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L10103 Stadtrecht Niederösterreich;Norm
AVG §13 Abs3 idF 1998/I/158;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lamprecht, über die Beschwerde der R in W, vertreten durch Dr. Vera Kremslehner, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Singerstraße 12/9, gegen den mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Wiener Neustadt vom 28. April 2005, Zl. 2-RJ/416/05, intimierten Beschluss des Gemeinderates der Stadt Wiener Neustadt vom 27. April 2005, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Wiederaufnahme i.A. Ruhegenussbemessung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Die Stadt Wiener Neustadt hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Gemeinderat der Stadt Wiener Neustadt fasste in seiner Sitzung vom 27. Oktober 2004 nachstehenden Beschluss:
"Die Beschwerdeführerin, geboren am 01.01.1948, wohnhaft ..., wird mit Wirkung vom 01.12.2004 gemäß § 60 lit. a) NÖ Gemeindebeamtendienstordnung 1976 (GBDO) in den dauernden Ruhestand versetzt.
Für die Bemessung des Ruhegenusses werden gemäß § 59 GBDO die besoldungsrechtliche Stellung nach Verwendungsgruppe S1, Gehaltsstufe 22, mit letzter Vorrückung am 01.01.2004, die Dienstalterszulage, die Zulagen gemäß § 21 NÖ Gemeindebeamtengehaltsordnung 1976 (GBGO) und der gemäß § 59 Abs. 2 lit. c) GBDO zustehende Nebengebührenanteil, unter Berücksichtigung der Aufwertung gemäß § 59 Abs. 4 leg. cit., sowie eine Dienstzeit von 38 Jahren, 10 Monaten und 7 Tagen, abgerundet auf 38 Jahre und 10 Monate, zuzüglich eines Zeitraumes von 10 Jahren gemäß § 65 Abs. 8 GBDO, zu Grunde gelegt."
Am 4. November 2004 wurde der Beschwerdeführerin der folgende, mit "Magistratsabteilung 2, Personalamt" titulierte Bescheid zugestellt:
"Datum: 28.10.2004
...
Bescheid
I) Auf Grund des Gemeinderatsbeschlusses vom 27.10.2004 wird die Beschwerdeführerin, geboren am 01.01.1948, mit Wirkung vom 01.12.2004 gemäß § 60 lit. a) NÖ Gemeindebeamtendienstordnung 1976 (GBDO), in den dauernden Ruhestand versetzt.
II) Für die Bemessung des Ruhegenusses werden gemäß § 59 GBDO die besoldungsrechtliche Stellung nach Verwendungsgruppe S1, Gehaltsstufe 22, mit letzter Vorrückung am 01.01.2004, die Dienstalterszulage, die Zulage gemäß § 21 NÖ Gemeindebeamtengehaltsordnung 1976 (GBGO) und der gemäß § 59 Abs. 2 lit. c) GBDO zustehende Nebengebührenanteil, unter Berücksichtigung der Aufwertung gemäß § 59 Abs. 4 leg. cit., sowie eine Dienstzeit von 38 Jahren, 10 Monaten und 7 Tagen, abgerundet auf 38 Jahre und 10 Monate, zuzüglich eines Zeitraumes von 10 Jahren gemäß § 65 Abs. 8 GBDO für die Vorrückung in höhere Bezüge zu Grunde gelegt.
Der monatliche Ruhegenuss beträgt EUR 3.013,84. Begründung
Die Beschwerdeführerin ist seit 01.10.1980 als Krankenschwester im allgemeinen öffentlichen Krankenhaus der Stadt Wiener Neustadt beschäftigt und wurde am 01.07.1988 als Gemeindebeamtin in das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis übernommen.
Wegen ihres schlechten Gesundheitszustandes ersuchte sie um Versetzung in den dauernden Ruhestand und um begünstigte Bemessung des Ruhegenusses. Die Beschwerdeführerin vollendete im Jänner 2004 ihr 56. Lebensjahr.
...
Gemäß § 60 lit. a) GBDO hat eine Gemeindebeamtin, die bereits eine fünfzehnjährige für die Ruhegenussbemessung anrechenbare Dienstzeit zurückgelegt hat, Anspruch auf Versetzung in den dauernden Ruhestand, wenn sie dienstunfähig ist und die Wiedererlangung der Dienstfähigkeit voraussichtlich ausgeschlossen ist. Die Voraussetzungen des § 60 lit. a) GBDO liegen nach dem amtsärztlichen Gutachten vor.
Gemäß § 65 Abs. 8 GBDO sind die Gemeindebeamtin auf ihr Ansuchen zehn Jahre sowohl für die Vorrückung in höhere Bezüge als auch für die Berechnung des Prozentausmaßes anlässlich der Ruhegenussbemessung anzurechnen, wenn sie nicht nur dienstunfähig, sondern auch zu jedem anderen Erwerb dauernd dienstunfähig geworden ist. Auf Grund des amtsärztlichen Gutachtens trifft dies für die Vorrückung in höhere Bezüge bzw. zur Erlangung der Dienstalterszulage zu
Für die Berechnung des Ruhegenusses anrechenbare
Dienstzeiten:
...
Berechnung der Ruhegenusses:
Letzter Aktivbezug nach Verwendungsgruppe S1,
Gehaltsstufe 22 ........................... EUR 2.663,60,
mit Hinzurechnung gem. § 65 (8) GBDO, Geh.St.22..
EUR 2.663,60
Dienstalterszulage ..................................................
EUR 167,75
Zulagen gem. § 21 GBGO .....................................
EUR 391,39
Nebengebührenanteil .............................................
EUR 544,56
Ruhegenussfähiger Monatsbezug ..........................
EUR 3.767,30
Ruhegenussbemessungsgrundlage (80 % des ruhegenussfähigen Bezuges) .................................
EUR 3.013,84
monatlicher Ruhegenuss (100 % der Ruhegenuss-
bemessungsgrundlage), daher Ruhebezug .............
EUR 3.013,84
Der monatliche Ruhebezug wird ab 01.12.2004 monatlich im Vorhinein angewiesen.
Rechtsmittelbelehrung
I) Gegen Punkt I des Spruches ist ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig.
II) Gegen Punkt II des Spruches besteht das Recht, das Rechtsmittel der Berufung einzubringen. Damit die Berufung inhaltlich bearbeitet werden kann, muss sie ...
Der Bürgermeister:
... "
Mit einem an den "Magistrat der Stadt Wiener Neustadt Hrn. Magistratsdirektor DDr. G. St. " gerichteten Schreiben vom 21. Jänner 2005 beantragte die Beschwerdeführerin im Jänner 2005 die Wiederaufnahme des Verfahrens zum gegenständlichen Bescheid im Sinne des "§ 68 AVG" mit der Begründung, dass bei der Ermittlung der ruhegenussfähigen Nebengebühren ihre Mehrdienstleistungen im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit als zuständige diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin für Diabetesberatung unberücksichtigt geblieben seien. Das Ermittlungsblatt, aus dem ihre Nebengebühren und deren Valorisierung ersichtlich seien, sei ihr überdies nie vorgelegt worden, obwohl es ihrer Meinung nach zumindest ein Bestandteil der Begründung des Bescheides sei.
In seiner Sitzung vom 27. April 2005 beschloss der Gemeinderat der Stadt Wiener Neustadt, den Wiederaufnahmeantrag der Beschwerdeführerin gemäß § 69 Abs. 1 Z. 2 und Abs. 2 AVG als unzulässig zurückzuweisen. Am 4. Mai 2005 erhielt die Beschwerdeführerin einen Bescheid folgenden Inhaltes:
"Datum: 28.04.2005
...
Frau
Beschwerdeführerin
...
Bescheid
Auf Grund des Gemeinderatsbeschlusses vom 27.04.2005 wird der von der Beschwerdeführerin eingebrachte Wiederaufnahmeantrag vom 21.01.2005, ha. eingelangt am gleichen Tag, gegen den in Rechtskraft erwachsenen Bescheid des Magistrates der Stadt Wiener Neustadt vom 20.10.2004, Zl. ..., gemäß § 69 Absatz 1, Z 2 und Absatz 2 AVG 1991, als unzulässig zurückgewiesen.
Begründung:
...
Mit Schreiben vom 21.01.2005 brachte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens ein ...
Nach der ständigen Rechtsprechung hat der Wiederaufnahmewerber schon im Antrag anzugeben, wann er von dem Vorhandensein des von ihm geltend gemachten Beweismittels Kenntnis erlangt hat; ein Fehlen dieser Angaben über die Rechtzeitigkeit der Antragstellung kann nicht nach § 13 Abs. 3 AVG als Formgebrechen behandelt werden ...
...
Trotz des Fehlens der Angaben über die Rechtzeitigkeit der Einbringung des Wiederaufnahmeantrages darf darauf hingewiesen werden, dass die Beschwerdeführerin am 30.11.2004 ... vorgesprochen hat, um ihre ihrer Meinung nach nicht berücksichtigten Mehrdienstleistungen ... doch noch ausbezahlt zu erhalten. Die Glaubhaftmachung, dass der Wiederaufnahmeantrag also rechtzeitig, nämlich innerhalb von zwei Wochen ab Kenntniserlangung, gestellt wurde, hätte demnach misslingen müssen, weshalb sie auch offenkundig als nicht verbesserungsfähiger Mangel unterblieben ist.
...
Der Bürgermeister:
..."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde, Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit seines Inhaltes begehrt wird. Die Beschwerdeführerin erachtet sich dadurch in ihren Rechten verletzt, dass zum einen eine unzuständige Behörde über ihren Antrag entschieden habe, die Behörde weiters die Bestimmung des § 69 AVG unrichtig angewendet habe und die Vorschriften über die Sachverhaltsermittlung und die Bescheidbegründung unrichtig angewandt worden seien. Sie sieht die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides vorrangig infolge der Unzuständigkeit der belangten Behörde als gegeben. Ihr Wiederaufnahmeantrag habe den mit II. bezeichneten Teil des Bescheides vom 28. Oktober 2004, mit dem der monatliche Ruhegenuss festgeschrieben worden sei, betroffen. Dieser Bescheidteil sei jedoch nicht vom Gemeinderat beschlossen worden, sondern erkennbar vom Bürgermeister erlassen worden. Der Antrag auf Wiederaufnahme habe sich sohin an den Magistrat der Stadt Wiener Neustadt zu Handen des Herrn Magistratsdirektors gerichtet. Der Gemeinderat habe unzulässiger Weise über den Wiederaufnahmeantrag vom 21. Jänner 2005 entschieden.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt. Sie hält der Geltendmachung der Unzuständigkeit entgegen, gemäß § 56 Abs. 2 GBDO werde ein Gemeindebeamter durch Gemeinderatsbeschluss in den dauernden Ruhestand versetzt. Das zuständige Kollegialorgan sei somit der Gemeinderat.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Nach § 1 Abs. 1 des Wiener Neustädter Stadtrechts 1977, LGBl. 1025, ist die Stadtgemeinde Wiener Neustadt eine Stadt mit eigenem Statut.
Das NÖ Stadtrechtsorganisationsgesetz, LGBl. 1026, lautet,
soweit im Beschwerdefall von Relevanz:
"§ 1
Geltungsbereich, Rechtliche Stellung der Stadt
(1) Die Bestimmungen dieses Gesetzes gelten nur für Städte mit eigenem Statut (Art. 116 Abs. 3 B-VG).
§ 14
Eigener Wirkungsbereich
(1) Der eigene Wirkungsbereich der Stadt umfasst neben den im § 1 Abs. 4 angeführten Angelegenheiten alle Angelegenheiten, die im ausschließlichen oder überwiegenden Interesse der in einer Stadt verkörperten örtlichen Gemeinde gelegen und geeignet sind, durch die Gemeinschaft innerhalb ihrer örtlichen Grenzen besorgt zu werden.
(2) Der Stadt sind zur Besorgung im eigenen Wirkungsbereich die behördlichen Aufgaben insbesondere in folgenden Angelegenheiten übertragen:
...
b) die Bestellung der Bediensteten der Stadt und die Ausübung der Diensthoheit unbeschadet der Zuständigkeit überörtlicher Disziplinar-, Qualifikations- und Prüfungskommissionen;
...
(3) Die Stadt hat die Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches im Rahmen der Gesetze und Verordnungen des Bundes und des Landes in eigener Verantwortung frei von Weisungen und unter Ausschluss eines Rechtsmittels an Verwaltungsorgane außerhalb der Stadt zu besorgen.
...
§ 16
Behördlicher Instanzenzug im eigenen Wirkungsbereich,
oberbehördliche Befugnisse
(1) Der Instanzenzug gegen Bescheide des Magistrates in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches geht an den Stadtsenat.
(2) Die in den verfahrensgesetzlichen Bestimmungen vorgesehenen oberbehördlichen Befugnisse übt ausschließlich der Stadtsenat aus.
...
§ 32
Wirkungsbereich des Gemeinderates
Der Gemeinderat ist neben jenen Aufgaben, die ihm durch andere gesetzliche Bestimmungen zugewiesen sind, für folgende Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches zuständig:
...
15. die allgemeinen dienst- und besoldungsrechtlichen Angelegenheiten der Bediensteten der Stadt;
...
§ 38
Wirkungsbereich des Stadtsenates
...
(4) Der Stadtsenat ist insbesonders für folgende Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches zur selbstständigen Erledigung zuständig:
a) die konkreten Personalangelegenheiten, soweit nicht der Magistrat zuständig ist;
...
§ 42
Wirkungsbereich des Bürgermeisters
(1) Der Bürgermeister vertritt die Stadt nach außen. Er ist der Vorstand des Magistrates und Vorgesetzter der Bediensteten der Stadt, die an seine Weisungen gebunden sind.
...
§ 46
Magistrat
(1) Der Magistrat besteht aus dem Bürgermeister als Vorstand, dem Magistratsdirektor und den übrigen Bediensteten.
(2) ...
(3) Der Magistratsdirektor leitet unter der unmittelbaren Aufsicht des Bürgermeisters den inneren Dienst des Magistrates. Er führt insbesondere die Dienstaufsicht über alle Dienststellen des Magistrates und veranlasst alle organisatorischen und personellen Maßnahmen zur raschen, zweckmäßigen, wirtschaftlichen und gesetzeskonformen Verwaltung.
...
§ 47
Wirkungsbereich des Magistrates
(1) Der Magistrat besorgt die Geschäfte der Stadt, die behördlichen Aufgaben des eigenen Wirkungsbereiches und die Angelegenheiten der Bezirksverwaltung.
(2) Der Magistrat ist außer für jene Angelegenheiten, die ihm durch andere gesetzliche Bestimmungen übertragen sind, für folgende Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches zuständig:
...
§ 51
Fertigung von Urkunden und anderen Schriftstücken
Alle Urkunden und Schriftstücke der Stadt sind vom Bürgermeister zu unterfertigen. Er kann die Unterfertigung, insbesondere schriftlicher Erledigung des Magistrates, auch dem Magistratsdirektor oder anderen Bediensteten übertragen.
..."
Die NÖ Gemeindebeamtendienstordnung 1976, LGBl. 2400, lautet, soweit im Beschwerdefall von Relevanz (§ 56 Abs. 2 in der Fassung der Novelle LGBl. 2400-14):
"§ 1
Geltungsbereich und Inhalt des Gesetzes
(1) Dieses Gesetz gilt für alle in einem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis zu einer Gemeinde (einschließlich der Städte mit eigenem Status) stehenden Bediensteten - im Folgenden als Gemeindebeamte bezeichnet - sowie deren Hinterbliebenen und Angehörigen und regelt das Dienstverhältnis einschließlich des Disziplinarrechtes, sofern nicht gesetzliche Sondervorschriften bestehen.
...
§ 56
Dauernder Ruhestand
(1) Der Gemeindebeamte tritt mit Ablauf des Jahres, in welchem er das 65. Lebensjahr vollendet, von Gesetzes wegen in den dauernden Ruhestand.
(2) Der Gemeindebeamte wird durch Gemeinderatsbeschluss in den dauernden Ruhestand versetzt:
a) über Ansuchen des Gemeindebeamten, wenn ein Anspruch gemäß § 60 vorliegt;
b) von Amts wegen unter der Voraussetzung des § 61 und des § 63 Abs. 7.
...
Schluss- und Übergangsbestimmungen
§ 156
Dienstbehörde I. Instanz
Über alle dienst- und besoldungsrechtlichen Ansprüche oder Anträge von Gemeindebeamten und der Hinterbliebenen (Angehörigen) hat der Bürgermeister, in Städten mit eigenem Statut der Magistrat zu entscheiden, sofern nicht durch gesetzliche Vorschriften ein anderes Gemeindeorgan ausdrücklich zur Entscheidung berufen ist."
Gemäß § 69 Abs. 2 erster Satz AVG ist der Antrag auf Wiederaufnahme binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Gemäß § 69 Abs. 4 AVG steht die Entscheidung über die Wiederaufnahme der Behörde zu, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen hat, wenn jedoch in der betreffenden Sache ein unabhängiger Verwaltungssenat entschieden hat, diesem.
Nach § 1 Abs. 1 DVG ist auf das Verfahren in Angelegenheiten des öffentlich-rechtlichen Dienst-, Ruhe- oder Versorgungsverhältnisses (im Folgenden Dienstverhältnis genannt) zum Bund, den Ländern, den Gemeinden und Gemeindeverbänden das AVG mit den nachstehenden Abweichungen anzuwenden.
§ 14 DVG, der zu den §§ 69 und 70 AVG die im § 1 Abs. 1 DVG genannten "Abweichungen" normiert, trifft keine Abweichungen zu
§ 69 Abs. 2 erster Satz und Abs. 4 AVG.
Im vorliegenden Fall ist vorrangig die Frage zu beantworten, ob der Gemeinderat der Stadt Wiener Neustadt (die belangte Behörde) gemäß § 1 Abs. 1 DVG in Verbindung mit § 69 Abs. 4 AVG zur Entscheidung über den Wiederaufnahmeantrag vom 21. Jänner 2005 zuständig war.
Eine solche Zuständigkeit wäre nur dann gegeben, wenn mit diesem Antrag die Wiederaufnahme eines durch Bescheid des Gemeinderates der Stadt Wiener Neustadt - rechtskräftig - abgeschlossenen Verfahrens begehrt wurde.
Die Eingabe der Beschwerdeführerin vom 21. Jänner 2005 war erkennbar darauf gerichtet, dass - nach erfolgter Wiederaufnahme des Verfahrens - dort näher bezeichnete Mehrdienstleistungen bei der Ermittlung der ruhegenussfähigen Nebengebühren Berücksichtigung finden sollten, d.h. der im Punkt II. des Bescheides vom 28. Oktober 2004 bemessene Ruhegenuss mit einem höheren Betrag bemessen werden sollte.
Der Bescheid vom 28. Oktober 2004 ist mit "Magistratsabteilung 2, Personalamt" tituliert und vom Bürgermeister der Stadt Wiener Neustadt unterfertigt. Den wiedergegebenen dienst- und organisationsrechtlichen Bestimmungen ist nicht zu entnehmen, dass der Bürgermeister im gegebenen Zusammenhang Dienstbehörde wäre.
§ 51 erster Satz des NÖ Stadtrechtsorganisationsgesetzes sieht vor, dass alle Urkunden und Schriftstücke der Stadt vom Bürgermeister zu "unterfertigen" sind. Dem vom Bürgermeister der Stadt Wiener Neustadt "unterfertigten" Bescheid vom 28. Oktober 2004 kommt in seinem Spruchabschnitt I. - ebenso wie dem angefochtenen Bescheid - der Charakter eines Intimationsbescheides zu (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 22. November 2000, Zl. 98/12/0036, vom 12. Oktober 1995, Zl. 94/06/0075, und vom 7. Juli 1992, Zl. 92/08/0018, je mwN, sowie im Übrigen die in Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6, unter Anm. 13 zu § 18 AVG und E. 58 ff zu § 56 AVG und in Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht8, unter Rz. 192, wiedergegebene Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts).
Der Bescheid vom 28. Oktober 2004 berief sich nur in seinem Spruchabschnitt I. auf den Gemeinderatsbeschluss vom 27. Oktober 2004, sodass nur dieser Spruchabschnitt dem Gemeinderat der Stadt Wiener Neustadt zugerechnet werden kann.
Spruchabschnitt II. des Bescheides vom 28. Oktober 2004 ist dagegen vor dem Hintergrund der dienst- und organisationsrechtlichen Bestimmungen eindeutig dem Magistrat als Dienstbehörde erster Instanz zuzurechnen.
Der Wiederaufnahmeantrag betrifft seinem Inhalt nach ausschließlich den dem Magistrat zurechenbaren Spruchabschnitt II. des Bescheides vom 28. Oktober 2004.
Die Entscheidung über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend die Bemessung des Ruhegenusses unter Berücksichtigung allfälliger weiterer Nebengebührenwerte kam somit nicht der belangten Behörde zu.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.
Für das weitere Verfahren sei darauf hingewiesen, dass im Falle der Unterlassung von Behauptungen über die Rechtzeitigkeit des Wiederaufnahmeantrages die Behörde nach § 13 Abs. 3 AVG idF der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 die Behebung dieses inhaltlichen Mangels zu veranlassen hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 8. Juli 2005, Zl. 2005/02/0040).
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 21. Oktober 2005
Schlagworte
Besondere Rechtsgebiete Intimation Zurechnung von Bescheiden Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweislast Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht Verbesserungsauftrag Nichtentsprechung Zurückweisung Zurechnung von Bescheiden IntimationEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2005120114.X00Im RIS seit
25.11.2005