TE OGH 1989/6/14 9ObA173/89

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Veröffentlicht am 14.06.1989
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Herbert Bauer und Dr. Bernhard Schwarz in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei G*** & S*** Handelsgesellschaft mbH, Linz, Eisenhandstraße 24, vertreten durch Dr. Wilfried Werbik, Rechtsanwalt in Steyr, wider die beklagte Partei Karl S***, Angestellter, Gallneukirchen,

Innertreffling 11, vertreten durch Dr. Wolfram Steinkogler, Rechtsanwalt in Linz, wegen 16.339,20 S sA, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 12. Jänner 1989, GZ 13 Ra 104/88-37, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 11. Mai 1988, GZ 15 Cga 51/88-30, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie insgesamt zu lauten haben:

"Das Klagebegehren, die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei den Betrag von 16.339,20 S samt 4 % Zinsen seit 21. November 1986 zu zahlen, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 12.383,36 S bestimmten Prozeßkosten (darin 1.408,96 S Umsatzsteuer und 1.000 S Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen."

Die klagende Partei ist weiters schuldig, der beklagten Partei die mit 4.466,40 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 494,60 S Umsatzsteuer und 1.500 S Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 20. Februar 1984 vereinbarten die Streitteile, daß der Beklagte für die klagende Partei als selbständiger Handelsvertreter tätig sein werde. Die Provision des Beklagten wurde mit 33 % des Verkaufspreises laut Preisliste festgelegt. Weiters wurde vereinbart, daß die Provision dem Beklagten nur für solche Geschäfte gebühre, die durch seine unmittelbare Mitwirkung zustande gekommen sind.

Weitere Vertragspunkte waren:

"VIII.

Die mit dem Abschluß der Geschäfte bzw. mit Zureisevermerk zu bezahlenden Standgebühren für Ausstellungen, Porto und Telefon und alle sonstigen, im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Handelsvertreters auflaufenden Kosten, mit Ausnahme der Zurverfügungstellung der Muster und der Ware, gehen ausschließlich zu Lasten des Handelsvertreters.

IX.

Die ins Verdienen gebrachten Provisionen werden mit Auslieferung der Ware an den Kunden fällig. Sollte die Ware vom Vertreter nicht direkt an den Kunden ausgeliefert werden, verpflichtet sich der Geschäftsherr, die Auslieferung umgehend und unter Einhaltung der getätigten Vereinbarungen vorzunehmen."

Mit Vereinbarung vom selben Tag übernahm der Beklagte von der klagenden Partei den LKW Mercedes Benz 306 D, Baujahr 1972, Kennzeichen L 10.529, und verpflichtete sich, sämtliche anfallenden Kosten (Treibstoff, Öl, Steuer, Strafen, Reifen, eventuell anfallende Reparaturen, sowie alle Kosten - soweit sie nicht durch die Versicherung gedeckt sind - aus Verkehrsunfällen) zu übernehmen. Weiters verpflichtete sich der Beklagte, einem Verlangen der klagenden Partei auf Rückstellung des Fahrzeuges unverzüglich nachzukommen.

Die klagende Partei gewährt Vertretern, die nicht mit einem Firmenfahrzeuge, sondern mit einem eigenen LKW arbeiten, 36 % Provision. Mit allen Vertretern, die Firmenfahrzeug benutzen, wurde vereinbart, daß sie sämtliche anfallenden Reparaturen selbst zu bezahlen haben. Die Lastkraftwagen wurden von der Firma P*** repariert. Die Reparaturen wurden entweder von den Vertretern direkt bezahlt oder von der klagenden Partei beglichen und dann den Vertretern verrechnet. Im Zeitraum Februar 1984 bis Ende Oktober 1985 bezahlte die klagende Partei die Versicherungsprämie und eine Motorreparatur des LKW. Alle übrigen Kosten wurden vom Beklagten getragen. Die Gegenleistung des Beklagten für die Beistellung des LKW war der 3 %ige Abzug von der Provision. Der Beklagte lieferte sämtliche von ihm verkauften Leitern an die Kunden aus.

In der Zeit vom 20. Februar bis 31. März 1984 erhielt der Beklagte als Handelsvertreter Provisionen von 35.504 S; von April bis Juni 1984 erhielt er ein Fixum von monatlich 10.000 S brutto zuzüglich Diäten, in der Zeit von Juli bis Dezember 1984 wieder an Provisionen 138.651 S und von Jänner bis Oktober 1985 an Provisionen

243.559 S. Die durchschnittliche Bruttoprovision im Zeitraum Juli 1984 bis Oktober 1985 betrug demnach 25.483 S monatlich und der 3 %ige Abzug monatlich brutto 2.389,03 S. In der Zeit von Juli 1984 bis Oktober 1985 wendete der Beklagte für Autoreparaturen (ohne die gegenständlichen Arbeiten) 11.400 S oder monatlich durchschnittlich 760 S auf. Unter Einbeziehung der gegenständlichen Reparaturen würde sich der durchschnittliche monatliche Reparaturaufwand auf 1.849,28 S erhöhen. Eine gesonderte Honorierung der Auslieferung der Leitern wurde nicht vereinbart; die damit verbundenen Aufwendungen waren im Provisionssatz enthalten. Die Reparatur vom 13. Februar 1985 umfaßte den Austausch und Einbau eines gebrauchten Starters und eines gebrauchten Getriebes, die Reparatur der Lichtanlage, das Einfüllen von Getriebeöl, das Spannen des Keilriemens und den Einbau eines gebrauchten Zündschlosses. Die Reparatur vom 25. Juli 1985 betraf die Erneuerung der Drehstäbe, des Umlenkhebels und der Traggelenke. Es wurden gebrauchte Traggelenke und Spurstangen eingebaut. Außerdem wurden Rostschäden behoben. Die klagende Partei begehrt die Zuerkennung eines Betrages von 16.339,20 S sA. Der Beklagte habe vereinbarungsgemäß die Aufwendungen für die Reparaturen des LKW laut Rechnungen vom 13. Februar 1985 und vom 25. Juli 1985 zu ersetzen. Eine derartige Vereinbarung sei branchenüblich. Der Beklagte habe mit dem Fahrzeug auch private Fahrten unternommen. Nach dem Vertrag sei der Beklagte zur Auslieferung der Leitern an die Kunden verpflichtet gewesen und habe dies auch getan. Diese Leistungen seien durch die Provision abgegolten worden.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die Vereinbarung über die Übernahme der Reparaturkosten durch den Beklagten sei sittenwidrig. Die klagende Partei sei zur Auslieferung der Ware an die Kunden verpflichtet gewesen. Da die klagende Partei dieser Verpflichtung nicht nachgekommen sei, habe der Beklagte die Ware selbst ausliefern und alle Kosten dafür tragen müssen. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß die Vereinbarung über die Belastung des Beklagten mit den Reparaturkosten nicht sittenwidrig sei. Der Beklagte habe sich den Kapitaleinsatz für die Anschaffung eines eigenen Fahrzeuges erspart und für die Überlassung des Fahrzeuges eine geringfügige Miete von 3 % der Provision und überdies keine Versicherungsprämie bezahlen müssen; es ergebe sich daher kein grobes Ungleichgewicht in den Vertragsbestimmungen zum Nachteil des Beklagten.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß der Handelsvertreter gemäß § 12 Abs 1 HVG für die durch den Geschäftsbetrieb entstandenen allgemeinen Kosten und Auslagen keinen Ersatz verlangen könne. Zu diesen Kosten gehörten auch die Aufwendungen für die Anschaffung und den Betrieb von Kraftfahrzeugen, die dem Handelsvertreter mit seiner Provision wie alle übrigen mit seiner Tätigkeit verbundenen allgemeinen Kosten und Auslagen abgegolten würden. Der Beklagte habe ein für die Ausübung seiner Tätigkeit notwendiges Fahrzeug zur Verfügung gestellt erhalten und habe gleichsam als Benützungsentgelt einen monatlichen Provisionsausfall von 2.389 S und durchschnittliche monatliche Reparaturkosten von 1.849 S zu tragen gehabt. Auch ohne genaue Feststellung der Höhe der üblichen Miete oder Leasingraten für einen gleichartigen LKW sei nicht anzunehmen, daß durch die Vereinbarung schutzwürdige Interessen des Beklagten wesentlich beeinträchtigt worden seien, zumal eine unredliche Vorgangsweise der klagenden Partei nicht einmal behauptet worden sei.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision des Beklagten aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinn einer gänzlichen Abweisung des Klagebegehrens abzuändern. Die klagende Partei beantragt, die außerordentliche Revision zurückzuweisen, in eventu, ihr nicht Folge zu geben. Die außerordentliche Revision ist zulässig, weil, soweit überblickbar, keine Judikatur des Obersten Gerichtshofes zu der hier entscheidungswesentlichen Rechtsfrage besteht. Von allgemeiner Bedeutung ist wohl die Frage, ob es zulässig ist, die Reparaturkosten eines für die Tätigkeit notwendigen, vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Kraftfahrzeuges auf den Arbeitnehmer oder eine arbeitnehmerähnliche Person zu überwälzen.

Die Revision ist auch berechtigt.

Gemäß § 1157 Abs 1 ABGB hat der Dienstgeber die Dienstleistungen

so zu regeln und bezüglich der von ihm beizustellenden oder

beigestellten Räume und Gerätschaften auf seine Kosten dafür zu

sorgen, daß Leben und Gesundheit des Dienstnehmers, soweit es nach

der Natur der Dienstleistungen möglich ist, geschützt werden. Läßt

nun der Arbeitgeber, wie im vorliegenden Fall, die nicht zur

gewöhnlichen Vermittlungstätigkeit (vgl. Jabornegg HVG 372) gehörige

Auslieferung der Ware von einem von ihm persönlich und

wirtschaftlich abhängigen und damit arbeitnehmerähnlichen

Handelsvertreter mit einem zur Verfügung gestellten LKW ausführen,

dann hat er dafür zu sorgen, daß der LKW in verkehrssicherem Zustand

ist (vgl. Krejci in Rummel ABGB § 1157 Rz 9 und 12). In diesem

Zusammenhang sei darauf hingewiesen, daß der Arbeitgeber selbst bei

Einsatz eines dem Arbeitnehmer gehörigen LKW diesem gemäß

§ 1014 ABGB alle mit der Ausführung der dem Arbeitnehmer

aufgetragenen gefahrgeneigten, in das Betriebsrisiko des

Arbeitgebers fallenden Tätigkeiten verbundenen arbeitsadäquaten

Sachschäden zu ersetzen hat (vgl. DRdA 1984, 32 Jabornegg =

Arb. 10.268 = SZ 56/86). Die Überwälzung der Aufwendungen für die

Reparatur eines vom Arbeitgeber für die Besorgung der Arbeit zur Verfügung gestellten, im Eigentum des Arbeitgebers verbleibenden Fahrzeuges auf den Arbeitnehmer bringt nun auch bei angemessener pauschaler Abgeltung dieser Aufwendungen im Rahmen des Entgeltes die Gefahr mit sich, daß der Arbeitnehmer an sich notwendige Reparaturen am fremden Fahrzeug nicht durchführen läßt und damit seine und die Sicherheit anderer Verkehrsteilnehmer gefährdet (vgl. zu der ähnlichen Problematik der "Anwesenheitsprämie" WBl. 1989, 62). Dem durch die vorliegende Vereinbarung geförderten Interesse des Arbeitgebers an einer möglichst schonenden Benützung des zur Verfügung gestellten Kraftfahrzeuges durch den Arbeitnehmer steht die weit schwerwiegendere Gefährdung der Sicherheit des Arbeitnehmers und der übrigen Verkehrsteilnehmer gegenüber. Der durch die vertragliche Regelung schon an sich gegebene Anreiz zum Hinausschieben von notwendigen Reparaturen an dem fremden Fahrzeug wurde im vorliegenden Fall noch durch die Verpflichtung zur jederzeitigen Rückstellung und durch das Fehlen einer Ersatzregelung für gebrauchswerterhöhende Reparaturen wesentlich verstärkt. Zieht man schließlich noch in Betracht, daß dem Beklagten ein 12 Jahre alter LKW überlassen wurde, dann ist im Hinblick auf die durch die vereinbarte uneingeschränkte Kostentragung bewirkte erhebliche Gefährdung höherwertiger Interessen des Beklagten und der Allgemeinheit die Nichtigkeit der getroffenen Vereinbarung wegen Verstosses gegen die §§ 1157 Abs 1 und 879 Abs 1 ABGB zu bejahen (siehe Krejci in Rummel ABGB § 869 Rz 55; vgl. Spielbüchler in Spielbüchler-Floretta-Strasser Arbeitsrecht I3, 144, wonach schon die Fürsorgepflicht allein der Gestaltungsmacht des Arbeitgebers Grenzen setze und ein Rückgriff auf die gute Sittenklausel nicht erforderlich sei).

Der außerordentlichen Revision war daher Folge zu geben. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO, wobei darauf hingewiesen sei, daß mit Beschluß des Berufungsgerichtes vom 9. November 1987, ON 23, die Kosten des Verfahrens erster Instanz und die des Berufungsverfahrens gemäß § 51 Abs 2 ZPO gegenseitig aufgehoben wurden.

Anmerkung

E17445

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:009OBA00173.89.0614.000

Dokumentnummer

JJT_19890614_OGH0002_009OBA00173_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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