TE OGH 1989/6/20 2Ob532/89

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Veröffentlicht am 20.06.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik, Dr.Vogel, Dr.Melber und Dr.Kropfitsch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Alois K*** Verlags Gesellschaft m.b.H., D-8000 München 82, Birkhahnweg 14, vertreten durch Dr.Gerald Kopp, Dr.Michael Wittek-Jochums und Dr.Andreas Braunbruck, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei Robert B***-S***, Inhaber des Hotels Crystal-Lenk, CH-3775 Lenk-Berner Oberland, vertreten durch Dr.Peter Raits, Dr.Alfred Ebner, Dr.Harald Lettner, Dr.Walter Aichinger und Dr.Peter Bleiziffer, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen DM 8.000 s.A. (Streitwert S 56.000,--), infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 17.Jänner 1989, GZ 13 R 1/89-10, womit der Beschluß des Landesgerichtes Salzburg vom 10. November 1988, GZ 1 Cg 284/88-7, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 3.087,-- (darin keine Barauslagen und S 514,50 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung:

Im gegenständlichen Rechtsstreit machte die Klägerin (mit Sitz in München) das Entgelt aus der Erfüllung eines schriftlichen Auftrags des Beklagten (mit Wohnsitz in der Schweiz) zur Einschaltung eines Inserats in der Zeitschrift "Stern" geltend. Die Zuständigkeit des Landesgerichts Salzburg stützte die Klägerin auf die Vereinbarung des Gerichtsstands Salzburg. Das Erstgericht verfügte die Zustellung der Klage an den Beklagten, welcher die örtliche Unzuständigkeit einwendete, weil es am urkundlichen Nachweis der Bevollmächtigung von August E*** fehle, der als Agent der Klägerin den Auftrag akquiriert habe. Im übrigen wurde das Klagebegehren wegen Nichterfüllung einer von August E*** mündlich zugesagten Mehrleistung bestritten. Das Erstgericht sprach seine örtliche Unzuständigkeit aus und wies die Klage zurück.

Zur Begründung wurde ausgeführt, daß auch der urkundliche Nachweis der Bevollmächtigung erforderlich sei, wenn die Gerichtsstandsvereinbarung durch Bevollmächtigte getroffen worden sei. Ein solcher urkundlicher Nachweis über die Bevollmächtigung der für die Klägerin handelnden Agentur Ulrike E*** sei nicht erbracht worden.

Rechtliche Beurteilung

Infolge Rekurses des Klägers änderte das Gericht zweiter Instanz den Beschluß des Erstgerichts im Sinne der Verwerfung der Unzuständigkeitseinrede ab und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme von dem Zurückweisungsgrund auf. Das Rekursgericht erklärte den Revisionsrekurs für zulässig und führte aus, die Klägerin habe in der Klage das Original des Auftrages 1137 vom 15.1.1987 vorgelegt, der im Punkt 6) folgende Regelung enthält: "Es gilt das Recht der Bundesrepublik Deutschland. Gerichtsstand ist München - oder nach Wahl des Verlages - Salzburg."

Als Auftragnehmer sei in dem offenkundig für eine Mehrzahl von Fällen verwendeten Auftragsformular die Klägerin angeführt. Unter der Rubrik "Stempel und Unterschrift des Auftraggebers" finde sich - unbestritten - die unkenntliche Unterschrift des Beklagten samt Stampiglie. Als Auftragsmittler sei angeführt: "Agentur E***" und als Ort des Abschlusses Lenk angegeben. Unter den schon in der Klagsschrift vorgelegten Urkunden finde sich auch die Fotokopie der Bestätigung dieses Auftrags vom 19.1.1987 durch die Klägerin, die in eindeutiger Weise auf diese Auftragserteilung Bezug nehme. Gemäß § 104 Abs 1 ZPO könnten sich die Parteien einem oder mehreren Gerichten erster Instanz namentlich angeführter Orte durch ausdrückliche Vereinbarung unterwerfen, die dem Gericht schon in der Klage urkundlich nachgewiesen werden muß. Auch wenn daher eine mündliche Vereinbarung denkbar wäre, bedürfte es des urkundlichen Nachweises. Die Zuständigkeitsvereinbarung erfolge in der Regel schriftlich, weshalb auch meist die schriftliche Vereinbarung als urkundlicher Nachweis der Vereinbarung selbst vorgelegt werde. Der urkundliche Nachweis sei unabdingbar. Eine besondere Form der Urkunde sei aber nicht vorgesehen. Es genügten eindeutig vom Kläger herrührende und vom Beklagten unterschriebene Urkunden. Die Gerichtsstandsvereinbarung müsse daher nicht in einer von beiden Teilen unterfertigten gemeinsamen Vertragsurkunde enthalten sein. Sie könne auch durch getrennte schriftliche Erklärungen und Gegenerklärungen erfolgen, so durch Bestellschein und Bestätigungsschreiben, durch einen Versicherungsantrag und dessen schriftliche Annahme, durch ein Offertschreiben und seine Annahme, durch Unterfertigung der vom Gegner herrührenden Kommissionsnoten und Bestellscheine. Bedürfe es daher beim geforderten urkundlichen Nachweis auf Seiten der Klägerin nicht auch ihrer eigenen Unterschrift, sondern genügte es, daß die Urkunde eindeutig von ihr herrühre, so könne auch nicht auf Seiten der Klägerin, die sich ja auf die Zuständigkeitsvereinbarung berufe, und die ihr von ihrem Bevollmächtigten übermittelte, die Gerichtsstandsvereinbarung enthaltende Urkunde, vorlegte, sinnvollerweise noch zusätzlich der Nachweis der Bevollmächtigung verlangt werden. Der im Original mit der Klage vorgelegte Auftrag mit der Unterschrift des selbst handelnden Beklagten stelle daher einen ausreichenden Nachweis der inhaltlich ausreichend bestimmten Vereinbarung des Gerichtsstands Salzburg dar. Ausgehend vom ausreichenden urkundlichen Nachweis sei auch an dem nach prozeßrechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilenden wirksamen Zustandekommen der Gerichtsstandsvereinbarung nicht zu zweifeln, was nach österreichischem Verfahrensrecht zu beurteilen sei, sodaß auf den Einwand in der Klagebeantwortung, die Vereinbarung genüge den schweizerischen Anforderungen nicht, nicht weiter einzugehen sei. Ansonsten habe der Beklagte (österreichisches Verfahrensrecht betreffend) allein den Einwand erhoben, daß die Bevollmächtigung von August E*** nicht urkundlich nachgewiesen sei. Nunmehr sei jedoch im Hinblick auf den Einwand des Beklagten, der gegenständliche Rechtsstreit weise keinerlei Inlandsbeziehung auf, die Prozeßvoraussetzung der inländischen Gerichtsbarkeit zu prüfen. Fasching vertrete die Ansicht, daß die Parteien die inländische Gerichtsbarkeit auch durch Vereinbarung eines österreichischen Gerichts begründen könnten und stütze sich dazu auf Loewe ZfRV 1983, 180, weil die Vereinbarung ein von den Verfahrensordnungen allgemein anerkannter Anknüpfungspunkt an das Inland sei. Letzterer lehne jene Lehren, wonach die örtliche Zuständigkeit in bestimmten Fällen die inländische Gerichtsbarkeit nicht herbeiführen könnte, wenn ein ausreichender Inlandsbezug fehle, als jeder Grundlage entbehrend und dem Willen des Gesetzgebers widersprechend ab und bejahe dies auch für den Bereich des § 104 JN, und zwar für beide dort geregelten Fälle. Die Vereinbarung der Zuständigkeit eines österreichischen Gerichts in der im § 104 JN vorgesehenen Form begründe eine örtliche Zuständigkeit wie jede andere, die die inländische Gerichtsbarkeit nach sich ziehe. Dagegen habe der Oberste Gerichtshof (vor Änderung des § 28 JN durch die Zivilverfahrens-Novelle 1983) für den durch eine Völkerrechtsnorm oder ausdrückliche innerstaatliche Norm nicht beschränkten Bereich der inländischen Jurisdiktion die Begründung der Entscheidungsbeufgnis eines inländischen Gerichts durch Akte der Parteidisposition zwar nicht als grundsätzlich ausgeschlossen angesehen, aber doch klargestellt, es hieße die Funktion der Zuständigkeitsnormen außer acht zu lassen, wollte man den Parteien die Möglichkeit einräumen, vertraglich oder durch Akte prozessualer Disposition wie insbesondere durch Unterlassung der rechtzeitigen Erhebung der Unzuständigkeitseinrede die Entscheidungspflicht des inländischen Gerichts auch dann zu begründen, wenn jeder Inlandsbezug fehle. Es werde auch als völkergewohnheitsrechtlicher Grundsatz anerkannt, daß kein Staat ein Verfahren in einem Fall durchführen dürfe, der jeder inländischen Anknüpfung entbehre. Akte der Parteidisposition könnten daher die fehlende Inlandsbeziehung nicht ersetzen, an diese könnten aber geringere Anforderungen gestellt werden (JBl 1983, 544). Nicht gesagt werde, ob es ausreiche, daß überhaupt eine Inlandsbeziehung vorliege oder wie die Anforderungen daran zu stellen seien. Im vorliegenden Fall sei ein Inlandsbezug in Form des Vertragsabschlusses über die Firma Ulrike E***, die nach dem der Klage angeschlossenen Schreiben vom 18.3.1988 ihren Sitz in Anif, Schloßstraße 321 habe, gegeben. Nach dem vorgetragenen Prozeßstoff gehe es um die Prüfung behaupteter mündlicher Zusagen des für diese Firma tätigen August E*** und erwähne der Beklagte auch seine Vorstellung, es habe sich bei der Klägerin und bei der Fa. Ulrike E*** um eine zumindest in seiner Sache eng zusammenarbeitende Einheit gehandelt. Ein Angestellter der Firma E***, nämlich Josef H***, sei auch von der Klägerin bereits als Zeuge beantragt worden. Schließe man sich daher nicht der Meinung von Loewe an, so sei ein Inlandsbezug in der gegenständlichen Rechtssache zumindest dadurch hergestellt, daß eine Prozeßführung in Salzburg zweckmäßig erscheine, was in den Vertragsbeziehungen der Klägerin zu ihren Kunden offenbar häufig der Fall zu sein scheine, wie der Umstand zeige, daß es sich bei dem schriftlichen Auftrag, der die Gerichtsstandsklausel enthalte, um ein vorgedrucktes Formular handle. Es sei daher auch die inländische Gerichtsbarkeit gegeben, sodaß dem Rekurs der Klägerin Folge zu geben und die Unzuständigkeitseinrede zu verwerfen gewesen sei. Gegen den Beschluß des Rekursgerichts wendet sich der Revisionsrekurs des Beklagten aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Zurückweisung der Klage; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, das Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen, allenfalls dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Der Revisionsrekurs ist zulässig (§§ 528 Abs 2, 502 Abs 4 Z 1 ZPO), aber nicht gerechtfertigt.

Der Beklagte führt in seinem Rechtsmittel aus, selbst wenn man der Rechtsansicht des Rekursgerichts folge und von einer wirksam zustandegekommenen und urkundlich nachgewiesenen Gerichtsstandsvereinbarung im Sinne des § 104 JN ausgehe, fehle es entgegen der Ansicht des Rekursgerichts im gegenständlichen Fall an der inländischen Gerichtsbarkeit und wäre allein aus diesem Grund das Klagebegehren zurückzuweisen. Im vorliegenden Rechtsstreit fehle es an jeglicher Inlandsbeziehung, die als maßgebliche Kriterien für eine Anknüpfung zur Begründung der inländischen Gerichtsbarkeit in Betracht komme. Mangels einer hinreichend engen Inlandsbeziehung sei selbst im Falle einer rechtswirksam zustandegekommenen Gerichtsstandsvereinbarung des Landesgerichts Salzburg eine inländische Gerichtsbarkeit für diesen Rechtsstreit nicht gegeben und mangels dieser Prozeßvoraussetzung das Klagebegehren aus diesem Grund zurückzuweisen.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.

Bezüglich des wirksamen Zustandekommens der gegenständlichen Gerichtsstandsvereinbarung enthält der Revisionsrekurs keine näheren Ausführungen, sodaß auf die zutreffende Begründung des Rekursgerichts verwiesen werden kann.

Die von der Rechtsprechung (SZ 51/34; SZ 53/124; EvBl 1979/94; EvBl 1983/21; ZfRV 1979, 277; ZfRV 1979, 205 ua) und der älteren Lehre (Pollak, System2 250; Sperl 28) vertretene Ansicht, die inländische Gerichtsbarkeit eines österreichischen Gerichts sei zu bejahen, wenn ein inländischer Gerichtsstand gegeben ist, hat nicht ungeteilte Zustimmung gefunden. Es wurde die "Indikationentheorie" entwickelt, die die inländische Gerichtsbarkeit zunächst als "indiziert" ansieht, wenn ein gesetzlicher Tatbestand der örtlichen Zuständigkeit erfüllt ist, was aber die weitere Prüfung nicht erspare, ob die durch den vorliegenden Gerichtsstand repräsentierte Inlandsbeziehung auch insgesamt für die Bejahung des inländischen Justizbedürfnisses ausreiche (vgl. die von Matscher in JBl 1983, 505 ff und in EvBl 1983/13 zitierten Lehrmeinungen von Schwimann, Hoyer und Bajons). Allerdings wurde auch in der neuesten Lehre teilweise die Ansicht vertreten, mit der Normierung der Zuständigkeit eines inländischen Gerichts habe der Gesetzgeber die ausreichende Nahebeziehung einer Rechtssache mit dem Inland vorweg festgestellt; es bedürfe keiner weiteren Voraussetzung für das Bestehen der inländischen Gerichtsbarkeit, wenn die örtliche Zuständigkeit vorhanden sei (vgl. insbesondere Matscher aaO, besonders 516; Loewe in ZfRV 1983, 184; vgl. auch Fasching, Zivilprozeßrecht Rdz 76; Holzhammer, Österreichisches Zivilprozeßrecht2 29; Kralik, ZZP 1961, 26).

Im vorliegenden Fall kann aber diese umstrittene Frage auf sich beruhen, weil nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes eine für die Bejahung der inländischen Gerichtsbarkeit hinreichende Inlandsbeziehung vorliegt. Hiebei ist zu berücksichtigen, daß wohl eine fehlende Inlandsbeziehung nicht durch Parteiwillen ersetzt werden könnte, ein geringerer Grad der Inlandsbeziehung aber durch entsprechenden Parteiwillen die ausreichende Intensität erlangen kann (vgl. JBl 1983, 541, dazu Schwimann in JBl 1984, 12). Der Vertragsabschluß zwischen den Streitteilen erfolgte über die von der Klägerin als Handelsvertreterin beauftragte Firma Ulrike E***, die ihren Sitz in Österreich (Anif) hat. Nach dem Parteivorbringen handelt es sich um die Prüfung behaupteter mündlicher Zusagen des für diese Firma tätigen August E*** und auch der Beklagte behauptete, es habe sich bei der Klägerin und bei der Firma Ulrike E*** um eine zumindest in seiner Sache eng zusammenarbeitende Einheit gehandelt, und wendete gegen das Klagebegehren die Nichteinhaltung der von Dienstnehmern der Firma E*** mit ihm getroffenen Sondervereinbarungen ein. Im vorliegenden Rechtsstreit könnte daher etwa auch die Frage einer allfälligen Überschreitung des von der Klägerin der Firma E*** erteilten Auftrags zu prüfen sein. Aus diesen Erwägungen kann in der Auffassung des Rekursgerichts, daß eine für die Bejahung der inländischen Gerichtsbarkeit hinreichende Inlandsbeziehung vorliegt, keine unrichtige rechtliche Beurteilung erblickt werden.

Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E17864

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0020OB00532.89.0620.000

Dokumentnummer

JJT_19890620_OGH0002_0020OB00532_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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