TE OGH 1989/6/15 7Ob606/89

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Veröffentlicht am 15.06.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C*** Handelsgesellschaft mbH, Wien 5., Wiedner Hauptstraße 142, vertreten durch Dr. Harald Bisanz, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei prot. Fa. "Gernot H***", Freistadt, Werndlgasse 10, vertreten durch Dr. Manfred Luger, Rechtsanwalt in Freistadt, wegen Herausgabe (Streitwert 350.000,-- S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 17. Februar 1989, GZ. 20 R 3/89-21, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Freistadt vom 17. November 1988, GZ. 2 C 1496/87 z-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Die Kosten des Verfahrens vor dem Obersten Gerichtshof sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung:

Die Klägerin hat zu 1 Cg 188/87 gegen die protokollierte Firma "G***" Wildhandelsgesellschaft m.b.H. ein rechtskräftiges Versäumungsurteil über 8,379.820,80 S s.A. erwirkt. Im Zuge des Exekutionsverfahrens versuchte sie auch eine Pfändung von Gegenständen, die sich in der Gewahrsame der Beklagten befinden und bezüglich derer sie das Eigentum der Verpflichteten behauptet. Die Beklagte hat jedoch einer Exekutionsführung widersprochen. Mit der vorliegenden Klage verlangt die Klägerin, die Beklagte schuldig zu erkennen, in die Pfändung und Verwertung der bei ihr gelagerten Gegenstände einzuwilligen und diese Gegenstände herauszugeben.

Das Erstgericht hat das Klagebegehren auf Grund der Feststellung, daß es sich bei den erwähnten Gegenständen um Eigentum der Beklagten handle, abgewiesen.

Das Berufungsgericht ist auf die Feststellungsrüge der Klägerin nicht eingegangen und hat das erstgerichtliche Urteil mit der Rechtsansicht bestätigt, falls ein Dritter der Pfändung von Gegenständen in seiner Gewahrsame nicht zustimme, könne der betreibende Gläubiger lediglich den Herausgabeanspruch des Verpflichteten gegen den Dritten pfänden und dann diesen Herausgabeanspruch gegen den Dritten durchsetzen. Er sei jedoch nicht berechtigt, mittels einer Klage direkt den Dritten zur Zustimmung der Pfändung zu verhalten.

Das Berufungsgericht hat ausgesprochen, daß der Wert der Streitgegenstandes 300.000 S übersteigt.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Klägerin gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision ist gerechtfertigt.

Die Klägerin stützt ihr Begehren im wesentlichen auf die von Heller-Berger-Stix (1748) vertretene Rechtsansicht, daß, im Falle des Scheiterns einer Pfändung am Widerspruch eines Dritten nach § 262 EO der betreibende Gläubiger den Dritten zur Zustimmung zur Pfändung verhalten könne. Richtig ist, daß die von den Autoren für diese Rechtsansicht zitierte Judikatur (SZ 34/101, ZBl. 1929/330 mit Besprechung von Petschek, EvBl. 1960/206 und ebenso JBl. 1984, 550) ausschließlich Fälle zum Gegenstand hatten, bei denen die Gegenstände vom Dritten erst nach der Pfändung erworben worden waren. Dementsprechend war der jeweilige Klagsanspruch schon nach der Regelung des § 466 ABGB gerechtfertigt, bei der es sich um eine Bestimmung handelt, die nur einem Pfändgläubiger nicht aber einem, der erst ein Pfandrecht erwerben will, eine Handhabe bietet. Richtig ist auch, daß in der Literatur (Holzhammer, Zwangsvollstreckung2 191, 196, Neumann-Lichtblau EO3 II, 822, Heller-Berger-Stix, 1747) ausgeführt wurde, im Falle einer Verweigerung der Zustimmung des dritten Gewahrsaminhabers zur Pfändung im Sinne des § 262 EO könne der betreibende Gläubiger gegen den Verpflichteten nach §§ 325 ff. EO (Pfändung von Herausgabeansprüchen des Verpflichteten) vorgehen. Damit ist aber noch nicht zwingend gesagt, daß ein Vorgehen im Sinne der §§ 325 ff. EO die einzige Möglichkeit des betreibenden Gläubigers ist. Eine derartige Pfändung des Herausgabeanspruches muß ihm keinen ausreichenden Schutz bieten. Es wäre nämlich denkbar, daß der Dritte der Geltendmachung des gepfändeten Herausgabeanspruches durch den betreibenden Gläubiger erfolgreich ein befristetes Recht entgegenhält, das einer Pfändung nicht entgegenstünde. Die Pfändung für sich allein könnte aber bereits im Interesse des betreibenden Gläubigers liegen. Er hat daher ein Interesse daran, daß die Pfändung selbst vorgenommen wird. Dies wäre nur unter Überwindung des vom Dritten der Pfändung unter Berufung auf § 262 EO erfolgreich entgegengesetzten Widerstandes möglich. Daß § 262 EO eine solche Überwindung des Widerstandes des Verpflichteten grundsätzlich ausschließt, kann dem Gesetz nicht entnommen werden. Vielmehr spricht der Zweck der erwähnten Bestimmung dagegen. Auf diesen verweist zutreffend Hoyer (JBl. 1984, 545). Zweck der erwähnten Bestimmung ist es nämlich nicht, dem Dritten ein absolutes Recht auf Vereitelung der Exekution einzuräumen, sondern diesem die Möglichkeit zu geben, dem Pfändungsbegehren des betreibenden Gläubigers seine allfälligen Rechte entgegenzuhalten. Die Beurteilung derartiger Rechte ist dem Vollstrecker nicht möglich, weshalb vorerst durch den Widerspruch des Dritten jede exekutive Maßnahme (Pfändung oder Verwertung der Pfandsache) unmöglich gemacht wird. § 262 EO ist jedoch nur eine prozessuale Vorschrift, die über die materielle Berechtigung nichts aussagt. Sie will den Dritten, der keinen die Exekution hindernden materiellen Anspruch an der in Aussicht genommenen Pfandsache hat, nicht davor schützen, daß der betreibende Gläubiger seinen Anspruch auf Pfändung durchsetzt. Demnach macht § 262 EO die Pfändung von in Gewahrsame eines Dritten befindlichen Sachen des Verpflichteten nicht von der Zustimmung des verwahrenden Dritten schlechthin, sondern davon abhängig, ob dem Dritten ein sachlich begründeter Widerspruch zur Verfügung steht. Richtig läßt daher Heller-Berger-Stix (aaO) neben der Möglichkeit eines Vorgehens nach §§ 325 ff. EO auch eine direkte Klage des betreibenden Gläubigers gegen den Dritten, der eine Sache des Verpflichteten in Gewahrsame hat, auf Zustimmung der Pfändung zu. Die von Hoyer (aaO) hiefür gelieferte dogmatische Begründung ist überzeugend. Auch der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsansicht an, wobei nur darauf verwiesen wird, daß auch die oben erwähnten Entscheidungen, ungeachtet des Umstandes, daß ihnen nur Fälle zugrunde lagen, in denen eine bereits verpfändete Sache in die Gewahrsame des Dritten gelangt war, ihre Rechtssätze in dem aufgezeigten weiteren Sinn gefaßt haben. Ob dies bewußt geschehen ist, kann nicht beurteilt werden, doch hält, wie bereits ausgeführt, der erkennende Senat auch die erweiterten Rechtssätze für richtig. Da das Berufungsgericht, ausgehend von seiner vom Obersten Gerichtshof nicht gebilligten Rechtsansicht, die weiteren Rechtsmittelgründe nicht geprüft hat, ist die Aufhebung seiner Entscheidung unvermeidlich.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E17954

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0070OB00606.89.0615.000

Dokumentnummer

JJT_19890615_OGH0002_0070OB00606_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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