TE OGH 1989/6/28 3Ob550/89

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Veröffentlicht am 28.06.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hule, Dr.Warta, Dr.Klinger und Dr.Angst als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) Rudolf Z***, Baggerführer, und 2) Anna Z***, Küchengehilfin, beide Wien 11, Hubert-Gsur-Gasse 2/62/2, beide vertreten durch Dr.Leo Breiteneder, Rechtsanwalt in Waidhofen an der Thaya, wider die beklagte Partei Anton Z***, Frühpensionist, Göpfritz/Wild, Wildweg 19, vertreten durch Dr.Gerhard Rößner, Rechtsanwalt in Zwettl, wegen Aufhebung einer Dienstbarkeit, infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Kreisgerichtes Krems als Berufungsgerichtes vom 23. Februar 1989, GZ 1 b/R 1/89-14, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Allentsteig vom 9. November 1988, GZ C 34/88-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten seiner Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die beiden Kläger haben mit Notariatsakt vom 25.Oktober 1985 eine Liegenschaft des Beklagten gekauft, wobei die Gegenleistung in der Zahlung eines Kaufpreises von 155.000 S und der Einräumung der Dienstbarkeit des Wohnungsrechtes an einem Zimmer des auf der Liegenschaft stehenden Hauses und Nebenräumlichkeiten und der Reallast der Versorgung der Kleidung des Beklagten bestand. Mit einer am 30.Juni 1988 eingebrachten Klage machten die Kläger geltend, der Beklagte führe sich infolge Alkoholmißbrauches so unleidlich auf, daß ein wichtiger Grund zur Aufhebung des Servitutsrechtes gegeben sei. Sie begehrten die Feststellung dieser Aufhebung und die Einwilligung des Beklagten in die Löschung der Dienstbarkeit.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 60.000 S, nicht aber 300.000 S übersteige und die Revision zulässig sei. Die beiden Vorinstanzen gingen im wesentlichen von folgenden Tatsachenfeststellungen aus:

Seit der Scheidung seiner Ehe im Jahr 1977 wandte sich der Beklagte immer mehr dem Alkohol zu. Seit einigen Jahren ist er alkoholkrank. Er verschuldete sich immer mehr und mußte daher seine Liegenschaft verkaufen. Im Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages mit den Klägern war der Alkoholismus des Beklagten schon ausgeprägt und für die Kläger erkennbar.

Die Kläger kommen etwa alle vierzehn Tage zum Wochenende in ihr Haus. Die Zweitklägerin bringt dann das Zimmer des Beklagten in Ordnung. Besonders in den letzten Monaten vor Klagseinbringung waren das Zimmer des Beklagten und auch andere Teile des Hauses stark verunreinigt. Der Beklagte hat im Zustand des Vollrausches mehrmals die Notdurft in seinem Zimmer zum Teil im Bett, zum Teil in der Abwasch, und teilweise auch in anderen Teilen des Hauses verrichtet. Einmal stellte er ein Lavoir mit Exkrementen in das Kästchen unter der Abwasch, wo es die Kläger nach ein oder zwei Wochen fanden. Der Beklagte läßt wiederholt Speisereste in seinem Zimmer liegen. Seit etwa eineinhalb Jahren nimmt er verschiedene Saufkumpane mit in das Haus. Am 4.November 1987 kam es zwischen einem solchen Besucher und dem Erstkläger zu einer Auseinandersetzung, die zu einer strafgerichtlichen Verurteilung des Erstklägers führte. Trotz erteilten Hausverbots durch die Kläger wurde dieser Besucher am 12. September 1988 wieder in volltrunkenem Zustand angetroffen. An diesem Tag war die Glasfüllung der Badezimmertüre zum zweiten Mal beschädigt. Wenn der Beklagte alkoholisiert ist, versperrt er das Haus nicht und läßt verschiedene Leute herein. Dem Erstkläger kamen eine Schleifmaschine und eine Motorsäge abhanden, ohne daß die Ursache feststellbar wäre. Die Kläger nehmen seit einiger Zeit ihre Enkelkinder nicht mehr gerne mit ins Haus, weil zB der Beklagte wiederholt öffentlich seine Notdurft an der Hausmauer verrichtet. Am 16. September 1988 lag der Beklagte wieder mit einem Vollrausch im Bett. Die Matratze war von Urin feucht, ebenso war der Teppich am WC durch Urin verschmutzt, stank und mußte von der Zweitklägerin entfernt werden. An diesem Tag hatte der Beklagte auch Nasenbluten und tropfte den Weg zu seinem Zimmer an.

In rechtlicher Hinsicht waren die Vorinstanzen der Auffassung, daß das Verhalten des Beklagten nicht ausreiche, eine Aufhebung der Dienstbarkeit anzunehmen, zumal den Klägern der Zustand des Beklagten schon bei Vertragsabschluß bekannt sein mußte.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Kläger ist nicht zulässig.

Es ist in Lehre und Rechtsprechung anerkannt, daß auch die Dienstbarkeit des Wohnungsgebrauchsrechtes in Anlehnung an die Grundsätze der Auflösung von Dauerschuldverhältnissen bei Vorliegen eines wichtigen Grundes möglich ist (EvBl 1974/50 = JBl 1974, 618 = MietSlg 25.040/24; MietSlg 31.049, 31.050, 35.222; Mayrhofer, JBl 1974, 593; Petrasch in Rummel, ABGB, Rz 2 zu § 524 ABGB). Wegen der besonderen Natur des Wohnungsgebrauchsrechtes kann aber das Abstehen vom Vertrag nur als äußerstes Notventil gelten, dessen Verweigerung den Sinn des Rechtsverhältnisses geradezu ins Gegenteil verkehren würde. Die "Empfindlichkeit" eines solchen Vertragsverhältnisses auf Veränderungen in der Zukunft ist also vermindert und die Bindung zwischen den Vertragsteilen entsprechend verstärkt (Mayrhofer aaO 602; MietSlg 31.223).

Aber auch wenn ein besonders wichtiger Grund im Sinne dieser Ausführungen vorliegt, ist die sogenannte außerordentliche Kündigung eines Dienstbarkeitsvertrages der vorliegenden Art dann nicht berechtigt, wenn mit dem Eintritt dieses Grundes von Anfang an zu rechnen war, wenn also die jetzt als Kündigungsgrund herangezogenen Umstände schon bei Vertragsabschluß bekannt oder doch als wahrscheinlich vorauszusehen waren (MietSlg 30.215, 31.222). Nach den getroffenen Feststellungen war den Klägern der Zustand des Beklagten von Anfang an bekannt. Selbst wenn sich der Alkoholmißbrauch in letzter Zeit verstärkt haben sollte, so war doch bei einem Alkoholiker wie dem Beklagten schon bei Vertragsabschluß mit der jetzt eingetretenen Entwicklung als naheliegend und höchstwahrscheinlich zu rechnen. Die in diesem Zusammenhang zu beurteilende Rechtsfrage wurde somit vom Berufungsgericht im Einklang mit der angeführten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes gelöst. Neue rechtliche Gesichtspunkte werden in der Revision nicht aufgezeigt.

Der weiteren Frage, ob die eingetretenen Unzukömmlichkeiten sonst eine Aufhebung der Dienstbarkeit im Sinne der obigen Ausführungen rechtfertigen würden - und der, soweit überblickbar, bisher in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht behandelten (Folge-)Frage, ob in einem solchen Fall überhaupt die Teilanfechtung nur der Dienstbarkeitseinräumung oder aber nur eine Aufhebung des gesamten Übergabsvertrages möglich wäre - kommt daher in diesem Rechtsstreit keine erhebliche Bedeutung zu, sodaß die Anfechtungsvoraussetzungen des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichtes nicht vorliegen.

Da die beklagte Partei auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen hat, hat sie gemäß den §§ 40, 41 und 50 ZPO die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Anmerkung

E17716

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0030OB00550.89.0628.000

Dokumentnummer

JJT_19890628_OGH0002_0030OB00550_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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