Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik, Dr. Zehetner, Dr. Klinger und Dr. Schwarz als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Salo B***, Kaufmann, Türkenschanzstraße 19, 1180 Wien, vertreten durch Dr. Karl Zingher, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) Georg B***, Pensionist, 2.) Susanne B***, Haushalt, 3.) Rene S***, Kaufmann, 4.) Maria S***, Haushalt,
5.) Leopoldine T***, Private, sämtliche Türkenschanzstraße 19, 1180 Wien, und 6.) Verlassenschaft nach Hermann T***, Schiffsmakler, zuletzt wohnhaft gewesen Türkenschanzstraße 19, 1180 Wien, sämtliche vertreten durch Dr. Peter Karl Wolf, Dr. Felix Weigert und Dr. Andreas Theiss, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung und Leistung infolge Revisionsrekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 9. Jänner 1989, GZ 11 R 261, 288/88-17, womit der Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 7. September 1988, GZ 14 Cg 119/88-8, behoben und dem Erstgericht die Fortsetzung des gesetzlichen Verfahrens aufgetragen wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die beklagten Parteien sind schuldig, der klagenden Partei die mit 15.268,50 S bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens (darin 2.544,75 S an Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Mit der am 25. Mai 1988 beim Erstgericht erhobenen Klage begehrte Salo B*** gegenüber den beklagten Parteien die Feststellung, sie hätten mit den Kaufverträgen vom 8.Juli 1975, 30. Juni 1977 bzw. 4.Juli 1977 und (auf Grund) des zwischen dem Kläger und Hermann T*** abgeschlossenen Kaufvertrages lediglich das Wohnungseigentum an den in den Kaufverträgen angeführten Wohnungen samt Zubehör des Hauses in der Türkenschanzstraße 19 und Sternwartestraße 68 erworben, ihnen sei aber nicht Miteigentum an der auf dieser Liegenschaft im Kellergeschoß gelegenen Schwimmhalle mit Sauna und den Nebenräumen sowie dem Büro mit Nebenräumen 1.K/1 eingeräumt worden, an diesen beiden Teilen sei vielmehr Wohnungseigentum für den Kläger einzuräumen; außerdem begehrte der Kläger, die beklagten Parteien schuldig zu erkennen, im Nutzwertfeststellungsverfahren 4 Msch 30/85 des Bezirksgerichtes Döbling diesen Anspruch des Klägers anzuerkennen und die dagegen vorgebrachten Einwendungen zurückzuziehen. Er sei Alleineigentümer der Liegenschaft EZ 2309 Grundbuch Währing gewesen, auf der er das Haus Türkenschanzstraße 19 errichtet habe. Zwecks Begründung von Wohnungseigentum habe er die Wohnung Nr. 5 an den Erstbeklagten, die Wohnung Nr. 6 an die Dritt- und Viertbeklagten und die Wohnung Nr. 7 an Hermann T*** verkauft. Nebenvereinbarungen, wonach sich das Nutzungsrecht der Käufer auch auf andere Teile der Liegenschaft als in den mit ihnen geschlossenen Verträgen angeführten beziehen solle, seien weder mündlich noch schriftlich getroffen worden. Alle nicht an die Beklagten verkauften Liegenschaftsanteile habe er sich vorbehalten. Er habe bei der Zentralen Schlichtungsstelle der Stadt Wien eine Nutzwertfeststellung beantragt. Mit der Entscheidung der Schlichtungsstelle vom 6. Mai 1985 sei u.a. auch für die Schwimmhalle mit Sauna und das als 1.K/1 bezeichnete Kellerbüro ein Nutzwert festgesetzt worden. Gegen diese Entscheidung hätten die Beklagten das Bezirksgericht Döbling zu 4 Msch 30/85 mit der Begründung angerufen, daß Schwimmhalle und Büro gemäß einer mündlichen Abrede als allgemeine Teile der Liegenschaft zu behandeln und daher im Nutzwertverfahren nicht zu bewerten seien. Das Msch-Verfahren sei bereits Gegenstand einer Entscheidung des Rekursgerichtes gewesen. Das Ergebnis des Verfahrens hänge von der Vorfrage ab, ob die beklagten Parteien auf Grund der getroffenen Vereinbarung einen Anspruch auf Miteigentum an der Schwimmhalle und dem Kellerbüro hätten. Der Kläger habe daher ein dringendes rechtliches Interesse an der Feststellung, daß eine solche Vereinbarung nicht getroffen worden und den Beklagten keine Zusage dahin gemacht worden sei, daß auch sie anteilige Miteigentümer dieser beiden Objekte werden würden.
Die Beklagten wendeten Unzulässigkeit des Rechtsweges ein, weil das Außerstreitgericht gemäß § 26 WEG bei der Festsetzung der Nutzwerte die auf Grund der Vereinbarung zwischen dem Wohnungseigentumsorganisator und den Wohnungseigentumsbewerbern geschaffene materielle Rechtslage zu prüfen habe. Im übrigen begehrten sie die Abweisung des Klagebegehrens, weil die Streitteile vereinbart hätten, daß die Schwimmhalle mit Sauna und das Büro allen Miteigentümern zur Verfügung stehen würde.
Das Erstgericht sprach mit Beschluß vom 7.September 1988 aus, daß für die vorliegende Klage der Rechtsweg unzulässig sei und die Klage nach Rechtskraft dieses Beschlusses dem Bezirksgericht Döbling zu 4 Msch 30/85 überwiesen werde.
Das Gericht zweiter Instanz gab dem Rekurs des Klägers Folge, hob den angefochtenen Beschluß auf und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des gesetzlichen Verfahrens auf, wobei es aussprach, daß der Wert des Streitgegenstandes 300.000 S übersteigt. Die Beklagten verwies es mit ihrem Kostenrekurs auf diese Entscheidung. In Erledigung des Rekurses des Klägers führte das Gericht zweiter Instanz im wesentlichen folgendes aus:
Nach Lehre und Rechtsprechung sei Grundlage der Nutzwertfeststellung die jeweilige materielle Rechtslage. Der Außerstreitrichter (bzw. die Schlichtungsstelle) habe diese Rechtslage von Amtswegen als Vorfrage zu prüfen und seiner Entscheidung zugrunde zu legen (Würth in Rummel, Rz 3 zu § 3 WEG; MietSlg 37.611, 38.618 f). Dem Rekurswerber sei jedoch darin zu folgen, daß die Verpflichtung des Außerstreitrichters, die materielle Rechtslage als Vorfrage zu prüfen, nichts darüber aussage, ob diese Rechtslage auch im Prozeßweg geprüft werden könne. Der allgemeine Grundsatz, daß Rechtssachen, die nicht ausdrücklich oder doch wenigstens unzweifelhaft schlüssig ins Außerstreitverfahren verwiesen seien, auf den streitigen Rechtsweg gehörten, werde durch § 26 WEG nicht berührt (MietSlg 33.504/19; Würth in Korinek-Krejci, HBzMRG, 499). Die Frage, ob ein Wohnungseigentumsorganisator mit Wohnungseigentumsbewerbern vereinbart habe, daß bestimmte Teile der Liegenschaft in das alleinige Wohnungseigentum eines der Wohnungseigentumsbewerber fallen oder allgemeiner Teil der Liegenschaft im Sinn des § 1 Abs 3 WEG verbleiben sollten, sei weder ausdrücklich noch schlüssig ins außerstreitige Verfahren verwiesen. § 26 Abs 2 Z 1 WEG normiere die Zuständigkeit des Außerstreitgerichtes in diesem Zusammenhang nur für die Festsetzung oder Neufestsetzung des Nutzwertes nach § 3 WEG. Zur Entscheidung der Frage, welche Teile der Liegenschaft vom Liegenschaftseigentümer (Wohnungseigentumsorganisator) einzelnen Wohnungseigentumsbewerbern übertragen worden seien, sei daher das Außerstreitgericht ebensowenig berufen, wie etwa zur Klärung der Frage, wem der Liegenschaftseigentümer solche Zusagen gemacht habe. Unter einer Vorfrage verstehe man ganz allgemein eine Frage, deren Beurteilung für die Lösung einer anderen Frage (Hauptfrage) logische Voraussetzung sei. Eine Vorfrage könne grundsätzlich nicht im Spruch einer Entscheidung entschieden werden, ihre Beurteilung werde nur in die Gründe der Entscheidung aufgenommen, sie erwachse daher nicht in Rechtskraft und die Beurteilung der Vorfrage könne über den konkreten Rechtsstreit hinaus keine bindende Wirkung haben. Nur dann, wenn sie durch einen Zwischenantrag auf Feststellung verselbständigt werde, könne über eine Vorfrage ausnahmsweise rechtskräftig entschieden werden (vgl. Rechberger-Simotta ZPR2, Rz 603, 605). Diese Überlegungen würden auch für das Außerstreitverfahren gelten. Das Außerstreitgericht sei unbestritten auch zur Beurteilung von Vorfragen berechtigt, nicht aber zu einer rechtskräftigen Entscheidung darüber. Ein Zwischenantrag auf Feststellung nach § 26 Abs 2 WEG iVm § 37 Abs 3 Z 13 MRG wäre hier ebenfalls nicht zulässig, weil dies voraussetzen würde, daß das Verfahren nach §§ 26 WEG, 37 MRG für die Feststellung des Umfangs der Parteienvereinbarung zulässig wäre (Würth in Korinek-Krejci aaO, 532). Dies sei aber nicht der Fall. Da über das hier vorliegende Begehren des Klägers daher im streitigen Verfahren zu entscheiden sei, sei dem Rekurs Folge zu geben, der angefochtene Beschluß zu beheben und dem Erstgericht die Fortsetzung des gesetzlichen Verfahrens aufzutragen gewesen.
Gegen diese Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich der Revisionsrekurs der beklagten Parteien mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß im Sinne der erstinstanzlichen Entscheidung mit dem Auftrag an das Rekursgericht abzuändern, über ihren Kostenrekurs zu entscheiden.
Der Kläger beantragte in seiner Rechtsmittelgegenschrift, dem Revisionsrekurs, der in Ansehung der Kostenentscheidung unzulässig sei, keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt. In ihrem Revisionsrekurs wenden sich die Beklagten vorerst gegen die Ansicht des Rekursgerichtes, § 26 Abs 1 Z 1 WEG regle nur die Festsetzung oder Neufestsetzung des Nutzwertes; richtig sei vielmehr, daß alle Anträge "in den im folgenden genannten Angelegenheiten" in das außerstreitige Verfahren verwiesen würden. Damit sei aber - soweit nicht in den einzelnen Ziffern der Aufzählung eine Beschränkung auf bestimmte Anträge erfolge - der gesamte materiellrechtliche Bereich der genannten Angelegenheiten umfaßt (Würth in Korinek-Krejci, HBzMRG, 502). Gegenstand der vorliegenden Klage sei nicht die Auslegung der zwischen den Streitteilen geschlossenen Kaufverträge, sondern die als Vorfrage notwendige Klärung eines Rechtes oder Rechtsverhältnisses, nämlich der Frage, welche Flächen bestimmten Wohnungseigentumsobjekten zuzuordnen und welche als allgemeine Teile der Liegenschaft gewidmet werden sollten, also darum, wie die Mindestanteile für die einzelnen Objekte festzustellen seien. Der Gegenstand dieser Klage sei mit der Nutzwertfeststellung so eng verknüpft, daß kein vernünftiger Grund zu zweifeln bestehe, daß auch diese in den materiellrechtlichen Bereich der Nutzwertfestsetzung und damit in den Anwendungsbereich des "Außerstreitgesetzes" falle. Dem kann nicht gefolgt werden. Bei der Frage, ob über ein Begehren im außerstreitigen Verfahren oder im Prozeß zu entscheiden ist, ist von dem Vorbringen und dem Entscheidungsbegehren des Antragstellers, nicht aber von den Einwendungen des Antragsgegners oder den Feststellungen auszugehen, die das Gericht auf Grund der durchgeführten Beweise getroffen hat. Rechtssachen, die nicht zumindest unzweifelhaft schlüssig ins außerstreitige Verfahren verwiesen sind, gehören - wie das Rekursgericht zutreffend erkannte - auf den streitigen Rechtsweg. Die Feststellung des Inhaltes des zwischen Miteigentümern abgeschlossenen Vertrages, also der zwischen den Vertragsteilen begründeten Rechtsbeziehungen gehört in das streitige Verfahren, während das außerstreitige Verfahren für die aus der Eigentümergemeinschaft abgeleiteten Ansprüche vorgesehen ist (vgl. Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht, 626, Rz 5 zu § 26 WEG). Das Vorbringen des Klägers über den Gegenstand der mit den Beklagten jeweils abgeschlossenen Kaufverträge und das Fehlen von Nebenvereinbarungen über den Umfang des Nutzungsrechtes der Käufer hinsichtlich anderer als in den Kaufverträgen genannten Räume und über die Behauptung der Beklagten, ihr Nutzungsrecht beziehe sich vereinbarungsgemäß auch auf solche Räume, zeigt auf, daß zwischen den Parteien Meinungsverschiedenheiten über den Inhalt der vertraglichen Regelung bestünden, die durch die begehrte gerichtliche Entscheidung mit Rechtskraftwirkung geklärt werden sollen. Diese Streitigkeiten sind daher im streitigen Rechtsweg auszutragen (vgl. SZ 24/84; MietSlg 35.725). Richtig ist, daß Grundlage der Nutzwertfestsetzung gemäß §§ 3 ff, 26 Abs 1 Z 1 WEG die der jeweiligen materiellen Rechtslage entsprechende konkrete Widmung ist und der Außerstreitrichter diese Rechtslage von Amts wegen als Vorfrage zu prüfen hat. Dessenungeachtet steht aber den künftigen Wohnungseigentümern bei Meinungsverschiedenheiten über den Inhalt der zwischen ihnen bestehenden vertraglichen Regelung das Recht zu, eine gerichtliche Entscheidung darüber mit Rechtskraftwirkung zu begehren, was aber - wie das Rekursgericht zutreffend erkannte - nur im streitigen Verfahren möglich ist. Denn ist für die Feststellung des Inhaltes der Vertragsbeziehungen die Zulässigkeit des Verfahrens nach § 26 WEG nicht gegeben, dann fehlt auch eine der Voraussetzungen für die Zulässigkeit eines diesbezüglichen Zwischenantrages auf Feststellung im außerstreitigen Verfahren (vgl. Würth-Zingher, aaO, 351, Rz 35 zu § 37 MRG). Damit erweist sich aber der Revisionsrekurs als unberechtigt, weshalb ihm kein Erfolg beschieden sein konnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
Anmerkung
E18086European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1989:0050OB00056.89.0627.000Dokumentnummer
JJT_19890627_OGH0002_0050OB00056_8900000_000