TE OGH 1989/6/29 12Os66/89

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Veröffentlicht am 29.06.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. Juni 1989 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Felzmann, Dr. Brustbauer, Dr. Massauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Sanda als Schriftführerin in der Strafsache gegen Jürgen L*** wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Diebstahles durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 3 und § 15 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufungen der gesetzlichen Vertreter gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Schöffengericht vom 17. April 1989, GZ 10 Vr 1102/88-18, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Bassler, des Verteidigers Dr. Smetana und der gesetzlichen Vertreter Justine L*** und Peter L*** jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zur Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Den Berufungen des Angeklagten und seiner gesetzlichen Vertreter wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 21. März 1971 geborene, sohin noch jugendliche Jürgen L*** des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 3 und § 15 StGB (A und B), des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (D) und des Vergehens des teils vollendeten, teils versuchten unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen nach § 136 Abs. 1 und § 15 StGB (E und F) schuldig erkannt. Darnach hat er von Juni 1987 bis 12. April 1988 in Wien und Umgebung teils gemeinsam mit dem Mitangeklagten Robert K*** und abgesondert verfolgten Beteiligten teils alleine bewegliche Sachen in einem Wert von insgesamt weniger als 25.000 S - in einem Fall durch Aufbrechen einer Sperrvorrichtung - gestohlen bzw. zu stehlen versucht, unter anderem im Herbst 1987 ein Blinkerrelais und Werkzeuge (A I 2) und im Sommer 1987 drei Zeitungen zum Nachteil der K***esmbH (A I 3). Darüberhinaus hat er drei Antennen von Personenkraftwagen abgebrochen, wodurch ein Schaden von einigen Hundert Schilling entstand (D) sowie ein Motorfahrzeug unbefugt in Gebrauch genommen und zwei weitere in Gebrauch zu nehmen versucht (E und F). Abweichend von den einleitenden Worten (.. seinem gesamten Inhalt nach ..) ficht der Angeklagte mit seiner auf § 281 Abs. 1 Z 8 und 9 lit. b StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde den Schuldspruch nur in den Fakten A I 2 und 3 an; den Strafausspruch bekämpfen der Angeklagte und (unausgeführt) auch seine Eltern mit Berufung. Als Anklageüberschreitung (Z 8) rügt der Angeklagte, daß ihm zum Faktum A I 2 neben dem (in der Anklage angeführten) Blinkerrelais auch die Wegnahme von Werkzeug angelastet wird, obwohl die Anklage einen diesbezüglichen Vorwurf nicht enthält und nur "Mopedbestandteile" erwähnt (S 191).

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem Beschwerdeeinwand liegt in bezug auf die erwähnte Abweichung eine die Vorschriften der §§ 262, 263 und 267 StPO verletzende Überschreitung der Anklage nicht vor:

Denn die Tatrichter stellten fest, daß die (in der Anklage genannten) Mopedbestandteile "in einem Werkzeug bestanden haben" (S 265). Damit ist der Grundsatz der Identität von Anklage- und Urteilstat aber gewahrt, weil die Abweichung bloß in einer - vom Gericht in sachverhaltsmäßiger Beziehung festgestellten Modalität eines und desselben Tatvorganges gelegen ist (Mayerhofer-Rieder2, ENr. 14, 18, 19, 24 bis 29, 76 zu § 262 StPO).

Es bedarf deshalb keiner Erörterung, ob die weitere im Urteil enthaltene Wendung, es sei die "Anklage geändert" worden, als (wenngleich weder im Protokoll über die Hauptverhandlung noch im sonstigen Akteninhalt zum Ausdruck kommende) Änderung der Anklage durch den öffentlichen Ankläger selbst oder bloß dahin zu verstehen ist, daß das Gericht (entsprechend seiner Tatsachenfeststellung) von der Anklage insoweit abgewichen ist.

Den Feststellungen zum Schuldspruch A I 3 zufolge "stahl" der Beschwerdeführer im Sommer 1987 (wie in den Fakten A I 1 und 2 im einverständlichen Zusammenwirken mit dem Mitverurteilten Robert K***, in Ansehung dessen das Urteil in Rechtskraft erwachsen ist, und des abgesondert verfolgten Erwachsenen Oliver K***) aus einem Verkaufsständer drei Kronen-Zeitungen.

Auch diese Beschwerdeausführungen (Z 9 lit. b), in denen die Unterstellung dieser Tat unter das Tatbild der Entwendung nach § 141 Abs. 1 StGB angestrebt und mangelnde Verfolgbarkeit wegen Fehlens der Ermächtigung gemäß dem § 141 Abs. 2 StGB eingewendet wird, schlagen fehl:

Nach den Urteilsannahmen haben der Beschwerdeführer und seine Komplizen die ihnen zur Last liegenden mehreren diebischen Zugriffe in einer Art einheitlichem Tatvorsatz verübt, wobei ihr Wille darauf gerichtet war, jede aufstoßende (passende) Gelegenheit für einen Diebstahl zu nützen (S 266). Schon deshalb kann von der in der Beschwerde reklamierten Unbesonnenheit - d.h. einem spontanen Willensentschluß, der aus besonderen Gründen der Lenkung durch das ruhige Denken entzogen war und nach der charakterlichen Beschaffenheit des Täters ansonsten in der Regel unterdrückt worden wäre (Leukauf-Steininger2, RN 13 und Kienapfel BT II2 RN 36 bis 38 je zu § 141 StGB) nicht die Rede sein.

Zur Befriedigung eines Gelüstes handelt im Sinne des § 141 Abs. 1 StGB, wer (nur) ein gegenwärtiges eigenes Bedürfnis, das sich auf eine bestimmte Sache bezieht, sofort oder alsbald befriedigen will (aaO Leukauf-Steininger2, RN 15; Kienapfel RN 39). Einem solchen privilegierenden ausschließlichen Motiv entspricht das festgestellte Verhalten der - wie erwähnt mit Gesamtvorsatz handelnden - Täter, welche drei Zeitungen bloß zum Durchblättern an sich nahmen und danach (alsbald) verbrannten (S 264 iVm S 246), nicht.

Auch die Unterstellung der Wegnahme der Zeitungen und das Tatbild des Diebstahls nach dem § 127 StGB ist daher frei von Rechtsirrtum. Aus den dargelegten Erwägungen war die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten daher zu verwerfen.

Das Jugendschöffengericht verurteilte Jürgen L*** nach §§ 28, 129 StGB unter Bedachtnahme auf § 5 Z 4 JGG zu einer unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Monaten. Bei der Strafzumessung wurden das Zusammentreffen einer Vielzahl von Delikten und die Wiederholung der strafbaren Handlungen als erschwerend gewertet, während als mildernd das Teilgeständnis, die bisherige gerichtliche Unbescholtenheit, die Tatsache, daß es teilweise beim Versuch geblieben ist, die teilweise Schadensgutmachung, sowie die ungünstigen häuslichen Verhältnisse und das lange Zurückliegen der Taten in Betracht gezogen wurden. Mit ihren Berufungen begehren der Angeklagte und seine Eltern die Herabsetzung der Freiheitsstrafe (auf ein Monat) im wesentlichen mit der Begründung, der Jugendliche habe mit seiner Verantwortung, die als "umfassendes reumütiges Gesamtgeständnis" anzusehen sei, entscheidend zur Wahrheitsfindung beigetragen.

Dieser Berufungsbehauptung ist das im Urteil geschilderte (S 267) aus dem Hauptverhandlungsprotokoll ersichtliche Verhalten des Angeklagten entgegenzusetzen, wonach er gerade bei dem strafsatzbestimmenden (§ 129 StGB) Faktum A III (Diebstahl eines Mopeds im Wert von 15.000 S durch Aufbrechen der Lenkradsperre) die Verbrechensqualifikation bestritt, sodaß eben nur ein Teilgeständnis vorliegt. Im übrigen läßt sich weder aus dem Bericht der Jugendgerichtshilfe (ON 4) noch aus dem Verhalten der Eltern während des Verfahrens ableiten, daß die häuslichen Verhältnisse für das Abgleiten des Jugendlichen in die Kriminalität auslösend waren; auch liegen die ein Jahr vor der Verhaftung gesetzten Taten noch nicht lange zurück, sodaß kein Anhaltspunkt dafür zu finden ist, die Tatrichter hätten die Strafe zu streng ausgemessen. Den Berufungen war sohin der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Anmerkung

E17837

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0120OS00066.89.0629.000

Dokumentnummer

JJT_19890629_OGH0002_0120OS00066_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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