TE OGH 1989/6/14 3Ob1013/89

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Veröffentlicht am 14.06.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hule, Dr.Warta, Dr.Egermann und Dr.Angst als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei S*** S***, Salzburg, Alter

Markt 3, vertreten durch Dr.Karl Margreiter, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die verpflichtete Partei DDr.Dipl.Ing.Josef S***, Univ.Prof. und Geschäftsführer, Salzburg, St.Julien-Straße 2, wegen S 410.894,-- sA, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der betreibenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 31.März 1989, GZ 6 R 70/89-17, womit der Beschluß des Landesgerichtes Salzburg vom 3. Februar 1989, GZ 7 Cg 470/88-9, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Oberste Gerichtshof stellt gemäß Art 140 Abs 1 B-VG den

Antrag

an den Verfassungsgerichtshof, § 302 EO als verfassungswidrig aufzuheben.

Text

Begründung:

Die betreibende Partei beantragte zur Sicherung einer Forderung von S 410.894 eine Sicherstellungsexekution durch Pfändung der der verpflichteten Partei gegen die Drittschuldnerin R*** Ö***, Bundesbaudirektion Wien für Wien, Niederösterreich und Burgenland auf Grund von für verschiedene Bundesbauten erbrachter Leistungen zustehenden Forderungen im Betrag von zusammen etwa S 290.000, und stellte den Antrag, der Drittschuldnerin aufzutragen, sich gemäß § 301 EO binnen 14 Tagen zu äußern.

Das Erstgericht bewilligte den Exekutionsantrag mit Stampiglie rot ohne Anpassung an die Sicherstellungsexekution, also mit dem unrichtigen Vorbehalt der nicht in Betracht kommenden Überweisung. Das Exekutionsgericht verfügte auch nur die Zustellung des Exekutionsbewilligungsbeschlusses. Gemäß § 301 Abs 2 EO ist daher davon auszugehen, daß das Erstgericht als "das die Pfändung bewilligende Gericht" auch den Auftrag an die Drittschuldnerin erteilt hat, sich binnen 14 Tagen iSd § 301 Abs 1 EO zu äußern. Das Gericht zweiter Instanz änderte infolge Rekurses der Drittschuldnerin den Beschluß des Erstgerichtes dahin ab, daß der Antrag der betreibenden Partei, der Drittschuldnerin eine Äußerung gemäß § 301 EO aufzutragen, abgewiesen wurde; es sprach aus, daß der Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

In ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs verweist die betreibende Partei auf die uneinheitliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zum Rechtsmittelausschluß nach § 345 Abs 1 Z 2 EO im Fall eines dem § 302 EO widersprechenden Auftrages. Sie regt an, wegen Verfassungswidrigkeit der Bestimmung des § 302 EO das Gesetzesprüfungsverfahren einzuleiten.

Der erkennende Senat teilt die Bedenken der betreibenden Partei gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 302 EO. Würde diese Bestimmung als verfassungswidrig aufgehoben, so wäre die Rechtsansicht der zweiten Instanz obsolet, daß sich der Rechtsmittelausschluß des § 345 Abs 1 Z 2 EO nicht auf unter Verletzung des § 302 EO erteilte Aufträge beziehe. Die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Lösung dieser Rechtsfrage des Verfahrensrechtes ist zwar seit vielen Jahren nicht mehr uneinheitlich (wie die zweite Instanz: SZ 31/130, RPflSlgE 1963/154 ua, zuletzt 3 Ob 24/85, 3 Ob 138/87; gegenteilig früher allerdings: Anw 1936, 234 oder SVSlg 4176). Sie könnte aber selbstverständlich nicht aufrechterhalten werden, wenn die Bestimmung des § 302 EO als verfassungswidrig aufgehoben würde. Die Prüfung der Frage, ob der Ausspruch der zweiten Instanz über die Zulässigkeit des Revisionsrekurses, an den der Oberste Gerichtshof gemäß den §§ 528 Abs 2 und 508 a Abs 1 ZPO nicht gebunden ist, zutrifft, hängt damit von der Verfassungsmäßigkeit des § 302 EO ab. Die Bedenken des erkennenden Senates stützen sich auf folgende Überlegungen:

Der sog Gleichheitsgrundsatz bindet die Vollziehung und die Gesetzgebung. Er bezieht sich nicht nur auf die in Art 7 Abs 1 B-VG oder Art 14 MRK angeführten Kriterien (Geburt, Geschlecht usw). Der Gleichheitssatz ist vielmehr ein allgemeines Gebot der "Sachlichkeit" von Gesetzen. Er verpflichtet den Gesetzgeber, an gleiche Tatbestände gleiche Rechtsfolgen zu knüpfen. Differenzierungen sind nur statthaft, wenn sie nach objektiven Unterscheidungsmerkmalen sachlich begründet sind (Walter-Mayer,Bundesverfassungsrecht6,Rz 1346, 1347, 1352, jeweils mwN).

Ein solcher sachlicher Grund, der es rechtfertigen würde, bei einer Forderungsexekution, die sich auf eine Forderung der verpflichteten Partei gegen einen der im § 302 EO angeführten Drittschuldner richtet, keinen Auftrag zur Äußerung über die Beschaffenheit der gepfändeten Forderung zuzulassen, ist nicht erkennbar:

Der Hinweis in den Erl.Bem. der Regierungsvorlage zur EO (689 BlgAH 11.Sess 566), bei der Pfändung von Forderungen gegen das Ärar ua sei für den betreibenden Gläubiger schon durch die darüber bestehenden Vorschriften die Erlangung eines Auszuges aus den Vormerkbüchern gesichert, ist schon deshalb nicht (mehr) zielführend, weil solche, den Interessenten zugängliche Vormerkbücher - soweit überschaubar - in keiner gesetzlichen Vorschrift genannt sind und in der Praxis vor allem für die privatwirtschaftlichen Tätigkeiten des "Ärars" (wie hier) nicht existieren. Kaum aufschlußreicher ist die Ansicht von Heller-Berger-Stix (EO-Komm 2178), es bestehe eine "zuverlässige Evidenz und Informationsmöglichkeit". Zwar kann etwa der Gehalt eines Beamten in manchen Fällen aus den einschlägigen Gesetzen errechnet werden. Welche Vordienstzeiten angerechnet wurden, ob Vorpfändungen bestehen, Vorschüsse einbehalten werden u.dgl. mehr, alles das kann die betreibende Partei hier aber ebenso wenig anderweitig erfahren wie bei einem nicht unter den § 302 EO fallenden Drittschuldner. Noch schwächer ist das weitere Argument von Heller-Berger-Stix (aaO 2179), es müßten der öffentlichen Hand die Mehrarbeit und die Verantwortung einer Auskunftserteilung abgenommen werden; das leuchtet wiederum bei Tätigkeiten im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung am wenigstens ein.

Die neuen Bestimmungen über die Auskunftspflicht der Verwaltungsbehörden (Art.20 Abs 4 B-VG, eingefügt durch das BGV 1989/285, Auskunftspflichtgesetz BGBl 1987/287, Auskunftspflicht-Grundsatzgesetz BGBl 1987/286) haben daran nichts geändert. Abgesehen von dem nicht besonders einfachen Verfahren fehlt es zB an einer Schadenersatzhaftung iSd § 301 Abs 3 EO. Gerade die Einführung dieser Auskunftspflichten, die mit einer Verstärkung der Bürgernähe der Verwaltung und einem Ausbau des Auskunftsrechtes der Bürger gegenüber der Verwaltung begründet wurde, macht die Bestimmung des § 302 EO zusätzlich verdächtig. Wenn die Behörde ohnedies Auskunft erteilen soll, ist es bei einer Forderungsexekution allein sachgerecht, daß sie dieser Auskunftspflicht wie alle anderen Drittschuldner auch im Wege der Erfüllung eines Auftrages nach § 301 Abs 1 EO entspricht. Entgegenstehende besondere Verschwiegenheitspflichten gem Art 20 Abs 3 erster Satz B-VG sind für den Regelfall nicht erkennbar.

Anmerkung

E17726

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0030OB01013.89.0614.000

Dokumentnummer

JJT_19890614_OGH0002_0030OB01013_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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