TE OGH 1989/6/15 7Ob613/89

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Veröffentlicht am 15.06.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz, Dr.Warta, Dr.Egermann und Dr.Niederreiter als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef R***, Landwirt, Statzendorf, Kuffern Nr.70, vertreten durch Dr.Eduard Pranz ua., Rechtsanwälte in St.Pölten, wider die beklagten Parteien 1.) Hermann E***, Landwirt, und

2.) Margarete E***, Landwirtin, beide Statzendorf, Kuffern Nr.19, vertreten durch Dr.Hans Kaska, Rechtsanwalt in St.Pölten, wegen Unterlassung und Feststellung (Streitwert 30.000 S) infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes St.Pölten als Berufungsgerichtes vom 12.Juli 1988, GZ R 364/88-21, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Herzogenburg vom 17.Februar 1988, 1 C 1001/87-15, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die Eltern des Klägers, Josef und Anna R***, waren Eigentümer der Liegenschaft EZ 30 KG Kuffern, zu deren Gutsbestand auch die Grundstücke Nr.45 Garten und Nr.107 Acker gehörten. Mit Übergabsvertrag vom 6.Juni 1962 haben sie die Liegenschaft dem Kläger auf den Todesfall übertragen und ihm das sofortige unentgeltliche Benützungsrecht an einem Teil des Grundstückes 45 eingeräumt. Das Grundstück 107 haben sie von der Übergabe ausgenommen und sich diesbezüglich das freie Eigentum vorbehalten. Im Übergabsvertrag nahmen die Übergeber zur Kenntnis, daß sie die Vertragsliegenschaften von nun an weder belasten noch veräußern dürfen. Diesbezüglich ist das Belastungs- und Veräußerungsverbot im Sinne des § 364 c ABGB grundbücherlich zugunsten des Klägers eingetragen.

Am 13.Juni 1984 haben Josef und Anna R*** das Grundstück Nr.107 je zur Hälfte den beiden Beklagten übergeben. In dem diesbezüglichen Vertrag wurde festgestellt, daß das Übergabsobjekt keine eigene Zufahrt zum öffentlichen Gut besitzt. Da die Übergeber jedoch Eigentümer des Grundstückes 45 derselben Katastralgemeinde waren und über dieses Grundstück ein Weg zum öffentlichen Gut verläuft, wurde den Beklagten das Recht eingeräumt, über diesen Weg zu gehen und Wirtschaftsfuhren aller Art zu befördern. Die Übernehmer nahmen jedoch zur Kenntnis, daß diese Dienstbarkeit ob dem dienenden Grundstück grundbücherlich nicht einverleibt werden könne. Es war ihnen das Belastungs- und Veräußerungsverbot auf dem Grundstück Nr.45 bekannt. Aus diesem Grunde konnte eine Eintragung eines Servitutsweges im Grundbuch nicht erfolgen.

Unbestritten ist, daß der Vater des Klägers verstorben ist und daß die Mutter schon zu Lebzeiten die im Übergabsvertrag auf den Todesfall beschriebenen Grundstücke übergeben hat.

Das Erstgericht hat antragsgemäß die Beklagten schuldig erkannt, jede Benützung des Grundstückes Nr.45/1 Garten KG Kuffern, insbesondere durch Gehen und Fahren mit Wirtschaftsfuhren aller Art über dieses Grundstück, zu unterlassen und ferner festgestellt, daß den Beklagten und allen ihren Rechtsnachfolgern im Besitz des Grundstückes Nr.107 KG Kuffern eine Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens mit Wirtschaftsfuhren aller Art über das dem Kläger gehörige Grundstück Nr.45/1 nicht zustehe. Es verwies hiebei auf das festgestellte Veräußerungs- und Belastungsverbot sowie auf den Umstand, daß den Beklagten bei Erwerb ihrer Liegenschaft dieses Veräußerungs- und Belastungsverbot bekannt gewesen sei. Das Berufungsgericht hat die erstgerichtliche Entscheidung unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben und hiebei im wesentlichen ausgeführt, bei Übereignung einer von zwei Liegenschaften desselben Eigentümers, von denen eine offenkundig der anderen diene und auch weiterhin dienen soll, entstehe auch ohne Verbücherung eine Dienstbarkeit. Hätte daher tatsächlich der strittige Weg bei Abschluß des Übergabsvertrages mit dem Kläger offenkundig dem von diesem Vertrag ausgenommen und nunmehr den Beklagten übergebenen Grundstück gedient, so müsse der Kläger die bei der Übergabe an ihn entstandene Dienstbarkeit auch im Verhältnis zu den Beklagten gelten lassen. Das vereinbarte Belastungs- und Veräußerungsverbot stünde dem nicht entgegen. Es wäre daher zu prüfen, ob die von den Beklagten behauptete Wegegerechtigkeit im Zeitpunkt der Übereignung des dienenden Grundstückes offenkundig gewesen sei, ob also zu diesem Zeitpunkt Anlagen vorhanden gewesen seien, die diesen Zweck des Dienens als offenkundig erkennen ließen. Wäre dies nicht der Fall und hätte der Kläger zu diesem Zeitpunkt auch sonst keine Kenntnis vom Bestand dieser Dienstbarkeit gehabt bzw haben können, so hätte er gemäß § 1500 ABGB die EZ 30 gutgläubig, das heißt ohne die außerbücherliche Dienstbarkeit, erworben.

Rechtliche Beurteilung

Der vom Kläger gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes erhobene Rekurs ist nicht gerechtfertigt.

Richtig hat das Berufungsgericht erkannt, daß nach der nunmehr herrschenden und einheitlichen Rechtsprechung und Judikatur (siehe die vom Berufungsgericht zitierten Belegstellen, insbesondere SZ 57/38) bei Übereignung einer von zwei Liegenschaften desselben Eigentümers, von welchen eine offenkundig der anderen dient und weiterhin dienen soll, auch ohne Verbücherung eine Dienstbarkeit entsteht, wobei die Dienstbarkeit nicht nur für den Erwerber des herrschenden, sondern auch für den Veräußerer des dienenden Grundstückes begründet wird. Schon der durch den Übertragungsakt tatsächlich geschaffene Zustand hat das Entstehen einer Dienstbarkeit zur Folge, weil, wenn das herrschende oder das dienende Grundstück veräußert wird, im Zweifelsfall anzunehmen ist, daß ein bestehender Zustand aufrecht bleiben und demnach die Eigentümerbefugnis als Grunddienstbarkeit fortbestehen soll. Zum Ausschluß des gutgläubigen Erwerbes eines Dritten muß aber in jedem Einzelfall geprüft werden, ob im Zeitpunkt der Übereignung des dienenden Grundstücks Anlagen vorhanden waren, die diesen Zweck des Dienens als offenkundig erkennen lassen.

Die aufgezeigte Lehre und Judikatur stellt also eine Auslegungsregel dar. Selbstverständlich können die Parteien eines Vertrages etwas anderes ausdrücklich oder schlüssig vereinbaren. Es wäre daher denkbar, daß ungeachtet des Bestehens von Anlagen, die das zurückbehaltene Grundstück als ein dem veräußerten dienendes erkennen lassen, durch Vereinbarung das Entstehen einer Servitut ausgeschlossen wird. Dies ist aber nicht die Regel. Im Zweifel wird man vielmehr die Beibehaltung des bisherigen Zustandes und demnach das Entstehen einer Servitut annehmen müssen. Wenn daher in einem Vertrag, der das Entstehen einer Servitut in einem derartigen Fall nicht ausschließt, ein Belastungs- und Veräußerungsverbot bezüglich des erst in Zukunft zu übergebenden veräußerten Grundstückes aufgenommen wird, so wird man dies im Zweifel auch nur dahin verstehen können, daß weitere Belastungen nicht mehr entstehen dürfen, dieses Verbot jedoch eine für den Regelfall als entstehend angenommene Servitut nicht betrifft. Dies führt aber zu dem Ergebnis, daß in Fällen wie dem vorliegenden, falls die dienende Funktion des veräußerten Grundstückes für das zurückbehaltene Grundstück offenkundig oder dem Erwerber sonst bekannt war oder bekannt sein mußte, ungeachtet eines vereinbarten Belastungs- und Veräußerungsverbotes eine entsprechende Dienstbarkeit besteht. Die Entscheidung des Berufungsgerichtes erweist sich daher auch für den hier vorliegenden Sonderfall der Vereinbarung eines Belastungs- und Veräußerungsverbotes als richtig.

Zutreffend hat das Berufungsgericht also erkannt, daß die Frage der Offenkundigkeit bzw Kenntnis der dienenden Funktion des dem Kläger übergebenen Grundstückes zum Zeitpunkt des Abschlusses des Übergabsvertrages mit dem Kläger geprüft werden muß. Sollte das Erstgericht nach Ergänzung seines Verfahrens zu dem Ergebnis gelangen, daß infolge Offenkundigkeit des von den Beklagten behaupteten Rechtes zum Zeitpunkt des Abschlusses des Übergabsvertrages mit dem Kläger dieses Recht bestanden hat und daher auch an die Beklagten übertragen worden ist, müßte auf das weitere Vorbringen des Klägers im Zusammenhang mit der Einräumung eines Wegerechtes an die Beklagten durch einen Vergleich vor der Agrarbehörde eingegangen werden. Diese Behauptung des Klägers läßt sich nämlich nur als eventuelle Geltendmachung des Verlustes einer allfälligen Servitut durch Wegfall des Nutzens verstehen. In dieser Richtung wäre daher die Sache zu prüfen, weil gemäß § 524 ABGB der Wegfall des Nutzens zum Untergang einer Servitut führt (Klang2 II, 608). Allerdings würde für den Wegfall ein bloß geringerer Nutzen nicht ausreichen (Petrasch in Rummel Rz 4 zu § 524). Inwieweit durch den erwähnten Vergleich die Voraussetzungen für das Erlöschen einer allfälligen Dienstbarkeit erfüllt worden sein könnten, kann erst nach Vorliegen der entsprechenden Feststellungen beurteilt werden. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 40 und 50 ZPO.

Anmerkung

E18115

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0070OB00613.89.0615.000

Dokumentnummer

JJT_19890615_OGH0002_0070OB00613_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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