Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 1.Juni 1989 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Felzmann (Berichterstatter), Dr. Massauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Ofner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Johann S*** wegen des Verbrechens des Beischlafes mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 3.März 1989, GZ 26 Vr 77/89-37, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Bassler, und des Verteidigers Dr. Weiss, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird Folge gegeben und die über den Angeklagten verhängte Strafe auf 2 (zwei) Jahre herabgesetzt.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 6.Jänner 1954 geborene, zuletzt beschäftigungslos gewesene Johann S*** der Verbrechen des Beischlafes mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (A 1), der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (A 2) und des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 2 StGB (B) schuldig erkannt. Darnach hat er vom August 1987 bis April 1988 in Innsbruck mit der am 31.Oktober 1978 geborenen Sabine M*** mehrere Male den außerehelichen Beischlaf unternommen (A 1) und das unmündige Mädchen darüber hinaus wiederholt zur Unzucht mißbraucht (A 2). Schon vorher stahl er am 26., 28. und 31.Jänner 1987 dem Vater des Mädchens, Ernst M***, teilweise durch Aufbrechen einer Handkasse, in vier Angriffen verschiedene Gegenstände im Gesamtwert von etwa 1.450 S (B).
Rechtliche Beurteilung
Nur den Schuldspruch wegen § 206 Abs 1 StGB (A 1) ficht der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs 1 Z 5 a und 9 lit c (inhaltlich 10) StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde an, den Strafausspruch bekämpft er mit Berufung.
Nach den für den bekämpften Schuldspruch maßgebenden Urteilsannahmen wollte der Angeklagte mehrmals im Zustand sexueller Erregung mit der unmündigen Sabine M*** den außerehelichen Beischlaf durchführen, indem er mit seinem steifen Glied in deren Scheide einzudringen suchte, wobei das Kind schon "bei intensiver Berührung der Geschlechtsteile" starke Schmerzen verspürte. Auf Grund der Aufforderung des Mädchens, doch aufzuhören, und der "nicht günstigen anatomischen Bedingungen" kam es nicht zur Vollziehung des Geschlechtsverkehrs (S 161, 162).
Diese Feststellungen gründete das Schöffengericht auf die nach entsprechenden Vorhalten in der Hauptverhandlung auch hinsichtlich des gewollten Geschlechtsverkehrs geständige Verantwortung des Beschwerdeführers, die sohin mit den verlesenen Angaben der Sabine M*** übereinstimmten (S 162, 163 iVm S 147, 148 und 89, 90). Die dieser Beweiswürdigung entgegengesetzte Tatsachenrüge (Z 5 a) erschöpft sich in dem Hinweis, daß der schwachsinnige Angeklagte im Vorverfahren und über weite Strecken der Hauptverhandlung nur Unzuchtshandlungen zugegeben, einen auf die Vollziehung eines Geschlechtsverkehrs gerichteten Vorsatz und dementsprechende Tathandlungen aber in Abrede gestellt hatte. Auch das Mädchen habe erst im Laufe des Verfahrens seine Beschuldigungen auf die versuchte Vornahme eines Beischlafes ausgedehnt, sei sohin offensichtlich beeinflußt worden und die diesbezüglichen Angaben seien als "Phantasieprodukt" zu beurteilen. Mit diesen ohne Anführung konkreter aktenkundiger Beweisergebnisse, die gegen die Würdigung dieser Umstände durch das Erstgericht sprechen könnten, aufgestellten Behauptungen vermag die Beschwerde aber keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen zu erwecken. Es versagt aber auch die (sachlich der Z 10 des § 281 Abs 1 StPO zuzuordnende) Rechtsrüge, wenn sie meint, der Angeklagte wäre - entgegen der vom Erstgericht und auch in Kommentaren vertretenen Rechtsmeinung - nur wegen versuchten Beischlafs im Sinn des § 15 StGB zu verurteilen gewesen.
Anders als bei den (verwandten) Tatbildern der §§ 201 Abs 1, 202 Abs 1 und 205 Abs 1 StGB, wo zur Deliktsvollendung (zumindest teilweises) Eindringen des männlichen Gliedes in das weibliche Geschlechtsorgan erforderlich ist (Leukauf-Steininger2 RN 10, 13 zu § 201 StGB), genügt beim Verbrechen des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB das Unternehmen des Beischlafes, wozu schon die Berührung der Geschlechtsteile mit Beischlafsvorsatz des Täters ausreicht. Eine Vollziehung des außerehelichen Beischlafes ist diesfalls nach dem klaren Gesetzeswortlaut zur Vollendung des Deliktes nach § 206 Abs 1 StGB, der ein Unternehmen desselben genügen läßt, nicht gefordert. Dem Beschwerdeeinwand, daß dann ein Versuch des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (rechtsdogmatisch) überhaupt nicht denkbar wäre, kann im Lichte der Judikatur und der Lehre ebenfalls nicht gefolgt werden. Solange der Täter seinen Geschlechtsteil noch nicht mit jenem des Mädchens in Berührung gebracht hat, aber schon deutlich einer solchen (der Ausführung eines Geschlechtsverkehrs dienenden) Berührung der Geschlechtsteile unmittelbar vorangehende, ausführungsnahe Handlungen setzt (z.B. Auseinanderdrücken der Beine), verantwortet er darnach Versuch (Leukauf-Steininger2 RN 3, 7 und Pallin im WK Rz 3 je zu § 206 StGB).
Soweit der Beschwerdeführer aber seine "Absicht, tatsächlich einen Geschlechtsverkehr durchzuführen", in Abrede stellt, setzt er sich über die oben zitierten gegenteiligen Urteilskonstatierungen hinweg und bringt daher den von ihm angezogenen materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund nicht zur gesetzmäßigen Ausführung. Die Nichtigkeitsbeschwerde war somit zu verwerfen.
Das Schöffengericht verurteilte Johann S*** nach §§ 28, 206 Abs 1 StGB zu einer dreijährigen Freiheitsstrafe und widerrief gleichzeitig eine zunächst bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Monaten. Bei der Strafzumessung wurden die einschlägige Vorstrafe, die Wiederholung des Beischlafs, der Unzuchtshandlungen und der Diebstähle, die Begehung der Sexualdelikte über einen langen Zeitraum und während der Anhängigkeit des Verfahrens wegen der Diebstähle, die überdies unter Bruch eines Vertrauensverhältnisses begangen wurden, als erschwerend gewertet. Als mildernd wurden hingegen das Geständnis und die Beeinträchtigung der Zurechnungsfähigkeit berücksichtigt. Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine "erhebliche" Herabsetzung der Freiheitsstrafe an.
Die Berufung weist zu Recht darauf hin, daß das Verschulden des Angeklagten zufolge seiner durch das Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen (ON 31) dokumentierten erheblichen Beeinträchtigung der Zurechnungsfähigkeit nicht so schwer zu beurteilen ist wie bei einem intellektuell normal entwickelten Menschen. Es wird daher weniger darauf ankommen, den Angeklagten durch einen möglichst langen Strafvollzug zu beeindrucken, sondern vielmehr auf eine entsprechende Behandlung, die über den Strafvollzug hinauswirken sollte, um der ansonsten ungünstigen Prognose entgegenwirken zu können. Da die Begehung der Taten über einen langen Zeitraum neben der "Wiederholung der Verbrechen" zusätzlich nicht sonderlich ins Gewicht fallen kann, bedarf die erstgerichtliche Strafzumessung auch insoweit einer Korrektur, sodaß der Oberste Gerichtshof vermeint, daß der Strafzweck auch mit der aus dem Spruch ersichtlichen geringeren Freiheitsstrafe, die gemeinsam mit der widerrufenen Strafe zu verbüßen sein wird, erreicht werden kann, wenn dieser Vollzug mit den entsprechenden therapeutischen Maßnahmen verbunden wird.
Es war daher der Berufung Folge zu geben.
Anmerkung
E17516European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1989:0120OS00042.89.0601.000Dokumentnummer
JJT_19890601_OGH0002_0120OS00042_8900000_000