TE Vfgh Beschluss 2001/10/10 V96/99

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Veröffentlicht am 10.10.2001
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8230 Abwasser, Kanalisation

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsumfang
Verordnung der Gemeinde Liebenfels vom 15.07.99 betr Einzugsbereich der Kanalisationsanlage

Leitsatz

Zurückweisung des Individualantrags einer Abwassergenossenschaft auf teilweise Aufhebung der Festlegung des Einzugsbereichs einer Kanalisationsanlage wegen zu eng gefaßten Antragsbegehrens

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Mit ihrem auf Art139 Abs1 B-VG gestützten Antrag wendet sich die antragstellende "Abwassergenossenschaft Fachau/Waggendorf/Reidenau" gegen die Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Liebenfels vom 15. Juli 1999, mit welcher der Einzugsbereich der Kanalisationsanlage Liebenfels festgelegt wird.

2.1. Diese Verordnung hat folgenden Wortlaut:

"V E R O R D N U N G

des Gemeinderates der Gemeinde Liebenfels vom 15. Juli 1999, Zl. 713-1/1999, mit der gem. §2 des Gemeindekanalisationsgesetzes, LGBl. Nr. 18/1978, zuletzt geändert durch LGBl. Nr. 35/1999, der Einzugsbereich der Kanalisationsanlage Liebenfels, Bauabschnitte

. BA 04 - Waggendorf Mitte, Sörg

. BA 05 - Hochliebenfels, Miedling, Pflugern, Sörg

. BA 51 - Rosenbichl, Waggendorf Ost

. BA 06 - Rohnsdorf, Zweikirchen

. BA 07 - Liemberg, Gradenegg

(Kanalisationsbereich), festgelegt wird.

§1

Nachstehende geschlossene Siedlungen, welche in der Anlage (Planbezeichnung mit Maßstab 1 : 2000) ausgewiesen sind, werden als Einzugsbereich der Kanalisationsanlage Liebenfels, Bauabschnitte

04 - Waggendorf Mitte, Sörg,

05 - Hochliebenfels, Miedling, Pflugern, Sörg,

51 - Rosenbichl, Waggendorf Ost,

06 - Rohnsdorf, Zweikirchen u. 07 - Liemberg, Gradenegg

festgelegt.

§2

Diese Verordnung tritt nach Ablauf des Tages des Anschlages an der Amtstafel des Gemeindeamtes in Kraft."

Teil der Verordnung ist weiters eine planliche Darstellung von Teilen des Gemeindegebietes, in welcher der Kanalisationsbereich gelb gefärbt ist.

2.2. Mit der "Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Liebenfels vom 28. März 2000, Zl. 811-1/2000, mit der die Verordnung des Einzugbereiches der Kanalisationsanlage Liebenfels, Bauabschnitt 04 bis Bauabschnitt 07 vom 15. Juli 1999 erweitert wird", wurde die genannte Verordnung ergänzt; die Verordnung vom 28. März 2000 lautet wie folgt:

"Gemäß §2 des Gemeindekanalisationsgesetzes, LGBl. Nr. 62/1999 wird verordnet:

§1

Nachstehende Grundstücke werden in den Einzugsbereich der Kanalisationsanlage Liebenfels Bauabschnitt 04 - Waggendorf Mitte, Sörg und Bauabschnitt 51 - Rosenbichl, Waggendorf Ost aufgenommen.

Bauabschnitt 04 - Waggendorf Mitte, Sörg:

Grundstück Parz. Nr. 65, KG Rosenbichl

Grundstück Parz. Nr. 1007/2, KG Rosenbichl

Grundstück Parz. Nr. Bfl. 168, KG Rosenbichl

Grundstück Parz. Nr. 995/4, KG Rosenbichl

Bauabschnitt 51 - Rosenbichl, Waggendorf Ost:

Grundstück Parz. Nr. 970/1, KG Rosenbichl

§2

Diese Verordnung tritt nach Ablauf des Tages des Anschlages an der Amtstafel des Gemeindeamtes in Kraft."

3. Die Abwassergenossenschaft stellt den Antrag, in §1 der Verordnung vom 15. Juli 1999 (die Verordnung vom 28. März 2000 war zum Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht erlassen) die beiden Ausdrücke "Waggendorf Mitte" und "Waggendorf Ost" aufzuheben. Die Antragstellerin sei eine Wassergenossenschaft iSd Wasserrechtsgesetzes mit dem Zweck der Sammlung, Ableitung, Reinigung, Behandlung oder Beseitigung der Abwässer der Ortschaften Fachau, Waggendorf und Reidenau. Die angegriffene Verordnung mache es ihr unmöglich, ihren Zweck zu erfüllen; sie sei daher in ihren Rechten unmittelbar betroffen. Die antragstellende Genossenschaft führt weiters aus, warum sie die angegriffene Verordnung für gesetzwidrig hält.

4. Der Gemeinderat der Gemeinde Liebenfels hat eine Äußerung erstattet, in der er die Zulässigkeit des Individualantrags bestreitet, weil die Genossenschaft in keinen Rechten verletzt sein könne, weil der Anfechtungsumfang zu eng gewählt sei - die planliche Darstellung werde von der Anfechtung nicht getroffen - und weil die Verordnung vom 28. März 2000 eine Änderung des Anfechtungsgegenstandes bewirkt habe. Der Gemeinderat tritt daher für die Zurückweisung, hilfsweise für die Abweisung des Antrags ein.

Die Kärntner Landesregierung bestreitet in ihrer Äußerung mit der Sache nach gleichen Einwänden die Zulässigkeit des Antrags.

II. Der Antrag ist unzulässig:

1. Ähnlich wie bei Anträgen von Gerichten auf Aufhebung einer generellen Norm aus Anlaß von Rechtssachen, die bei ihnen anhängig sind (vgl. zB VfSlg. 6674/1972, 11455/1987), und ähnlich wie bei der Einleitung eines amtswegigen Normenprüfungsverfahrens durch den Verfassungsgerichtshof (vgl. zB VfSlg. 7376/1974, 7726/1975, 11506/1987) sind die Grenzen und ist der Umfang einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin zu prüfenden Gesetzesvorschrift bei Individualanträgen notwendig so zu bemessen, daß - bei Zutreffen der geltend gemachten Bedenken - einerseits nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird, als zur Beseitigung der zulässigerweise geltend gemachten Rechtswidrigkeit erforderlich ist (wobei der Aufhebungsantrag auch die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen erfassen muß), daß aber andererseits der verbleibende Teil keine völlige Veränderung seiner Bedeutung erfährt (VfGH 26.2.2001, G98/00). Dies gilt sinngemäß auch für Individualanträge, welche die Gesetzwidrigkeit einer Verordnung behaupten.

Diese Judikatur beruht auf dem Grundgedanken, daß ein Normenprüfungsverfahren dazu führen soll, die geltend gemachte Gesetz- bzw. Verfassungswidrigkeit - wenn sie tatsächlich vorläge - zu beseitigen.

2.1. Überträgt man diese Gedanken auf den vorliegenden Antrag, so erweist sich die Anfechtung bloß der beiden erwähnten Ausdrücke als zu eng: Nach ihrer allfälligen Aufhebung verbliebe die normative Wirkung des gelb gefärbten Bereichs in der planlichen Darstellung, die Teil der Verordnung ist. Zwar sind nach §1 der Verordnung (nur) die nachstehenden - also offenbar: die in der Folge aufgezählten - geschlossenen Siedlungen, die in der Anlage (also der planlichen Darstellung) ausgewiesen sind, Teil des Einzugsbereichs. Die Aufhebung eines Ausdrucks, der eine Siedlung bezeichnet, würde also grundsätzlich dazu führen, daß sie nicht mehr in der Aufzählung enthalten ist. Aus der planlichen Darstellung geht jedoch nicht mit hinreichender Deutlichkeit hervor, welche Gebiete jeweils welchen "geschlossenen Siedlungen" zuzuordnen sind, zumal da dieser Ausdruck, den §1 der Verordnung verwendet, nicht eindeutig ist. So stehen etwa neben einer zusammenhängenden gelben Fläche die Ausdrücke "Waggendorf West" und "Waggendorf Mitte", ohne daß erkennbar wäre, wo die Grenze zwischen beiden liegt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs (VfSlg. 11807/1988, 13911/1994, 14034/1995, 14045/1995, 14357/1995, 15237/1998; VfGH 29.6.2000, V8/99;

11.10.2000, V30/99 ua.; 27.6.2001, V47/98; 27.6.2001, V25/00;

27.6.2001, V49/01) muß der Rechtsunterworfene aber in der Lage sein, die durch ein aufhebendes Erkenntnis herbeigeführte neue Rechtslage aus der Zusammenschau von planlicher Darstellung und Aufhebungskundmachung eindeutig und unmittelbar festzustellen, also ohne etwaige technische Hilfsmittel, wie zB einen Katasterplan, heranzuziehen.

Dazu kommt, daß nach der Legende der gelb gefärbte Bereich den Kanalisationsbereich umfaßt; bei einer gedachten Aufhebung bloß einzelner Wortfolgen in §1 der Verordnung käme es also zu einem Widerspruch zwischen §1 und der planlichen Darstellung. Auch die antragstellende Genossenschaft selbst führt aus, der Eingriff in ihre Rechtssphäre sei durch die Angabe des vom Anschlußzwang betroffenen Gebietes eindeutig bestimmt, indem durch die angefochtenen Wortfolgen und die entsprechende planliche Darstellung jene Liegenschaften konkret bezeichnet würden, die im Anhang der Satzungen der Genossenschaft zur Umschreibung ihres Umfanges aufgezählt seien.

Dies zeigt, daß die einzelnen, geschlossene Siedlungen bezeichnenden Worte oder Wortfolgen in §1 der Verordnung mit den entsprechenden Teilen der planlichen Darstellung in untrennbarem Zusammenhang stehen und nicht gesondert angefochten bzw. aufgehoben werden können.

2.2. Dagegen kann auch nicht eingewandt werden, daß der Verfassungsgerichtshof mehrmals ausgeführt hat, die sogenannten Verbalbestimmungen von Flächenwidmungsplänen seien einer vom sonstigen Inhalt des Planes gesonderten Prüfung gemäß Art139 Abs1 B-VG und damit auch einer entsprechenden Antragstellung - hier:

mittels Individualantrag - zugänglich (VfSlg. 13180/1992, 13887/1994, 13918/1994, 14270/1995, 15011/1997, 15235/1998). Aus den Entscheidungen ergibt sich nämlich, daß der Zusammenhang der dort relevanten Verbalbestimmungen mit der planlichen Darstellung keineswegs so eng war wie im vorliegenden Fall. Die planliche Darstellung konnte dort nach Aufhebung einzelner Verbalbestimmungen - mit etwas verändertem Inhalt, wie dies regelmäßig die Folge einer Aufhebung ist (zB VfSlg. 6674/1972, 7376/1974, S 108) - ohne weiteres in Geltung bleiben.

3.1. Der Individualantrag war daher - als zu eng gefaßt - zurückzuweisen. Bei diesem Ergebnis brauchte nicht untersucht zu werden, ob die sonstigen Zulässigkeitserfordernisse erfüllt sind, insbesondere ob die antragstellende Genossenschaft durch die angefochtenen Verordnungsbestimmungen überhaupt in Rechten verletzt sein kann und ob der Anfechtungsgegenstand durch die Verordnung vom 28. März 2000 in einer Weise verändert worden ist, daß die Anfechtung nicht (mehr) zulässig erscheint (vgl. zB VfSlg. 15491/1999).

3.2. Dieser Beschluß konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.

Schlagworte

Kanalisation, VfGH / Individualantrag, VfGH / Prüfungsumfang

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2001:V96.1999

Dokumentnummer

JFT_09988990_99V00096_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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