TE OGH 1989/6/14 9ObA128/89

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Veröffentlicht am 14.06.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith und Dr.Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Herbert Bauer und Dr.Bernhard Schwarz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gottfried H***, Angestellter, Schiefling/See 88, vertreten durch Dr.Georg Grießler, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei F*** P*** Ö***, Landesgruppe Kärnten, Klagenfurt,

Waagplatz 7, vertreten durch Dr.Manfred Haslinglehner, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen S 42.296,58 brutto sA (Revisionsstreitwert S 41.616,23 brutto sA), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 10. November 1988, GZ 7 Ra 88/88-9, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht vom 19.Juli 1988, GZ 31 Cga 133/88-4, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichtes wird dahin abgeändert, daß das Ersturteil wiederhergestellt wird.

Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit S 5.587,-- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 514,50 Umsatzsteuer und S 2.500,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war seit 1.5.1983 bei der Beklagten als Angestellter beschäftigt. Mit Schreiben vom 8.10.1987 (Beilage B) kündigte die Beklagte dieses Dienstverhältnis zum 31.12.1987 auf und teilte dem Kläger mit, daß der ihm noch zustehende Urlaub im Ausmaß von 52 Tagen während der Kündigungsfrist zu verbrauchen sei. Der Kläger antwortete mit Schreiben vom 13.10.1987 (Beilage E), daß er die Kündigung am 9.10.1987 erhalten habe und "von seinen gesetzlichen Möglichkeiten (Anfechtung durch den Betriebsrat) Gebrauch machen werde". Der zweite Absatz dieses Schreibens lautet:

"Ferner möchte ich Sie bitten, mir schriftlich mitzuteilen, wann mein letzter Arbeitstag endet, bzw mein erster Urlaubstag beginnt."

Die Beklagte antwortete mit Schreiben vom 14.10.1987 (Beilage F) ua:

"....Weiters haben wir Sie aufzufordern, den Ihnen noch zustehenden Urlaub im Ausmaß von 52 Tagen, wie im Schreiben vom 8.10.1987 detailliert, zuzüglich 10 Tagen gemäß Vereinbarung vom 19.4.1978 für das zweite und dritte Quartal 1987, beginnend mit 16.10.1987 zu konsumieren.

Sohin ist Ihr letzter Arbeitstag der 15.10.1987."

Der Kläger antwortete mit Schreiben vom 20.10.1987 (Beilage G):

"....

2./ Nach österreichischem Recht bedarf der Urlaubsantritt einer Vereinbarung zwischen Dienstgeber und Dienstnehmer. Ich bin zur Zeit nicht gewillt, meinen Urlaub anzutreten. Die einseitige Aufforderung in Urlaub zu gehen, ist rechtsunwirksam. Sollten Sie aber die Absicht haben, mich dienstfrei zu stellen, so ersuche ich Sie, mir dies schriftlich mit genauen Datumsangaben mitzuteilen. Bis zum Erhalt einer solchen Nachricht werde ich meinen Dienst weiter versehen.

Die mir am 19.10.1987 zugekommene Mitteilung, daß mein letzter Arbeitstag der 15.10.1987 sei, kann ich daher nur zur Kenntnis nehmen, wenn Sie mir eine ausdrückliche schriftliche Dienstfreistellung übermitteln."

Der Kläger bringt vor, er habe insgesamt 77 Tage unverbrauchten Urlaub. Von der ihm insgesamt zustehenden Urlaubsentschädigung von S 51.930,58 habe die Beklagte nur S 9.436,-- gezahlt. Eine Vereinbarung über den Urlaubsverbrauch in der Kündigungsfrist sei nicht zustandegekommen. Der Kläger begehrt daher zuletzt von der Beklagten (infolge eines geringfügigen Rechenfehlers nur) S 42.296,58 brutto sA.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, daß der Kläger selbst ersucht habe, ihm seinen letzten Arbeitstag und seinen ersten Urlaubstag mitzuteilen. Soweit der Kläger durch eine untergeordnete Organisationseinheit der Beklagten veranlaßt worden sei, zwischen 16.10. und 31.12.1987 für die Beklagte zu arbeiten, sei dies gegen ihren Willen geschehen. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und traf folgende weitere wesentliche Feststellungen:

Mit Schreiben vom 14.10.1987 (Beilage K) setzte der Beklagte auch den (unmittelbaren Vorgesetzten des Klägers), Bezirksparteiobmann Dr.Mario F***-B***, davon in Kenntnis, daß sie das Dienstverhältnis des Klägers aufgekündigt und ihn aufgefordert habe, den noch zustehenden Resturlaub beginnend mit 16.10.1987 zu verbrauchen. Die Landesleitung der Beklagten untersage eine weitere Tätigkeit des Klägers in der Zeit zwischen 16.10. und 31.12.1987 ausdrücklich. Dr.Mario F***-B*** erwiderte mit Schreiben vom 28.10.1987 (Beilage 1), daß er den Inhalt des Schreibens vom 14.10.1987 nicht zur Kenntnis nehme und daß der Kläger seine Tätigkeit als Bezirksgeschäftsführer auch weiterhin ausüben werde. Die Beklagte antwortete mit Schreiben vom 30.10.1987 (Beilage I), daß der Kläger ihr Angestellter sei und daher Weisungen der Landesgeschäftsstelle zu befolgen habe.

Weder bei einem Telefonat (zwischen 20. und 25.10.1987) noch sonst kam es zwischen dem Kläger und der Beklagten zu einer Vereinbarung über den Antritt des Urlaubs des Klägers am 16.10.1987. Der Kläger versah weiterhin - bis zum Jahresende 1987 - seinen Dienst in der Bezirksparteileitung. Er hatte am 15.10.1987 insgesamt noch 77 Werktage Urlaub, woraus sich ein Restanspruch von S 42.494,58 ergibt.

Das Erstgericht war der Ansicht, daß dem Kläger die restliche Urlaubsentschädigung gemäß § 9 Abs 1 Z 3 UrlG gebühre, weil das Arbeitsverhältnis nach Entstehung des Urlaubsanspruchs, jedoch vor Verbrauch des Urlaubs durch Kündigung des Arbeitgebers geendet habe und die Kündigungsfrist weniger als drei Monate, nämlich gemäß § 20 Abs 2 AngG zwei Monate betragen habe. Da der Kläger mit der Beklagten über den Urlaubsantritt in der Kündigungsfrist keine Vereinbarung getroffen habe, sei die Zumutbarkeit des Urlaubsverbrauches in dieser Zeit nicht zu prüfen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten teilweise Folge. Es bestätigte das Ersturteil im Umfang eines Betrages von S 680,35 brutto sA (Berechnungsdifferenz bezüglich des während der Kündigungsfrist nicht mehr verbrauchbaren Resturlaubs) und wies das Mehrbegehren von S 41.616,23 brutto sA ab.

Das Berufungsgericht übernahm den vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt, sah aber im Kündigungsschreiben der Beklagten ein Anbot an den Kläger, seinen Urlaub während der Kündigungsfrist zu verbrauchen; dieses Anbot habe der Kläger, ohne das angegebene Urlaubsausmaß zu dieser Zeit auch nur in Zweifel zu ziehen, mit seinem Schreiben vom 13.10.1987 angenommen. Die Beklagte habe das Schreiben des Klägers dahin verstehen dürfen, daß er mit dem Verbrauch des Urlaubs während der Kündigungsfrist einverstanden sei und es auch tatsächlich so verstanden. Diese Vereinbarung habe der Kläger in der Folge nicht mehr einseitig widerrufen können. Die gleichzeitige Mitteilung des Klägers, die Kündigung anzufechten, schließe das Zustandekommen einer Urlaubsvereinbarung nicht aus. Der Kläger bekämpft den abweisenden Teil des Urteiles des Berufungsgerichtes mit Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und beantragt, das Ersturteil wiederherzustellen. Die Beklagte beantragt, der Revision des Klägers nicht Folge zugeben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Gemäß § 4 Abs 1 UrlG ist der Zeitpunkt des Urlaubsantrittes (und der Dauer des Urlaubs) zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer unter Rücksichtnahme auf die Erfordernisse des Betriebes und die Erholungsmöglichkeiten des Arbeitnehmers zu vereinbaren. § 4 Abs 1 UrlG gilt auch für einen Urlaubsverbrauch während der Kündigungsfrist (Arb 10.332). Der Abschluß einer solchen Urlaubsvereinbarung bedarf einer übereinstimmenden Willenserklärung von Arbeitgeber und Arbeitnehmer über den Beginn und das Ende des Erholungsurlaubes; diese Erklärung kann ausdrücklich aber auch schlüssig erfolgen (Klein-Martinek, Urlaubsrecht 65; Cerny, Urlaubsrecht4,63). Wie der Revisionswerber zutreffend ausführt, kommt aber eine schlüssige Urlaubsvereinbarung nur durch solche Handlungen (Erklärungen) zustande, die mit Überlegung aller Umstände keinen vernünftigen Grund, daran zu zweifeln, übrig lassen (§ 863 ABGB).

Im Gegensatz zur Ansicht des Berufungsgerichtes ist eine solche schlüssige Urlaubsvereinbarung zwischen den Streitteilen nicht zustandegekommen. Die an den Kläger im Kündigungsschreiben im Ton einer (einseitigen) Dienstgeberweisung gerichtete Aufforderung, er habe den ihm noch zustehenden Resturlaub während der Kündigungsfrist zu konsumieren, war kein bestimmtes Anbot zum Abschluß einer Beginn und Ende des Erholungsurlaubes festlegenden Urlaubsvereinbarung. Mangels Bestimmtheit der Aufforderung konnte die Beklagte die Antwort des Klägers, ihm schriftlich mitzuteilen, wann sein letzter Arbeitstag ende und sein erster Urlaubstag beginne, nicht als Zustimmung zum Abschluß einer von ihr vorgeschlagenen Urlaubsvereinbarung auffassen. Die Beklagte durfte schon auf Grund der Ankündigung des Klägers, daß er die Kündigung anfechten werde, seine Anfrage, wann nun eigentlich sein erster Urlaubstag beginne, nicht als Zustimmung zum Abschluß einer Urlaubsvereinbarung, sondern nur als Ersuchen um Klarstellung der Aufforderung der Beklagten zum Urlaubsverbrauch während der Kündigungsfrist verstehen. Die Annnahme des Berufungsgerichts, die Beklagte habe das Schreiben des Klägers vom 13.10.1987 tatsächlich als Zustimmung zum Verbrauch des Urlaubs in der Kündigungsfrist verstanden, ist aktenwidrig. Die Diktion ihres Antwortschreibens ("weiters haben wir Sie aufzufordern, den Ihnen noch zustehenden Urlaub beginnend mit 16.10.1987 zu konsumieren") spricht dagegen, daß sie schon von einem Konsens des Klägers ausgegangen ist. Ihr Antwortschreiben zeigt deutlich, daß sie dem Kläger nunmehr eine durch die Angabe des Zeitpunktes des Urlaubsantrittes und der Dauer des Urlaubs präzisierte einseitige Weisung erteilen wollte. Es ist zwar für das Zustandekommen eines Konsenses durch Anbot und Annahme nichtnotwendig, daß der Offerent seinen Antrag in die Form eines höflichen Ersuchens (bzw eines Vorschlages oder einer Bitte) kleidet. Auch durch die Zustimmung zu einer angemaßten Weisung bzw durch deren Befolgung kann unter Umständen ein Vertrag zustandekommen, doch war dies im vorliegenden Fall schon deshalb nicht möglich, weil die Beklagte erst mit Schreiben vom 14.10.1987 ihre Vorstellungen über den Urlaubsverbrauch des Klägers genau festgelegt hat. Diesem Schreiben hat aber der Kläger mit dem weiteren Schreiben vom 20.10.1987 unverzüglich widersprochen. Da das Erstgericht überdies festgestellt hat, daß es auch mündlich (telefonisch) zu keiner Vereinbarung über den Urlaubsantritt gekommen ist, steht dem Kläger gemäß § 9 Abs 1 Z 3 UrlG die begehrte Urlaubsentschädigung zu. Er hat über den Verbrauch seines Urlaubs keine Vereinbarung getroffen und diesen auch nicht verbraucht. Da das Arbeitsverhältnis nach Entstehung des Urlaubsanspruches, jedoch vor Verbrauch des Urlaubes endete und die Kündigungsfrist weniger als drei Monate beträgt, gebührt ihm eine Entschädigung in der Höhe des noch ausstehenden Urlaubsentgelts. Darauf, ob der Urlaub während der Kündigungsfrist verbraucht werden konnte oder dem Kläger der Urlaubsverbrauch während der Kündigungsfrist nicht zumutbar war, kommt es nicht an, weil die Kündigungsfrist nicht mindestens drei Monate betragen hat (§ 9 Abs 1 Z 4 UrlG).

Der Revision ist daher Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Im Berufungsverfahren hat der Kläger Kosten nicht verzeichnet.

Anmerkung

E18007

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:009OBA00128.89.0614.000

Dokumentnummer

JJT_19890614_OGH0002_009OBA00128_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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