TE OGH 1989/6/29 6Ob629/89

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Veröffentlicht am 29.06.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Redl und Dr. Kellner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei EBC Gegengeschäftsvermittlungsgesellschaft mbH, Wien 13., Hietzinger Hauptstraße 50, vertreten durch Dr. Richard Proksch, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei V*** & Co Baugesellschaft mbH, Wien 1., Werdertorgasse 14, vertreten durch Dr. Walter Scherlacher, Rechtsanwalt in Wien, wegen 183.629,28 S samt Nebenforderungen, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 16. März 1989, GZ 2 R 32/89-19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 3. November 1988, GZ 28 Cg 513/87-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der außerordentlichen Revision wird stattgegeben.

Das angefochtene Urteil und das Urteil erster Instanz werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Prozeßgericht erster Instanz zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind Kosten des zu ergänzenden Verfahrens.

Text

Begründung:

Die Klägerin ist eine inländische Gesellschaft mbH. Sie trachtet, den geschäftlichen Verkehr ihrer Vertragspartner untereinander vor allem als Verrechnungsstelle im Rahmen eines bargeldlosen Zahlungsverkehrs zu fördern. Das dabei angewandte System ließe sich schlagwortartig als "vielseitige laufende Rechnung" oder auch als "multilaterales Clearing" bezeichnen. Das Verrechnungsschema ist in seinem rechtlich erheblichen Gehalt in den von der Klägerin aufgestellten allgemeinen Geschäftsbedingungen niedergelegt. Die wirtschaftlich Interessierten schließen mit der Klägerin unter Vereinbarung des in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) umschriebenen Vertragsschemas Einzelverträge. Untereinander schließen sie Kauf-, Werk- oder sonstige Verträge und können sich dabei, soweit sie Vertragspartner der Klägerin sind, des von dieser bereitgestellten Verrechnungssystems bedienen.

Die beklagte Baugesellschaft war eine der Vertragspartnerinnen der Klägerin. Sie hatte (als Generalunternehmerin) mit einer anderen Vertragspartnerin der Klägerin, einer Elektroinstallationsgesellschaft (als Bauhandwerkerin) drei Werkverträge geschlossen und dabei - zum Teil

betragsbeschränkt - die Verrechnung über das von der Klägerin geführte Kontensystem vereinbart. In diesem Sinne reichte die Werkvertragspartnerin der Beklagten in den Monaten September bis November 1984 mittels sieben formularmäßigen Buchungsaufträgen der Klägerin Teilrechnungsbeträge im Gesamtbetrag von 138.401 S zur Buchung zu ihren Gunsten und zu Lasten der Beklagten bei der Klägerin ein. Die Klägerin nahm diese Buchungen vor. In der Folge wurde mit Beschluß vom 1. Februar 1985 über das Vermögen der Werkvertragspartnerin der Beklagten der Konkurs eröffnet. Die Beklagte behauptete Ansprüche gegen ihre Vertragspartnerin zunächst wegen deren Verzuges gegenüber dem Bauzeitplan und in der Folge wegen völliger Einstellung der Arbeiten.

Die Beklagte kündigte ihr Vertragsverhältnis zur Klägerin zum 30. April 1985 schriftlich auf. Die Klägerin nahm diese Vertragsaufhebungserklärung mit dem Schreiben vom 17. April 1985 zur Kenntnis; gleichzeitig stellte sie den auf dem Konto der Beklagten verbuchten Debetsaldo von 138.401 S zur sofortigen Zahlung fällig und ersuchte um Überweisung dieses Betrages auf ein näher bezeichnetes Bankkonto. Die Beklagte verweigerte wegen der von ihr behaupteten Gegenansprüche gegen ihre Werkvertragspartnerin die Zahlung an die Klägerin zum Ausgleich ihres Kontos. Die von der Klägerin aufgestellten allgemeinen Geschäftsbedingungen, die auch zum Inhalt des zwischen den Streitteilen am 9. Mai 1984 abgeschlossenen Vertrages (Beilage A =

4) erklärt worden waren, enthalten unter anderem folgende Regelungen:

Unter Punkt 3:

"Jedes neue Mitglied wird in die ... - Mitgliederliste aufgenommen ....

Waren/Dienstleistungen des Mitglieds werden mit seinem Namen in eine Computerliste aufgenommen, die sämtlichen anderen Firmen/Mitgliedern zugänglich ist. Sinn dieser Liste ist, für das Mitglied und seine angebotenen Waren/Dienstleistungen zu werben ...

Nachfragen eines Mitgliedes nach bestimmten Waren/Dienstleistungen werden ebenfalls in eine für alle anderen Personen/Mitglieder zugängliche Computerliste aufgenommen ...

Das Mitglied hat Anspruch auf Verrechnung der von ihm erbrachten bzw. bezogenen Lieferungen/Leistungen zwischen ihm und einem anderen ... - Mitglied über sein bei ... geführtes Wertkonto. Dies jedoch nur unter nachstehenden Voraussetzungen und Bedingungen:

a) wenn die vorgeschriebenen Formulare von ..." (der Klägerin) "verwendet und von beiden Geschäftspartnern unterfertigt werden und ..." (die Klägerin) "dem Gegengeschäft zustimmte,

b) das Wertkonto des zu belastenden Mitgliedes eine genügend hohe Deckung aufweist.

Die auf dem Wertkonto zugunsten des Verkäufers erfolgte Gutschrift erfolgt an zahlungsstatt für den Käufer ...

Dem Mitglied werden auf Anfrage, jedenfalls nach jeder Wertkontobewegung, zumindest jedoch monatlich, seine neuesten Wertkontoauszüge kostenlos zugesandt. Diese gelten als Saldoabstimmung in Form kaufmännischen Korrentes (im Sinne der Bestimmungen der §§ 355 ff HGB) und gelten als vom Empfänger anerkannt, wenn er nicht binnen der unerstreckbaren Frist von vier Wochen diesen schriftlich widerspricht."

Unter Punkt 4:

...

"b) Über einen gutgeschriebenen Betrag auf dem Wertkonto darf der Verkäufer erst dann verfügen, wenn der Käufer die Ankunft und den auftragsgemäßen Umfang der Lieferung/Leistung an ..." (die Klägerin) "bestätigt hat.

c) Jedes Mitglied ist verpflichtet, ordnungsgemäß

ausgefüllte ... - Formulare durch andere Mitglieder anzunehmen und die Aufträge durchzuführen, sofern ..." (die Klägerin) "keine Einwände dagegen hat und der Verkäufer mit seinem Wertkonto im Debet ist. Will der Verkäufer einen erteilten Auftrag dennoch nicht durchführen, so hat er das Recht, durch Ausgleich seines Wertkontos bei ..." (der Klägerin) "binnen einer Woche durch Zahlung des Debet-Saldos den Auftrag abzulehnen.

d) Jedes Mitglied stimmt jeder Belastung bzw. Gutschrift durch ein ordnungsgemäß durch beide Seiten ausgefülltes Formular auf seinem Wertkonto unwiderruflich zu. Ausdrücklich vereinbart ist, daß die Kontobewegungen, nämlich die Belastung des Käuferkontos sowie Gutschrift des Buchungsbetrages auf dem Verkäuferkonto an zahlungsstatt erfolgen. Unstimmigkeiten, gleich welcher Art, die zwischen den Mitgliedern auftreten sollten, haben diese untereinander auszutragen, ohne daß hiedurch das Recht ..." (der Klägerin) "- insbesondere auf Ausgleich fälliger Beträge auf dem Wertkonto - berührt wird. Eine Vertragsbeziehung im Falle einer Lieferung/Leistung besteht einzig und alleine zwischen den Mitgliedern, ..." (die Klägerin) "ist daran nur insoweit beteiligt, als durch ..." (die Klägerin) "auftragsgemäß die Verrechnung auf den Wertkonten der Mitglieder vorgenommen wird. Im Falle, daß aus einem Geschäftsfalle zwischen den Mitgliedern Unstimmigkeiten oder Streitigkeiten entstehen sollten, behält ..." (die Klägerin) "sich vor, die zur Verrechnung erfolgten Buchungen auf den Wertkonten (Belastung des Käufers und Gutschrift für den Verkäufer) bis zur Bereinigung derselben zu sperren.

Insbesondere wird festgehalten, daß ..." (die Klägerin) "in keiner Weise für die Richtigkeit, Vollständigkeit und Mängelfreiheit von erbrachten Lieferungen/Leistungen haftet, alle diesbezüglich auch nicht genannten Ansprüche aus Geschäftsbeziehungen zwischen den Mitgliedern sind direkt zwischen den Mitgliedern geltend zu machen bzw. auszugleichen und übernimmt ..." (die Klägerin) "keine Haftung, gleich welcher Art auch immer.

...

h) Jedes Mitglied hat die ihm übersandten Kontoauszüge unmittelbar nach Erhalt auf deren Richtigkeit und Vollständigkeit zu überprüfen und allfällige Einwände dagegen binnen vier Wochen ab Übersendung bekanntzugeben. Spätere Beanstandungen können nicht mehr berücksichtigt werden."

Unter Punkt 6:

"Ein Debetsaldo wird in der Regel durch Gutschriften auf dem Wertkonto wieder ausgeglichen. Sollte dies nicht der Fall sein, so hat das Mitglied den Debetsaldo binnen neun Monaten ab erfolgter Buchung auszugleichen.

Das im Debet befindliche Mitglied anerkennt die Rechtsverbindlichkeit des Wertkontos und die Richtigkeit desselben mangels Widerspruch (siehe Punkt 4 h) und verpflichtet sich hiemit ausdrücklich gegenüber ..." (der Klägerin), "den Debetsaldo innerhalb der bekanntgegebenen Frist auszugleichen. Zur Durchsetzung dieser Ansprüche erklären die übrigen Mitglieder, insbesondere der letzte Vertragspartner des im Debet befindlichen Mitgliedes, ..."

(die Klägerin) "zu ermächtigen, die Forderungen in ihrem Namen geltend zu machen und zu betreiben und bieten zu diesem Zwecke ..."

(der Klägerin "die Zession allfälliger Forderungen gegenüber dem säumigen Mitglied an ..." (Die Klägerin) "behält sich die Annahme dieser Zession für den Bedarfsfall ausdrücklich vor."

Unter Punkt 7:

"Jedes Mitglied kann die Teilnahme an

der ... - Gegengeschäftsvermittlung ohne Angabe von Gründen unter Einhaltung einer nur vierzehntägigen Kündigungsfrist jeweils zum Monatsletzten auflösen. Das Wertkonto des kündigenden Mitgliedes muß jedoch zuvor durch Gegengeschäfte mit den Mitgliedern der ..."

(Klägerin) "wieder auf seinen ursprünglichen Stand zurückgeführt bzw. ein Debetsaldo durch Zahlung ausgeglichen werden.

..."

Punkt 9:

"Sämtliche zu vermittelnde Gegengeschäfte geschehen auf freiwilliger Basis. Rechtsbeziehungen aus Lieferung/Leistung bestehen grundsätzlich nur zwischen den Gegengeschäftspartnern. Haftung von ..." (der Klägerin), "gleich welcher Art auch immer, ist ausgeschlossen ..." (Die Klägerin) "tritt nur als Geschäftsvermittler und Buchungsstelle der abgewickelten Gegengeschäfte auf. Meinungsverschiedenheiten und Rechtsstreitigkeiten sind jeweils nur zwischen Lieferant und Empfänger der Ware/Dienstleistung auszutragen, ohne daß hiedurch das Recht ..." (der Klägerin) "auf Verbuchung der Beträge berührt wird. Im Falle des Rückersatzes bzw. der Rücklieferung und Rückabwicklung von Vereinbarungen zwischen den Mitgliedern kann die Rückerstattung von verrechneten Gebühren nicht begehrt werden. Im Falle einer irrtümlichen oder rechtsgrundlosen Leistung sowie im Falle einer irrtümlichen Bezahlung der im Wege des Gegengeschäftsverkehrs bezogenen Waren/Dienstleistungen ist ..." (die Klägerin) "unverzüglich zu verständigen und unter Bekanntgabe des gesamten Sachverhaltes, nach Überprüfung desselben durch ..." (die Klägerin), "um Ausgleich des Wertkontos zu ersuchen."

Nach dem - formularmäßigen - Vertragstext vereinbarten die Streitteile:

"Der Auftraggeber anerkennt, daß durch die Belastung des Wertkontos des Käufers mit dem Buchungsbetrag sowie Gutschrift desselben auf dem Wertkonto des Verkäufers die Verrechnung des Gegengeschäftes an zahlungsstatt erfolgt ist, den Geschäftspartnern andere Verfügungen über den Kaufpreis wie auch Verfügungen über den Verrechnungsstand des Wertkontos bei ..." (der Klägerin) "durch andere als durch ..."

(die Klägerin) "vermittelte Gegengeschäfte (insbesondere Zessionen) untersagt sind."

"Vor Ende der Geschäftsbeziehung hat der Auftraggeber die Pflicht,

sein Wertkonto im Rahmen der ... - Verrechnung durch Geschäfte mit

anderen ... - Mitgliedern auf den Anfangsstand zurückzuführen bzw. einen allfälligen Debetsaldo durch Barzahlung auszugleich."

Die Klägerin begehrte von der Beklagten die Abdeckung des Debetsaldos zur Zeit der Beendigung ihrer "Mitgliedschaft" von 138.401 S zuzüglich von kapitalisierten Zinsen im Betrag von 45.228,28 S und 12,5 % Zinsen aus dem Saldobetrag seit 25. November 1986.

Dieses Begehren stützte die Klägerin vor allem auf die vertraglich vereinbarte Kontoglattstellungsverpflichtung und die vereinbarte bindende Wirkung der Saldofeststellung zufolge unterbliebenen Widerspruches der Beklagten gegen die übermittelten Kontoauszüge. Dazu vertrat die Klägerin den Standpunkt, als Treuhänderin ihrer am Zahlungsverkehr teilnehmenden Vertragspartner aufzutreten. Unter anderem behauptete die Klägerin weiters, das nach ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbarte Abtretungsanbot der Werkvertragspartnerin der Beklagten in Ansehung der Werklohnforderungen angenommen zu haben und diese Forderungen gegen die Beklagte geltend zu machen. Im übrigen erklärte die Klägerin, ihr Begehren auf alle (nach ihrem Vorbringen) möglichen Rechtsgründe zu stützen.

Die Beklagte behauptete aus den den Buchungen zugrundeliegenden Werkverträgen Gegenansprüche gegen ihre Werkvertragspartnerin in einer den eingeklagten Betrag übersteigenden Höhe. Sie bestritt die Forderungsberechtigung der Klägerin und wendete ein, daß dieser ein Anspruch kraft eigenen Rechtes aufgrund der widersprüchlichen Regelungen in den allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht zustünde. Eine wirksame Abtretung von Forderungen der Werkvertragspartnerin der Beklagten an die Klägerin sei nicht erfolgt, jedenfalls könnte die Beklagte der Klägerin als Zessionarin die gegen die Zedentin zustehenden Einwendungen und Gegenansprüche entgegenhalten. Das Prozeßgericht erster Instanz wies das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Dazu sprach es aus, daß die Revisionszulässigkeitsvoraussetzung nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO nicht vorliege.

Das Prozeßgericht erster Instanz nahm weder eine konkrete Abtretungserklärung der Werkvertragspartnerin der Beklagten an die Klägerin noch auch eine Zessionsannahmeerklärung der Klägerin als erwiesen an und ging daher in seiner rechtlichen Beurteilung davon aus, daß eine Abtretung von Forderungen der Werkvertragspartnerin der Beklagten gegen diese an die Klägerin nicht erfolgt sei. Dessenungeachtet stellte das Prozeßgericht erster Instanz eine eingehende rechtliche Würdigung des Inhaltes der nach den allgemeinen Geschäftsbedingungen vorgesehenen Forderungsabtretungen sowie zur Vereinbarkeit eines in Punkt 6 AGB allenfalls enthaltenen Blankettabtretungsanbotes mit den guten Sitten an. Die vertraglich vereinbarte Kontoglattstellungsverpflichtung legte das Prozeßgericht erster Instanz dahin aus, daß der Ausgleich nicht durch Leistungen an die Klägerin zu erfolgen habe. Vielmehr sei anzunehmen, daß die Klägerin in ihrer Eigenschaft als bloße Verrechnungsstelle keinen eigenen Erfüllungsanspruch besitzen sollte, die Leistung daher "an den jeweiligen Gläubiger" erfolgen sollte.

Das Berufungsgericht teilte die erstrichterliche Ansicht, daß die Klägerin auf der Grundlage der von ihr selbst aufgestellten allgemeinen Geschäftsbedingungen nur insoweit Ansprüche einer ihrer Vertragspartner gegen einen anderen geltend machen könnte, als ihr diese Ansprüche abgetreten worden seien. Die Klägerin werde lediglich als Verrechnungsstelle tätig. Wörtlich folgerte das Berufungsgericht weiter, es sei "auch unerheblich, ob die Verbuchung gemäß den Geschäftsbedingungen an Zahlungs Statt zu erfolgen hatte". Zur vertraglich vereinbarten Kontoglattstellungsverpflichtung im Falle der Beendigung der Geschäftsbeziehung (der "Mitgliedschaft") nahm das Berufungsgericht nicht gesondert Stellung. Die Klägerin ficht das bestätigende Berufungsurteil aus dem Revisionsgrund nach § 503 Abs 2 ZPO wegen qualifiziert unrichtiger Beurteilung der sich aus dem vereinbarten Verrechnungssystem ergebenden Vertragspflichten mit einem auf Stattgebung des Klagebegehrens zielenden Abänderungsantrag und einem hilfsweise gestellten Aufhebungsantrag an.

Die Beklagte strebt die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung an.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil die Entscheidung des Rechtsstreites von der rechtlichen Beurteilung eines Verrechnungssystems abhängt, das im Sinne der von der Klägerin aufgestellten Geschäftsbedingungen mit einer Vielzahl von Personen vereinbart und in der vorliegenden Form noch kein Gegenstand rechtlicher Wertung gewesen ist.

Die Revision ist auch berechtigt.

Die Klägerin ermöglicht ihren als "Mitgliedern" bezeichneten Vertragspartnern die Teilnahme an einem auf die Miglieder beschränkten bargeldlosen Zahlungsverkehr und unterhält die dafür erforderlichen Einrichtungen. Sie entscheidet durch Abschluß und Aufrechterhaltung des Vertragsverhältnisses zu den einzelnen Vertragspartnern über deren "Mitgliedschaft", überwacht die Kontoentwicklung jedes einzelnen ihrer Vertragspartner und hat dabei unter anderem die vertragliche Nebenpflicht aus ihren Verträgen gegenüber den übrigen Vertragspartnern, darauf zu achten, daß nur solche "Mitglieder" am Verrechnungsverkehr teilhaben, die die nach dem Verrechnungssystem vorausgesetzte Leistungsfähigkeit besitzen. Die Verletzung einer derartigen vertraglichen Nebenpflicht wurde im vorliegenden Rechtsstreit nicht geltend gemacht, anspruchsbegründende Tatsachen in dieser Hinsicht wurden nicht behauptet.

Das von der Klägerin ihren "Mitgliedern" zur Teilnahme angebotene Verrechnungssystem beruht darauf, daß Entgeltforderungen aus Geschäften unter den "Mitgliedern" nicht durch Barzahlung, sondern durch den Anspruch auf eine in Geld ausgedrückte gleichwertige geschäftliche Leistung irgendeines anderen Mitgliedes getilgt werden. In diesem Sinne ist eine vertragsgemäß vorgenommene Buchung durch die Klägerin einerseits ein schuldtilgender und andererseits ein anspruchsbegründender Vorgang. Die Klägerin schafft mit ihrem Verrechnungssystem ein nur unter ihren "Mitgliedern" einlösbares "Buchgeld". Jedes "Mitglied" nimmt es durch seine Teilnahme an dem von der Klägerin organisierten Verrechnungssystem auf sich, anstatt mit dem allseitig umsetzbaren allgemeinen Zahlungsmittel (Geld) mit einem bloß im Geschäftsverkehr im beschränkten "Mitglieder"-Kreis verwendbaren Anspruch auf Gegenleistungen für seine eigenen Leistungen abgegolten zu werden, aber auch eigene Zahlungspflichten in dieser Weise abstatten zu können.

Im Falle vertragsgemäßer Buchung ist die Schuld des "Mitgliedes", dessen Konto belastet wird, aus dem Vertragsverhältnis zu dem "Mitglied", auf dessen Konto die Gutschrift erfolgt, getilgt. Für diesen Regelfall der Schuldtilgung durch Buchungsvorgang können Regelungen über eine Abtretung von Forderungen aus dem dem Buchungsvorgang zugrundegelegten einzelnen Geschäft unter den "Mitgliedern" nicht mehr aktuell werden: Gegen und mit einer getilgten Schuld kann nicht mehr aufgerechnet werden. Das mag im Insolvenzfall eines am Verrechnungsverkehr teilnehmenden "Mitgliedes" seinem Einzelgeschäftspartner durch Verlust einer Aufrechnungsmöglichkeit zum Nachteil gereichen, stellte diesen Vertragspartner aber nicht anders als im Falle einer Schuldtilgung durch Barzahlung, Überweisung, Einlösung eines Schecks und ähnliche im Geschäftsverkehr übliche Zahlungsvorgänge. Ein solcher Verlust einer Aufrechnungsmöglichkeit kann deshalb nicht als sittenwidrig gewertet werden, auch wirkt diese Regelung theoretisch zugunsten und zu Lasten jedes einzelnen "Mitgliedes" in gleicher Weise. Die Tatsache der Zahlung eines Kaufpreises oder Werklohnes berührt den Bestand eines allfälligen Gewährleistungsanspruches sei es auf Preisminderung oder Rückabwicklung oder auch den Bestand eines Schadenersatzanspruches in keiner Weise. Der im Einzelfall wirtschaftlich nachteilige Verlust einer Aufrechnungsmöglichkeit ist keine typische Folge des von der Klägerin angebotenen Verrechnungssystems, sondern eine Folge der Schuldtilgung. Die Beklagte hat von ihrem vertraglichen Kündigungsrecht Gebrauch gemacht. Für diesen Fall traf sie die nach dem Inhalt des "Vermittlungsauftrages" vereinbarte Pflicht, einen etwa bestehenden Debetsaldo wenn nicht durch einen entsprechenden Buchungsvorgang dann durch Barzahlung auszugleichen. Dieser aus dem Vertrag zwischen den Streitteilen abgeleitete Kontoglattstellungsanspruch steht unzweifelhaft der Klägerin zu. Der Rechtsgrund liegt in der Teilnahme der Beklagten an dem von der Klägerin aufrecht erhaltenen Verrechnungsverkehr. Die vereinbarte Kontoausgleichsverpflichtung bei Beendigung des Vertragsverhältnisses begegnet inhaltlich keinen bürgerlichrechtlichen Bedenken. Ihr entspricht - auch wenn das in dem von der Klägerin abgefaßte Formulartext nicht ausdrücklich angeführt erscheint - im Falle eines nach Beendigung des Vertragsverhältnisses nicht mehr durch Verrechnung ausgleichbaren Guthabens des ausgeschiedenen "Mitgliedes" eine entsprechende Zahlungspflicht der Klägerin.

Für den von der Klägerin mit Recht in erster Linie auf den vertraglich vereinbarten Kontoglattstellungsanspruch im Falle des Ausscheidens der Beklagten als Teilnehmerin am Verrechnungsverkehr gestützten Zahlungsanspruch sind die Ordnungsgemäßheit der Buchungsvorgänge (unabhängig von der Rechtsbeständigkeit der den Buchungsvorgängen zugrundegelegten Ansprüche der Einzelgeschäftspartner untereinander) und die Verbindlichkeit des Kontostandes entscheidend.

Dazu haben die Vorinstanzen von ihrem Rechtsstandpunkt einer mangelnden Anspruchsberechtigung der Klägerin ausgehend keinerlei Feststellungen getroffen. Für Gegenansprüche der Beklagten gegen ihre Werkvertragspartnerin ist die Klägerin nach den hierin inhaltlich unbedenklichen Regelungen in den allgemeinen Geschäftsbedingungen passiv nicht legitimiert. In dieser Hinsicht sind weitere Erörterungen und Feststellungen entbehrlich. Zur Behebung der aufgezeigten Feststellungsmängel bedarf es einer Ergänzung der Verhandlung in erster Instanz. In Stattgebung der außerordentlichen Revision waren daher beide vorinstanzlichen Urteile aufzuheben und die Rechtssache war an das Prozeßgericht erster Instanz zurückzuverweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E17945

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0060OB00629.89.0629.000

Dokumentnummer

JJT_19890629_OGH0002_0060OB00629_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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