TE OGH 1989/6/27 15Os35/89

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Veröffentlicht am 27.06.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Juni 1989 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Dr. Lachner und Hon.Prof.Dr.Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Maurer als Schriftführer in der Strafsache gegen Franz M*** wegen des Vergehens der Untreue nach § 153 Abs. 1 und Abs. 2 erster Fall StGB sowie einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 22. Februar 1989, GZ 8 Vr 161/87-54, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Bassler, und des Verteidigers Dr. Denck, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, welches im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch lt. Pkt. 1. und im Strafausspruch aufgehoben sowie die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung in diesem Umfang an das Erstgericht zurückverwiesen; im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte darauf verwiesen. Gemäß § 390 a StPO fallen ihm auch die durch den erfolglos gebliebenen Teil seiner Nichtigkeitsbeschwerde verursachten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem (auch Teilfreisprüche enthaltenden) angefochtenen Urteil wurde Franz M*** der Vergehen (1.) der Untreue nach § 153 Abs. 1 und Abs. 2 erster Fall StGB sowie (2.) der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs. 1 Z 1 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er in Braunau am Inn als Geschäftsführer der "K***'S Textil GesmbH & Co KG" (im folgenden kurz: KI-TEX)

(zu 1.) am 8. Oktober 1985 im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Wolfgang H*** die ihm durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über deren - also fremdes - Vermögen zu verfügen, wissentlich mißbraucht und ihr dadurch einen 25.000 S übersteigenden Vermögensnachteil zugefügt, indem er einen Teilerlös im Betrag von 189.600 S aus dem Verkauf eines in ihrem Eigentum gestandenen Grundstücks (an Elfriede U***) auf ein privates Konto des H*** überweisen ließ; und (zu 2.) in der Zeit von 1984 bis zum 30. Juni 1986 durch übermäßige Kreditbenutzung und zu hohe Privatentnahmen die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft herbeigeführt.

Rechtliche Beurteilung

Der auf § 281 Abs. 1 Z 5, 5 a, 9 lit. b und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen dieses Urteil kommt teilweise Berechtigung zu.

Zum Faktum 2. sind die Beschwerdeeinwände nicht stichhältig. Mit der Tatsachenrüge (Z 5 a) versucht der Beschwerdeführer, aus den Akten darzutun, daß er entgegen den Urteilsfeststellungen in den Jahren 1984 und 1985 über sein Privatkonto bei der KI-TEX für private Zwecke lediglich die zur Bezahlung der Steuern erforderlichen Beträge entnommen, seine übrigen Entnahmen - von solchen für (ihm nicht vorgeworfene) Kommandit-Einlagen bei der deutschen (Tochter-) Gesellschaft "K***'S Modevertriebs-GesmbH & Co KG" (im folgenden kurz: KI-MOD) in der Höhe von insgesamt rund 5,275.000 S abgesehen - aber durch gleich hohe Einlagen abgedeckt habe.

Gegen die Richtigkeit der dem bekämpften Schuldspruch insoweit zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen dahin, daß der Angekagte im hier aktuellen Tatzeitraum solcherart (nicht nur die erwähnten Kommandit-Einlagen und 336.700 S für persönliche Steuern, sondern) neben zwei Abhebungen (in der Höhe von 560.000 S und 563.056 S) zur Besicherung betrieblich in Anspruch genommener Bankgarantien, die nicht wieder zurückflossen, jedoch durch zweckbestimmte Einlagen (in der Höhe von 559.793 S und 596.454 S) ausgeglichen wurden, weitere Bar- und Sachentnahmen im Wert von (140.000 S + 100.000 + 320.000 =) 560.000 S für private Zwecke getätigt hat, die durch den kleinen Überhang der zuletzt relevierten Einlagen (im Ausmaß von rund 33.000 S) nur zu einem geringen Teil gedeckt waren, bestehen indessen nach sorgfältiger Prüfung der darauf bezogenen Beschwerdeargumente im Licht der gesamten Aktenlage keine Bedenken. Gleichermaßen versagt die Rechtsrüge mit der Auffassung (sachlich Z 9 lit. a), die nach den (soeben als unbedenklich erkannten) Konstatierungen nicht durch Einlagen gedeckten Privatentnahmen seien in Anbetracht des Unternehmensumfangs ebenso gerechtfertigt gewesen wie die vom Erstgericht festgestellte erhebliche Ausweitung des Kreditvolumens der Gesellschaft in den beiden in Rede stehenden Jahren, welches bei deren (durch eine günstige Auftragslage geprägter) Umsatzentwicklung im Fall eines reibungslosen Absatzes der Ware pflichtgemäß hätte bedient werden können.

Denn eine wirtschaftliche Berechtigung zur Schmälerung der Kapitalbasis eines Unternehmens durch Privatentnahmen ist ebensowenig wie die ökonomische Sinnhaftigkeit einer Kreditaufnahme ausschließlich oder auch nur notwendigerweise primär von dessen Umsatzentwicklung abhängig; maßgebend sind vielmehr dessen Kapitalstruktur und dessen Ertragslage in ihrem Zusammenwirken: nur dann, wenn darnach bei einer objektiven ex-ante-Betrachtung aus der Sicht des Geschäftsführers mit einem ihm zuzumutenden Wissensstand im Rahmen eines vernünftigen wirtschaftlichen Risikos zu erwarten ist, daß nichtsdestoweniger alle fälligen Verbindlichkeiten im Weg einer redlichen Gebarung ordnungsgemäß oder doch immerhin binnen einer vertretbaren Frist vollständig erfüllt werden können, sind derartige Dispositionen mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes vereinbar.

Davon jedoch kann im vorliegenden Fall bei der explosionsartigen Aufblähung des Kreditobligos der KI-TEX (von 8,8) bis auf 50 Mio S und bei dementsprechendem Ansteigen auch der jährlichen Kreditkosten bis auf 6 Mio S innerhalb von nur zwei Jahren - selbst in Relation zu einem durchschnittlichen Jahresumsatz in der vom Beschwerdeführer bezifferten Höhe von 100 Mio S (vgl. dagegen S 223, 243/I: nur 40 Mio S) - schon im Hinblick auf die hohe Risikobelastung der jeweils per Akkreditiv finanzierten und deswegen in Ansehung der Warenqualität nicht ausreichend kontrollierbaren Textil-Importe der Gesellschaft, vor allem aus dem Fernen Osten (vgl. hiezu US 4/5 iVm S 261, 435-437; 179-181, 353 f), keine Rede sein; durch die erörterten Privatentnahmen hinwieder, die der Angeklagte neben seinen Geschäftsführer-Bezügen in der Höhe von zuletzt rund 60.000 S brutto im Monatsdurchschnitt (vgl. S 263/I) tätigte, ist die mit der (nach dem Gesagten verpönten) Kreditausweitung verbundene Liquiditätsgefährdung noch zusätzlich verschärft worden. Unter beiden Aspekten ist demgemäß der dem angefochtenen Schuldspruch zugrundeliegenden Rechtsansicht, daß er bei seiner Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes außer acht gelassen hat, vollauf beizupflichten; soweit er mit dem Einwand, die letztlich eingetretene Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft sei auf für ihn nicht vorhersehbar gewesene Umstände in der Lieferantensphäre - wie Produktionsmängel und Lieferverzüge - zurückzuführen gewesen, gegen die Annahme einer Sorgfaltswidrigkeit seines eigenen Tatverhaltens im Sinn des § 159 Abs. 1 Z 1 StGB remonstriert, ist er daher nicht im Recht. Sollte er indessen solcherart überhaupt darauf abstellen, daß die Insolvenz der KI-TEX ausschließlich durch Dritte verursacht worden sei, dann ließe die Beschwerde insoweit eine prozeßordnungsgemäße Darstellung des geltend gemachten materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes vermissen, weil sie damit jenen ausdrücklich gegenteiligen Konstatierungen zuwiderliefe, nach denen seine hier aktuellen fahrlässigen Fehldispositionen für die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft jedenfalls mitkausal waren (US 7 f, 12 f, 18). Zu Unrecht schließlich macht der Beschwerdeführer Feststellungsmängel (sachlich abermals Z 9 lit. a) darüber geltend, daß er durch die Fortführung seines Geschäftsbetriebes bis zur Konkurseröffnung (im August 1986) die Höhe der Gesellschaftsschulden im Vergleich zu den Jahren 1984 und 1985 verringert habe; wird doch durch diese (vom Schöffengericht im übrigen ohnehin vermerkte) phasenweise positive Geschäftsentwicklung (US 6) weder die Kausalität seiner inkriminierten Geschäftsführung für die letzten Endes trotzdem eingetretene Insolvenz der KI-TEX noch seine darauf bezogene aufgezeigte Fahrlässigkeit in Frage gestellt. Im bisher behandelten Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde demnach zu verwerfen.

Zum Faktum 1. hingegen reklamiert der Angeklagte in Ansehung der ihm angelasteten Untreue (§ 153 StGB) mit Recht Feststellungsmängel (Z 9 lit. b) in bezug auf deren allfällige Straflosigkeit wegen tätiger Reue (§ 167 StGB).

Insoweit ist nämlich in der Tat die Rechtsansicht des Schöffengerichts verfehlt, daß zur strafaufhebenden Gutmachung eines durch das ungetreue Abdisponieren eines Geldbetrages zugefügten Schadens über die wertmäßige Vollständigkeit des Ersatzes hinaus auch die wirtschaftliche Identität des zurückzuerstattenden mit dem entzogenen Vermögensbestandteil vorauszusetzen und dementsprechend im vorliegenden Fall der KI-TEX ihr Untreue-Schaden deswegen nicht vollständig erstattet worden sei, weil von dem ihr zugestandenen, aber tatbestandsmäßig auf das Konto des Wolfgang H*** abgezweigten Grundstücks-Teilerlös im Betrag von 189.600 S bloß 188.900 S behoben und (richtig: auch davon wieder nur 188.000 S - vgl. S 7/I uva) auf ein Konto der (als "Auffang-Gesellschaft" für den Fall einer Insolvenz der KI-TEX und der KI-MOD gegründeten) "K***'S Manufacturing Textil GesmbH" (im folgenden kurz: KI-MAN) eingezahlt wurden, sodaß trotz der folgenden Überweisung von 651.000 S von dort vorerst auf ein anderes Konto jener Gesellschaft und schließlich von diesem auf das Geschäftskonto der KI-TEX letzterer nicht "der gesamte von Elfriede U*** schwarz bezahlte Geldbetrag .... wieder zugute gekommen" sei. Kommt es doch für die strafaufhebende Wirkung einer Schadensgutmachung (§ 167 Abs. 2 Z 1 StGB) auf die Herkunft der vom Täter dazu verwendeten Mittel nur insofern an, als er sich nicht die betreffenden Werte ihrerseits wieder durch eine andere strafbare Handlung beschafft haben darf (vgl. JBl. 1981, 331, SSt. 32/23 uva). In bezug darauf allerdings ist das Verfahren noch nicht spruchreif. Denn insoweit ist zwar die Voruntersuchung gegen den Beschwerdeführer wegen des Verdachts einer durch die (hier schadensdeckende) Überweisung der 651.000 S an die KI-TEX zum Nachteil der KI-MAN begangenen Untreue auf Grund einer dahingehenden Erklärung des öffentlichen Anklägers (§ 112 StPO) eingestellt (S 3 d vso/I) und einem darauf bezogenen Subsidiarantrag (§ 48 Z 2 StPO) des Wolfgang H*** als Privatbeteiligten nicht Folge gegeben worden (ON 29); nach der Aktenlage kann aber nicht ausgeschlossen werden, daß jener zur Gutmachung des Schadens der KI-TEX in der Höhe von 189.600 S verwendete, in der betreffenden Gesamtüberweisung vom Konto der KI-MAN an sie inbegriffene Ergänzungsbetrag von 1.600 (im Urteil irrig: 700) S zu den aus der Deliktsbeute dorthin transferierten 188.000 (im Urteil irrig: 188.900) S - ein im übrigen wohl in der Relation (0,84 %) geringfügiger, aber in seiner absoluten Höhe keineswegs unter der strafrechtlichen Erheblichkeitsschwelle gelegener Vermögenswert - aus vom Angeklagten und von H*** im ursprünglichen Einverständnis durch (weitere) Malversationen zum Nachteil der Gläubiger der KI-MOD und der KI-TEX dorthin beiseite geschafften (§ 156 StGB) Geldern stammte.

Zur Klärung dieses (von der zuvor relevierten Verfahrenseinstellung nicht erfaßten) Verdachts, bei dessen Verifizierung entgegen der Beschwerdeansicht tatsächlich, wenn auch aus einem anderen als aus dem vom Erstgericht angenommenen Grund, von einer strafaufhebenden vollständigen Schadensgutmachung durch den Beschwerdeführer im Sinn des § 167 Abs. 2 Z 1 StGB nicht gesprochen werden könnte, erweist sich daher eine Zurückverweisung der Sache in die erste Instanz zur Verfahrenserneuerung als unumgänglich, zumal die Annahme einer - mit der Beschwerde (sachlich abermals Z 9 lit. b) zudem geltend gemachten - fehlenden Strafwürdigkeit der Tat (§ 42 StGB) im vorliegenden Fall schon mangels einer innerhalb der deliktstypischen Bandbreite geringen Schuld des Angeklagten (Z 1) nicht in Betracht gezogen werden könnte.

Der Nichtigkeitsbeschwerde war somit insoweit, ohne daß es einer Erörterung der weiteren Beschwerdeeinwände (Z 5 a) bedarf, wie im Spruch teilweise stattzugeben.

Im zweiten Rechtsgang wird die Möglichkeit einer (grundsätzlich gebotenen) Vereinigung (§ 56 StPO) mit dem gegen H*** unter dem AZ 11 Vr 901/86 desselben Gerichtes (unter anderem) wegen des gleichen Verdachts anhängigen Verfahren zu prüfen sein. Auf die Änderung der sachlichen Zuständigkeit gemäß Art. XX Abs. 4 letzter Satz StRÄG 1987 wird hingewiesen.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die (auch den Strafausspruch erfassende) kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Anmerkung

E18449

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0150OS00035.89.0627.000

Dokumentnummer

JJT_19890627_OGH0002_0150OS00035_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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