Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Melber und Dr. Kropfitsch als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ernst W***, Kaufmann, Fernkorngasse 55, 1100 Wien, vertreten durch Dr. Hans Robicsek, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei STADT WIEN, Rathaus, 1080 Wien, vertreten durch Dr. Peter Rudeck, Rechtsanwalt in Wien, wegen 445.452 S sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 15. November 1988, GZ 11 R 223/88-22, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 7. Juni 1988, GZ 54 Cg 72/87-17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 16.079,40 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin Umsatzsteuer von 2.679,90 S, keine Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 11. Dezember 1981 stürzte der Betontransporter des Klägers mit dem Kennzeichen W 744.471 in der Clessgasse im 21. Wiener Gemeindebezirk infolge Wegbrechens des Untergrundes um. Dabei wurde das Fahrzeug beschädigt.
Im vorliegenden Rechtsstreit begehrte der Kläger aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 445.452 S sA (Fahrzeugschaden, Verdienstentgang, Bergungskosten und Zahlung an die MA 48) im wesentlichen mit der Begründung, sie treffe als Wegehalter im Sinne des § 1319 a ABGB ein grobes Verschulden an dem dem Kläger entstandenen Schaden, weil sie ihre Verpflichtung, die Fahrbahn ausreichend zu verfestigen, vernachlässigt habe.
Die Beklagte wendete dem Grunde nach im wesentlichen ein, daß sie keine grobe Fahrlässigkeit zu verantworten habe. Der Schaden sei bei einer unerlaubten und widmungswidrigen Benützung des neben der Fahrbahn befindlichen Grünstreifens durch den Lenker des Betontransporters entstanden, sodaß eine Haftung der Beklagten nach § 1319 a ABGB nicht in Betracht komme. Vorsichtshalber werde ein Mitverschulden des Lenkers des Betontransporters von 75 % eingewendet, weil ihm die Gefährlichkeit des Befahrens des Grünstreifens erkennbar gewesen wäre. Auch der Höhe nach wurde das Klagebegehren bestritten.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:
Am 11. Dezember 1981 fuhr Mato G*** mit dem vollbeladenen Betontransporter des Klägers gegen 12,40 Uhr in der Clessgasse im
21. Wiener Gemeindebezirk aus Richtung Freiheitsplatz kommend in Richtung Hagenbrunnerstraße. Die Clessgasse steigt in dieser Richtung mit etwa 2 bis 3 % an und beschreibt im Unfallsbereich eine weitgezogene Linkskurve, die 50 m vor der Unfallstelle in einen gerade verlaufenden Fahrbahnteil übergeht. Südlich der Straße liegt etwa 3 m tiefer der Garten der Pfarre Stammersdorf, der dem Benediktinerstift Schotten gehört. Die nördliche Grenze dieses Gartens wurde zur Unfallszeit durch eine Begrenzungsmauer gebildet, die aus massivem Ziegelbauwerk mit Verstärkungsteilen bestand. Diese Mauer befand sich in schlechtem Zustand. Die Fahrbahn der Clessgasse besteht aus Würfelpflaster und ist an der Unfallstelle 3,3 bis 3,4 m breit. Auf der gesamten Länge der Unfallstelle (entlang des 20 m langen etwa gegenüber der Mitte der in Fahrtrichtung Ost-West gesehen rechts spitzwinkelig mit ca. 70 Grad abzweigenden Neusatzgasse endenden durch den Absturz des Betontransporters verursachten Mauereinbruchs) grenzen an die "eigentliche" Fahrbahn der Clessgasse vorerst ein asphaltierter Anschlußstreifen mit einer Breite von 0,9 m, dessen Rand zur Wiese hin geschottert ist, und an diesen anschließend ein 1 m breiter Grünstreifen an. Der Anschlußstreifen linksseitig neben der Pflasterung war zur Unfallszeit mit einer einfachen Oberflächenbefestigung versehen und mit einer etwa 1,4 kg/m2 schweren abgerieselten, zwar nicht gewalzten, aber durch die Straßenbenützung zusammengedrückten Kaltasphaltemulsion, die bereits einige Jahre alt war. Dieser Anschlußstreifen war gegenüber der Pflasterung der Clessgasse niveaugleich asphaltiert und optisch leicht von der Pflasterung zu unterscheiden. Der Asphaltrand vermittelte optisch den Eindruck einer üblichen Verbreiterung der Fahrbahn. Der neben dem asphaltierten Rand der Straße gelegene schmale (0,2 m breite) Schotterstreifen und die daran angrenzende Wiese waren für den Fahrzeuglenker leicht zu erkennen und vom gepflasterten Bereich zu unterscheiden. An der Unfallstelle bestanden keine sich auf den Verkehr mit Schwerfahrzeugen beziehende Verkehrsbeschränkungen. G*** fuhr mit dem Betontransporter des Klägers in der Clessgasse in Richtung Westen und wollte nach rechts in die Neusatzgasse abbiegen. Die Fahrbahn war trocken; es herrschten Tageslicht und gute Sichtverhältnisse. Um sich davon zu überzeugen, wie er in die Neusatzgasse abbiegen könne, hielt G*** das Fahrzeug etwa 4 m vor Beginn des Einmündungstrichters der Neusatzgasse an, da er die Unfallstelle zum ersten Mal passierte. Er stieg aus, schaute in die Neusatzgasse hinein und lenkte dann den Betontransporter etwa 10 m zurück, wobei er den Seitenabstand zum rechten Fahrbahnrand auf 40 cm erhöhte. Aus dieser Position fuhr er, ohne nach links auszuholen, etwa 3 m in den Einmündungstrichter der Neusatzgasse hinein, wobei er aber erkannte, daß ihm ein Abbiegen so nicht möglich war. G*** schob daher nochmals zurück und versuchte dann neuerlich, im ersten Gang mit einer Geschwindigkeit von etwa 7 km/h fahrend, nach links ausholend in die Neusatzgasse einzubiegen. Der Betontransporter des Klägers ist dreiachsig. Die Vorderachse ist mit einfachen Rädern, die beiden hinteren Achsen sind mit Zwillingsrädern bestückt. Die Maximallast der Vorderachse beträgt 6000 kg, die der Hinterachse 8000 kg. Am linken Vorderrad des Fahrzeuges können deshalb maximal 3000 kg an Belastung auftreten, pro Zwillingsreifen auf der Hinterachse maximal 4000 kg. Zwischen der zweiten und der dritten Achse des Fahrzeugs besteht ein Abstand von 1,34 m, sodaß der Untergrund auf diese Entfernung durch das Fahrzeug maximal mit 8000 kg belastet werden konnte. Im Zuge des Abbiegevorganges kam es dazu, daß der Betontransporter mit beiden linken hinteren Zwillingsreifen außerhalb des asphaltierten Bereichs gelangte, wobei er den Asphaltrand um mindestens 0,5 m überschritt, also nicht nur den schmalen (0,2 m breiten) Schotterstreifen befuhr, sondern mit den Zwillingsrädern zumindest 0,3 m auf die danebenliegende Wiese gelangte.
Infolge des auf der Hinterachse des Fahrzeuges lastenden Drucks gab der Untergrund nach. Der Asphalt riß auf eine Länge von etwa 20 m fast geradlinig ab. Der Betontransporter stürzte auf seine linke Seite, wobei er die Einfriedungsmauer des Pfarrgartens mitriß. Hätte das Fahrzeug den asphaltierten Bereich mit seinen Rädern nicht verlassen, dann wäre es nicht abgestürzt.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt im wesentlichen dahin, die Beklagte sei Wegehalter im Sinne des § 1319 a ABGB. Der Lenker des Betontransporters des Klägers habe widmungswidrig den neben dem Bankett liegenden Grasstreifen befahren. Eine Verpflichtung des Straßenerhalters, den neben dem Bankett befindlichen Geländestreifen so zu befestigen, daß er der Belastung durch ein Schwerfahrzeug standhalte, bestehe jedenfalls nicht, wenn schon zu Gunsten des Klägers angenommen werde, daß ausnahmsweise ein Bankett notfalls solchen Belastungen standhalten müsse.
Der gegen diese Entscheidung des Erstgerichts gerichteten Berufung des Klägers gab das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Urteil keine Folge.
Das Berufungsgericht führte, ausgehend von den unbekämpft gebliebenen Feststellungen des Erstgerichtes, rechtlich im wesentlichen aus, wenn auch - gemäß dem Standpunkt des Klägers - davon ausgegangen werde, daß der Asphaltstreifen der Fahrbahn zuzurechnen sei, dann gelte dies jedenfalls nicht mehr für den 20 cm breiten Schotterstreifen. Der Lenker des Schwerfahrzeuges des Klägers habe den Fahrbahnrand um zumindest 50 cm überschritten. Selbst wenn davon ausgegangen werde, daß das Bankett, das erkennbar nicht einem anderen Zweck als dem Straßenverkehr ausschließlich gewidmet gewesen sei, Belastungen durch Schwerfahrzeuge standzuhalten habe, soferne nicht der Straßenerhalter Warnzeichen "Bankette nicht befahrbar" angebracht habe, gelte dies keinesfalls für die angrenzenden Geländeteile. Dies hätte nämlich zur Folge, daß die technische Ausführung der Fahrbahn immer mehr verbreitert würde, wobei es nicht mehr erkennbar wäre, wo für den Straßenerhalter seine Verpflichtung, die anschließenden Geländeteile ebenso wie die Fahrbahn zu befestigen, ende. Die mangelnde Vorsorge des Straßenerhalters für eine außergewöhnliche Belastung der Fahrbahn, die durch das Verteilen des Fahrzeuggewichtes auf eine erheblich verminderte Räderzahl und dadurch auch auf eine verringerte Fläche auftrete, könne ihm keinesfalls als grobe Fahrlässigkeit angelastet werden. Die Haftungsvoraussetzungen des § 1319 a ABGB seien im vorliegenden Fall nicht erfüllt.
Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision des Klägers. Er bekämpft sie aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern. Die Beklagte hat eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag erstattet, der Revision des Klägers keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist im Hinblick auf die Höhe des Streitgegenstandes, über den das Berufungsgericht entschieden hat, ohne die im § 503 Abs 2 ZPO normierte Einschränkung der Revisionsgründe zulässig, sachlich aber nicht berechtigt. Der in der Revision vertretenen Rechtsansicht, der vom Betontransporter des Klägers befahrene Rasenstreifen sei als Bankett anzusehen, kann zunächst nicht beigetreten werden. Gemäß § 2 Abs 1 Z 6 StVO handelt es sich bei einem Straßenbankett um den seitlichen, nicht befestigten Teil einer Straße, der zwischen der Fahrbahn und dem Straßenrand liegt, soweit dieser Straßenteil nicht besonderen Zwecken vorbehalten ist. Das Bankett ist also eine Landfläche neben der Fahrbahn, die ihrer Befestigung nach nicht für schwere Kraftfahrzeuge brauchbar und für Kraftfahrzeuge und Fuhrwerke im allgemeinen nicht, wohl aber für Fußgänger geeignet ist, also ein dem Fußgängerverkehr zugänglicher Randstreifen, wobei charakteristisch die von der Fahrbahn verschiedene für jeden Verkehrsteilnehmer erkennbare Oberflächenbeschaffenheit ist (ZVR 1956/79; ZVR 1959/120; ZVR 1963/101; ZVR 1977/1; 8 Ob 123/81 ua). Ein an die Fahrbahn bzw. ein derartiges Bankett anschließender Rasenstreifen ist hingegen nicht als Bankett anzusehen (ZVR 1968/197; ZVR 1972/74; ZVR 1980/251 ua).
Der Wegehalter im Sinne des § 1319 a ABGB hat dem öffentlichen Verkehr dienende Straßen derart herzustellen und zu erhalten, daß sie von allen Verkehrsteilnehmern bei Beachtung der Straßenverkehrsvorschriften gefahrlos benützbar sind (ZVR 1980/324; SZ 55/142; ZVR 1986/134 ua). Dabei hat sich das Ausmaß der Obsorgepflicht des Wegehalters im Sinne des § 1319 a Abs 2 ABGB daran zu orientieren, was nach der Art des Weges, besonders nach seiner Widmung, für seine Anlage und Betreuung angemessen und zumutbar ist.
Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Bankett im Sinne des § 2 Abs 1 Z 6 StVO nicht für den Fahrzeugverkehr bestimmt; es darf von Kraftfahrzeugen überhaupt nicht, auch nicht zum Ausweichen, befahren werden (ZVR 1979/154 mwN; 8 Ob 123/81; 2 Ob 199/83 uva). Um so mehr gilt dies für einen neben der Fahrbahn oder neben einem Bankett befindlichen Rasenstreifen.
Daraus folgt für den vorliegenden Fall, in dem es nach den getroffenen Feststellungen nur deswegen zum Absturz des Betontransporters des Klägers kam, weil dieser den neben der Fahrbahn gelegenen Grünstreifen befuhr, daß es der Beklagten keinesfalls als grobe Fahrlässigkeit im Sinne des § 1319 a ABGB angerechnet werden kann, wenn sie nicht dafür Sorge trug, daß dieser Grünstreifen in einer solchen Weise verfestigt wurde, daß er ein Befahren durch ein Schwerfahrzeug gestattete oder daß durch eine besondere Beschilderung auf die Gefährlichkeit des Befahrens dieses Grünstreifens durch ein Schwerfahrzeug hingewiesen wurde (8 Ob 202/76). Denn bei Beachtung der Straßenverkehrsvorschriften durfte der Lenker des Betontransporters des Klägers diesen Grünstreifen, wie dargestellt, überhaupt nicht befahren. Mit Recht haben unter diesen Umständen die Vorinstanzen das Klagebegehren mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 1319 a ABGB abgewiesen.
Der Revision des Klägers muß daher ein Erfolg versagt bleiben. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E18060European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1989:0020OB00017.89.0606.000Dokumentnummer
JJT_19890606_OGH0002_0020OB00017_8900000_000