Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 1.Juni 1989 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Felzmann, Dr. Massauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Ofner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Willibald F*** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 1 Z 1 und Abs. 3, 148, zweiter Fall, und 15 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Wolfgang S*** und Rüdiger S*** sowie über die Berufung des Angeklagten Willibald F*** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 28. September 1988, GZ 5 b Vr 13268/87-203, sowie über die Beschwerde des Angeklagten Rüdiger S*** gegen den Widerrufsbeschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 28.September 1988, GZ 5 b Vr 13268/87-203, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
1. Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Wolfgang S*** wird zur Gänze, jener des Angeklagten Rüdiger S*** teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in der Qualifikation des dem Angeklagten Wolfgang S*** zur Last liegenden Betruges als gewerbsmäßig im Sinne des § 148, zweiter Fall, StGB, ferner im Ausspruch, der Angeklagte Rüdiger S*** habe anfangs 1987 zur Ausführung der in den Punkten AAA/AA/A/I./5 und 6 des Urteilstenors angeführten (von Willibald F*** begangenen) strafbaren Handlungen dadurch beigetragen, daß er (gemeinsam mit Georg M***) zur Wohnung der Ida M*** fuhr, wo er der Genannten ein Sparbuch und Schecks herauslockte, die er dann Willibald F*** zur Einlösung übergab (Punkt AAA/AA/A/II./4. des Urteilssatzes) sowie demgemäß in den die Angeklagten Wolfgang S***
und Rüdiger S*** betreffenden Strafaussprüchen aufgehoben und die Sache zu neuerlicher Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.
2. Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Rüdiger S*** zurückgewiesen.
3. Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten Wolfgang S*** und Rüdiger S*** auf die zu 1. getroffene Entscheidung verwiesen.
4. Der Beschluß des Schöffengerichtes vom 28.September 1988 (CCC), womit gemäß §§ 53 Abs. 1 StGB, 494 a StPO die dem Angeklagten Rüdiger S*** im Verfahren 9 a Vr 7443/85 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien mit Entschließung des Bundespräsidenten vom 15. Dezember 1986 gewährte bedingte Strafnachsicht hinsichtlich eines Strafrestes von sieben Monaten und achtzehn Tagen widerrufen und der Vollzug dieses Strafrestes angeordnet wurde, wird aufgehoben.
5. Mit seiner gegen den Widerrufsbeschluß erhobenen Beschwerde wird der Angeklagte Rüdiger S*** auf die zu 4. getroffene Entscheidung verwiesen.
6. Zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten Willibald F*** werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
7. Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten Wolfgang S*** und Rüdiger S*** die Kosten des (bisherigen) Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Neben anderen Angeklagten wurden der am 1.September 1963 geborene Willibald F***, der am 29.April 1960 geborene Wolfgang S*** und der am 18.Juni 1962 geborene Rüdiger S*** des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten gewerbsmäßigen schweren Betruges - F*** und S*** teilweise als Beteiligte nach § 12 (2. und 3. Fall) StGB - nach §§ 146, 147 Abs. 3
(F*** und S*** auch nach § 147 Abs. 1 Z 1), 148, zweiter Fall, und 15 StGB schuldig erkannt und zu Freiheitsstrafen verurteilt. Während Willibald F*** sich mit Berufung lediglich gegen den Strafausspruch wendet, wird der Schuldspruch von den Angeklagten S*** und S*** mit Nichtigkeitsbeschwerden bekämpft.
Zur Beschwerde des Wolfgang S***:
Dieser Angeklagte wendet sich aus der Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO gegen die Qualifikation seines Verhaltens in Richtung des § 148, zweiter Fall, StGB, also gegen die Annahme gewerbsmäßiger Tatbegehung.
Da sich die Beschwerde inhaltlich gegen die Begründung der tatrichterlichen Konstatierung richtet, der Rechtsmittelwerber habe mit der zur Erfüllung der fraglichen Qualifikation erforderlichen Absicht gehandelt (siehe Band IV S 37), wird der Sache nach nicht der relevierte materielle Nichtigkeitsgrund (Z 10), sondern in Wahrheit eine Mängelrüge (Z 5) zur Darstellung gebracht, was aber nichts verschlägt.
Rechtliche Beurteilung
Die Rüge ist im Recht.
Die im Urteil für die Annahme der Gewerbsmäßigkeit der Tatbegehung gegebene Begründung - S*** habe gestanden, die Straftaten gesetzt zu haben, um sich Kleider, Essen und Trinken zu beschaffen und Schulden zu begleichen - ist nämlich im Kernpunkt aktenwidrig, weil S*** nach dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls (siehe Band III S 497 unten) auf die Frage des Vorsitzenden, womit Kleider, Essen und Trinken bezahlt worden seien, lediglich antwortete: "Aus den Behebungen der Sparbücher", ohne auch nur angedeutet zu haben, daß er die ihm zur Last gelegten Taten - Abhebungen im Jänner und im November 1987
sowie eine versuchte Behebung im September 1987 - in der Absicht begangen habe, um sich durch wiederkehrende Begehung solcher Taten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Beizutreten ist der Beschwerde in diesem Zusammenhang auch darin, daß im Urteil die Bemerkung der Zeugin S*** (der Mutter des Angeklagten), ihr Sohn habe sich zwischen Jänner und November 1987 bemüht, eine neue Arbeit zu bekommen, er habe es schwer gehabt, eine neue zu finden, er habe herumtelefoniert, sei sich vorstellen gegangen und habe Zeitungsausschnitte gesammelt (siehe Band III S 497), mit völligem Stillschweigen übergangen wird, obwohl ein solches Verhalten - falls als erwiesen angenommen - bei der Beurteilung der Frage, von welcher inneren Tendenz der Beschwerdeführer bei seinem Tun geleitet war (vgl. etwa RZ 1978/140), ersichtlich nicht von vornherein als irrelevant angesehen werden kann.
Da es dem Obersten Gerichtshof verwehrt ist, die aufgezeigten Begründungsmängel zu sanieren, war die bekämpfte Qualifikation bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung zu kassieren (§ 285 e StPO) und, als Konsequenz dessen, auch der den Beschwerdeführer betreffende Strafausspruch aufzuheben, womit es sich erübrigt, weitere Verfügungen über seine Berufung zu treffen.
Zur Beschwerde des Rüdiger S***:
Soweit dieser Angeklagte aus § 281 Abs. 1 Z 3 und 8 StPO den zu Punkt AAA/AA/A/I./4. des Urteilssatzes ergangenen Schuldspruch - gemeinsam mit Willibald F*** am 28.April 1987
an Angestellten der Z*** UND K*** WIEN dadurch begangener Betrug, daß das der Maria E*** herausgelockte Sparbuch unter der Vorgabe, zur Abhebung von 40.000 S berechtigt zu sein, von ihm und F*** präsentiert und der genannte Betrag behoben wurde (Band IV S 5) - bekämpft, kommt der Beschwerde keine Berechtigung zu. Denn darin, daß - ersichtlich aus Versehen - dieses Faktum bei der Aufzählung der Schuldspruchpunkte, auf die sich die rechtliche Beurteilung als das Verbrechen des teils vollendeten, teils versuchten schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 3, 148, zweiter Fall, 12 und 15 StGB (Band IV S 17 unten) insgesamt bezieht, nicht aufscheint, liegt kein Verstoß gegen die unter Nichtigkeitssanktion stehende Vorschrift des § 260 Abs. 1 Z 1 bis 3 StPO, weil eine solche resümierende Aufzählung lediglich der besseren Übersicht dient, aber keineswegs vorgeschrieben ist und überdies durch das in Rede stehende Versehen auch keine Undeutlichkeit des Urteilsspruchs bewirkt worden ist. Die Beschwerde irrt aber auch mit dem weiteren Vorwurf, in Ansehung des fraglichen Verhaltens liege keine Anklage vor (Z 8). Nach dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls vom 27. und 28. September 1988 hatte nämlich der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft das Anklagefaktum AA/A/II./3. dahin ausgedehnt, daß es zu lauten habe: "... Georg M*** sowie Rüdiger S*** als Mittäter" (Band III S 478). Da dieser Punkt vor der Ausdehnung den Vorwurf beinhaltet hatte, Thomas M*** habe am 28.April 1987 zur Ausführung der im Punkt AA/A/I./4. angeführten strafbaren Handlung dadurch beigetragen, daß er Maria E*** das fragliche Sparbuch herauslockte und Willibald F*** zur Einlösung übergab und im Anklagepunkt AA/A/I./4. (Band III S 227) zunächst nur F*** beschuldigt wurde, das Sparbuch bei der Bank eingelöst zu haben, ist klar erkennbar, daß die Staatsanwaltschaft das in der Hauptverhandlung neu hervorgekommene (und von ihm zugestandene) Verhalten des Angeklagten S*** - Übernahme des von Thomas M*** der Maria E*** herausgelockten Sparbuches und Übergabe desselben an F*** zur Einlösung (Band III S 477 f) als Tatbeitrag zum Betrug des F*** wertete, wogegen das Schöffengericht darin eine Mittäterschaft erblickte und ihn demnach nicht in dem bezüglichen Beteiligungsfaktum AAA/AA/A/II./3., sondern im Punkt AAA/AA/A/I./4. als Täter anführte.
Es unterliegt daher nach dem Gesagten keinem Zweifel, daß der allein maßgebende historische Vorgang - wonach S*** jedenfalls als Vermittler zwischen Herauslocken und Einlösung des Sparbuchs der Maria E*** fungierte - von der Anklageausdehnung umfaßt war und mithin von einer Nichtigkeit begründenden Überschreitung der Anklage keine Rede sein kann; ist doch das Gericht an die rechtliche Beurteilung der Tat durch die Anklagebehörde nicht gebunden. Bloß der Vollständigkeit halber sei beigefügt, daß es angesichts der rechtlichen Gleichwertigkeit der einzelnen Täterschaftsformen irrelevant ist, ob der Beschwerdeführer das Sparbuch gemeinsam mit F*** einlöste oder ob er zur Abhebung dadurch beitrug, daß er das Buch dem F*** - allenfalls außerhalb der Bank - übergab. Kein Erfolg kann der Beschwerde auch dort beschieden sein, wo sie Begründungsmängel (Z 5) in Ansehung der konstatierten Absicht gewerbsmäßiger Tatbegehung reklamiert. Denn der Beschwerde zuwider ermöglichte bereits die Vielzahl der Fakten, die planmäßige Vorgangsweise und der nahezu ein Jahr umfassende Tatzeitraum einen denkrichtigen und lebensnahen Schluß auf die Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von Betrügereien eine fortlaufende Einnahmsquelle zu verschaffen (Band IV S 37). Daß die Verwendung eines Teiles der Beute für Anschaffungen einer gewerbsmäßigen Absicht entgegenstehe, wird in der Beschwerde zwar behauptet, jedoch nicht weiter substantiiert und widerspricht der Erfahrungstatsache, daß Einnahmen gemeinhin zur Anschaffung von Bedarfsgütern verwendet werden.
Nicht einzusehen ist schließlich auch, weshalb es für die Schuldfrage oder den anzuwendenden Strafsatz von Bedeutung sein sollte, ob der Beschwerdeführer - wie im Urteil konstatiert (siehe Band IV S 30) - den Angeklagten F*** bereits im Jahre 1986 oder erst im Frühjahr 1987 kennenlernte und welcher Art der Einfluß war, den S*** auf die übrigen Täter ausübte. Mangels rechtlicher Relevanz braucht daher auf diesen Teil der Mängelrüge nicht weiter eingegangen zu werden.
Berechtigung kommt der Mängelrüge jedoch zu, soweit sie eine unzureichende und unvollständige Begründung in Ansehung des Faktums AAA/AA/A/II./4. des Urteilssatzes (Band IV S 11) rügt. Darin wird dem Angeklagten S*** zur Last gelegt, gemeinsam mit Georg M*** zur Ausführung der in den Punkten AAA/AA/A/I./5. und 6. angeführten strafbaren Handlungen - betrügerische Einlösung von 20 Schecks der Ida M*** und Abhebung von einem Sparbuch der Genannten durch Willibald F*** - dadurch beigetragen zu haben, daß er und M*** zur Wohnung der Genannten fuhren, wo Rüdiger S*** dieser ein Sparbuch und Schecks herauslockte und F***
zur Einlösung übergab. Mit Recht weist nun die Rüge darauf hin, daß der Beschwerdeführer im fraglichen Faktum - entgegen der Urteilsbegründung (Band IV S 36) - kein Geständnis abgelegt hat (Band III S 480), sich vielmehr dahin verantwortete, (bei M***) nicht dabeigewesen zu sein, sondern sich damals in Haft befunden zu haben und daß das Schöffengericht überdies bei der Feststellung des bezüglichen Sachverhaltes (Band IV S 32 oben) die die Verantwortung des Rüdiger S*** stützenden Angaben der Mitangeklagten F*** und Georg M*** (Band III S 479 f) mit völligem Stillschweigen überging, wonach F*** es war, welcher der Frau das Sparbuch herauslockte, dieser von Georg M*** die Schecks erhielt und der Letztgenannte ausdrücklich betonte, sein Bruder (Thomas M***) und Rüdiger S*** hätten mit der Sache M*** nichts zu tun. In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten S*** waren sonach gemäß § 285 e StPO der betreffende Schuldspruch sowie als Konsequenz dessen auch der bezügliche Strafausspruch und der darauf fußende Widerrufsbeschluß zu kassieren.
Mit seiner Berufung und der Beschwerde gegen den Widerrufsbeschluß war Rüdiger S*** auf das Vorgesagte zu verweisen.
Zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten Willibald F*** waren die Akten gemäß § 285 i StPO dem Oberlandesgericht Wien zuzuleiten.
Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.
Anmerkung
E17510European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1989:0120OS00028.89.0601.000Dokumentnummer
JJT_19890601_OGH0002_0120OS00028_8900000_000