunfähigkeit gemäß der Satzung der Versorgungseinrichtung der Rechtsanwaltskammer Wien.

Der Arzt für Allgemeinmedizin, Obermedizinalrat Dr. HS, kam in einem "Vertrauensärztlichen Gutachten" vom 20. Juli 2001 zu dem Ergebnis, dass es beim Beschwerdeführer "im Verlauf von Jahrzehnten zur Entwicklung einer schwersten pathologischen Spielsucht gekommen" sei. Er habe dadurch sein gesamtes, beträchtliches Vermögen verloren sowie einen Schaden von mehr als 193 Millionen Schilling an fremdem Vermögen verursacht und sei deshalb zu einer Freiheitsstrafe von siebeneinhalb Jahren verurteilt worden. Eine Suchterkrankung sei jedoch unbeschadet der Tatsache, dass sie eine sehr schwere Erkrankung darstelle, nicht immer unheilbar. Im Gutachten der Sachverständigen Dr. R vom April 1999 sei eindeutig attestiert, dass anzunehmen sei, dass sich der Beschwerdeführer einer fachärztlichen Behandlung unterziehen und daher nicht mehr Gefahr laufen werde, neuerlich ähnlich geartete strafbare Handlungen zu setzen. Er sei daher "keineswegs dauernd zur Ausübung des Rechtsanwaltsberufes unfähig gewesen".

Mit Beschluss des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien vom 5. Februar 2002 wurde der Antrag des Beschwerdeführers "auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitsrente ... teilweise zurück-, teilweise abgewiesen".

Diese Entscheidung "zur Zurückweisung" wurde nach kurzer Wiedergabe des Verfahrensganges damit begründet, dass aus der Bestimmung des § 6 der Satzung der Versorgungseinrichtung der Rechtsanwaltskammer Wien (VersSt), Teil A, hervorgehe, dass ein Rechtsanwalt zum Zeitpunkt der Antragstellung in der Rechtsanwaltsliste eingetragen sein müsse, allenfalls könne er auch bedingt verzichten; der Beschwerdeführer habe keinen Grund genannt, warum ihm die rechtzeitige Antragstellung unmöglich gewesen sei. Der Antrag sei daher bereits aus formalen Gründen zurückzuweisen gewesen.

"Zur Abweisung" begründete die Behörde erster Instanz ihren Bescheid damit, dass sie selbst dann, wenn man die fristgerechte Einbringung des Antrages annehme, den Antrag mangels anderer Voraussetzungen ablehnen müsse. Die vom Beschwerdeführer behauptete Krankheit mache ihn zur Ausübung des Rechtsanwaltsberufes nämlich nicht dauernd unfähig. Das vertrauensärztliche Gutachten, das sich im Wesentlichen auf die unstrittigen und schlüssigen Erkenntnisse des Gutachtens des gerichtlich beeideten Sachverständigen stütze, schließe eine dauernde Berufsunfähigkeit aus. Aus den eigenen Angaben des Beschwerdeführers gehe hervor, dass er von seiner (Spiel)Sucht seit Kindheit befallen gewesen sei, diese Sucht habe ihn während seiner gesamten Berufslaufbahn bis hin zum Verzicht begleitet, ihn aber nicht an einer erfolgreichen Anwaltskarriere gehindert. Von einer Verurteilung abgesehen, sei seine anwaltliche Tätigkeit unbeanstandet geblieben, weshalb nicht einsichtig sei, warum die Krankheit, die ihn über Jahrzehnte begleitet habe, ihn gerade zum Verzichtszeitpunkt berufsunfähig gemacht haben solle. Insbesondere die Gerichtssachverständige räume dem Beschwerdeführer im Fall einer Behandlung sogar hohe Heilungschancen ein, was als positive Zukunftsperspektive strafmildernd gewürdigt worden sei. Im Übrigen behaupte der Beschwerdeführer nicht, dass der Grund seines Verzichtes die damals eingetretene Berufsunfähigkeit gewesen wäre. Wohl sei aber der zeitliche Zusammenhang zwischen dem Verzicht und der Selbstanzeige des Beschwerdeführers bei den Strafbehörden aktenkundig.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Vorstellung, die er zusammengefasst damit begründete, weder § 2 Z. 1 noch § 6 VersSt Teil A sehe vor, dass der Rechtsanwalt zum Zeitpunkt der Antragstellung in die Rechtsanwaltsliste eingetragen sein müsse, sondern lediglich, dass die Eintragung des Rechtsanwaltes in die Liste der Rechtsanwaltskammer zum Zeitpunkt des Eintritts des Versorgungsfalls gegeben sein müsse. Dies sei unzweifelhaft der Fall gewesen. Die Stellung des Antrages nur während der Eintragung als Rechtsanwalt zuzulassen, wäre nicht nur satzungswidrig, sondern würde auch zu unbilligen, teilweise auch sitten- bzw. gleichheitswidrigen Ergebnissen führen.

Die Abweisung seines Antrages bekämpft der Beschwerdeführer in seiner Vorstellung zusammengefasst damit, dass die theoretische Chance einer Heilung von seiner Suchterkrankung keinesfalls die Zuerkennung einer Berufsunfähigkeitsrente verhindere, zumal in § 6 Abs. 3 VersSt Teil A von laufenden Kontrolluntersuchungen und in § 3 Abs. 4 leg. cit. von der Wiedereintragung in die Liste der Rechtsanwälte die Rede sei. Die ärztliche Prognose, dass er keine weiteren strafbaren Handlungen begehen werde, bedeute noch keine Fähigkeit zur anwaltlichen Berufsausübung. Bei stationär behandelten Patienten würden einer jüngsten Untersuchung zufolge nach einer Behandlung der Glücksspielsucht nur 41,7 % der Patienten total abstinent. Der Beschwerdeführer sei nicht grundsätzlich berufsunfähig, wohl aber hinsichtlich des Berufs des Rechtsanwalts. Diesen werde er realistisch betrachtet nie mehr ausüben können. Ein Antrag auf neuerliche Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte wäre aussichtslos. § 6 VersSt Teil A inkludiere auch die Möglichkeit, dass die ursprüngliche dauernde Berufsunfähigkeit als Rechtsanwalt enden könne. Wenn dieses Ende aber, wie im Fall des Beschwerdeführers im Jahre 1999, nicht absehbar sei, müsse wohl die Zuerkennung der Berufsunfähigkeitsrente als gegeben erachtet werden. Die Satzung der Versorgungseinrichtung spreche in allen ihren Regelungen immer nur von der Unfähigkeit, den Rechtsanwaltsberuf auszuüben, nicht aber von einer allgemeinen Berufsunfähigkeit.

Mit dem angefochtenen Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien (Plenum) vom 30. April 2002 wurde die Vorstellung des Beschwerdeführers abgewiesen und dies damit begründet, dass sich im Zusammenhang des § 2 Z. 1 mit § 6 VersSt Teil A ergebe, dass ein Rechtsanwalt zum Zeitpunkt der Antragstellung in die Rechtsanwaltsliste eingetragen sein müsse. Dies sei nicht der Fall gewesen, weshalb die Zurückweisung des Antrages des Beschwerdeführers zu Recht erfolgt sei.

Das Gutachten des Dr. S vom 20. Juli 2001 komme zu dem Ergebnis, dass der Beschwerdeführer trotz seiner Spielsucht seine anwaltliche Tätigkeiten in hervorragender Weise ausgeübt habe und im Fall einer fachärztlichen Behandlung keine Gefahr für eine neuerliche einschlägige Straffälligkeit bestünde. Das Gutachten komme zu dem eindeutigen Schluss, dass der Beschwerdeführer keineswegs dauernd zur Ausübung des Rechtsanwaltsberufes unfähig gewesen sei. Demnach sei aus medizinischer Sicht klargestellt, dass der Beschwerdeführer durchaus in der Lage sei, die Tätigkeiten eines Rechtsanwaltes auszuüben. Abgesehen davon wäre es auch sicherlich durch entsprechende organisatorische Maßnahmen möglich, sicherzustellen, dass dem Beschwerdeführer kein Zugriff zu Klientengeldern ermöglicht werde. Der Einwand des Beschwerdeführers, dass seine Wiedereintragung in die Rechtsanwaltsliste wegen mangelnder Vertrauenswürdigkeit nicht zu erwarten sei, sei rechtlich ohne Relevanz, weil lediglich auf die Frage abzustellen sei, ob die Tätigkeiten eines Rechtsanwaltes grundsätzlich ausgeübt werden könnten. Die dem Beschwerdeführer durch sein Verhalten anzulastende allfällige Verwirkung seiner Vertrauenswürdigkeit könne keine Berufsunfähigkeit im Sinn der Bestimmungen der Versorgungseinrichtung der Rechtsanwaltskammer Wien zur Folge haben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 50 Abs. 1 der Rechtsanwaltsordnung (RAO), RGBl. Nr. 96/1868 in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 71/1999, lautet:

"(1) Jeder Rechtsanwalt und seine Hinterbliebenen haben bei Vorliegen der Voraussetzungen und bei Eintritt des Versorgungsfalles Anspruch auf Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung.

(2) Dieser Anspruch ist in den Satzungen der Versorgungseinrichtungen nach festen Regeln festzusetzen. Hierbei sind folgende Grundsätze zu beachten:

1. Anspruchsberechtigt sind nur Rechtsanwälte, die zur Zeit des Eintrittes des Versorgungsfalles in die Liste einer österreichischen Rechtsanwaltskammer eingetragen gewesen sind, sowie die Witwe bzw. der Witwer (der geschiedene Ehegatte) und die Kinder eines Rechtsanwaltes, der im Zeitpunkt seines Todes in die Liste einer österreichischen Rechtsanwaltskammer eingetragen gewesen ist oder einen Anspruch auf eine Versorgungsleistung gehabt hat.

...

3. Jeder Versorgungsanspruch wird mit Ablauf des Monats wirksam, in dem alle Voraussetzungen des betreffenden Anspruches erfüllt sind.

...

(3) In den Satzungen der Versorgungseinrichtungen können auch über die im Abs. 2 festgelegten Grundsätze hinausgehende, für die Versorgungsberechtigten günstigere Regelungen festgesetzt werden.

..."

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Vorschriften der Satzung der Versorgungseinrichtungen der Rechtsanwaltskammer Wien (VersSt; kundgemacht im AnwBl. 1990, 248 ff) lauten:

"§ 2

Allgemeine Voraussetzungen für die Gewährung einer Versorgungsleistung

Die allgemeinen Voraussetzungen sind - bezogen auf den Eintritt des Versorgungsfalles -:

1. die Eintragung des Rechtsanwaltes in die Liste der Rechtsanwaltskammer oder - für Hinterbliebene nach einem ehemaligen Rechtsanwalt - der Anspruch des Rechtsanwaltes auf Alters- oder Berufsunfähigkeitsrente dieser Kammer;

2. die Erfüllung der Wartezeit gemäß § 3.

...

§ 6

Berufsunfähigkeitsrente

(1) Berufsunfähigkeitsrenten werden bei Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 2 in der Höhe der Altersrente jenen Rechtsanwälten gewährt, die infolge körperlicher oder geistiger Gebrechen dauernd zur Ausübung des Rechtsanwaltsberufes unfähig sind, soferne und solange sie auf die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes verzichtet haben. Die Abgabe der Verzichtserklärung mit Wirksamkeit für den Fall der Feststellung der Berufsunfähigkeit ist möglich.

(2) Die Berufsunfähigkeit ist durch einen von der Rechtsanwaltskammer auf ihre Kosten bestellten Vertrauensarzt festzustellen und zu bescheinigen.

(3) Der Bezieher einer Berufsunfähigkeitsrente ist verpflichtet, sich auf Verlangen und Kosten der Rechtsanwaltskammer einer Kontrolluntersuchung durch den Vertrauensarzt zu unterziehen. Wenn und solange eine solche Untersuchung verweigert wird, ruht der Anspruch auf den Rentenbezug.

(4) Ein gleichzeitiger Bezug einer Altersrente und einer Berufsunfähigkeitsrente ist unzulässig."

Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid zusammengefasst deswegen für rechtswidrig, weil die belangte Behörde zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass eine Berufsunfähigkeitsrente nur dann gebühre, wenn der Antrag während aufrechter Eintragung in die Rechtsanwaltsliste gestellt werde, sowie auch deswegen, weil die belangte Behörde zu Unrecht und ohne Beiziehung eines auf Spielsuchtfragen spezialisierten Spezialisten zu dem Ergebnis gelangt sei, dass der Beschwerdeführer zur Ausübung des Rechtsanwaltsberufs nicht dauernd unfähig geworden sei.

Die ihn behandelnde Psychotherapeutin sei der Auffassung, dass der Beschwerdeführer keinen mit dem ständigen Zugang zu Geld bzw. der Abwicklung solcher Geschäfte verbundenen Beruf ausüben dürfe, weshalb der Beschwerdeführer auch heute noch berufsunfähig als Rechtsanwalt im Sinne des § 6 der Satzung der Versorgungseinrichtung sei.

Mit der Zurückweisung des Antrages des Beschwerdeführers auf Zuerkennung einer Berufsunfähigkeitsrente vertritt die belangte Behörde die Auffassung, dass eine Berufsunfähigkeitsrente nur dann zustehen könne, wenn der den Antrag stellende Rechtsanwalt zum Zeitpunkt des Antrages in die Liste der Rechtsanwaltskammer als Rechtsanwalt eingetragen sei.

Diese Auffassung widerspricht allerdings dem Wortlaut des § 50 Abs. 2 Z. 1 RAO, wonach anspruchsberechtigt Rechtsanwälte sind, die "zur Zeit des Eintritts des Versorgungsfalls" in die Liste einer österreichischen Rechtsanwaltskammer eingetragen gewesen sind. Auch der Wortlaut der §§ 2 und 6 der Satzung der Versorgungseinrichtung der Rechtsanwaltskammer Wien bringt dies zum Ausdruck und verlangt jedenfalls nicht die Eintragung zum Zeitpunkt der Stellung des Antrages. Die belangte Behörde hat dies verkannt, weshalb sie den Beschwerdeführer durch die Zurückweisung seines Antrages in seinen Rechten verletzte (vgl. im Übrigen zur Problematik die hg. Erkenntnisse vom 3. September 2001, Zl. 99/10/0239, m.w.N., und vom 28. Februar 2005, Zl. 2001/10/0175).

Die Frage, ob der Beschwerdeführer die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 der Satzung der Versorgungseinrichtung der Rechtsanwaltskammer Wien für die Zuerkennung einer Berufsunfähigkeitsrente erfülle, hatte die belangte Behörde nach dieser Rechtsvorschrift danach zu beurteilen, ob er "infolge körperlicher oder geistiger Gebrechen dauernd zur Ausübung des Rechtsanwaltsberufes unfähig" war. Bei ihrer Beurteilung stützte sie sich auf die Aussage des "Vertrauensarztes" Dr. HS. Dieser hatte ausgeführt, dass der Beschwerdeführer trotz seiner Spielsucht seine anwaltliche Tätigkeiten in hervorragender Weise ausgeübt habe, zwar an einer Suchterkrankung leide, die eine sehr schwere Erkrankung darstelle, eine solche aber nicht immer unheilbar sei. Vielmehr habe die Fachärztin Dr. R dem Beschwerdeführer attestiert, dass er sich einer Therapie unterziehen und daher nicht mehr Gefahr laufen werde, neuerlich ähnlich geartete strafbare Handlungen zu begehen.

Mit diesen - im Übrigen weder im Gutachten der Dr. R noch des Dr. S näher begründeten - Feststellungen wurde noch keine Antwort auf die Frage gegeben, ob der Beschwerdeführer dauernd zur Ausübung des Rechtsanwaltsberufes unfähig war. Aus dem Umstand, er werde voraussichtlich nicht mehr einschlägig straffällig werden kann nämlich nicht ohne Weiteres der Schluss gezogen werden, dass der Beschwerdeführer, hinsichtlich dessen sowohl die Sachverständige Dr. R als auch der Sachverständige Dr. S "eine schwerste pathologische Spielsucht" feststellten, zur Ausübung des Berufes des Rechtsanwaltes berufsfähig ist. Die belangte Behörde hätte sich vielmehr auf nähere Weise zunächst mit den Anforderungen an die Ausübung des Berufes des Rechtsanwaltes durch berufskundliche Feststellungen - allenfalls auf Grund eines entsprechenden Gutachtens - befassen müssen (vgl. aus dem Rechtsbereich des Beamten-Dienstrechts etwa die hg. Erkenntnisse vom 18. Dezember 2003, Zl. 2000/12/0273, und vom 22. Dezember 2004, Zl. 2003/12/0174). Aufbauend auf die derart festgestellten näheren Anforderungen an die Ausübung des Berufes des Rechtsanwaltes hätte sie durch Einholung eines entsprechenden fachärztlichen Gutachtens feststellen müssen, ob angesichts seiner Krankheit eine dauernde Berufsunfähigkeit des Beschwerdeführers hinsichtlich der Ausübung dieses Berufes tatsächlich vorlag.

Indem die belangte Behörde dies unterließ, belastete sie den angefochtenen Bescheid auch mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Aufhebungsgrund des § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG geht jenem des § 42 Abs. 2 Z. 3 leg. cit. vor, der angefochtene Bescheid war daher auf Grund der erstgenannten Vorschrift wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Die Abweisung des Mehrbegehrens beruht darauf, dass die Umsatzsteuer in den in der angeführten Verordnung enthaltenen Pauschbeträgen bereits enthalten ist und dem Beschwerdeführer die Erstattung der Eingabegebühr durch die Gewährung der Verfahrenshilfe nachgesehen worden ist.

Wien, am 20. Oktober 2005

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2002060092.X00

Im RIS seit

01.12.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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