TE OGH 1989/6/6 10ObS62/89

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Veröffentlicht am 06.06.1989
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Angst als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Mag. Tschocher (AG) und Dr. Simperl (AN) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Friedrich W***, 8680 Mürzzuschlag, Grazer Straße 1, vertreten durch Dr. Peter Freiberger, Rechtsanwalt in Mürzzuschlag, wider die beklagte Partei V*** Ö*** B***, 1081 Wien,

Josefstädterstraße 80, vertreten durch Dr. Hans Houska, Rechtsanwalt in Wien, wegen Gewährung eines Heilmittels und Feststellung infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 16. November 1988, GZ 8 Rs 197/88-12, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Leoben als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 4. Mai 1988, GZ 21 Cgs 41/88-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie zu lauten haben:

"1. Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger binnen 14 Tagen

S 965,30 zu zahlen. Das auf Zahlung von weiteren S 24,-- gerichtete Mehrbegehren wird abgewiesen.

2. Es wird festgestellt, daß die beklagte Partei die Kosten der für die Ehegattin des Klägers notwendigen Heilmittel "A***-Feuchtpulver" und "A***-Schaum" entsprechend künftiger Rezeptierung zu übernehmen hat.

3. Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger binnen 14 Tagen die (einschließlich S 137,28 Umsatzsteuer) mit S 1.510,08 bestimmten Berufungskosten und die (einschließlich S 514,50 Umsatzsteuer) mit

S 3.087,-- bestimmten Revisionskosten zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom 28. Jänner 1988 lehnte die beklagte Partei den Antrag des Klägers vom 27. Jänner 1988 auf Bewilligung von A***-Feuchtpulver OP I und A***-Schaum OP III für seine Ehegattin, Katharina W***, ab, weil die Voraussetzungen nach § 62 Abs. 2 und § 64 B-KUVG iVm Punkt 34 Abs. 1 der geltenden Krankenordnung sowie nach den vom Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger (HV) erstellten und vom BMS genehmigten Richtlinien über die ökonomische Verschreibweise von Arznei- und Heilmitteln sowie Heilbehelfen (RÖV) nicht gegeben seien. Die von Dr. Josef L*** am 25. Jänner 1988 verordneten Präparate würden im Spezialitätenverzeichnis der genannten Richtlinien nicht aufscheinen.

Die dagegen rechtzeig erhobene Klage richtet sich auf Zahlung der Anschaffungskosten für das Heilmittel A*** von S 989,30 und "Feststellung, daß sich die beklagte Partei verpflichtet, dem Kläger die wiederholten Anschaffungskosten entsprechend der künftigen Rezeptierung zu bezahlen". Die Klage stützt sich darauf, daß die anspruchsberechtigte Ehegattin des Klägers ua an einer Hausstaubmilbenallergie leide, deren Folgen seit 1987 immer unangenehmer geworden seien. Die Patientin habe sich beim Schlafengehen einer Asthmapumpe bedienen müssen, ohne deren Anwendung sie auch das Bett nicht verlassen habe können. Wegen des starken Juckreizes habe sie sich in der Nacht Wunden aufgekratzt, aber auch tagsüber ständig an Juckreiz, Niesanfällen, Augenbrennen, Tränenfluß udgl gelitten. Ende Jänner 1988 habe ihr der behandelnde Arzt Dr. Josef L*** A*** verschrieben, das die beklagte Partei mit dem angefochtenen Bescheid nicht bewilligt habe. Der Kläger habe in der Apotheke "Zum heiligen Josef" in Mürzzuschlag um S 989,30 eine Packung A***-Pulver gekauft. Damit sei Anfang Februar 1988 seine Wohnung gereinigt worden. Dadurch sei eine wesentliche Besserung der Hausstauballergie seiner Ehegattin eingetreten. Sie leide nicht mehr unter Asthmabeschwerden beim Schlafengehen und Aufstehen und habe keinen Juckreiz mehr. Dr. Dagmar S***-I*** vom Allergieinstitut für HNO-Krankheiten Graz habe in einem an Dr. L*** gerichten Arztbrief vom 22. Februar 1988 festgestellt, daß bei der Hausstaubmilbenallergie eine Sanierung des Milieus durch Abbinden des Milbeneiweiß mit A*** angezeigt sei. Damit könnten auch Kuraufenthalte und allenfalls auch die Impfdauer reduziert werden. Die Behandlung mit A*** sei aus ökonomischer Hinsicht zweckmäßig, weil dadurch eine äußerst teure Injektionskurs, ein Kuraufenthalt und viele andere Heilmittel vermieden werden könnten. Bei dieser Behandlung könne eine Allergie gar nicht wirksam werden. Diese Behandlung müsse allerdings zunächst nach einem halben Jahr, dann nach jeweils einem Jahr wiederholt werden, bis sich die Allergiebereitschaft der Patientin gelegt habe.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage, weil das beantragte Heilmittel nicht im Spezialitätenverzeichnis des HV aufscheine. Dieses sei ein Bestandteil der Richtlinien nach § 31 Abs. 3 Z 11 ASVG, die den Charakter einer Rechtsverordnung hätten und für die beklagte Partei verbindlich seien (§ 31 Abs. 5 ASVG). Diese Richtlinien legten fest, wie § 62 Abs 2 B-KUVG über den Umfang der zu gewährenden Krankenbehandlung bei der Verschreibung von Heilmitteln anzuwenden sei. Nicht im Verzeichnis aufscheinende Heilmittel dürften nur bewilligt werden, wenn der verschreibende Arzt begründe, warum die im Verzeichnis für die betreffende Indikation vorgesehenen Heilmittel nicht ausreichend oder zweckmäßig seien (Z 9ff der RÖV). Eine solche ärztliche Begründung liege nicht vor. Der Direktionsarzt der beklagten Partei MedR Dr. S*** habe die Genehmigung vor allem auch deshalb abgelehnt, weil offensichtlich eine Art Reinigungsmittel der Inhalt dieser Präparate sei. Er habe auch erhoben, daß A***-Feuchtpulver OP I und A***-Schaum OP III nicht in der Liste 1 (Medikamente), sondern in der Liste 2 (Kosmetika etc) aufschienen.

Das Erstgericht gab der Klage statt.

Nach seinen wesentlichen Feststellungen erkrankte die Ehegattin des Klägers im Jahre 1982 an Asthma bronchiale, das mit üblichen Asthmamedikamenten und bis Mitte 1984 alle vier bis sechs Wochen mit Cortison-Injektionen behandelt wurde. Nachdem ein Allergietest eine Allergie auf die Hausstaubmilbe und auf Gräser ergeben hatte, wurde das Cortison abgesetzt und eine Desensibilisierung mit P*** begonnen. Zu der nicht gebesserten Atemnot und den Asthmaanfällen kam im Herbst 1987 Hautjucken, weshalb sich die Patientin in der Nacht oft Kratzwunden zufügte. Die Hausstaubmilbe lebt bei etwa 30 (C) und einer Luftfeuchtigkeit von 50 bis 60 % und hält sich in Matratzen, Teppichen, Polstermöbeln udgl. Die allergieauslösenden Substanzen sind die pulverisierten Exkremente dieser Milbe, die als feiner Staub überall vorhanden sind. Bei einem allergiebereiten Menschen kann schon das Einatmen des beim Gehen über einen Teppich, beim Niedersetzen auf ein Polstermöbel oder beim Umdrehen im Bett aufgewirbelten Staubes einen Asthmaanfall auslösen. Am 25. Jänner 1988 verordnete der Hausarzt Dr. Josef L*** der Ehegattin des Klägers "A***-Feuchtpulver" und "A***-Schaum". Im Rezept nannte er als Diagnose "Hausstaubmilben-Allergie (Test Dr. S***-I***, Graz)". Am 27. Jänner 1988 beantragte der Kläger bei der beklagten Partei anläßlich einer Vorsprache wegen der Genehmigung der verschriebenen Mittel die Erlassung eines Bescheides. Mit den Mitteln ist im ersten Jahr zweimal, später einmal jährlich eine gezielte Reinigung der Wohnung durchzuführen, wofür jeweils zwei Packungen "A***-Pulver" benötigt werden. Eine Packung Feuchtpluver mit Teststreifen kostet S 989,30. In der Opernapotheke Graz wird "A***-Feuchtpulver" OP I (S 799,20) und "A***-Schaum" OP I (220,30) nicht in der Liste I (Medikamente), sondern in der Liste II (Kosmetika etc) geführt. Polstermöbel werden mit "A***-Schaum" gereinigt. Etwa zwei Tage nach der (ersten) Wohnungsreinigung (im Februar 1988) traten bei der Ehegattin des Klägers keine Asthmaanfälle mehr auf. Nach weiteren acht Tagen kam es zu einer deutlichen Linderung der Atemnot, weshalb die Asthmamedikamente abgesetzt werden konnten, die seither nicht mehr benötigt werden. Das Asthma bronchiale ist ohne nachweisbaren Bronchospasmus abgeheilt. Der Erfolg dieser Therapie kann als epochal bezeichnet werden. Die Wirkung von A*** ist so zu erklären, daß der auf Menschen pathogen wirkende Staub gebunden wird und nicht mehr aufgewirbelt werden kann. Im Spezialiätenverzeichnis gibt es kein Medikament, das zur spezifischen Heilung der Hausstaubmilbenallergie zu verwenden ist.

Nach der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes gründe sich der Anspruch des Klägers auf die Gewährung von Heilmitteln auf § 62 Abs. 2 B-KUVG, wonach die Krankenbehandlung ausreichend und zweckmäßig sein müsse. Die Richtlinien des HV dürften dies nicht einschränken. Nach § 31 Abs. 3 ASVG dürfe der Heilzweck nicht gefährdet werden. Der im § 64 Abs. 1 B-KUVG näher definierte Begriff Heilmittel umfasse neben den notwendigen Arzneien auch die sonstigen Mittel, die zur Beseitigung oder Linderung der Krankheit oder zur Sicherung des Heilerfolges dienen. Unter die sonstigen Mittel fielen zB Verbandmittel und -stoffe, balneologische und hydrotherapeutische Maßnahmen, aber auch ein der Beseitigung der Krankheit dienendes Putzmittel. Punkt 15 lit e RÖV schließe die Kostenübernahme für Kosmetika und Putzmittel nur grundsätzlich aus. Da im Spezialitätenverzeichnis überhaupt kein Mittel zur spezifischen Heilung der Hausstaubmilbenallergie aufscheine und "A***" unter den Begriff des Heilmittels falle und sein Beitrag zur Erreichung eines Heilungserfolges "epochal" sei, habe der Kläger Anspruch auf Ersatz der Kosten.

In der wegen Feststellungsmängeln und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen, auf Abänderung durch Klageabweisung, hilfsweise auf Aufhebung gerichteten Berufung vermißte die beklagte Partei Feststellungen darüber, ob allgemeine Hygienemaßnahmen in Verbindung mit glatten, leicht desinfizierbaren Böden der Hausstaubmilbe die Lebensgrundlage entziehen könnten und bekämpfte die Rechtsansicht, daß es sich bei "A***" um ein Heilmittel handle. Dieses Putzmittel bewirke nicht die Heilung der Allergie, sondern beseitige nur deren Ursache, so daß es zu keiner Überreaktion mehr komme. Die Allergie als regelwidriger Körperzustand sei nach wie vor gegeben und auch nicht behandelt worden, weshalb auch keine Krankenbehandlung vorliege, die nach § 62 B-KUVG ärztliche Hilfe, Heilmittel, Heilbehelfe und Hilfsmittel umfasse. "A***" sei kein Heilmittel, sondern ein prophylaktisches Desinfektionsmittel, ein das Allergen beseitigendes Putzmittel. Prophylaxe sei aber keine Leistung der Krankenversicherung. Es sei auch kein Heilbehelf, weil es nicht direkt am Patienten zur Wirkung komme.

Das Berufungsgericht gab der Berufung nicht Folge und sprach aus, daß hinsichtlich des Leistungsbegehrens die Revision nach § 46 Abs. 2 Z 1 ASGG zulässig sei, hinsichtlich des Feststellungsbegehrens der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden habe, S 30.000,-- übersteigt.

Ein wesentlicher Feststellungsmangel liege nicht vor, weil die beklagte Partei andere mögliche Hygienemaßnahmen nicht behauptet habe. Da sich die Hausstaubmilbe insbesondere in Teppichen, Polstermöbeln und Matratzen aufhalte, könnten glatte Fußböden (allein) keine Abhilfe schaffen. Der Begriff "Hilfsmittel" (richtig "Heilmittel") umfasse nach § 64 Abs. 1 B-KUVG neben den notwendigen Arzneien auch die sonstigen Mittel, die zur Beseitigung oder Linderung der Krankheit oder zur Sicherung des Heilerfolges dienen. Obwohl "A***" nicht im Heilmittelverzeichnis als Heilmittel aufscheine und ein Desinfektionsmittel sei, handle es sich dabei nach dem derzeitigen medizinischen Wissensstand um das einzige "Heilmittel", das bei einer Hausstaubmilbenallergie nicht nur Linderung verschaffe, sondern die Ehegattin des Klägers völlig beschwerdefrei gemacht habe. Es könne daher nicht darauf ankommen, daß nur die Ursache, das auslösende Moment eines Leidens, durch ein "prophylaktisches Desinfektionsmittel" beseitigt werde. Könne ein Krankheitszustand durch herkömmliche Heilmittel weder gebessert noch geheilt werden, der Versicherte (oder ein anspruchsberechtigter Angehöriger) aber durch ein "Putzmittel" beschwerdefrei gemacht werden, bestehe kein vernünftiger Grund, in diesem Ausnahmsfall auch die Kosten dieses Mittels in die Leistungen der Krankenversicherung einzubeziehen.

Dagegen richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen Feststellungsmängeln und unrichtiger rechtlicher Beurteilung (der Sache) mit den Anträgen, das angefochtene Urteil durch Abweisung der Klage abzuändern oder es allenfalls aufzuheben.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die nach § 46 Abs. 2 ASGG zulässige Revision ist nur teilweise berechtigt.

Die Krankenversicherung (KV) trifft Vorsorge

1. für die Verhütung und Früherkennung von Krankheiten (Durchführung von Gesundenuntersuchungen);

2. für die Versicherungsfälle der Krankheit, ...... (§ 51 Abs. 1 B-KUVG). (Die im folgenden ohne Gesetzesangabe zitierten Paragraphen sind solche des B-KUVG.)

Überdies können Leistungen der erweiterten Heilbehandlung sowie außer den Gesundenuntersuchungen (Abs. 1 Z 1) noch weitergehende Leistungen zur Verhütung des Eintrittes und der Verbreitung von Krankheiten gewährt werden (§ 51 Abs. 2).

Als Leistungen der KV werden nach Maßgabe der Bestimmungen des B-KUVG gewährt:

1.

Zur Früherkennung von Krankheiten Gesundenuntersuchungen (§ 61a);

2.

aus dem Versicherungsfall der Krankheit: Krankenbehandlung (§§ 62 bis 65) .... (§ 52).

Die Leistungen der KV werden als Pflichtleistungen und als freiwillige Leistungen gewährt (§ 54 Abs. 1). Pflichtleistungen sind Leistungen, auf die ein Rechtsanspruch besteht. Freiwillige Leistungen sind Leistungen, die auf Grund gesetzlicher oder satzungsmäßiger Vorschriften gewährt werden können, ohne daß auf sie ein Rechtsanspruch besteht (Abs. 2 leg cit).

Die Krankenbehandlung umfaßt:

              1.              ärztliche Hilfe; 2. Heilmittel; 3. Heilbehelfe und Hilfsmittel (§ 62 Abs. 1).

Die Krankenbehandlung muß ausreichend und zweckmäßig sein, sie darf jedoch das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Durch die Krankenbehandlung sollen die Gesundheit, die Dienstfähigkeit und die Fähigkeit, für die lebenswichtigen persönlichen Bedürfnisse zu sorgen, nach Möglichkeit wiederhergestellt, gefestigt oder gebessert werden. Die Leistungen der Krankenbehandlung werden, soweit in diesem BG nichts anderes bestimmt wird, als Sachleistungen erbracht (Abs. 2).

Die Heilmittel umfassen 1. die notwendigen Arzneien und 2. die

sonstigen Mittel, die zur Beseitigung oder Linderung der Krankheit

oder zur Sicherung des Heilerfolges dienen (§ 64 Abs. 1). Die Kosten

der Heilmittel werden von der Versicherungsanstalt durch Abrechnung

mit den Apotheken übernommen (Abs. 2). Für den Bezug eines jeden

Heilmittels auf Rechnung der Versicherungsanstalt ist, soweit im

folgenden nichts anderes bestimmt wird, eine Rezeptgebühr ..... zu

entrichten..... Die Rezeptgebühr ist bei Abgabe des Heilmittels an

die abgebende Stelle für Rechnung der Versicherungsanstalt zu zahlen (Abs. 3).

Ob die beklagte Partei der Ehegattin des Klägers, einer nach § 56 Abs. 1 und 2 Z 1 anspruchsberechtigten Angehörigen, die begehrten Leistungen allenfalls als solche der erweiterten Heilbehandlung oder als weitergehende Leistungen zur Verhütung des Eintrittes und der Verbreitung von Krankheiten gewähren könnte, ist hier nicht weiter zu prüfen, weil es sich dabei um keine Pflichtleistungen handeln würde. Freiwillige Leistungen können aber nicht Gegenstand einer Sozialrechtssache sein, weil diese Rechtsstreitigkeiten nach § 65 Abs. 1 Z 1 ASGG den Bestand, den Umfang oder das Ruhen eines Anspruchs auf (Pflicht)Versicherungsleistungen zum Gegenstand haben (Kuderna, ASGG § 65 Erl 3 mwH; SSV-NF 1/13).

Zu prüfen ist daher lediglich, ob die begehrten Leistungen als Pflichtleistungen der KV aus dem Versicherungsfall der Krankheit, und zwar als Krankenbehandlung zu gewähren sind.

Diese umfaßt ua Heilmittel, diese umfassen wiederum die notwendigen Arzneien und die sonstigen Mittel, die zur Beseitigung oder Linderung der Krankheit oder zur Sicherung des Heilerfolges dienen.

Nach § 31 Abs. 3 Z 11 ASVG obliegt es dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger a) in Wahrnehmung öffentlicher Interessen vom Gesichtspunkt des Sozialversicherungsrechtes und der wirtschaftlichen Tragfähigkeit Richtlinien über die ökonomische Verschreibweise von Heilmitteln und Heilbehelfen aufzustellen; in diesen Richtlinien soll insbesondere auch unter Bedachtnahme auf die Art und Dauer der Erkrankung bestimmt werden, inwieweit Arzneispezialitäten für Rechnung der Sozialversicherungsträger abgegeben werden können; durch die Richtlinien darf der Heilzweck nicht gefährdet werden; b) unter Bedachtnahme auf § 133 Abs. 2 ein Heilmittelverzeichnis herauszugeben. In diesem Verzeichnis sind jene Arzneispezialitäten anzuführen, die entweder allgemein oder unter bestimmten Voraussetzungen (zB für gewisse Krankheitsgruppen oder Altersstufen von Patienten, in bestimmter Menge oder Darreichungsform) ohne die sonst notwendige chef- oder kontrollärztliche Bewilligung für Rechnung der Sozialversicherungsträger abgegeben werden können. In diesem Verzeichnis sind ferner jene Stoffe für magistrale Zubereitungen anzuführen, die entweder allgemein oder unter bestimmten Voraussetzungen nur mit vorheriger chef- oder kontrollärztlicher Bewilligung für Rechnung der Sozialversicherungsträger abgegeben werden können. Diese Richtlinien - die nach lit a zu ihrer Wirksamkeit der Zustimmung des BMAS bedürfen - sind in der Fachzeitschrift "Soziale Sicherheit" zu verlautbaren - was hinsichtlich des Heilmittelverzeichnisses in SozSi 1987, 251 Amtliche Verlautbarung Nr 80/1987 geschehen ist - und sind für die im Hauptverband zusammengefaßten Versicherungsträger verbindlich (§ 31 Abs. 5 ASVG). Dieses Heilmittelverzeichnis schränkt daher das Recht des Patienten auf die für die ausreichende und zweckmäßige Krankenbehandlung notwendigen Heilmittel nicht ein. Den Patienten der österreichischen Sozialversicherung können vielmehr alle erhältlichen Medikamente verordnet werden, wenn dies im einzelnen Behandlungsfall den gesetzlich festgelegten Kriterien einer ausreichenden, zweckmäßigen und das Maß des Notwendigen nicht überschreitenden Krankenbehandlung dient (so auch die in MGA ASVG

47.

ErgLfg 276 und 276/1 wiedergegebene Begründung der RV zur

41.

ASVGNov; Binder in Tomandl, SV-System 3. ErgLfg 204, 214f; MGA ASVG 46. ErgLfg 788).

Heilmittel sind die zur Beseitigung oder Linderung der Krankheit oder zur Sicherung des Heilerfolges dienenden Mittel einschließlich gewisser - außerhalb der ärztlichen Tätigkeit

liegender - äußerlicher Einwirkungen auf den (menschlichen) Körper !Binder aaO 214 mwN .

Arzneien sind Heilmittel, die im wesentlichen auf den inneren Organismus wirken, indem sie diesem in geeigneter Weise (etwa durch Einnehmen, Einlauf, Einreiben oder Einspritzen) zugeführt werden oder örtliche Erkrankungen der Haut oder der Schleimhäute (Salben, Pinselung udgl) beeinflussen (MGA ASVG 46. ErgLfg 788; Binder aaO 214; Brackmann, Handbuch der SV II 59. Nachtrag 386g; vgl auch die Begriffsbestimmung für "Arzneimittel" im § 1 Abs. 1 Arzneimittelgesetz BGBl 1983/185: Darnach sind Arzneimittel Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die nach der allgemeinen Verkehrsauffassung dazu dienen oder nach Art und Form des Inverkehrbringens dazu bestimmt sind, bei Anwendung am oder im menschlichen oder tierischen Körper

              1.              Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu

erkennen,

              2.              die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktionen des Körpers oder seelischer Zustände erkennen zu lassen,

              3.              vom menschlichen oder tierischen Körper erzeugte Wirkstoffe oder Körperflüssigkeiten zu ersetzen,

              4.              Krankheitserreger, Parasiten oder körperfremde Stoffe abzuwehren, zu beseitigen oder unschädlich zu machen oder

              5.              die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktionen des Körpers oder seelische Zustände zu beeinflussen. Diese Begriffsbestimmung ist für die Auslegung des im § 64 Abs. 1 Z 1 verwendeten Begriffes "Arzneien" selbstverständlich nur insoweit verwendbar, als sie sich auf die Anwendung am oder im menschlichen Körper bezieht.)

Die sonstigen Mittel iS des § 64 Abs. 1 Z 2 sind jene Heilmittel, die keine notwendigen Arzneien sind, aber wie diese zur Beseitigung oder Linderung der Krankheit oder zur Sicherung des Heilerfolges dienen. Darunter fallen zB Massagen, heilgymnastische Übungen, Elektrotherapien, Diathermie, aber auch Verbandmittel und Verbandstoffe (MGA ASVG 46. ErgLfg 788; Brackmann aaO 386g, 386h II). Um ein solches "sonstiges (Heil)Mittel" handelt es sich bei den der Ehegattin des Klägers vom behandelnden Arzt verschriebenen Mitteln "A***-Pulver" und "A***-Schaum", weil diese zwar nicht der Beseitigung der Hausstaubmilbenallergie selbst, wohl aber der Beseitigung der dadurch ausgelösten Krankheit (Asthma bronchiale mit Atemnot und Hautjucken) und damit auch der Linderung der Folgen der erwähnten Allergie und durch wiederholte Anwendung der Sicherung des Heilerfolges dienen.

Weil diese Mittel nicht am oder im menschlichen Körper angewendet werden, sondern der Desinfizierung der Wohnung und der - insbesondere textilen - Einrichtungsgegenstände von den allergenen Substanzen dienen, handelt es sich nicht um Arzneien, wegen ihres der Beseitigung oder Linderung der Krankheit und zur Sicherung des Heilerfolges der Ehegattin des Klägers dienenden Zweckes aber um sonstige Heilmittel.

Wegen dieses Zweckes kann auch keine Rede davon sein, daß das Desinfizieren der Wohnung und Einrichtungsgegenstände der an Asthma bronchiale leidenden Ehegattin des Klägers mit dem Mittel "A***" keine Krankenbehandlung darstelle. Dies wäre nur der Fall, wenn das Desinfizieren nicht der Bekämpfung einer bestehenden Krankheit oder der Herbeiführung eines rascheren Heilerfolges, sondern der Abwendung einer drohenden Ansteckungsgefahr und damit der Krankheitsverhütung dienen würde (so auch Brackmann aaO 386i III). Dient aber ein Desinfektionsmittel ausnahmsweise zur Beseitigung oder Linderung einer Krankheit oder zur Sicherung des Heilerfolges, kann es ein Heilmittel sein.

Die der Ehegattin des Klägers vom behandelnden Arzt verordneten "A***-Mittel" sind keine (gewöhnlichen) Reinigungsmittel für Teppiche, Polstermöbel etc, sondern spezifische Desinfektionsmittel. Deren akarizider Wirkstoff und spezielle agglomerierende und absorbierende Substanzen töten die Hausstaubmilben ab. Daneben wird der allergenhältige Feinstaub von den Fasern gelöst und abgefangen. Durch die pulverförmigen Trockenrückstände werden neben den Milben in tieferen Textilschichten auch die Tochtergenerationen erfaßt (Deutsche Apotheker Zeitung 128. Jg (1988) Nr 28).

Bei diesen Mitteln handelt es sich daher auch nicht um Gegenstände des täglichen Bedarfs, die nach der allgemeinen Verkehrsauffassung nicht zur Krankenbehandlung, sondern etwa zur Körper-, Bekleidungs- und Wohnungsreinigung und -pflege dienen, wie zB Seifen, Zahnpasten, Waschmittel und Haushaltsreiniger, und zu diesen Zwecken auch von gesunden Menschen auf ihre Kosten angeschafft werden. Es handelt sich vielmehr um Mittel, die zur Beseitigung oder Linderung einer Krankheit oder zur Sicherung des Heilerfolges dienen, die daher für gesunde Menschen nicht angeschafft werden.

Die Kosten dieser sonstigen Heilmittel sind daher nach § 64 Abs. 2 von der beklagten Versicherungsanstalt zu übernehmen, wobei nach Abs. 3 leg cit für den Bezug eines jeden Heilmittels auf Rechnung der Versicherungsanstalt eine Rezeptgebühr zu entrichten ist, die im Jahr 1988 S 24,-- betrug.

Deshalb ist das Leistungsbegehren nur hinsichtlich eines Betrages von S 965,30, das Feststellungsbegehren mit einer die Rezeptgebühr berücksichtigenden Einschränkung berechtigt. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs. 1 Z 2 lit a und Abs. 2 ASGG.

Anmerkung

E18203

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:010OBS00062.89.0606.000

Dokumentnummer

JJT_19890606_OGH0002_010OBS00062_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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