TE Vwgh Erkenntnis 2005/10/20 2004/06/0162

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Veröffentlicht am 20.10.2005
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Index

L37158 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Vorarlberg;
L81708 Baulärm Vorarlberg;
L82008 Bauordnung Vorarlberg;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §8;
BauG Vlbg 2001 §26 Abs1;
BauG Vlbg 2001 §28 Abs3;
BauG Vlbg 2001 §31 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2004/06/0163

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fritz, über die Beschwerde 1. des Dr. RW in W, vertreten durch Dr. Christoph Schneider, Rechtsanwalt in 6700 Bludenz, Bahnhofstraße 8a (diese Beschwerde ist protokolliert zu Zl. 2004/06/0162) und über die Beschwerde 2. der EJ, 3. der HE,

4. des HH, 5. des Mag. H-PL, 6. des AP, 7. des Dr. TG, 8. der Dr. GM und 9. der Dr. SZ, die letzteren alle - außer dem Sechstbeschwerdeführer - in B, der Sechstbeschwerdeführer in T, die letzteren alle vertreten durch Dr. Clement Achammer, Mag. Martin Mennel, Dr. Rainer Welte, Mag. Clemens Achammer und Dr. Thomas Kaufmann, Rechtsanwälte in 6800 Feldkirch, Schloßgraben 10 (die Beschwerde der Zweit- bis Neuntbeschwerdeführer ist protokolliert zu Zl. 2004/06/0163), gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bludenz vom 31. August 2004, Zl. BHBL-I-4102.03-2003/0011, betreffend Verlängerung der Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien: 1. BW VermietungsgesmbH & Co KG in L, und 2. Stadt B, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Vorarlberg hat dem Erstbeschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20, weiters den Zweit- bis Neuntbeschwerdeführern zusammen ebenfalls Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren des Erstbeschwerdeführers wird abgewiesen.

Begründung

Zur Vorgeschichte kann auf die hg. Erkenntnisse vom 3. September 1998, Zl. 98/06/0009, und vom heutigen Tag, Zlen. 2004/06/0070, 2004/06/0072, verwiesen werden. Das Beschwerdeverfahren Zl. 98/06/0009 betraf die der Erstmitbeteiligten letztlich mit dem Berufungsbescheid der Berufungskommission der mitbeteiligten Stadt vom 5. Februar 1997 erteilte baurechtliche Bewilligung für die Errichtung eines Einkaufszentrums auf näher angeführten Liegenschaften in der KG B. Die Beschwerde gegen den abweisenden Vorstellungsbescheid der belangten Behörde vom 23. Mai 1997 wies der Verwaltungsgerichtshof mit dem angeführten hg. Erkenntnis vom 3. September 1998 als unbegründet ab.

Die zu den Zlen. 2004/06/0070, 2004/06/0072 protokollierten Beschwerdeverfahren betreffen die Verlängerung der Wirksamkeit dieser Baubewilligung um zwei Jahre bis zum 25. Februar 2003. Der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadt gewährte mit Bescheid vom 29. Jänner 2003 diese beantragte Verlängerung der Wirksamkeit der Baubewilligung. Die dagegen erhobenen Berufungen des Erstbeschwerdeführers bzw. der Zweit- bis Neuntbeschwerdeführer wies die Berufungskommission der mitbeteiligten Stadt mit den Bescheiden vom 13. August 2003 als unzulässig zurück bzw. teils als unzulässig zurück und teils ab. In diesem Verlängerungsverfahren erging letztlich der abweisende Vorstellungsbescheid der belangten Behörde vom 19. März 2004. Dieser Bescheid wurde mit dem hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zlen. 2004/06/0070, 2004/06/0072, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Die Aufhebung begründete der Verwaltungsgerichtshof damit, dass den Beschwerdeführern als Nachbarn nicht nur im Hinblick auf die in § 31 Abs. 2 BauG 2001 bezogenen Versagungsgründe gemäß § 28 Abs. 3 BauG 2001 ein Mitspracherecht im Rahmen der Nachbarrechte gemäß § 26 Abs. 1 BauG 2001 zukommt, sondern auch ein Mitsprachrecht betreffend die weiteren Kriterien der Verlängerung (u.a. Baubeginn, Unterbrechung der Bautätigkeit, einzuhaltende Fristen), weil ihre Rechtssphäre unmittelbar durch die Verlängerung berührt wird. Überdies erkannte es der Verwaltungsgerichtshof als eine Rechtswidrigkeit des Inhaltes, dass die belangte Behörde zu Unrecht § 36 Abs. 2 BauG 1972 und nicht § 31 Abs. 2 BauG 2001 angewendet hat. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Beschwerdeführer bei Anwendung des § 31 Abs. 2 BauG 2001 im Hinblick auf die Versagungsgründe, die nach dieser Bestimmung nicht mehr auf die in der Zwischenzeit eingetretenen Versagungsgründe eingeschränkt seien, ein weiter gehendes Vorbringen erstattet hätten.

Mit Eingabe vom 20. Februar 2003, eingegangen beim Amt der Stadt Bludenz am 24. Februar 2003, hat die Erstmitbeteiligte neuerlich beantragt, die Wirksamkeit der Baubewilligung vom 31. März 1995 in der Fassung des Bescheides vom 5. Februar 1997 um drei Jahre bis zum 25. Februar 2006 zu verlängern, in eventu die Wirksamkeit der Baubewilligung um eine kürzere Frist zu verlängern.

Mit Bescheid vom 13. Februar 2004 hat der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadt die Wirksamkeit der Baubewilligung um drei Jahre bis zum 25. Februar 2006 verlängert. Betreffend die Einwendungen der Beschwerdeführer nahm der Bürgermeister wie im vorangegangenem Verlängerungsverfahren an, dass den Beschwerdeführern nur in Bezug auf mittlerweile eingetretene Versagungsgründe, soweit dadurch ein Nachbarrecht gemäß § 26 Abs. 1 BauG 2001 berührt sei, ein Mitsprachrecht zukomme. Die Frage von Auswirkungen des Bauvorhabens auf die Rechte der Nachbarn sei im Bewilligungsverfahren sorgfältig und ausreichend geprüft worden, in der Zwischenzeit seien keine Umstände eingetreten, die eine Änderung des Baubewilligungsbescheides erforderlich machten. Über die Vorbringen der Beschwerdeführer als Nachbarn sei daher mangels Parteistellung nicht gesondert abgesprochen worden.

Die dagegen erhobenen Berufungen des Erstbeschwerdeführers bzw. der Zweit- bis Neuntbeschwerdeführer hat die Berufungskommission der mitbeteiligten Stadt vom 24. März 2004 als unbegründet abgewiesen bzw. als unzulässig zurückgewiesen.

Die dagegen erhobenen Vorstellungen des Erstbeschwerdeführers bzw. der Zweit- bis Neuntbeschwerdeführer wurden in Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen. Diese Entscheidung wurde insbesondere damit begründet, dass der Bauwerber einen Rechtsanspruch auf die Verlängerung der Baubewilligung habe, sofern zwischenzeitlich kein Versagungsgrund eingetreten sei. Vom Zeitpunkt der Entscheidung über den Verlängerungsantrag könne die Bewilligung bzw. Versagung der Verlängerung daher nicht abhängig gemacht werden.

Auf Grund der vorgelegten Unterlagen ergebe sich, dass der Baubeginn mit der Erstellung des Fundamentes für die Stützmauer des Treppenhauses am 2. Februar 1999 anzunehmen sei. Die Ansicht der Baubehörde, dass mit der Entfernung des Schalungsmateriales am 25. Februar 1999 die Bautätigkeit vorläufig beendet worden sei, erscheine der belangten Behörde schlüssig, da eine Entfernung von Schalungsmaterial tatsächlich den Arbeitsvorgang einer Betonierung beende und ein zeitlicher Nahebezug (lediglich drei Wochen) zwischen der Erstellung des Fundamentes und der Entfernung des Schalungsmateriales bestehe. Betreffend die rechtliche Beurteilung des Baubeginnes und der Bauunterbrechung könne eine Verletzung von Rechten der Beschwerdeführer nicht erkannt werden.

Die Lärmentwicklung auf der Straße hänge nicht unmittelbar mit der konsensgemäßen Benützung der Baulichkeit zusammen, werde sie auch vom Betrieb ausgelöst, und sei daher nicht Gegenstand des baubehördlichen Bewilligungsverfahrens (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 17. Jänner 1984, Zl. 83/05/0049, VwSlg. Nr. 11.291/A - nur der Rechtssatz veröffentlicht). Die Einwendung der im Bereich des Bauvorhabens nunmehr gegebenen erhöhten Lärmbelästigung und der erhöhten Luftschadstoffemissionen durch den motorisierten Individualverkehr stelle daher keine im Bauverfahren zulässige Einwendung dar, weshalb diese Einwendung zurückzuweisen gewesen sei.

Zur beantragten ergänzenden Einholung eines geologischen Gutachtens, auf Grund dessen neue Maßnahmen zur Sicherung der Baugrube hätten vorgeschrieben werden müssen, wurde ausgeführt, dass auf Grund mehrerer geologischer Gutachten die Auflage Pkt. 25 des Baubewilligungsbescheides mit dem Berufungsbescheid vom 5. Februar 1997 abgeändert worden sei, wonach für die Ausführung und Schließung der Baugrube die Ausarbeitung eines Sicherheits-, Kontroll- und Überwachungskonzeptes vorgesehen sei, das von einem staatlich befugten und beeideten Fachmann auf dem Gebiete der Statik bzw. der Geologie zu überprüfen und der Baubehörde vor Baubeginn vorzulegen sei (lit. a der Auflage 25.). Pkt. 25 lit. b schreibe vor, dass die Ausführung und Schließung der Baugrube in konkreten Bauetappen darzulegen und die für die jeweilige Bauetappe notwendigen Maßnahmen vor deren Durchführung von einem staatlich befugten und beeideten Fachmann aus dem Gebiet der Statik und Geologie prüfen zu lassen seien. Der Baubehörde seien geprüfte Unterlagen vor Durchführung der Maßnahmen vorzulegen. Pkt. 25 lit. c betreffe die Zahl, Stärke sowie Ausbildung der Sprießlagen, die von einem staatlich befugten und beeideten Fachmann aus dem Gebiet der Statik und Geologie zu berechnen seien. Schließlich enthalte Pkt. 25 lit. d Anordnungen betreffend die Art, Zahl und Lage von geodätischen Messkontrollen, Inklinometern und Druckmessdosen. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes seien weitere Beweisanträge nicht mehr zu berücksichtigen, wenn sich die Behörde auf Grund der vorliegenden Beweise ein klares Bild über die maßgebenden Sachverhaltsmomente machen konnte. Hinsichtlich der Frage der Beschaffenheit des Baugrundstückes und der diesbezüglichen Baugrubensicherung hätte der im § 28 Abs. 2 BauG 2001 angeführten Voraussetzung, wonach dem Bauvorhaben öffentliche Interessen der Sicherheit nicht entgegenstehen dürften, durch die Anordnungen in der Auflage Pkt. 25 der Baubewilligung Rechnung getragen werden können.

In den dagegen erhobenen Beschwerden wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat im Beschwerdeverfahren zu Zl. 2004/06/0162 die Verwaltungsakten vorgelegt und in beiden Beschwerdeverfahren eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde (zu Zl. 2004/06/0163 nur Kosten betreffend Schriftsatzaufwand) erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Das Beschwerdevorbringen deckt sich weitgehend mit den zu Zlen. 2004/06/0070, 2004/06/0072 erhobenen Beschwerden.

Die Beschwerdeführer machen auch in den vorliegenden Beschwerden geltend, dass ihnen zu Unrecht im Hinblick auf die Frage des Baubeginnes und der Einhaltung der Fristen gemäß § 31 Abs. 2 BauG 2001 kein Mitspracherecht eingeräumt wurde. Diesem Vorbringen der Beschwerdeführer kommt auch in den vorliegenden Beschwerdeverfahren Berechtigung zu. Es kann in diesem Zusammenhang gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die diesbezüglichen Ausführungen betreffend den Umfang des Mitspracherechtes von Nachbarn im Verlängerungsverfahren im hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zlen. 2004/06/0070, 2004/06/0072, verwiesen werden. Der Umstand, dass die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung über die Vorstellungen des Erstbeschwerdeführers bzw. der Zweit- bis Neuntbeschwerdeführer auf ihr gesamtes Vorbringen inhaltlich eingegangen ist, ändert nichts daran, dass die Behörden im gemeindebehördlichen Verfahren zu Unrecht von der im erstinstanzlichen Bescheid vertretenen, in der Entscheidung wiedergegebenen eingeschränkten Parteistellung der Beschwerdeführer im Verlängerungsverfahren ausgegangen sind. Auf Grund ihrer unzutreffenden Auffassung war die Behörde erster Instanz auf das diesbezügliche Vorbringen gar nicht eingegangen; die Berufungsbehörde hat das Vorbringen der Beschwerdeführer zu Unrecht zurückgewiesen, wodurch die Beschwerdeführer jedenfalls in Rechten verletzt wurden.

Soweit der Erstbeschwerdeführer bzw. die Zweit- bis Neuntbeschwerdeführer betreffend die Frage des Baubeginnes, des Bauendes bzw. betreffend den Zeitpunkt der Erlassung eines Verlängerungsbescheides dieselben Rechtsfragen aufwerfen, die bereits im hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zlen. 2004/06/0070, 2004/06/0072, behandelt wurden, kann gemäß § 43 Abs. 2 VwGG gleichfalls auf dieses Erkenntnis verwiesen werden.

Sofern der Erstbeschwerdeführer Bedenken im Hinblick auf die Baugrubensicherung erhebt, ist er auf die durch den Bescheid der Berufungskommission der mitbeteiligten Stadt vom 5. Februar 1997 in dieser Hinsicht umfangreich erteilten Anordnungen in Auflage 25, deren Inhalt in der wiedergegebenen Begründung des angefochtenen Bescheides aufgezeigt wurde, zu verweisen. Der Erstbeschwerdeführer begründet nicht, warum im Hinblick auf diese Auflage in der rechtskräftig gewordenen Baubewilligung von einer nicht ausreichenden Baugrubensicherung zur Durchführung des verfahrensgegenständlichen Bauvorhabens auszugehen sei. Es konnte daher dahingestellt bleiben, ob ihm überhaupt diesbezüglich ein Nachbarrecht gemäß § 26 Abs. 1 BauG 2001 zusteht.

Wenn die Zweit- bis Neuntbeschwerdeführer weiters meinen, die Behörde müsse sämtliche Versagungsgründe gemäß § 28 Abs. 3 leg. cit. von Amts wegen prüfen, ist dies zwar zutreffend, es kommt ihnen als Nachbarn aber auf die amtswegige Überprüfung von Versagungsgründen gemäß § 28 Abs. 3 leg. cit. kein Mitspracherecht zu. Wie dies in dem bereits angeführten hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zlen. 2004/06/0070, 2004/06/0072, dargelegt wurde, steht Nachbarn im Verlängerungsverfahren in Bezug auf die Versagungsgründe gemäß § 28 Abs. 3 BauG 2001 nur insoweit ein Mitspracherecht zu, als sie dadurch in Nachbarrechten gemäß § 26 Abs. 1 BauG 2001 berührt sein können, wobei derartige Versagungsgründe von ihnen im Verfahren auch entsprechend geltend gemacht werden müssen.

Der angefochtene Bescheid wird aus dem eingangs der Begründung aufgezeigten Grund wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufgehoben.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Das Mehrbegehren des Erstbeschwerdeführers war im Hinblick auf den in der Verordnung für Schriftsatzaufwand vorgesehenen Pauschalbetrag, der auch Umsatzsteuer umfasst, abzuweisen.

Wien, am 20. Oktober 2005

Schlagworte

Baurecht Nachbar Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2004060162.X00

Im RIS seit

16.11.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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