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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §63 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Schick, Dr. Hinterwirth und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lamprecht, über die Beschwerde des L in W, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom 30. Mai 2005, GZ BMF-111301/0124-II/5/2005, betreffend Ruhegenussbemessung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der 1947 geborene Beschwerdeführer steht seit seiner mit Ablauf des 31. August 1997 erfolgten Versetzung in den Ruhestand in einem öffentlich-rechtlichen Ruhestandsverhältnis zum Bund. Seine letzte Dienststelle war das Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten.
Zur Vorgeschichte wird in sinngemäßer Anwendung des § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf das hg. Erkenntnis vom 24. März 2004, Zl. 2003/12/0118, verwiesen: Mit Bescheid des Bundespensionsamtes vom 29. Mai 2002 wurde von Amts wegen festgestellt, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt seiner Ruhestandsversetzung nicht dauernd erwerbsunfähig im Sinne des § 4 Abs. 7 des Pensionsgesetzes 1965 (PG 1965), BGBl. Nr. 340, gewesen sei. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 28. Mai 2003 wurde der dagegen erhobenen Berufung nicht stattgegeben und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt. Dieser Bescheid wurde mit dem bereits erwähnten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. März 2004, Zl. 2003/12/0118, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes mit der Begründung aufgehoben, dass ein eigenes Feststellungsverfahren über die Frage der dauernden Erwerbsunfähigkeit gesetzlich nicht vorgesehen und die Erlassung eines Feststellungsbescheides jedenfalls dann unzulässig sei, wenn die für die Feststellung maßgebliche Rechtsfrage im Rahmen eines anderen gesetzlich vorgezeichneten Verwaltungsverfahrens, wie etwa einem Ruhegenussbemessungsverfahren, entschieden werden könne. Dies sei hier der Fall, sodass sich die von der belangten Behörde getroffene Feststellung als unzulässig erweise. Weiters sprach der Verwaltungsgerichtshof aus, dass die zu treffende Feststellung des dem Beschwerdeführer ab 1. Jänner 1998 zustehenden Ruhegenusses ungeachtet des in Rechtskraft erwachsenen Bescheides des Bundespensionsamtes vom 7. August 1997, mit dem ausgesprochen worden sei, dem Beschwerdeführer gebühre vom 1. September 1997 an ein Ruhegenuss von monatlich S 20.650,--, nicht gegen den Grundsatz "ne bis in idem" verstoße, weil schon auf Grund einer mit 1. Jänner 1998 wirksam gewordenen Pensionserhöhung eine Durchbrechung der Rechtskraft des zuletzt genannten Bescheides eingetreten sei.
Mit (Ersatz)bescheid vom 30. Mai 2005 sprach die belangte Behörde wie folgt ab:
"Ihrer Berufung gegen den Bescheid des Bundespensionsamtes vom 29. Mai 2002, ... , wird nicht stattgegeben. Der angefochtene Bescheid wird nach § 66 Abs. 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (=AVG), BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe bestätigt, dass der Ihnen vom 1. Jänner 1998 an gebührende Ruhegenuss gemäß § 90 Abs. 1, § 96 Abs. 2 des Pensionsgesetzes 1965 (PG 1965) in Verbindung mit § 4 PG 1965 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 138/1997 und der Druckfehlerberichtigung BGBl. I Nr. 35/1998 und § 41 Abs. 2 PG 1965 idF des Bundesgesetzes BGBl. 217/1972 21.858,30 S brutto beträgt."
In der Begründung führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens stehe fest, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt seiner Ruhestandsversetzung nicht dauernd erwerbsunfähig im Sinne des § 4 Abs. 7 PG 1965 gewesen sei, sodass die Voraussetzungen für einen Entfall der Kürzung der Ruhegenussbemessungsgrundlage nach § 4 Abs. 4 Z. 3 PG nicht vorlägen. Bei der Feststellung der Höhe des dem Beschwerdeführer ab 1. Jänner 1998 gebührenden Ruhegenusses sei von dem für das Jahr 1997 mit dem Bescheid des Bundespensionsamtes vom 7. August 1997 rechtskräftig festgestellten Ruhegenuss auszugehen und auf diesen der sich aus § 41 Abs. 2 PG 1965 ergebende Erhöhungssatz anzuwenden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zur maßgeblichen Rechtslage wird auf deren ausführliche Darstellung in dem im ersten Rechtsgang ergangenen Erkenntnis verwiesen.
Schon mit dem Einwand, es liege eine funktionelle Unzuständigkeit der belangten Behörde für die mit dem angefochtenen Bescheid vorgenommene Ruhegenussbemessung vor, ist der Beschwerdeführer im Recht:
Gemäß § 66 Abs. 4 erster Satz AVG hat die Berufungsbehörde in der Regel in der Sache selbst zu entscheiden. "Sache" in diesem Sinn ist die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterbehörde gebildet hat (vgl. Walter-Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), E. 108, E. 111 zu § 66 AVG). Entscheidet eine Behörde zweiter Instanz in einer Angelegenheit, die überhaupt noch nicht oder in der von der Rechtsmittelentscheidung in Aussicht genommenen rechtlichen Art nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens gewesen war, in Form eines (im Ergebnis erstmaligen) Sachbescheides, so fällt eine solche Entscheidung nicht in die funktionelle Zuständigkeit der Berufungsbehörde und der Berufungsbescheid ist in diesbezüglichem Umfang mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit belastet (vgl. hiezu die bei Walter-Thienel, a.a.O., E. 128 zu § 66 AVG wiedergegebene Judikatur).
Dies ist vorliegend der Fall. Sache der erstinstanzlichen Entscheidung war die (freilich unzulässige) Feststellung des Nichtvorliegens einer dauernden Erwerbsunfähigkeit im Verständnis des § 4 Abs. 4 Z. 3 und Abs. 7 PG 1965. Gegenstand des nunmehr angefochtenen Bescheides der belangten Behörde ist hingegen die Feststellung der Höhe des dem Beschwerdeführer ab 1. Jänner 1998 gebührenden Ruhegenusses (unter Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 4 Abs. 4 Z. 3 PG 1965). Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde somit sachlich über mehr entschieden als Gegenstand der Entscheidung der unteren Instanz war, sodass sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit belastete, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben war.
Angemerkt wird, dass das hg. Erkenntnis vom 24. März 2004, Zl. 2003/12/0118 - entgegen der Ansicht der belangten Behörde - keine Aussagen über die funktionelle Zuständigkeit der belangten Behörde zur Vornahme der - materiell gebotenen - Ruhegenussbemessung enthält. In dem genannten Erkenntnis wurde vielmehr lediglich im Hinblick auf damalige Ausführungen der belangten Behörde, wonach der Bescheid des Bundespensionsamtes vom 7. August 1997 der Erlassung eines neuerlichen Ruhegenussbemessungsbescheides entgegenstünde, ausgeführt, dass die belangte Behörde die Höhe des dem Beschwerdeführer ab 1. Jänner 1998 zustehenden Ruhegenusses feststellen hätte dürfen, ohne hierbei gegen den Grundsatz "ne bis in idem" zu verstoßen. Dass diese Feststellung durch die belangte Behörde allerdings schon auf Grund der hier gegenständlichen Berufung prozessual zulässig wäre, wurde in diesem Erkenntnis nicht ausgesprochen.
Für das fortgesetzte Verfahren wird bemerkt, dass die belangte Behörde den erstinstanzlichen Feststellungsbescheid zunächst ersatzlos aufzuheben haben wird. Sodann wird von der zuständigen Behörde (im vorliegenden Fall vom Bundespensionsamt) unter Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen, insbesondere des § 4 Abs. 4 Z. 3 PG 1965, die Ruhegenussbemessung zum 1. Jänner 1998 (und die Folgejahre bis zur Erlassung des Bescheides) vorzunehmen sein (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 13. Oktober 2004, Zl. 2001/12/0042, und vom 29. März 2000, Zl. 99/12/0152).
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 21. Oktober 2005
Schlagworte
Besondere RechtsgebieteBeschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Bindung an den Gegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens AllgemeinEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2005120115.X00Im RIS seit
25.11.2005Zuletzt aktualisiert am
05.09.2012