Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik, Dr. Zehetner, Dr. Klinger und Dr. Schwarz als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Rosemarie S***, Hausfrau, Wien 20., Greiseneckergasse 6/2/21, vertreten durch Dr. Reinhard Kolarz, Rechtsanwalt in Stockerau, wider die beklagte Partei Franz K***, Inhaber einer Mobil-Servicestation, Stockerau, Horner Straße - Prager Straße, vertreten durch Dr. Erich Els, Rechtsanwalt in Stockerau, wegen 95.000 S samt Anhang, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 30. Dezember 1988, GZ 15 R 200/88-17, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Korneuburg vom 2. Mai 1988, GZ 2 Cg 63/87-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 4.629,60 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 771,60 S an Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 8. Oktober 1986 brachte der Ehemann der Klägerin, Leopold S***, deren PKW Opel Manta GTE zur Mobil-Servicestation des Beklagten in Stockerau, Horner Straße - Prager Straße. Er übergab das Fahrzeug dem beim Beklagten beschäftigten Mechaniker Franz D*** mit dem Auftrag, die wiederkehrende Überprüfung durchzuführen und den Unterbodenschutz zu erneuern. Leopold S*** stellte den PKW im Bereich der Hebebühne unversperrt ab und ließ die Fahrzeugschlüssel im Zündschloß stecken. Er vereinbarte mit dem Mechaniker, daß er das Fahrzeug am 9.Oktober 1986 gegen 17 Uhr wieder abholen werde. Gegen 17,30 Uhr beendete D*** die Arbeiten in der Werkstätte, zog den Fahrzeugschlüssel des PKW ab, versperrte den Wagen und legte den Fahrzeugschlüssel auf den Schreibtisch im Büro der Servicestation. Anschließend arbeitete Franz D*** bis 22 Uhr bei der Tankstelle als Tankwart. Bei Verlassen des Tankstellenbereichs sperrte er die Stahlblechtür ordnungsgemäß ab. Das Zylinderschloß an dieser Tür ist jedoch so eingesetzt, daß jedermann ohne besondere Kenntnisse und mit ganz einfachem Werkzeug durch Abdrehen des Zylinders die Tür öffnen kann. Ein Schloßschutz war an dieser Tür nicht angebracht. Im Inneren des Betriebsgebäudes wurden die Zwischentüren nicht abgesperrt, die Fenster waren nicht vergittert. In der Nacht vom 8. auf den 9. Oktober 1986 brachen Wolfgang Kurt K*** und Anton O*** an der Rückseite des Tankstellenareals mit einer mitgeführten Rohrzange die Stahlblechtür auf, indem sie den Zylinder vom Türschloß abdrehten. Auf dem Schreibtisch des Büroraums fanden sie die Fahrzeugschlüssel zum PKW der Klägerin. Sie sperrten den PKW auf und nahmen ihn in Betrieb. Sie verwendeten das Fahrzeug unter anderem auch dazu, um zwei Fernsehgeräte, die sie aus dem Büroraum der Tankstelle gestohlen hatten, abzutransportieren. Anschließend unternahmen die beiden mit dem PKW eine Fahrt in Richtung Sierndorf. Sie kamen von der Straße ab, fuhren gegen einen Baum und erlitten tödliche Verletzungen. Das Fahrzeug der Klägerin wurde durch diesen Verkehrsunfall beschädigt. Der Fahrzeugschaden beläuft sich auf 92.000 S. Die im Fahrzeug befindlichen Fahrnisse der Klägerin mit einem Wert von 3.000 S gingen verloren bzw. wurden beschädigt. Die Klägerin begehrt die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung eines Betrages von 95.000 S samt Anhang mit der Begründung, er sei durch die Übernahme des Fahrzeuges zur Durchführung von Servicearbeiten Halter und Verwahrer des PKW geworden und hafte als Halter, Verwahrer und Betriebsinhaber der Servicestation für den daraus entstandenen Schaden, weil er das Fahrzeug nicht ordnungsgemäß verwahrt habe.
Der Beklagte beantragt die Abweisung der Klage, weil er seine Sorgfaltspflicht nicht verletzt habe. Der PKW der Klägerin sei durch einen Einbruchsdiebstahl aus seiner Gewahrsame entfernt worden. Das Erstgericht gab der Klage unter Zugrundelegung des eingangs wiedergegebenen Sachverhaltes aus nachstehenden rechtlichen Erwägungen statt:
Zwischen den Streitteilen sei ein Werkvertrag abgeschlossen worden, indem sich der Beklagte zur Überprüfung des PKW der Klägerin gemäß § 57 a KFG und zur Erneuerung des Unterbodenschutzes verpflichtet habe. Als Nebenpflicht zur Herstellung des bedungenen Erfolges habe den Beklagten auch die Verbindlichkeit zur Verwahrung der den Gegenstand der eigenen rechtsgeschäftlichen Leistung bildenden fremden Sache getroffen (JBl 1974, 624). Das bedeute, daß der rechtliche Verpflichtungswille des Beklagten auch die Übernahme der Obsorge für die Sicherheit des Fahrzeuges bis zur zeitgerechten Abholung mitumfaßt habe. Obsorge im Sinne des § 957 ABGB sei aber nicht nur die rein passive Verwahrung, der Verwahrer sei vielmehr auch zu allen positiven Handlungen verpflichtet, die zur Erhaltung der Sache bzw. Verhinderung ihrer Verschlechterung erforderlich und ohne weiteres zumutbar seien (Schubert in Rummel, ABGB, Rz 2 zu § 957; Jus 1985-11). Das Ausmaß der Sorgfaltspflicht des Unternehmers, der ein Fahrzeug zur Reparatur übernimmt, bestimme sich nach den §§ 1297 bis 1299 ABGB (Schubert aaO Rz 2 zu § 964), wobei der Beklagte gemäß § 1298 ABGB beweisen müsse, daß er an der Erfüllung seiner Obsorgepflicht ohne sein Verschulden verhindert war, und dabei gemäß § 1313 a ABGB auch für jedes Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen einzustehen habe (vgl. ZVR 1984/232). Der Beklagte habe keine besonderen Umstände behauptet und nachweisen können, die den Schadenseintritt als einen mit zumutbaren Mitteln nicht abwendbaren Zufall erscheinen lassen könnten. Wenn ein zur Reparatur übernommenes Fahrzeug im Freien - zwar
versperrt - abgestellt werde, der Fahrzeugschlüssel jedoch auf einem Schreibtisch liegen bleibe, wobei dem Unternehmer bekannt sein müsse, daß seine Betriebsräumlichkeiten durch keinerlei Schutzvorrichtungen gegenüber Einbrechern gesichert seien, entspreche dieses Verhalten nicht jenem Maß an Sorgfalt, das ihm zuzumuten sei. Der Entlastungsbeweis werde nicht schon dadurch erbracht, daß dritte Personen einen Einbruch verübt und sich durch diesen Einbruch in den Besitz der Fahrzeugschlüssel gesetzt hätten (vgl. JBl 1974, 624), da bei anderweitiger Verwahrung des PKW-Schlüssels der Diebstahl hätte abgewendet werden können. Es wäre aufgrund der Ausstattung der vorhandenen Räumlichkeiten der Servicestation erforderlich gewesen, den Schlüssel in einem versperrten Kästchen zu verwahren. Das habe der Beklagte auch selbst erkannt, wie sein zunächst erhobener und in der Folge zurückgezogener Einwand zeige, die Fahrzeugschlüssel der Klägerin seien in einem versperrten Kästchen aufbewahrt worden. Diese zusätzliche Sicherungsmaßnahme für übernommenes fremdes Eigentum bringe für den Unternehmer auch keine besondere Beschwerlichkeit mit sich und wäre ihm durchaus zuzumuten gewesen, sodaß seine Haftung für den eingetretenen Schaden bejaht werden müsse.
Das Berufungsgericht gab der wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung ergriffenen Berufung des Beklagten nicht Folge und sprach aus, daß die Revision zulässig sei. Es führte aus:
Wie das Erstgericht bereits zutreffend ausgeführt habe, übernehme die Werkstätte, der ein PKW im Rahmen eines Werkvertrages anvertraut wird, die Nebenpflicht, diesen zu verwahren, also gemäß § 957 ABGB in ihre Obsorge zu übernehmen. Die Obsorge im Sinne des § 957 ABGB umfasse allgemein nicht nur die rein passive Verwahrung, sondern auch die Pflicht, alle Handlungen zu setzen, die zur Erhaltung der Sache bzw. Verhinderung ihrer Verschlechterung erforderlich seien (Schubert in Rummel, ABGB, Rz 2 zu § 957). Der Umfang der Sorgfaltspflicht des Unternehmers, der ein Fahrzeug zur Reparatur übernimmt, richte sich im besonderen nach den §§ 1297 bis 1299 ABGB (Schubert aaO, Rz 2 zu § 964), d.h. daß es auch der Verwahrer sei, der die Erfüllung der ihn treffenden Obsorgepflicht zu beweisen habe (SZ 43/83, EvBl 1976/21 ua).
Der Beklagte vermeine nun, daß die Einbrecher, die die Eingangstür aufgebrochen hatten, auch ohne weiteres ein Kästchen erbrochen hätten, sodaß die unauffällige Verwahrung der Autoschlüssel auf dem oder im Schreibtisch geeigneter gewesen sei, nicht das Augenmerk der Einbrecher auf sich zu lenken. Dem sei entgegenzuhalten, daß das aufgebrochene Zylinderschloß an der Stahlblechtür, welche in das Betriebsgebäude des Beklagten führt, nach den unbestrittenen Feststellungen von einer Art war, daß es von jedermann ohne besondere Kenntnisse und mit ganz einfachen Werkzeugen geöffnet werden konnte und die Zwischentüren im Inneren des Betriebsgebäudes zudem nicht versperrt waren, sodaß die später tödlich verunfallten Einbrecher, ohne weitere Hindernisse überwinden zu müssen, in den Büroraum gelangen konnten, wo sie auf dem Schreibtisch die Schlüssel zu dem auf dem Parkplatz vor dem Betriebsgebäude stehenden PKW der Klägerin fanden. Ob die Schlüssel besser, wie bei Mechanikerwerkstätten üblich, in eigenen gesicherten Schlüsselkästen oder an sonst geeigneter gesicherter Stelle aufbewahrt hätten werden müssen, könne dahingestellt bleiben (vgl. ZVR 1984/232 ua), weil die festgestellte Verwahrung der Autoschlüssel ohnehin jegliche Sorgfalt vermissen lasse. Dazu komme gerade im vorliegenden Fall, daß die beiden Einbrecher nicht so professionell waren, daß ihnen keine gesicherte Tür standgehalten hätte (vgl. S 1 und Beilage 1 des Gendarmeriepostenprotokolls Stockerau GZ P 3958/86 und 3959/86). Eine geeignete Sicherung der Stahlblechtür hätte daher die Einbrecher am Betreten der Betriebsräumlichkeiten, wie in einem anderen Falle auch, mit größter Wahrscheinlichkeit gehindert. Es sei zwar richtig, daß es der Oberste Gerichtshof schon als ausreichende Verwahrung angesehen hat, wenn zur Inbetriebnahme des Fahrzeuges Werkzeuge zum Erbrechen von Türen notwendig waren (ZVR 1975/101). Da er aber andererseits betone, daß an die Sorgfaltspflicht des Verwahrers strengste Anforderungen zu stellen seien, könne die Obsorge durch gehörige Verwahrung dann nicht erfüllt worden sein, wenn das Schloß von einer Art war, daß schon einfachste Hilfsmittel genügten, um es funktionsunfähig zu machen. Das Berufungsgericht vertrete daher die Auffassung, daß im vorliegenden Fall trotz Versperrung des Betriebsgeländes der Verwahrer seine Obsorgepflicht verletzt habe, weil er bei der einfachen Verschließung der Tür zum Betriebsgelände die Schlüssel zum PKW der Klägerin offen auf dem Schreibtisch des Büros liegen ließ.
Die Revision sei im Hinblick auf die Entscheidung ZVR 1975/101 zuzulassen gewesen.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die auf den Revisionsgrund des § 503 Abs 1 Z 4 in Verbindung mit Abs 2 ZPO gestützte Revision des Beklagten mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Klageabweisung abzuändern.
Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Der Beklagte vertritt unter Hinweis auf die Entscheidung ZVR 1975/101 den Standpunkt, daß er ausreichende Maßnahmen zur Verhinderung des Diebstahls gesetzt habe, weil zur Inbetriebnahme des Fahrzeuges Werkzeuge zum Erbrechen von Türen notwendig gewesen seien. Zusätzlich weist er darauf hin, daß die Tankstelle eine Frontverglasung aufweise, die von den Einbrechern eingeschlagen worden wäre, wenn sie die vorhandene Blechtür nicht hätten aufbrechen können, daß die Versperrung der Autoschlüssel in einem Blechkästchen den Diebstahl nicht verhindert hätte sowie daß die Einbrecher den PKW der Klägerin auch aufbrechen und kurzschließen hätten können. Dazu ist wie folgt Stellung zu nehmen:
Die allgemeinen, der herrschenden Lehre und Judikatur (vgl. außer den von den Vorinstanzen bereits zitierten Belegstellen etwa noch Binder in Schwimann, ABGB, Rz 5 und 18 zu § 957 sowie Rz 6 ff und 29 zu § 958) folgenden Ausführungen der Vorinstanzen zu der den Werkunternehmer als Nebenpflicht treffenden Obsorgepflicht und zu der diesbezüglichen Verteilung der Behauptungs- und Beweislast werden vom Beklagten mit Recht nicht in Zweifel gezogen. Es genügt daher, auf sie zu verweisen. Was die jeweils nach den konkreten Verhältnissen des Einzelfalles vorzunehmende Beurteilung der Frage anlangt, ob dem Beklagten der Beweis gelungen ist, daß er seiner Obsorgepflicht im vorliegenden Fall nachgekommen ist, so ist der diese Frage verneinenden Auffassung der Vorinstanzen ebenso beizutreten. Im Hinblick darauf, daß das aufgebrochene Zylinderschloß an der Stahlblechtür, die in das Betriebsgebäude des Beklagten führt, derart beschaffen und angebracht war, daß es von jedermann ohne besondere Kenntnisse und mit ganz einfachen Werkzeugen geöffnet werden konnte, und die Zwischentüren im Inneren des Betriebsgebäudes nicht versperrt waren, ist die ungesicherte Ablage der Fahrzeugschlüssel auf dem Schreibtisch im Büroraum des Betriebsgebäudes nicht als ausreichende Verwahrung und Sicherung des im Freien, auf dem Parkplatz vor dem Betriebsgebäude versperrt abgestellten PKW der Klägerin anzusehen. Aus der (zu § 6 Abs 1 EKHG ergangenen) Entscheidung ZVR 1975/101 (in der gleichfalls die Maßgeblichkeit der konkreten Verhältnisse des Einzelfalles betont wird), wonach das Abstellen nicht versperrter Fahrzeuge ohne Abziehen der Zündschlüssel und mit geringen Treibstoffmengen in den Tanks auf einem eingefriedeten Verkaufsplatz nur dann unbedenklich wäre, wenn die Einfriedung einen hinlänglichen Schutz gegen Diebstähle gewährt hätte, was nicht der Fall sei, wenn die Öffnung des Tores ohne Zuhilfenahme von Werkzeugen möglich war, läßt sich nicht ableiten, daß bereits ein von jedermann ohne besondere Kenntnissse mit ganz einfachen Werkzeugen überwindbares Zylinderschloß ein hinlänglicher Diebstahlsschutz wäre. Da eine Unterlassung für den Schadenseintritt dann kausal ist, wenn die pflichtgemäße Handlung (hier: die Verwahrung der Fahrzeugschlüssel an einer nach der Verkehrsauffassung und im Rahmen des dem Beklagten Zumutbaren ausreichend gesicherten Stelle) den Eintritt des Schadens weniger wahrscheinlich gemacht hätte als deren Unterlassung (MietSlg 24.194, 33.215 ua, zuletzt etwa 5 Ob 643/88), ist für den Beklagten auch mit seinen zusätzlichen Hinweisen nichts gewonnen. Es entspricht nämlich der Lebenserfahrung, daß die Inbetriebnahme des PKW der Klägerin durch Unbefugte wegen der längeren Dauer der erforderlichen Manipulationen und/oder wegen der größeren Gefahr des Entdecktwerdens weniger wahrscheinlich gewesen wäre, wenn die Täter diesen PKW aufbrechen und kurzschließen oder zwecks Erlangung der Fahrzeugschlüssel die Frontverglasung einschlagen, die Schlüssel länger suchen oder ein Stahlblechkästchen aufbrechen hätten müssen. Es war daher der Revision ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E18072European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1989:0050OB00579.89.0627.000Dokumentnummer
JJT_19890627_OGH0002_0050OB00579_8900000_000