TE Vwgh Erkenntnis 2005/10/21 2002/12/0250

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Veröffentlicht am 21.10.2005
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
65/01 Allgemeines Pensionsrecht;

Norm

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §56;
AVG §58 Abs2;
PG 1965 §12 Abs1 idF 1973/320;
PG 1965 §12 Abs2 idF 1996/201;
PG 1965 §4 Abs4 Z3 idF 1997/I/138;
PG 1965 §4 Abs7 idF 1997/I/138;
PG 1965 §62j idF 2001/I/086;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Schick, Dr. Hinterwirth und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lamprecht, über die Beschwerde des W in M, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom 11. Juni 2002, Zl. 15 1311/159/II/15/02, betreffend die Bemessung des Ruhegenusses und der Ruhegenusszulage aus der Wachdienstzulage, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der im Oktober 1946 geborene Beschwerdeführer stand, zuletzt als Abteilungsinspektor (Verwendungsgruppe E2a), in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Er wurde auf Grund seines Antrags vom 10. November 1999 mit Bescheid der Aktivdienstbehörde (Bundesminister für Inneres) vom 9. Juni 2000 mit Ablauf des 31. Juli 2000 gemäß § 14 Abs. 1 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 (BDG 1979) wegen dauernder Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt.

Diesem Bescheid ging folgendes Ermittlungsverfahren voraus:

Vom 29. Oktober bis zum 24. November 1999 war der Beschwerdeführer wegen reaktiver Depression im Krankenhaus B stationär untergebracht. Der Entlassungsbericht des neurologischen Facharztes Univ. Prof. Dr. R. vom 21. Dezember 1999 lautet auszugsweise:

"Aus der Anamnese: Der Pat. berichtet, über zunehmende Probleme am Arbeitsplatz. Er habe das Gefühl, dass er auf Grund seiner Einstellung versetzt worden sei, er leide unter zunehmenden Ein- und Durchschlafstörungen, verspüre eine massive Müdigkeit, Antriebsverminderung und werde von Zukunftsängsten geplagt. Er klagt außerdem über ausgeprägte Konzentrationsstörungen. Im Mai 99 sei seine Mutter gestorben, was ihn ebenfalls belasten würde. Der Pat. berichtet außerdem über massive HWS-Beschwerden.

Der somatisch erhobene Befund war regelrecht. Neurologisch fanden sich keine Herd-, Halbseiten- oder Wurzeldehnungszeichen. Psychisch war der Pat. depressiv, psychomotor. unruhig, antriebsvermindert, klagt über Ein- und Durchschlafstörungen.

Verlauf und Therapie: Die Aufnahme des Pat. erfolgte wegen eines reaktiv depressiven Zustandsbildes. ...

Insgesamt konnte während des stationären Aufenthaltes eine deutliche Stabilisierung des Zustandsbildes erzielt werden. Wegen der angegebenen vertebragenen Beschwerden wurde eine Kontrolle des HWS-MR durchgeführt, wobei sich ein medio-lateraler Prolaps C6/7 subligamentär fand sowie eine geringe oberflächliche Spinalkanalstenose ohne Alteration des Myelons. Wegen Hautveränderungen im Gesicht wurde der Pat. der Dermatologin vorgestellt, welche eine rosaceaartige Dermatitis diagnostizierte.

Auf Grund der vertebragenen Symptomatik wäre ein Kuraufenthalt unsererseits empfehlenswert, eine nervenfachärztliche Kontrolle sowie psychotherapeutische Weiterbetreuung ebenfalls sinnvoll. Insgesamt konnte der Pat. in mäßig stabilisiertem Zustand nach Hause entlassen werden."

Am 14. Jänner 2000 erstattete der den Beschwerdeführer behandelnde Facharzt für Innere Medizin Dr. S folgendes Attest:

"Diagnosen:

Ausgeprägtes rezidivierendes bzw. nahezu therapieresistentes äußerst schmerzhaftes posttraumatisches mittleres und unteres Cervikalsyndrom mit hochgradiger Bewegungseinschränkung. St.p. ausgeprägte Distorsion der HWS bzw. Contusion am Übergang von der BWS zur LWS, konsekutive diskrete Hyp.- bzw. Dysästhesien im Bereich des vierten und fünften Fingers links. Außerdem besteht auf Grund des NMR der HWS ein so genannter medio-lateraler Prolaps C6/C7 subligamentär sowie eine geringfügige zusätzliche oberflächliche Spinalkanalstenose mit fehlender Alteration des Myelons, außerdem besteht dermatologischerseits eine rezidivierende rosaceaartige Dermatitis.

Zudem besteht derzeit v.a. ein ausgeprägtes und beherrschendes sog. reaktives depressives Zustandsbild (siehe ausführlicher Befund über den stationären Aufenthalt ... vom 19.10. - 24.11.1999)." (Es folgt eine Übersicht über die letzten Befunde und die derzeitige internistische Therapie)

"Zusammenfassung und Beurteilung:

Auf Grund des oben ausführlich geschilderten Krankheitsbildes bzw. Zustandsbildes v.a. in Kombination mit dem bestehenden psychiatrischen Zustandsbild und der damit verbundenen starken Verhaftung in der aktuellen Problematik, wird meiner Meinung nach eine medikamentöse Therapie pro futuro nicht erfolgreich sein und zu keiner Besserung des Beschwerdekomplexes bzw. des Zustandsbildes führen.

Bei weiterer beruflicher Tätigkeit wird es sicherlich zu einer deutlichen bzw. drastischen Verschlechterung des derzeitigen Krankheitsbildes bzw. Zustandsbildes kommen, demzufolge wäre meines Erachtens eine vorzeitige Pensionierung aus Gesundheitsgründen unbedingt angezeigt bzw. angebracht."

Der Facharzt für Psychiatrie und Neurologie Dr. H kam in seinem Gutachten vom 18. Jänner 2000 zu folgendem Ergebnis (Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof):

"Zusammenfassung: Bei dem Beschwerdeführer besteht

eine reaktive Depressio. ... Insgesamt kam es im Verlauf der Behandlung zu keiner völligen Remission der depressiven Symptomatik. Derzeit besteht noch eine deutl. Erniedrigung des Elan vital u. eine rasche Erschöpfbarkeit sowie tagsüber verstärkte Müdigkeit. Soweit derzeit beurteilbar, ist mit einer weiteren Chronifizierung d. Leidens zu rechnen. Die Arbeitsfähigkeit ist vorerst nicht gegeben."

Am 10. April 2000 gab die leitende Ärztin am Bundespensionsamt Dr. W folgendes ärztliches Sachverständigengutachten zur Leistungsfeststellung ab:

"Diagnose (nach Relevanz hinsichtlich Arbeitsfähigkeit)

1. Reaktive Depression mit Somatisierungstendenz und vegetativer Reizsymptomatik (keine Psychosewertigkeit)

2. Degenerative Aufbrauchserscheinungen in der gesamten Wirbelsäule mit vertebragenen Neuralgien im Hals- und Brustwirbelsäulenbereich ohne Hinweise auf Wurzelreizsymptomatik oder Wurzelirritation bei Bandscheibenvorfall C6/C7.

3.

Cervicogener Kopfschmerz

4.

Sensibilitätsstörung im Bereich des Nervus trigeminus links ohne funktionelle Störungen.

Leistungskalkül

Wegen der bestehenden Einschränkungen im Bereich des Achsenskelettes mit wiederholten Schulter-Arm- und Nackenschmerzhaftigkeit und einem Bandscheibenvorfall im Halswirbelsäulenbereich ist die körperliche Leistungsfähigkeit dahingehend eingeschränkt, dass der unvermutete Einsatz, das Nachlaufen oder Festhalten von Verdächtigen nicht sicher gewährleistet ist. Die körperliche Wendigkeit und Kraft ist vermindert, sodass wegen verminderter Abwehrmöglichkeit sowohl eine Gefährdung des Beamten als auch Fremdgefährdung vorliegt. Zusätzlich liegen wegen einer exogenen Verstimmung Einschränkungen in der psychischen Belastbarkeit und eine Verminderung der seelischen Ausgeglichenheit vor. In Krisensituationen ist der Beamte nicht immer sicher ausgeglichen bedacht und könnte insbesondere in schwierigen Krisensituationen inadäquat reagieren. Ein rasches, umsichtiges und richtiges Handeln ist wegen der psychischen Unausgeglichenheit nicht mehr sicher gewährleistet. Der weitere Einsatz im Exekutivdienst ist daher in Summe nicht länger zu vertreten.

Im Vordergrund der Leistungsminderung steht eine Überforderungsdepression. Diese führt zu einer subdepressiven Stimmungslage und reduzierter psychischer Belastbarkeit. Subjektiv dominiert ein Überforderungsgefühl. Es liegt eine Restaffizierbarkeit und keine bis geringe Antriebsstörung vor. Aus der Gesamtsituation resultiert, auch im Zusammenhang mit den vegetativen Begleitstörungen wie etwa Schlafstörung, eine Verminderung des Konzentrations- und Merkfähigkeitsvermögens. Es können daher lediglich leichte körperliche Arbeiten in wechselnder Arbeitshaltung ausgeführt werden. Nach einer 1-stündigen monotonen Arbeitshaltung ist ein Positionswechsel oder eine Lockerungspause von 10 Minuten notwendig. Heben, Tragen und Schieben von Lasten bis maximal 5 kg ist zulässig. Hebedrehbewegungen sind zu vermeiden. Überkopfarbeiten, gebeugte, gebückte oder kniende Haltungen sowie allgemeine Zwangshaltungen sind nicht zulässig. Länger anhaltende Kälte- oder Nässeexposition ist untersagt. Besteigen von Leitern oder anderen Steighilfen bis maximal 1 m ist zulässig. Höhenexponierte Lagen sind hingegen untersagt. Außendienste und berufsmäßiges Lenken eines KFZ sind nicht möglich. Kundenkontakte, Parteienverkehr und Nacht- und Schichtarbeiten sind nicht zulässig. Es können leichte grob- und feinmotorische manuelle Tätigkeiten unter Vermeidung von länger anhaltenden monotonen Arbeitsabläufen ausgeführt werden. Bildschirmarbeiten sind bei freier Pausengestaltung bis zu 30 % der Tagesarbeitszeit zulässig. Auf Grund der psychischen Einschränkungen sind gering verantwortliche Tätigkeiten un(ter) geringem Zeit- und Leistungsdruck ausführbar. Tätigkeiten, die mit Eigenverantwortung, Flexibilität und Eigeninitiative verbunden sind, können nicht ausgeführt werden. Zusätzliche Arbeitspausen von je 10 Minuten vormittags und nachmittags sind erforderlich. Bürotätigkeiten im Innendienst unter konkreter Anleitung und einer kontinuierlichen Einschulung ohne höhere Verantwortlichkeit wären durchaus noch ausführbar.

Mit einer Besserung des chronifizierten Zustandes kann nicht gerechnet werden. Es ist mit vermehrten Krankenständen bis zu 4 Wochen jährlich zu rechnen."

Auf Grund dieses Gutachtens, das dem Beschwerdeführer in Wahrung des Parteiengehörs von seiner obersten (Aktiv)Dienstbehörde zur Kenntnis gebracht worden war und gegen das er keine Einwendungen erhob, wurde er mit dem bereits erwähnten Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 9. Juni 2000 gemäß § 14 Abs. 1 BDG 1979 mit Ablauf des 31. Juli 2000 in den Ruhestand versetzt.

Im Ruhegenussbemessungsverfahren erhob der Beschwerdeführer, mit den Ergebnissen des obigen Beweisverfahrens neuerlich konfrontiert, mit Schreiben vom 20. August 2000 dagegen Einwendungen. Er machte geltend, sein Gesundheitszustand habe sich stark verschlechtert. Die schon in den Gutachten angesprochenen Beschwerden der Wirbelsäule ließen sich trotz langzeitlicher ärztlicher Therapien nur dadurch lindern, dass er sich auch tagsüber häufig in Ruhelage begebe, um die Wirbelsäule zu entlasten. Bei manchen Körperhaltungen in sitzender oder stehender Position werde seine linke Hand gefühllos oder stellten sich Krämpfe im linken Rückenbereich ein. Ständig müsse er bemüht sein, Positionsänderungen mit bisweilen verrenkend anmutenden Bewegungen zur Entlastung der Wirbelsäule vorzunehmen. An körperliche Tätigkeiten sei nicht zu denken.

In den Kopf ausstrahlende Schmerzen schafften ihm im Zusammenhang mit der die ganze linke Gesichtshälfte einnehmenden Gefühllosigkeit das Gefühl unsäglicher Müdigkeit. Medikamente in teils beträchtlichen Dosen hätten keine Besserung gebracht, hingegen hätten sich Konzentrationsschwäche und Vergesslichkeit in beängstigendem Maße eingestellt. Arge Schlafstörungen und Antriebslosigkeit sowie in tiefe Depression reichende Gefühlslagen begleiteten diese Symptome. Er sei zu Hause nicht einmal zu einfachsten Verrichtungen zu gebrauchen und neige zu unbedachtem und dadurch oft Schaden verursachendem Handeln, sodass ihm seine Gattin verstärkt fürsorgliches Augenmerk schenken müsse. Er ersuche daher, unter Berücksichtigung dieser Umstände von dauernder Erwerbsunfähigkeit auszugehen. Sobald ihm neue Befunde vorlägen, wolle er diese nachreichen.

Das vom Beschwerdeführer in der Folge vorgelegte Gutachten des ihn behandelnden Facharztes für innere Medizin Dr. S vom 25. Oktober 2000 lautet auszugsweise (Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof):

"Diagnosen:

Bei meinem obgenannten Patienten besteht derzeit ein ausgeprägtes rezidivierendes und nahezu therapieresistentes äußerst schmerzhaftes posttraumatisches mittleres und unteres Cervikalsyndrom mit hochgradiger Bewegungseinschränkung. Trotz intensiver parenteraler bzw. vor allem Infusionstherapie mit nicht steroidalen Antirheumatika in Kombination mit Xyloneural und Vitamin B 12 sowie mit gleichzeitiger Anwendung einer dosisabgestimmten pulsierenden Magnetfeldtherapie, kam es nur zu einer geringfügigen bzw. nicht zu der erwarteten Besserung des vorgenannten Beschwerdekomplexes.

Es findet sich nämlich ätiologisch und pathogenetisch eine hochgradige Distorsion der HWS bzw. Contusion am Übergang von der BWS zur LWS, weiters erschwerend sind konsekutive diskrete Hyp.- bzw. Dysästhesien vor allem im Bereich des 4. und 5. Fingers links. Außerdem besteht auf Grund des NMR der HWS ein so genannter mediolateraler Prolaps C6/C7 subligamentär sowie eine geringfügige zusätzliche oberflächliche Spinalkanalstenose, jedoch mit fehlender Alteration des Myelons. Dermatologischerseits besteht als Nebenbefund eine rezidivierende rosaceaartige Dermatitis.

Die oben beschriebenen Hyp.- bzw. Dysästhesien im Bereich des

              4.              und 5. Fingers sind jedoch immer wieder vorhanden, ebenso die in der linken Gesichtshälfte vorhandenen Gefühlsstörungen insbesonders Parästhesien bzw. Dysästhesien.

Die vor allem in den Hinterkopf ausstrahlenden Schmerzen konnten durch die intensive analgetische, antiphlogistische und myotonolytische Therapie keineswegs befriedigend gebessert werden, sodass dem Patienten praktisch eine körperliche Tätigkeit nicht zumutbar ist, und auch in Zukunft soweit derzeit beurteilbar an eine geringfügige körperliche Belastung nicht zu denken ist und auch dem Patienten nicht zugemutet werden kann.

Zudem besteht erschwerend zum obgenannten ausführlich beschriebenen Krankheits- bzw. Zustandsbild ein ausgeprägtes und auch beherrschendes sogenanntes reaktives depressives Zustandsbild verbunden mit zunehmenden Ein- und Durchschlafstörungen, einer eher sich verschlechternden massiven Müdigkeit, Antriebsverminderung sowie zunehmende ausgeprägte Konzentrationsstörungen sowie deutliche Störungen sowohl des Langzeitgedächtnisses als auch des Kurzzeitgedächtnisses. Insgesamt besteht demzufolge schon eine so genannte präsenile Demenz vom Alzheimertyp.

Die diesbezüglich versuchte medikamentöse Therapie, die vom Fachneurologen Dr. H durchgeführt wurde, brachte praktisch keine Besserung der vorher geschilderten psychischen bzw. psychiatrischen Symptomatik.

Global gesehen ist er demzufolge, um noch eine gewisse Lebensqualität zu erreichen, praktisch auf eine zweite Person, in diesem Fall auf seine Gattin, im Wesentlichen angewiesen.

Außerdem kommt noch hinzu, dass die Erkrankung an der Wirbelsäule (vor allem im Bereich der HWS), die für die vorzeitige Pensionierung ausschlaggebend war, im Wesentlichen auf (näher dargestellte) Dienstunfälle zurückzuführen ist ...; im Juli 1999 kam es bei einem Sturz über eine Stiege zu einer deutlichen Zerrung der Wirbelsäule sowie nebst einem so genannten Schleudersyndrom zu einem Riss der Strecksehne des rechten Daumens. Der Patient wurde damals ambulant akut im UKH Graz (wegen des Sehnenrisses) bis 30.12.99 behandelt.

Die Heilung der vorgenannten Daumenverletzung war nicht optimal, die Zerrung der Wirbelsäule verursachte noch zusätzliche Schmerzen zu dem schon vorher bestehenden Beschwerdekomplex.

Zusammenfassend wäre medizinischerseits auszuführen, dass sich das Beschwerdebild trotz konsequenter fortgesetzter Behandlung im Wesentlichen allgemein verschlechtert hat. Die vorher angegebenen Dienstunfälle wurden nach Angabe des Patienten ordnungsgemäß gemeldet.

Zusammenfassung und Beurteilung:

Auf Grund des ausführlich geschilderten Krankheits-, Zustands- und Beschwerdebildes insbesonders auch im Verein mit dem bestehenden therapieresistenten psychiatrischen Zustandsbild, ist meiner Meinung nach jegliche Therapie pro futuro nicht erfolgreich bzw. zielführend, und es wird sicherlich nicht zu einer anhaltenden Besserung des Beschwerdekomplexes bzw. Zustandsbildes kommen.

Es ist daher meiner Meinung nach eine dauernde Erwerbsunfähigkeit auf Grund der vorhin geschilderten Leiden gegeben."

Dr. W gab am 10. November 2000 zu diesem Gutachten folgende Stellungnahme ab:

"Das beschriebene Cervicalsyndrom, die Folgen eines Halswirbelsäulenbeschleunigungstraumas und die Wirbelsäulenveränderungen insbesondere im Bereich der Halswirbelsäule wurden bei der Begutachtung, Befunderstellung und abschließenden Leistungsbeurteilung entsprechend berücksichtigt. Sie sind unter Punkt 2 der Diagnosenliste angeführt.

Die beschriebene Schmerzsymptomatik und Sensibilitätsstörung - Trigeminusneuralgie - wurden unter Punkt 3 und 4 der Diagnosenliste angeführt und im abschließenden Leistungskalkül entsprechend berücksichtigt.

Die psychische Erkrankung - reaktive Depression - ist unter Diagnose 1 angeführt und ebenfalls im Leistungskalkül entsprechend der neuropsychiatrischen Defizitbeschreibung berücksichtigt. Eine Demenz konnte hingegen bei der fachärztlichen Begutachtung nicht objektiviert werden. Das Merkfähigkeitsvermögen ist nicht signifikant eingeschränkt. Auch konnte kein intellektueller Abbau festgestellt werden. Ein Morbus Alzheimer wurde nicht festgestellt.

Ein schnellender Daumen bedingt keine zusätzliche Leistungsminderung.

Zusammenfassend ergibt sich aus dem nachgereichten Befund keine Änderung des Gutachtens vom 10.4.2000 und des beschriebenen Leistungskalküls."

Mit Bescheid vom 31. Mai 2001 stellte das Bundespensionsamt fest, dass dem Beschwerdeführer "gemäß §§ 3 bis 7 und 62b des Pensionsgesetzes 1965 (PG 1965), BGBl. Nr. 340," vom 1. August 2000 an ein Ruhegenuss von monatlich brutto S 22.283,10 und weiters gemäß § 12 PG 1965 die Ruhegenusszulage aus der Wachdienstzulage von monatlich brutto S 647,90 gebühre.

In der Begründung wird nach auszugsweiser Darstellung des Verwaltungsverfahrens, der eingeholten Gutachten und der Rechtslage die gutachtliche Meinung der Dr. W als unbedenklich und schlüssig dargestellt. Danach seien dem Beschwerdeführer "noch gering verantwortliche, körperlich leichte Arbeiten in wechselnder Arbeitshaltung unter geringem Zeit- und Leistungsdruck, wie z. B. Bürotätigkeiten, möglich" (wird im Sinn der Gutachten von Dr. W näher ausgeführt). Es sei noch eine Restarbeitsfähigkeit vorhanden, sodass der Beschwerdeführer nicht dauernd erwerbsunfähig im Sinn des § 4 Abs. 7 PG 1965 sei. Danach folgt die näher aufgeschlüsselte Berechnung des Ruhegenusses und der genannten Ruhegenusszulage.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer am 25. Juni 2001 Berufung mit dem Antrag, "auf Erwerbsunfähigkeit im Sinne des § 4 PG zu erkennen". Bei der etwa 5 Monate vor der Ruhestandsversetzung erfolgten ärztlichen Untersuchung habe die leitende Ärztin des Bundespensionsamtes im Leistungskalkül schon anmerken lassen, "dass selbst bei Einhaltung der zur körperlichen Schonung im beträchtlichen Maße festgelegten Leistungseinschränkungen noch mit monatelangen Krankenständen jährlich zu rechnen" sei. In der Zwischenzeit habe sich sein Zustand verschlechtert. Die langzeitlich ärztliche Behandlung sei nur palliativ ausgerichtet gewesen. Um im Ermittlungsverfahren ausreichende Erkenntnisse zu erlangen, wäre seinem Einwand mit einer weiteren ärztlichen Untersuchung zu begegnen gewesen.

Am 7. Mai 2002 erhob der Beschwerdeführer die zur hg. Zl. 2002/12/0167 protokollierte Säumnisbeschwerde wegen Nichterledigung der genannten Berufung. Darin führte er (u.a.) aus, sein Gesundheitszustand sei nicht auf dem Stand vom März 2000 stehen geblieben. Vielmehr habe eine laufende weitere Verschlechterung stattgefunden, sodass er deutlich vor seiner Ruhestandsversetzung auch gänzlich erwerbsunfähig geworden sei. Schon aus der Begründung des Bundespensionsamtes sei höchst fragwürdig, ob von einer effektiven Arbeitsfähigkeit (Erwerbsfähigkeit) ausgegangen werden könne (wird näher ausgeführt).

Das Verfahren über die Säumnisbeschwerde wurde hg. wegen Nachholung des versäumten Bescheides durch die belangte Behörde mit Beschluss vom 25. September 2002 eingestellt.

Mit Schreiben vom 7. Juni 2002 beantwortete der Beschwerdeführer eine Anfrage der belangten Behörde und gab bekannt, in dem "monatelange Krankenstände" betreffenden Berufungsvorbringen liege kein Widerspruch "zum Sachverständigengutachten", das "mit Krankenständen bis zu 4 Wochen jährlich in Summe zur fiktiven Restaktivzeit auf den gleichen Nenner" komme. Die lange, aber erfolglose neurologische wie auch psychotherapeutische Behandlung und die starken Psychopharmaka hätten ihre Spuren hinterlassen: Seine Konzentration und Gedächtnisleistung seien total abhanden gekommen. Seine Merkfähigkeit reiche oft nicht über das Ende eines Telefongespräches hinaus. Eine ärztliche Untersuchung zur Zeit der Ruhestandsversetzung hätte wohl genügend Klarheit schaffen können.

Mit Schreiben vom 14. Juni 2002 (bei der belangten Behörde eingelangt am 17. Juni 2002) gab der gewerkschaftlich vertretene Beschwerdeführer eine weitere Stellungnahme ab, in der er neuerlich auf die Verschlechterung seines Gesundheitszustandes zwischen März 2000 und "dem Pensionierungszeitpunkt" hinwies. Die ergänzende ärztliche Stellungnahme sei nicht schlüssig und nachvollziehbar, weil auf die von ihm vorgelegten fachärztlichen Atteste von Dr. S, aus denen der Unterschied im Gesundheitszustand eklatant hervorgehe, nicht konkret eingegangen werde. Im Übrigen verweise er auf die Ausführungen in seiner Säumnisbeschwerde und erkläre diese zum Inhalt seiner Stellungnahme. Er beantrage die Einholung ergänzender ärztlicher Sachverständigengutachten sowie eines berufskundlichen Gutachtens.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung nicht statt.

Nach auszugsweiser Darstellung des Verwaltungsverfahrens, der Rechtslage und der gegen den Bescheid des Bundespensionsamtes erhobenen Berufung führte die belangte Behörde in ihrer Begründung aus, nach eingehender Überprüfung der (vom Beschwerdeführer) vorgelegten und vom Bundespensionsamt eingeholten ärztlichen Befunde und Gutachten durch die leitende Ärztin des Bundespensionsamtes Dr. W habe sich unter Berücksichtigung der Stellungnahme des Beschwerdeführers ergeben, dass aus ärztlicher Sicht zum Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung noch eine verwertbare Restarbeitsfähigkeit gegeben gewesen sei. Zum "Vorwurf", dass sich sein Gesundheitszustand "seit der Untersuchung durch die herangezogenen Ärzte bis zum tatsächlichen Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung weiter verschlechtert habe, diese Gutachten also nicht mehr korrekt den Gesundheitszustand zum einzig fraglichen Zeitpunkt, dem Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung wiedergebe", sei auszuführen, dass auch das Attest von Dr. S vom 25. Oktober 2000 berücksichtigt worden sei. Auf Grund des Datums dieses Attestes sei davon auszugehen, dass dieses wohl über den Gesundheitszustand zum Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung, aber auch danach Auskunft gebe. Dieses Gutachten sei "daher vom leitenden Arzt kritisch und objektiv geprüft worden, wie dies in der bereits erwähnten Stellungnahme vom 10. November 2000 dargestellt wurde". Daraus haben keine bedeutenden Verschlechterungen bis zum Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung abgeleitet werden können. Was die Depression betreffe, so habe sich der leitende Arzt durchaus mit dieser Krankheit auseinander gesetzt, weil er zur Beurteilung der Schwere dieser Krankheit ein Gutachten eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie herangezogen habe. Daraus habe sich eindeutig eine eingeschränkte Restarbeitsfähigkeit ergeben.

Zur Stellungnahme vom 7. Juni 2002 sei zu ergänzen, dass für die Frage der dauernden Erwerbs(un)fähigkeit lediglich der Gesundheitszustand zum Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung maßgebend sei. Nachträgliche Veränderungen oder nicht vorhersehbare Verschlechterungen im Gesundheitszustand des Beamten, selbst wenn sie zur dauernden Erwerbsunfähigkeit führen könnten, seien daher ohne rechtliche Bedeutung.

Es sei also davon auszugehen, dass beim Beschwerdeführer eine dauernde Erwerbsunfähigkeit im Sinn des § 4 Abs. 7 PG 1965 zum Zeitpunkt der Wirksamkeit der Ruhestandsversetzung nicht gegeben gewesen sei. Demnach erwiesen sich die Bemessung einer gekürzten Ruhegenussbemessungsgrundlage und einer Ruhegenusszulage aus der Wachdienstzulage als rechtsrichtig. (Auf die nach der Verfassung des Bescheides eingelangte Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 14. Juni 2002 wurde nicht eingegangen.)

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

I. Rechtslage:

Im Beschwerdefall ist die Rechtslage nach § 62j Abs. 2 erster Satz des Pensionsgesetzes 1965 (kurz: PG 1965) idF des Pensionsreformgesetzes 2001, BGBl. I Nr. 86 (jetzt § 96 PG 1965 nach Art. 4 Z. 14 des Deregulierungsgesetzes - Öffentlicher Dienst 2002, BGBl. I Nr. 119), ausschlaggebend. Diese Bestimmung ist rückwirkend am 1. Oktober 2000 in Kraft getreten.

§ 62j (jetzt § 96) des PG 1965 in der genannten Fassung lautet auszugsweise:

"Übergangsbestimmungen zur Novelle BGBl. I Nr. 86/2001

§ 62j (1) Der Kürzungsprozentsatz beträgt abweichend von § 4 Abs. 3 in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2002 geltenden Fassung und von § 5 Abs. 2 in der ab 1. Jänner 2003 geltenden Fassung für Ruhegenüsse,

1.

die erstmals im Jahr 2000 gebühren, 0,1667 Prozentpunkte,

2.

...

(2) Auf Personen, die vor dem 1. Oktober 2000 Anspruch auf eine monatlich wiederkehrende Leistung nach diesem Bundesgesetz haben, sind die §§ 4, 9, 12, ... in der am 30. September 2000 geltenden Fassung weiterhin anzuwenden. Auf Beamte, deren Versetzung in den Ruhestand gemäß § 14 BDG 1979 vor dem 1. Oktober 2000 eingeleitet worden ist, ist § 4 Abs. 4 Z. 3 in der am 30. September 2000 geltenden Fassung weiter anzuwenden. ..."

Da der Beschwerdeführer mit Ablauf des 31. Juli 2000 in den Ruhestand versetzt worden war, hatte er mit 1. August 2000 - somit vor dem 1. Oktober 2000 - einen Anspruch auf eine monatlich wiederkehrende Leistung nach dem PG 1965 erworben.

Die am 30. September 2000 geltende Fassung des § 4 PG 1965 war die durch die 1. Dienstrechts-Novelle 1998, BGBl. I Nr. 123, bewirkte. Sie lautete auszugsweise (Abs. 1 und 2 in der Stammfassung, BGBl. Nr. 340/1965; Abs. 3 idF des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 201; Abs. 4 Z. 3 und Abs. 7 idF des 1. Budgetbegleitgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 138):

"Ruhegenussermittlungsgrundlagen und Ruhegenussbemessungsgrundlage

§ 4. (1) Der Ruhegenuss wird auf der Grundlage des ruhgenussfähigen Monatsbezuges und der ruhegenussfähigen Gesamtdienstzeit ermittelt.

(2) 80 v.H. des ruhegenussfähigen Monatsbezuges bilden die Ruhegenussbemessungsgrundlage.

(3) Für jeden Monat, der zwischen dem Zeitpunkt der Wirksamkeit der Versetzung in den Ruhestand und dem Ablauf des Monates liegt, in dem der Beamte sein 60. Lebensjahr vollendet haben wird, ist die Ruhegenussbemessungsgrundlage von 80 % um 0,1667 Prozentpunkte zu kürzen. Das sich aus dieser Kürzung ergebende Prozentausmaß der Ruhegenussbemessungsgrundlage ist auf zwei Kommastellen zu runden.

(4) Eine Kürzung nach Abs. 3 findet nicht statt

...

3. wenn der Beamte zum Zeitpunkt der Wirksamkeit der Ruhestandsversetzung dauernd erwerbsunfähig ist.

...

(7) Als dauernd erwerbsunfähig im Sinne des Abs. 4 Z 3 gilt ein Beamter nur dann, wenn er infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte dauernd außerstande ist, einem regelmäßigen Erwerb nachzugehen.

..."

Die am 30. September 2000 geltende Fassung des § 12 PG 1965 war die durch die 1. Dienstrechts-Novelle 1998, BGBl. I Nr. 123, bewirkte. Sie lautete auszugsweise (Abs. 1 idF der 4. Pensionsgesetz-Novelle, BGBl. Nr. 320/1973; Abs. 2 idF des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 201):

"Ruhegenusszulage

§ 12. (1) Dem Beamten, der Anspruch auf Exekutivdienstzulage, Omnibuslenkerzulage, Erzieherzulage, Wachdienstzulage oder Truppendienstzulage - im Folgenden kurz 'Aktivzulage' genannt - gehabt hat, gebührt eine Zulage zum Ruhegenuss (Ruhegenusszulage).

(2) Die Bemessungsgrundlage der Ruhegenusszulage bilden 80 v.H. der Aktivzulage, die der besoldungsrechtlichen Stellung entspricht, die der Beamte im Zeitpunkt des letzten rechtmäßigen Bezuges der Aktivzulage erreicht hat. Hat die Erzieherzulage in diesem Zeitpunkt nur im halben Ausmaß gebührt, so bilden 80 v.H. der halben in Betracht kommenden Erzieherzulage die Bemessungsgrundlage. § 4 Abs. 3 bis 5 ist auf die Bemessungsgrundlage der Ruhegenusszulage mit den Maßgaben anzuwenden, dass

1. die Kürzung der Bemessungsgrundlage für jeden Monat 0,2083 Prozentpunkte beträgt und

2. die Bemessungsgrundlage der Ruhegenusszulage 57,5 % der Aktivzulage nicht unterschreiten darf.

..."

II. Beschwerdeausführungen und Erwägungen:

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf Ruhegenuss in der gesetzlichen Höhe nach den Bestimmungen der §§ 3 ff und 62j des PG 1965 sowie durch unrichtige Anwendung der Vorschriften über die Sachverhaltsermittlung, das Parteiengehör und die Bescheidbegründung verletzt.

Er macht (zusammengefasst) geltend, die leitende Ärztin des Bundespensionsamtes Dr. W und ebenso die belangte Behörde seien auf die von ihm wiederholt relevierte Verschlechterung seines Gesundheitszustandes im Zeitraum von rund 5 Monaten zwischen der letztmaligen Untersuchung und der Ruhestandsversetzung mit Ablauf des 31. Juli 2000 nicht oder zumindest nicht ausreichend eingegangen. Auf Grund der Gefühllosigkeit in beiden Händen, der zu erwartenden Krankenstände und der insbesondere infolge seines Wirbelsäulenleidens an jedem Arbeitstag erforderlichen Pausen, wozu er ein ärztliches Attest (des Dr. S) vorgelegt habe, sei er am allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr vermittelbar, sodass von dauernder Erwerbsunfähigkeit auszugehen sei. Darüber hinaus seien die Auswirkungen seiner Schlafstörungen auf die Arbeitsfähigkeit nicht adäquat berücksichtigt worden. Die Einholung des von ihm beantragten berufskundlichen Sachverständigengutachtens sei unterblieben, obgleich Dr. W zu diesem nicht in ihren Fachbereich fallenden Themenkreis (durch eine Verweisung auf Büroarbeiten) nur undeutliche und darüber hinaus unschlüssige Angaben gemacht habe. Angesichts der gegebenen Restarbeitsfähigkeit sei insgesamt vom Fehlen jeder Beschäftigungsmöglichkeit auszugehen.

Mit diesem Vorbringen werden relevante Mängel des Ermittlungsverfahrens aufgezeigt:

Zunächst trifft es zu, dass der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren mehr als 4 Monate vor dem rechtlich maßgebenden Zeitpunkt seiner Versetzung in den Ruhestand (mit Ablauf des 31. Juli 2000) letztmals ärztlich untersucht wurde. Dem (wie eingangs dargestellt mehrfach wiederholten) Vorbringen des Beschwerdeführers, sein Gesundheitszustand habe sich innerhalb dieser Zeit erheblich verschlechtert, ist Dr. W in ihrer Stellungnahme vom 10. November 2000 nur auf Grund der Aktenlage entgegengetreten, hat jedoch die Befundaufnahme (durch neuerliche Untersuchung des Beschwerdeführers) nicht ergänzt. Ein derartiges Vorgehen wäre jedoch auf Grund der Behauptung einer gravierenden Änderung der Sachlage unverzichtbar gewesen, zumal schon Dr. S am 14. Jänner 2000 eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes und Dr. H am 18. Jänner 2000 eine "Chronifizierung" der diagnostizierten Leiden erwartet hatten.

Dazu kommt, dass der Beschwerdeführer sein ergänzendes Vorbringen zur Verschlechterung seines Gesundheitszustandes und zur Erwerbsunfähigkeit durch Beilage eines Gutachtens des Sachverständigen aus dem Gebiet der internen Medizin Dr. S vom 25. Oktober 2000 untermauert hat. Dr. S geht darin - mit eingangs dargestellter näherer Begründung - nicht nur von einer Verschlechterung des Zustandes, sondern von einer Unzumutbarkeit jeder körperlichen Tätigkeit des Beschwerdeführers aus, ohne diese Aussage auf den (rechtlich unmaßgeblichen) Zeitpunkt seiner Untersuchung einzuschränken. Die belangte Behörde ist im angefochtenen Bescheid ausdrücklich wegen des Datums des ärztlichen Attests (= 25. Oktober 2000), das in zeitlicher Nähe zum maßgebenden Zeitpunkt der früheren Ruhestandsversetzung (31. Juli 2000) von Dr. S (25. Oktober 2000) liegt, selbst davon ausgegangen, dass dieses Attest auch über den Gesundheitszustand des Beschwerdeführers zum maßgebenden Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung Auskunft gibt. In der hiezu abgegebenen Stellungnahme der Dr. W vom 10. November 2000 wird im Wesentlichen ausgeführt, die Diagnosen des Dr. S seien zum Teil nicht festgestellt, zum Teil bereits ausreichend berücksichtigt worden. Hierin kann, abgesehen vom Unterbleiben einer ergänzenden Befundaufnahme, keine schlüssige Widerlegung der Fachmeinung des Dr. S erblickt werden.

Dasselbe gilt für die (auf das Gutachten der Dr. W aufbauende) Beweiswürdigung im angefochtenen Bescheid, die sich, ohne inhaltlich zu argumentieren, auf die formelle "Berücksichtigung" des Gutachtens Dris. S zurückzieht.

Es liegen demnach insgesamt Widersprüche in den ärztlichen Gutachten vor, die die belangte Behörde zu ergänzenden Erhebungen, einer entsprechenden Beweiswürdigung und exakten Begründung hätten veranlassen müssen. Zu der in diesem Zusammenhang einzuhaltenden Vorgangsweise wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf die detaillierte Begründung im hg. Erkenntnis vom 27. September 1994, Zl. 92/07/0076, verwiesen.

Zwar ist für die Beurteilung der Erwerbsunfähigkeit die Sachlage zum Zeitpunkt der Versetzung des Beamten in den Ruhestand maßgeblich. Dennoch durfte die belangte Behörde jedoch Beweisanträge, die zur Aufhellung dieser Sachlage dienen, nicht übergehen. Die Stellung solcher Anträge ist somit bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides, also der Zustellung an die Partei (hier am 21. Juni 2002), beachtlich (vgl.  Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht8 (2003), Rz 426, mit weiterem Nachweis der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes). Auch die Nichterledigung der in der Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 14. Juni 2002 gestellten Beweisanträge begründet demnach einen Verfahrensmangel.

Zunächst wird im fortzusetzenden Verfahren somit nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Versetzung des Beschwerdeführers in den Ruhestand seine Erwerbs(un)fähigkeit, also ob er nach seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit vom medizinischen Standpunkt aus noch eine Erwerbstätigkeit auszuüben vermag, nach mängelfreien und schlüssigen Gutachten der medizinischen Sachverständigen zu klären sein. Sollte nach diesen Gutachten weiterhin von einer Restarbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers mit einem so eingeschränkten Leistungskalkül wie im Erstgutachten Dris. W vom 10. April 2000 auszugehen sein, wird wegen dieser (zahlreichen) Einschränkungen auch die Einholung eines Gutachtens eines berufskundlichen Sachverständigen erforderlich sein, in dem abzuklären sein wird, ob und bejahendenfalls welche auf dem Arbeitsmarkt (allgemein) nachgefragte Tätigkeiten als Verweisungsberuf in Betracht kommen. Ob dem Beamten eine solche Beschäftigung, die an sich Gegenstand des allgemeinen Arbeitsmarktes ist, tatsächlich vermittelt werden kann, ist für die abstrakt vorzunehmende Beurteilung der Erwerbsfähigkeit nicht entscheidend. Hingegen bedeutet dieser Begriff schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch, in der Lage zu sein, durch eigene Arbeit einen wesentlichen Beitrag zum Lebensunterhalt zu verdienen. Dies umfasst auch eine Berücksichtigung der Einsatzfähigkeit im Hinblick auf die üblichen Erfordernisse in der Arbeitswelt, also etwa die Einhaltung der Arbeitszeit oder die Fähigkeit zur Selbstorganisation (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 4. Juli 2001, Zl. 96/12/0081, mwN).

Im Hinblick auf die aufgezeigten Verfahrensmängel war der angefochtene Bescheid somit wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der gemäß ihrem § 3 Abs. 2 anzuwendenden VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 21. Oktober 2005

Schlagworte

Begründungspflicht Beweiswürdigung und Beweismittel Behandlung von Parteieinwendungen Ablehnung von Beweisanträgen Abstandnahme von Beweisen Besondere Rechtsgebiete Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Erheblichkeit des Beweisantrages Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Verfahrensmangel Verfahrensbestimmungen Beweiswürdigung Antrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2002120250.X00

Im RIS seit

05.12.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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