Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik, Dr. Zehetner, Dr. Klinger und Dr. Schwarz als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Leonore R***, 1010 Wien, Wollzeile 30, vertreten durch Dr. Michael Czinglar, Rechtsanwalt in Wien, wider die Antragsgegner 1.) Leopold M***, 2.) Anita H***, 3.) Erika Z***, 4.) Wilhelmine B***, 5.) Lucia H***, 6.) Gerhard K***, 7.) Gertrude G***, 8.) Hildegard F***, 9.) Peter H***, 10.) Erika P***, 11.) Natalie K***, 12.) Stefan H***, 13.) Kurt F***, 14.) Richard W***, 15.) Herta B***,
16.)
Monika K***, 17.) Hedwig D***, 18.) Walter K***,
19.)
Ilse T***, 20.) Traude K***, 21.) Johann OTT, 22.) Alois H***, 23.) Friedrich N***, 24.) Christine P***,
25.)
Waltraud E***, 26.) Grete J***, 27.) Maria P***,
28.)
Othmar T***, 29.) Elfriede S***, 30.) Elisabeth P***-H***, alle Große Stadtgutgasse 28, 1020 Wien, 31.) Kuno M***, Taborstraße 25, 1020 Wien, 32.) Dr. Andrea B***, Spargelfeldstraße 236, 1220 Wien, 33.) Johanna C***, Wehlistraße 366, 1220 Wien, 34.) Gerta F***, Alleestraße 34, 2103 Langenzersdorf, 35.) Mathias M***, Große Stadtgutgasse 28, 1020 Wien 36. Dr. Michael OTT, Erdbergstraße 36/8, 1030 Wien,
37.) Herta P***, Vorgartenstraße 55, 1020 Wien, 38.) Edeltraud F***, Ungsteinerstraße 4, D-8-München, BRD, 3.-Antragsgegnerin vertreten durch Dr. Michael OTT, Rechtsanwalt in Wien 2., 4.-7., 9.-30. und 32.-Antragsgegner vertreten durch Dr. Roland Hubinger, Rechtsanwalt in Wien, 31.-Antragsgegner vertreten durch Dr. Hilbert Aubauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 26 Abs 1 Z 2 WEG infolge Revisionsrekurses der 2.-7., 9., 10., 12.-14., 16.-26. und 28.-30. Antragsgegner gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 30. Juni 1988, GZ 48 R 92/88-50, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 4. Dezember 1987, GZ 50 Msch 20/85-44, teilweise bestätigt wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Den Revisionsrekursen wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Die Antragstellerin und die Antragsgegner sind Miteigentümer der Liegenschaft EZ 1975 des Grundbuches der KG Leopoldstadt, Haus in 1020 Wien, Große Stadtgutgasse 28. Mit den Miteigentumsanteilen der Parteien ist jeweils Wohnungseigentum an bestimmten Objekten dieses Hauses verbunden, mit dem Miteigentumsanteil der Antragstellerin das Wohnungseigentum am Geschäftsraum II samt Kellermagazin und Hoffläche im Ausmaß von 625 m2.
Die Antragstellerin habe einen Teil des ihr gehörenden Objektes an die B*** Warenhandel AG vermietet. Zum Betrieb eines Lebensmittelgeschäftes seien verschiedene Umbauten entsprechend dem gleichzeitig vorgelegten Plan des Architekten Dipl.-Ing. Günter K*** erforderlich. Die Antragstellerin begehrt daher, die von einem Großteil der Antragsgegner verweigerte Zustimmung zum Bauansuchen der B*** Warenhandel AG laut Einreichplan des Dipl.Ing. Günter K***, Nr. 551 betreffend das Objekt 1020 Wien, Große Stadtgutgasse 28, samt allfälligen erforderlichen Planänderungen durch Gerichtsbeschluß gemäß § 26 Abs 1 Z 2 WEG zu ersetzen.
Die Antragsgegner, soweit sie sich am Verfahren beteiligten, beantragten die Abweisung dieses Antrages. Sie wendeten - soweit für das Verfahren über die Revisionsrekurse noch von Bedeutung - ein, der Rechtsvorgänger der Antragstellerin hätte vertraglich auf jede andere Benützungsart als die Schaustellung von Kraftfahrzeugen verzichtet. Die Drittantragsgegnerin wendete überdies ein, daß sie im Nebenhaus seit 1945 ein Lebensmittelgeschäft betreibe, welches sie bei Eröffnung der B*** mit Sicherheit werde schließen müssen.
Die Antragstellerin erwiderte, daß der Betriebsgegenstand wiederholt ohne Einwand seitens der Antragsgegner geändert worden sei, so daß die Vertragsbestimmung über die Verwendung des Geschäftslokales und Hofes durch den Rechtsvorgänger der Antragstellerin konkludent abgeändert worden sei.
Das Erstgericht gab dem Antrag der Antragstellerin vollständig statt. Es traf Feststellungen über die Art der beabsichtigten Bauführung und den beabsichtigten Verwendungszweck der umgebauten Lokalitäten und des anders gebauten Hofes sowie die damit verbundenen Auswirkungen auf die Miteigentümer.
Zu dem im Verfahren über die Revisionsrekurse noch bedeutsamen Tatsachenkomplex stellte das Erstgericht folgendes fest:
Die Drittantragsgegnerin, die im Nebenhaus (siehe Aussage der Drittantragsgegnerin AS 56; im erstgerichtlichen Urteil heißt es offensichtlich infolge eines Schreibfehlers statt "Nebenhaus" nur "Haus") ein Lebensmittelkleinhandelsgeschäft betreibt, befürchtet die Konkurrenz des Supermarktes.
Robert R***, der Rechtsnachfolger der Antragstellerin, war bis zum Jahre 1955 grundbücherlich sichergestellter Bestandnehmer der Voreigentümer dieser Liegenschaft. Als diese Liegenschft im Jahre 1955 von der G*** W***- UND
S*** MBH "S***" erworben wurde um darauf ein Wohnhaus mit Eigentumswohnungen zu errichten, wurde das Bestandverhältnis mit Robert R*** einvernehmlich beendet. Als Gegenleistung hiefür wurde diesem ein Anspruch auf Übertragung von Wohnungseigentum an dem Geschäftslokal und dem Hof zuerkannt, wobei sich andererseits Robert R*** für sich und seine Rechtsnachfolger verpflichtete, die Geschäftsräumlichkeiten und den Hof nur zur Schaustellung von Kraftwagen zu benützen. Tatsächlich vermietete Robert R*** im Jahr 1966 das Areal an die Firma N***, die dort das Gewerbe des Handels und des Services von Landmaschinen samt Zubehör betrieb. In der Folge wurde von jeweils anderen Unternehmen darin ein Kleincomputergeschäft (1969-1978) und der Verkauf und die Wartung von Radiatoren und sonstigen Heizungsmaterialien (1978-Ende 1984) betrieben. Keiner der Antragsgegner hat sich gegen die geänderte Verwendungsart ausgesprochen.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt dahin, daß durch die Unterbringung des Supermarktes eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der anderen Miteigentümer nicht erfolge. Eine Beeinträchtigung der äußeren Erscheinung des Hauses sei nicht gegeben, insbesondere auch nicht durch die der Übung des Verkehres entsprechende Lichtreklame.
Das Rekursgericht bestätigte den erstgerichtlichen Sachbeschluß insoweit als es die Antragsgegner schuldig erkannte, den geplanten Änderungen im Wohnungseigentumsobjekt der Antragstellerin zuzustimmen, wie sich aus dem Einreichplan des Dipl.-Ing. Günter K*** vom 1. März 1985, Plan Nr. 551, ergibt. Hingegen wies es den Antrag, die Zustimmung der Antragsgegner auch zu allfälligen erforderlichen Planänderungen zu ersetzen, ab. Gleichzeitig erklärte es den weiteren Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig, weil zur Frage der Auslegung des Begriffes "schutzwürdige Interessen" im Sinne des § 13 Abs 2 Z 1 WEG bisher keine gesicherte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliege, insbesondere nicht zur Frage, ob auch wichtige Interessen, die außerhalb des Wohnungseigentums gelegen sind, berücksichtigt werden müßten. Das Rekursgericht verneinte, daß durch die Art der Bauführung und den geplanten zukünftigen Verwendungszweck des Geschäftslokales und neu bebauten Hofes schutzwürdige Interessen der anderen Miteigentümer beeinträchtigt würden.
Zu den im Verfahren im Obersten Gerichthof noch maßgeblichen Rechtsfragen führte das Rekursgericht folgendes aus:
Es könne keine Beachtung finden, aus welchen Gründen die Antragsgegner seit nahezu 20 Jahren eine geänderte Verwendungsart des Wohnungseigentumsobjektes der Antragstellerin geduldet hätten. Es komme bei der Auslegung eines Verhaltens nach § 863 ABGB nicht darauf an, welchen Erklärungswert der Erklärende seinem Verhalten zumesse, sondern ausschließlich darauf, welchen Eindruck er damit beim Erklärungsempfänger hervorrufe. Es gebe keinen Hinweis darauf, daß der Antragstellerin bekannt sei, daß die Antragsgegner nichts von ihrem Untersagungsrecht wüßten.
Das wirtschaftliche Interesse der Drittantragsgegnerin, die im Nebenhaus ein Lebensmittelgeschäft betreibe, gehöre nicht zu den in § 13 Abs 2 Z 1 angeführten schutzwürdigen Interessen, weil darunter nur solche verstanden werden könnten, die in unmittelbaren Zusammenhang mit der Ausübung des Wohnungseigentumsrechtes stünden. Gegen die Entscheidung des Rekursgerichtes erhoben die im Kopf angeführten Antragsgegner Revisionsrekurs mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß in abweisendem Sinn abzuändern. Die Antragstellerin begehrt, die Revisionsrekurse zurück- oder abzuweisen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revisionsrekurse sind zulässig, aber nicht berechtigt.
a) Zur Zulässigkeit:
Gemäß § 37 Abs 3 Z 18 MRG im Zusammenhang mit § 26 Abs 2 WEG ist gegen den einen erstrichterlichen Sachbeschluß bestätigenden Beschluß des Rekursgerichtes ein Rekurs zulässig, wenn ihn das Rekursgericht wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen hat. An diesen Ausspruch des Rekursgerichtes ist der Oberste Gerichtshof gebunden (MietSlg 36.515 uva). Es kommt daher nicht darauf an, ob im Revisionsrekurs - etwa wie bei einem solchen nach § 16 AußStrG - eine offenbare Gesetzwidrigkeit geltend gemacht oder gar gegeben ist. Der Revisionsrekurs der im Kopf genannten Antragsgegner ist daher unabhängig vom Aufzeigen einer offenbaren Gesetzwidrigkeit zulässig.
b) Zur Berechtigung:
Die Rechtsmittelwerber bekämpfen nur noch die Rechtsansicht des Rekursgerichtes betreffend die Bewertung des konkludenten Verhaltens der Antragsgegner über die Unterlassung von Einwendungen gegen die Änderung der Widmung von Geschäftslokal und Hof, die Drittantragsgegnerin überdies die Nichtberücksichtigung der Beeinträchtigung ihrer wirtschaftlichen Interessen im Hinblick auf das von ihr im Nebenhaus betriebene Lebensmittelgeschäft. Gegen die Art des Umbaues und den geplanten Betrieb eines Supermarktes selbst bringen die Antragsgegner in den Rechtsmittelschriften nichts mehr vor. Der Oberste Gerichthof hat sich daher nur noch mit den beiden erstgenannten Rechtsfragen zu befassen.
Zutreffend erkannte das Rekursgericht, daß als Subjekt der Rechte und Pflichten nach § 13 WEG nur die Miteigentümer (Wohnungseigentümer) in Betracht kommen (Faistenberger-Barta-Call, Komm, Anm 3 zu § 13 WEG). Durch Änderungen an der im Wohnungseigentum stehenden Wohnung oder sonstigen Räumlichkeit dürfen die schutzwürdigen Interessen eines Miteigentümers nicht beeinträchtigt werden. Diejenigen Rechtssubjekte, die Miteigentümer sind, werden daher nur in ihren aus dieser Eigenschaft abgeleiteten Interessen geschützt, nicht aber in solchen Interessen, die sie in anderer Eigenschaft, also z.B. als Unternehmer eines an einem anderen Ort betriebenen Geschäftes haben. Ebensowenig, wie dem Gewerbetreibenden im Nachbarhaus, der nicht Wohnungseigentümer der betroffenen Liegenschaft ist, im Verfahren § 13 WEG Parteistellung zukommt oder auch dessen Interessen nur zu berücksichtigen wären, kann sich ein Wohnungseigentümer hinsichtlich eines außerhalb der betroffenen Liegenschaft geführten Betriebes mit Erfolg auf die Beeinträchtigung seiner dort gelegenen Interessen berufen. Es ist zwar richtig, wie die Drittantragsgegnerin in ihrem Revisionsrekurs ausführt, daß auch ein moralisch-ethisches oder sittliches Interesse prüfungswürdig wäre und daß daher grundsätzlich auch wirtschaftliche Interessen schutzwürdig sein können. Die maßgebliche Abgrenzung liegt eben darin, daß es sich um die Beeinträchtigung von Interessen gerade als Wohnungseigentümer handeln muß. In diesem Fall ist daher maßgebend, ob die Interessen der Drittantragsgegnerin an der Nutzung ihrer Wohnung beeinträchtigt werden, nicht aber diejenigen am Betrieb eines anderswo geführten Geschäftes.
Die Antragsgegner (oder deren Rechtsvorgänger) erwarben das Wohnungseigentum laut Kaufvertrag Beilage ./D mit allen Rechten und Befugnissen, mit denen die Verkäuferin (="S***") die Liegenschaftsanteile bisher besessen und benützt hatte bzw. zu besitzen und zu benützen berechtigt war. Da der seinerzeit zwischen der "S***", Robert R*** als intabuliertem Bestandnehmer und den seinerzeitigen Eigentümern abgeschlossene Vertrag, in welchem die Pflichten des Robert R*** betreffend die Benützung seines Objektes bloß zum Zwecke des Autohandels enthalten sind, in der Urkundensammlung des Grundbuches erliegt, hätten die Antragsgegner ihre diesbezüglichen Rechte jedenfalls kennen müssen. Der mangelnde Widerspruch der Berechtigten gegen die wiederholte Änderung des Betriebsgegenstandes durch den zu einer derartigen Unterlassung verpflichteten Miteigentümer stellt ein Verhalten dar, aus welchem mit Überlegung aller Umstände auf die stillschweigende Erlassung dieser vertraglichen Pflicht des Miteigentümers geschlossen werden kann (§ 863 ABGB). Den Antragsgegnern bzw. ihren Rechtsvorgängern fehlte zwar das Erklärungsbewußtsein, weil sie ihr Untersagungsrecht nicht kannten und daher nicht wußten, daß ihr Verhalten beim Erklärungsempfänger den Eindruck eines solchen Verzichtes erwecken durfte. Da aber - wie das Rekursgericht zutreffend ausführte - der Empfängerhorizont maßgebend ist und den Antragsgegnern bzw. ihren Rechtsvorgängern jedenfalls Erklärungsfahrlässigkeit zur Last fällt (siehe Rummel in Rummel, ABGB, Rdz 7 f zu § 863), erfolgte durch das festgestellte Verhalten der Antragstellerin (bzw. des Robert R***) und das Schweigen der Antragsgegner dazu eine konkludente Abänderung der bereits mehrfach genannten Vertragsbestimmung. Die Fahrlässigkeit der Antragsgegner liegt darin, daß sie sich jahrzehntelang nicht um ihre vertraglichen Rechte kümmerten, diese daher nicht kannten und deshalb ein Verhalten (= Unterlassung eines Widerspruches) setzten, das als Zustimmung zur Vertragsänderung ausgelegt werden muß. Zwischen den Streitteilen gelten nunmehr wieder die allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen.
Dem Revisionsrekurs war daher der Erfolg zu versagen.
Anmerkung
E17324European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1989:0050OB00106.88.0620.000Dokumentnummer
JJT_19890620_OGH0002_0050OB00106_8800000_000