Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Bauer als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Ferdinand Podkowicz (AG) und Gerhard Gotschy (AN) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Cornelia W***, Zwischenwasser, Batschuns 85, vertreten durch Dr.J.R.Harthaler und Dr.B.Schön, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei A*** U***
(Landesstelle Salzburg), Adalbert-Stifterstraße 65, 1200 Wien wegen Versehrtenrente infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 18.April 1989, GZ 5 Rs 46/89-26, womit die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht vom 31. Jänner 1989, GZ 35 Cgs 1/88-19, zurückgewiesen wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluß behoben.
Die Rekurskosten bilden weitere Kosten des Berufungsverfahrens.
Text
Begründung:
Die Klägerin, die im Verfahren vor dem Erstgericht durch die befugten Vertreter der K*** FÜR A*** UND A***
V*** Dr.Klaus H*** und Dr.Cornelia V*** vertreten war, begehrt die Gewährung einer Versehrtenrente für die Folgen des Arbeitsunfalls vom 23.September 1978. Mit Urteil vom 31.Jänner 1989, zugestellt an Dr.Klaus H*** am 24.Februar 1989, wies das Erstgericht das Klagebegehren ab.
Gegen dieses Urteil erhob die Klägerin am 24.März 1989, vertreten durch den nunmehr bevollmächtigten Rechtsanwaltsanwärter Dr.Markus Ch.W***, Berufung. Das Erstgericht trug unter Setzung einer Frist von fünf Tagen die Verbesserung der Berufungsschrift durch Nachweis der qualifizierten Vertretungsbefugnis Dris.W*** im Sinne § 40 Abs 1 ASSG, § 31 Abs 3 ZPO oder durch Unterfertigung der Rechtsmittelschrift durch einen Rechtsanwalt oder eine andere qualifizierte Person auf. Dieser Verbesserungsauftrag wurde am 3. April 1989 an Dr.W*** zugestellt. Am 4.April 1989 legte dieser die Berufung unter Anschluß eines Zeugnisses über die Ablegung der Rechtsanwaltsprüfung wieder vor; eine Verbesserung im Sinn des vom Erstgericht erteilten Auftrages erfolgte nicht.
Das Berufungsgericht wies die Berufung zurück. Der für die Klägerin einschreitende Vertreter sei nicht Rechtsanwalt, sondern Rechtsanwaltsanwärter, gehöre nicht zu dem im § 40 ASSG aufgezählten Personenkreis und sei daher nicht berechtigt, die Klägerin im Rechtsmittelverfahren zu vertreten.
Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs der Klägerin mit dem Antrag, ihn aufzuheben und die Rechtssache zur Sachentscheidung an das Oberlandesgericht Innsbruck zurückzuverweisen. Mit dem Rekurs wurde auch der nunmehr von den von der Klägerin bevollmächtigten Rechtsanwälten unterfertigte Berufungsschriftsatz vorgelegt.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist berechtigt.
Den Ausführungen des Rekurses über die Vertretungsbefugnis eines Rechtsanwaltsanwärters im Rechtsmittelverfahren in Arbeits- und Sozialrechtssachen kann allerdings nicht beigetreten werden. Gemäß § 40 Abs 1 und 2 - die anderen in dieser Bestimmung genannten Fälle kommen hier nicht in Betracht - sind nur Rechtsanwälte und Funktionäre und Arbeitnehmer einer gesetzlichen Interessenvertretung oder freiwilligen kollektivvertragsfähigen Berufsvereinigung, die nach ihrem Wirkungsbereich für die Partei in Betracht kommt oder in Betracht käme, wenn diese noch berufstätig wäre oder ihren Aufenthalt im Inland hätte, zur Vertretung vor den Gerichten erster und zweiter Instanz qualifiziert, wobei die Funktionäre und Arbeitnehmer einer Befugnis der Interessenvertretung oder Berufsvereinigung bedürfen. Ein Rechtsanwaltsanwärter kann diesem Personenkreis nicht zugezählt werden und ist daher im Rechtsmittelverfahren - im Verfahren erster Instanz kann der Vorsitzende gemäß § 40 Abs 2 Z 4 auch jede andere geeignete Person zur Vertretung zulassen - nicht zur Vertretung berechtigt. Der Begründung des Berufungsgerichtes ist daher in diesem Punkt beizutreten.
Die Voraussetzungen für die Zurückweisung der Berufung liegen jedoch des ungeachtet nicht vor. Gemäß § 84 Abs 1 ZPO hat das Gericht die Beseitigung von Formgebrechen, welche die ordnungsmäßige geschäftliche Behandlung des überreichten Schriftsatzes zu hindern geeignet sind, von Amts wegen anzuordnen. Zum Zweck der Beseitigung von Formgebrechen kann die Partei vorgeladen oder ihr der Schriftsatz mit der Anweisung zur Behebung der gleichzeitig zu bezeichnenden Formgebrechen zurückgestellt werden, wobei für die Verbesserung fristgebundener Schriftsätze eine entsprechende Fristsetzung zu erfolgen hat (§ 85 ZPO). Gemäß § 93 Abs 1 ZPO haben dann, wenn eine Partei Prozeßvollmacht erteilt hat, bis zur Aufhebung der Prozeßvollmacht (§ 36) alle diesen Rechtsstreit betreffenden Zustellungen an den namhaft gemachten Bevollmächtigten zu geschehen. Dabei können Zustellungen nur soweit an den Bevollmächtigten erfolgen, als die Annahme der Zustellung durch den Umfang der Prozeßvollmacht gedeckt ist (Fasching, Komm II, 574). Für den vorliegenden Fall ergibt sich aus den obigen Ausführungen, daß Dr.W*** als Vertreter der Klägerin im Prozeß nicht einschreiten konnte; ihm konnte daher auch nicht wirksam Prozeßvollmacht erteilt werden. Zustellungen an ihn waren damit gemäß § 93 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Die dennoch an ihn vorgenommene Zustellung des Verbesserungsauftrages konnte für die Klägerin keine Rechtswirksamkeit entfalten. Da kein Anhaltspunkt dafür vorliegt, daß der Verbesserungsauftrag der Klägerin tatsächlich zugekommen ist und damit eine Heilung des Zustellmangels im Sinn des § 7 ZustellG eingetreten ist, ist davon auszugehen, daß ein wirksames Verbesserungsverfahren bisher nicht durchgeführt wurde, sodaß die Voraussetzungen für die Zurückweisung der Berufung fehlen. Da zwischenzeitig eine Behebung des Formgebrechens durch rechtsanwaltliche Fertigung des Rechtsmittelschriftsatzes erfolgte, erübrigt sich ein weiteres Verbesserungsverfahren. Das Berufungsgericht wird über die Berufung zu entscheiden haben. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.
Anmerkung
E18359European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1989:010OBS00189.89.0620.000Dokumentnummer
JJT_19890620_OGH0002_010OBS00189_8900000_000