TE OGH 1989/6/15 7Ob20/89

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Veröffentlicht am 15.06.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G*** W***

V***, Graz, Herrengasse 18-20, vertreten durch Dr. Werner Stauder, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Franz H***, Kaufmann, Steyr, Stadtplatz Nr. 8, vertreten durch Dr. Hans Houska, Rechtsanwalt in Wien, wegen 77.826 S samt Anhang, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 10. Februar 1989, GZ. 5 R 162/88-23, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Steyr vom 19. September 1988, GZ. 2 b Cg 78/87-19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte ist schuldig, der klagenden Partei die mit 4.629,60 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 771,60 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die seinerzeitige Eigentümerin der Liegenschaft Graz, Sporgasse 17, hatte diese Liegenschaft bei der Klägerin gegen Feuer- und Leitungswasserschäden versichert. Aus dem Versicherungsvertrag ist eine Prämienforderung der Klägerin von 77.826 S offen.

Mit Vertrag vom 7. November 1985 wurde die Liegenschaft dem Beklagten verkauft. Die Verbücherung des Kaufvertrages erfolgte am 3. Februar 1986, wovon der Vertreter des Beklagten, Ing. S***, am 20. März 1986 Kenntnis erlangte. Am 5. Mai 1986 wurde das Versicherungsverhältnis namens des Beklagten gekündigt. Die Klägerin verlangt die rückständigen Versicherungsprämien mit der Begründung, die Kündigung sei unwirksam, weil die Frist des § 70 VersVG überschritten worden sei.

Der Beklagte wendete ein, er habe erst nachträglich von der Versicherung erfahren.

Die Vorinstanzen haben dem Klagebegehren stattgegeben, wobei sie davon ausgingen, daß eine spätere Kenntnis des Beklagten oder seines Vertreters vom Bestehen der Versicherung nicht erwiesen werden könne. In rechtlicher Hinsicht führten die Vorinstanzen aus, eine spätere Kenntnis vom Bestehen einer Versicherung habe der Erwerber der versicherten Sache zu beweisen, falls er sich zur Dartuung der Rechtzeitigkeit seiner Kündigung darauf berufe.

Das Berufungsgericht hat die Revision für zulässig erklärt.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Beklagten gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision ist nicht gerechtfertigt.

Gemäß § 70 Abs. 2 VersVG ist der Erwerber einer versicherten Sache berechtigt, das Versicherungsverhältnis mit sofortiger Wirkung oder auf den Schluß der laufenden Versicherungsperiode zu kündigen, wobei das Kündigungsrecht erlischt, wenn es nicht innerhalb eines Monates nach dem Erwerb ausgeübt wird. Hatte der Erwerber von der Versicherung keine Kenntnis, so bleibt das Kündigungsrecht bis zum Ablauf eines Monats von dem Zeitpunkt an bestehen, in welchem der Erwerber von der Versicherung Kenntnis erlangt hat. Der Gesetzgeber geht von dem Regelfall aus, daß der Erwerber bei Erwerb der Sache (handelt es sich um den Erwerb einer Liegenschaft zum Zeitpunkt der Einverleibung des Eigentumsrechtes des Erwerbers) vom Bestehen einer Versicherung Kenntnis hat. Für die Kenntnis reicht es aus, daß er den Namen des Versicherers kennt und vom Bestehen der Versicherung weiß. Er muß die Details der Versicherung nicht kennen (Prölss-Martin VVG24, 490). Handelt es sich aber bei der Kenntnis der Versicherung zum Zeitpunkt des Erwerbes um den Normalfall (Bruck-Möller-Sieg VVG II8 Anm. 33 zu § 70), so ist es Sache des Erwerbers, die Ausnahme, nämlich die Erlangung der Kenntnis zu einem späteren Zeitpunkt, zu beweisen (Prölss-Martin VVG24, 490). Gelingt daher dem Erwerber dieser Beweis nicht, so ist bei der Beurteilung der Rechtzeitigkeit seiner Kündigung vom Zeitpunkt des Erwerbes auszugehen.

Der Hinweis der Revision auf eine Stelle bei Bruck-Möller (aaO Anm. 20 zu § 70) übersieht, daß diese Stelle bezüglich der Frage der späteren Kenntnis des Erwerbers ausdrücklich auf die nachfolgenden Ausführungen (Anm. 31 ff.) verweist. Wie bereits dargelegt wurde, legen aber diese Stellen des Kommentars eindeutig die Kenntnis des Erwerbers zum Zeitpunkt des Erwerbes als Normalfall dar. Es ist zwar richtig, daß den Erwerber keine Erkundigungspflicht bezüglich des Bestehens einer Versicherung trifft. Dies hat aber mit der vorliegenden Frage nichts zu tun. Erst wenn der Erwerber bewiesen hat, daß er zum Zeitpunkt des Erwerbes keine Kenntnis von der Versicherung hatte, wäre die Frage zu prüfen, ob ihm dies zur Last gelegt werden kann. Demnach ist die in der Revision hier aufgeworfene Frage überhaupt erst nach Erbringung des Beweises der späteren Kenntnis durch den Erwerber zu erörtern. Hat der Erwerber den ihm obliegenden Beweis nicht erbracht, so muß nicht untersucht werden, inwieweit ihn eine Verpflichtung zur Erkundigung bezüglich einer Versicherung getroffen hätte oder nicht.

Die Vorinstanzen haben also richtig erkannt, daß infolge Beweispflicht des Beklagten für die von ihm behauptete spätere Erlangung der Kenntnis von der Versicherung die Ausführungen, es könne eine solche spätere Kenntnis nicht festgestellt werden, zu Lasten des Beklagten gehen. Dies führt zu dem Ergebnis, daß die Versicherung nach wie vor aufrecht ist, weshalb den Beklagten die Pflicht zur Zahlung der der Höhe nach nicht bestrittenen rückständigen Versicherungsprämien trifft.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E18121

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0070OB00020.89.0615.000

Dokumentnummer

JJT_19890615_OGH0002_0070OB00020_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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