Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch, Dr. Huber, Dr. Schwarz und Dr. Graf als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Silvia S***, geboren am 2. März 1972, infolge Revisionsrekurses des Vaters Josef S***, Versicherungsangestellter, 2232 Deutsch-Wagram, Albrecht Dürer-Gasse 2, vertreten durch Dr. Hildegard Hartung, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgericht vom 17. März 1989, GZ. 44 R 101/89-192, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Favoriten vom 19. Jänner 1989, GZ. 6 P 285/84-188, teilweise abgeändert wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Mit Beschluß vom 19. Jänner 1989 (ON 188) setzte das Erstgericht den vom Vater für sein eheliches Kind mj. Silvia S***, geboren am 2. März 1972, zu leistenden, bisher (Beschluß ON 177) mit monatlich S 3.460 bemessenen Unterhaltsbetrag ab 13. Dezember 1988 mit monatlich S 4.600 fest. Das Mehrbegehren, dem Vater ab 1. März 1988 einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von S 6.600 aufzuerlegen, wies es für die Zeit bis zum 12. Dezember 1988 zur Gänze und ab dem 13. Dezember 1988 hinsichtlich des Betrages von monatlich S 2.000 ab. Es führte aus, der Vater habe sich bereit erklärt, ab dem Zeitpunkt der am 13. Dezember 1988 vom Jugendamt erfolgten Antragstellung monatlich S 4.600 zu leisten. Nach der Aktenlage habe der Vater ein monatliches Einkommen von durchschnittlich S 30.129 und nur mehr für die mj. Silvia zu sorgen. Diese sei eine einkommenslose Schülerin. Auch deren im Haushalt tätige Mutter sei einkommenslos.
Rechtlich vertrat das Erstgericht die Ansicht, es bestehe kein Grund, den Unterhalt bereits ab 1. März 1988 zu erhöhen. Die mj. Silvia habe bereits mit 12. März 1987 das 15. Lebensjahr erreicht, so daß das Jugendamt den Erhöhungsantrag schon mit 1. März 1987 hätte stellen können. Da bei der Unterhaltsfestsetzung die Einkommensverhältnisse beider Elternteile zu berücksichtigen seien, scheine ein monatlicher Unterhaltsbetrag von S 4.500 gerechtfertigt, obschon der Vater auf Grund seines Einkommens auch einen höheren Beitrag zu leisten in der Lage wäre.
Das Rekursgericht änderte den erstgerichtlichen Beschluß teilweise dahin ab, daß es den vom Vater für die mj. Silvia zu leistenden Unterhalt ab 1. März 1988 mit monatlich S 6.600 festsetzte. Es stellte fest, die Unterhaltspflicht des Vaters für seine weiteren ehelichen Kinder Walter (geboren am 17. September 1966) und Angela (geboren am 3. Februar 1969) sei bereits weggefallen und aus der eingeholten Gehaltsauskunft (ON 185) gehe hervor, daß der Vater einschließlich der Sonderzahlungen monatlich rund S 35.000 verdiene. Nach dem Rekursvorbringen des Jugendamtes sei diesem bei der Antragstellung lediglich ein Schreibfehler unterlaufen, denn es hätte dabei richtig lauten sollen, daß die Unterhaltserhöhung bereits mit 1. März 1987 begehrt werde. Entgegen der Ansicht des Erstgerichtes erscheine das Erhöhungsbegehren zur Gänze gerechtfertigt. Die mj. Silvia sollte angemessen an den Lebensverhältnissen des Vaters partizipieren. Der Umstand, daß die wiederverheiratete, im Haushalt tätige Mutter kein eigenes Einkommen beziehe, begründe nicht derart unterschiedliche Lebensverhältnisse der Eltern, daß eine Verminderung des Unterhaltsanspruches gerechtfertigt erscheine. Die rückwirkende Festsetzung des Unterhaltes innerhalb der Verjährungsfrist sei zulässig.
In seinem gegen die rekursgerichtliche Entscheidung gerichteten Revisionsrekurs führt der Vater aus, es fehle an einer Feststellung, ab wann seine Sorgepflicht für die mj. Angela weggefallen sei. Tatsächlich habe er dieser bis einschließlich November 1988 Unterhalt leisten müssen. Das Rekursgericht habe auch aktenwidrigerweise eine Bemessungsgrundlage von S 35.000 angenommen und im übrigen fälschlich eine mangelnde Berufstätigkeit der Mutter der mj. Silvia unterstellt, denn diese sei bei der Firma B***-B*** als Buchhalterin beschäftigt. Unberücksichtigt geblieben sei weiters der Umstand, daß der Vater wiederverehelicht sei und für seine Frau zu sorgen habe. Alle diese Ausführungen, insbesondere auch die Neuerungen, beträfen Verfahrensfragen und nicht die in dritter Instanz unbekämpfbare Unterhaltsbemessung. Für die Vergangenheit könne kein Unterhalt zuerkannt werden, denn die Umstände hätten sich nicht geändert, sodaß zumindest ein schlüssiger Verzicht auf Unterhaltserhöhung anzunehmen sei. Ein erhöhter Bedarf der mj. Silvia liege nicht vor, der Regelbedarf dürfe daher nicht überschritten werden. Auch nach der Höhe des Einkommens und der weiteren Sorgepflicht des Vaters käme eine Unterhaltserhöhung über S 4.000 hinaus nicht in Betracht.
Rechtliche Beurteilung
Zur Frage der Zulässigkeit des vorliegenden Revisionsrekurses:
Ständiger Rechtsprechung zufolge richtet sich der Vorwurf der falsch angenommenen Unterhaltsbemessungsgrundlage gegen die gemäß § 14 Abs. 2 AußStrG in dritter Instanz unanfechtbare Unterhaltsbemessung (5 Ob 502/83; 2 Ob 601/84; 5 Ob 575/84 uva.). Zu dieser gehört die Frage der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen, welche durch die ihm zur Verfügung stehenden Mittel und seine weiteren Sorgepflichten bestimmt wird (7 Ob 610/77, EFSlg. 32.539, 1 Ob 662/84; 1 Ob 664/86 uva.). Auch die Frage der Berücksichtigung abweichender Lebensverhältnisse der Eltern betrifft den Bemessungskomplex (EFSlg. 34.991; 6 Ob 681/84; 6 Ob 609/84 ua.). Nicht zur Unterhaltsbemessung gehört die Beurteilung verfahrensrechtlicher Fragen; hinsichtlich solcher ist der Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof demnach zulässig (RZ 1968, 137; RZ 1975, 89; JBl. 1981, 489; 8 Ob 561/88 ua.). Dies gilt daher auch für die Rüge einer vom Rekursgericht begangenen Verletzung des Gebotes der Zulässigkeit von Neuerungen im Rekurs oder eine begangene Aktenwidrigkeit. Ein derartiger rekursgerichtlicher Verfahrensmangel durch die Nichtberücksichtigung von Neuerungen im Rekursverfahren ist vorliegendenfalls jedoch nicht gegeben und wird auch gar nicht behauptet. Ebensowenig liegt eine Aktenwidrigkeit vor, denn das Rekursgericht hat seine ergänzende Feststellung eines monatlichen Einkommens des Vaters auf die Gehaltsauskunft ON 185 gestützt.
Die Frage, von welchem Zeitpunkt an gesetzlicher Unterhalt zu leisten ist oder ob und ab wann Unterhalt auch für die Vergangenheit zugesprochen bzw. erhöht oder rückwirkend herabgesetzt werden kann, gehört ebenfalls nicht zum Komplex der Unterhaltsbemessung, weil sie grundsätzlich nicht die Ausmittlung der Höhe der Unterhaltsverpflichtung betrifft (EFSlg. 25.645; SZ 44/29, 2 Ob 594/85; 6 Ob 741/87 ua.).
Insoweit hier der Vater den rekursgerichtlichen Zuspruch von Unterhalt auch für die Zeit vor dem Tag der Antragstellung bekämpft, ist der Revisionsrekurs deshalb zulässig. Er ist jedoch nicht gerechtfertigt.
Im Sinne der Entscheidung des verstärkten Senates vom 9. Juni 1988, 6 Ob 544/87 = EvBl. 1988/123 = JBl. 1988, 586 = ÖAmtsVd 1988, 79 und der folgenden Entscheidungen 6 Ob 580/88, 8 Ob 626/87 und 8 Ob 626/88 können Unterhalts(erhöhungs-)ansprüche grundsätzlich auch für die Vergangenheit gestellt werden; ihre Geltendmachung ist nur durch die Verjährungsbestimmung des § 1480 ABGB eingeschränkt. Dafür, daß vorliegendenfalls die Unterhaltsberechtigte ein Verhalten gesetzt hätte, welches im Sinne des § 863 ABGB als ein stillschweigender Verzicht auf eine Unterhaltserhöhung ab 1. März 1988 zu werten sei, mangelt es an jeglichem Anhaltspunkt. Der Vater hat insoweit auch keine konkrete Behauptung aufgestellt. Somit liegt aber im rekursgerichtlichen Zuspruch des erhöhten Unterhaltes auch schon für die Zeitspanne vom 1. März 1988 bis zum Tag der Antragstellung, das ist der 13. Dezember 1988, kein Rechtsirrtum.
Dem Rechtsmittel war daher nicht Folge zu geben.
Anmerkung
E18138European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1989:0080OB00588.89.0531.000Dokumentnummer
JJT_19890531_OGH0002_0080OB00588_8900000_000