TE OGH 1989/7/5 1Ob611/89 (1Ob612/89, 1Ob613/89, 1Ob614/89)

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Veröffentlicht am 05.07.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Redl und Dr. Graf als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. ehelichen Kinder 1.) Cheikh Ibra Mamadou B***, geboren am 4. Oktober 1981, und 2.) Abdoulaye Alexandre Ndongo B***, geboren am 29. März 1983, infolge Revisionsrekurses des Vaters Habiboulah Ndongo B***, Angestellter, Darwingasse 32/7, 1020 Wien, vertreten durch Dr. Eric Agstner, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 26. Jänner 1989, GZ 47 R 821-824/88-129, womit die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Döbling vom 25 Juli 1988, GZ 1 P 240/84-103 und 104, bestätigt und die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Döbling vom 25. Juli 1988 und 17. Oktober 1988, GZ 1 P 240/84-105 und 122, aufgehoben wurden, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

1.) Soweit sich der Revisionsrekurs gegen die Bestätigung der Beschlüsse ON 103 und ON 104 und gegen die Aufhebung des Beschlusses ON 105 richtet, wird er zurückgewiesen.

2.) Dem Revisionsrekurs gegen den Beschluß ON 122 wird hingegen Folge gegeben und die Entscheidung des Erstgerichtes wieder hergestellt.

Text

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Zu 1.): Gegen Beschlüsse im Verfahren über die Gewährung von (Unterhalts-)Vorschüssen ist gemäß § 15 Abs 3 UVG der Rekurs an den Obersten Gerichtshof unzulässig, sodaß der Revisionsrekurs gegen die Bestätigung der Beschlüsse ON 103 und 104, mit welchen den Minderjährigen Unterhaltsvorschüsse gewährt wurden, der Zurückweisung unterliegt.

Gemäß § 14 Abs 2 AußStrG sind Rekurse gegen Entscheidungen der zweiten Instanz über die Bemessung gesetzlicher Unterhaltsansprüche unzulässig. Zur Bemessung gehört auch die - von beiden Vorinstanzen in der Gewichtung unterschiedlich beantwortete - Frage der Bedürfnisse des Unterhaltsberechtigten (Jud 60

II 1 = SZ 27/177 uva). Daß die Bemessungsfrage Gegenstand eines rekursgerichtlichen Aufhebungsbeschlusses ist, ändert nichts an der Unzulässigkeit des dagegen erhobenen Revisionsrekurses (8 Ob 576/87; 6 Ob 571/84; 5 Ob 621/83; 1 Ob 138/73 uva).

Zu 2.): Der zur Beurteilung anstehende Besuchsrechtsantrag des Vaters (vom 12. Jänner 1987 - ON 54) war bereits Gegenstand der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 16. März 1988, GZ 1 Ob 533/88-92, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird.

Hatte seinerzeit das Erstgericht dem Vater ein (in seiner Durchführung durch Aufträge an die Eltern näher ausgestaltetes) Besuchsrecht an jedem zweiten und vierten Samstag im Monat in der Zeit von 15.00 Uhr bis 18.00 Uhr gewährt, die zweite Instanz über Rekurs der Mutter den Besuchsrechtsantrag zur Gänze abgewiesen und der Oberste Gerichtshof beide Entscheidungen zur Verfahrensergänzung aufgehoben, um die den Kindern aus der dem Vater grundsätzlich zustehenden Besuchsrechtsausübung konkret drohenden Gefahren (Irritationen) zu erforschen und allenfalls in der neuen Entscheidung auszuschließen, so hat nunmehr das Erstgericht im wesentlichen seine seinerzeitige Entscheidung wiederholt und dem Vater zusätzlich die Übergabe seines Reisepasses, solange darin die beiden Minderjährigen miteingetragen seien, an die Mutter für die Besuchsdauer aufgetragen. Es "stellte fest", der kinderärztliche Sachverständige wHR Dr. Erwin S*** habe im Ergänzungsgutachten ON 99 ausgeführt, daß wegen des Fehlens konkreter Beobachtungen bei Besuchen des Vaters bei weiterer Ablehnung der Kontakte des Vaters durch die Mutter mit hoher Wahrscheinlichkeit auf eine seelische Irritation der Kinder, nicht aber auf deren genaue Symptomatik geschlossen werden könne, die Kinder dann aber voraussichtlich in innere Unsicherheit gestürzt würden; die Ursache solcher psychischer Belastungen der Kinder sei jedenfalls auf die Aversion und Unversöhnlichkeit, namentlich die mangelnde Kompromißbereitschaft der Eltern zurückzuführen; der Sachverständige empfehle, durch Einschaltung einer Fachinstitution (Jugendamt) zu versuchen, den Kontakt der Kinder zu ihrem Vater unter heilpädagogischer Begleitung herzustellen; sollte dabei die Bereitschaft der Eltern vorliegen, könne es rasch zu einem Beziehungsaufbau zwischen den Söhnen und dem Vater kommen, sonst wäre ein langwieriger Umstellungsprozeß zu erwarten, der nur unter Anwendung psychotherapeutischer Maßnahmen zielführend sein dürfte. Beide Eltern seien zunächst mit diesen Kontaktversuchen einverstanden gewesen. Die Mutter habe jedoch in der Folge weder den Vorladungen des Erstrichters vom 30. August 1988 (allerdings hier mit einer Entschuldigung vom 22./24. August 1988) und vom 17. Oktober 1988 (unentschuldigt) Folge geleistet, noch die Einladungen des zur Mitwirkung bei der Kontaktanbahnung der Kinder zu ihrem Vater bereiten Jugendamtes eingehalten.

In seiner rechtlichen Beurteilung knüpfte der Erstrichter zunächst an die bereits im ersten Rechtsgang den Eltern von allen drei Instanzen dargelegten grundsätzlichen Erwägungen über das zu den Menschenrechten gehörige Recht des die Elternrechte nicht ausübenden Elternteiles, mit seinen Kindern persönlich zu verkehren, an. Selbst nach dem Gutachten des vernommenen Sachverständigen seien konkrete Gefährdungen der beiden Kinder nicht zu erwarten, wenn sie mit ihrem Vater einen normalen Kontakt aufrecht erhielten. Lediglich allgemein theoretische Irritationen und Gefährdungen reichten aber nicht aus, um das Verkehrsrecht des Vater prinzipiell auszusetzen. Es könne nicht hingenommen werden, daß bloß wegen des intransigenten Verhaltens der Mutter die vom Gesetz vorgesehene Verbindung zwischen den Kindern und ihrem Vater nicht zustande komme. Der von der Mutter vorgebrachten Gefahr der Entführung der Kinder sei durch die Paßklausel begegnet. Unter den gegebenen Umständen sei für die Anfangsphase das festgesetzte Besuchsrecht ausreichend. Bei gedeihlicher Entwicklung der Vater-Kinder-Beziehung könne später eine Ausweitung in Betracht gezogen werden.

Das Gericht zweiter Instanz hob infolge Rekurses der Mutter diese Entscheidung auf, trug dem Erstrichter die Ergänzung des Verfahrens darüber auf, ob und wie die Kontaktanbahnung zwischen dem Vater und den Kindern unter Einschaltung der geeigneten Kontaktpersonen möglich gemacht werden könnte, und vertrat die Ansicht, daß im erneuten Beschluß konkret Zeit und Ort dieser Kontaktanbahnung unter Bezeichnung der passenden Kontaktpersonen festzuhalten seien.

Der vom Vater gegen diesen Beschluß erhobene Revisionsrekurs ist berechtigt.

Der Anregung des Sachverständigen wHR Dr. Erwin S*** grundsätzlich beipflichtend haben der Vater und das zuständige Jugendamt im Frühherbst (September/Oktober) 1988 Versuche unternommen, die vorgeblich dieser Kontaktanbahnungsmethode zustimmende Mutter zur Mitwirkung zu bewegen. Der Bericht des zuständigen Jugendamtes vom 7. Oktober 1988 (ON 120) legt aber offen, daß die Mutter zwei vom Jugendamt für die Besuchsanbahnung zwischen den Kindern und dem Vater vorgesehene Termine abgesagt hat und trotz der vorher erklärten allgemeinen Zusage nicht mehr bereit ist, sich gemeinsam mit den Kindern mit dem Vater im Jugendamt zu treffen. Im Rekurs gegen den erstgerichtlichen Beschluß ON 122 (ON 123) begründete die Mutter dies damit, daß bei der vorgesehenen Kontaktanbahnung den Kindern unbekannte Personen (des Jugendamtes) anwesend hätten sein sollen und sie außerdem auf der Beiziehung der - der gesamten Familie bekannten - Frau Dr. B*** (von der Universitätsklinik für Neuropsychiatrie des Kindes- und Jugendalters bzw Sondermutterberatung) als heilpädagogische Begleitung hingewiesen habe. Diese Begründung oder Entschuldigung der Mutter für ihr die Kontaktanbahnung unterbindendes Verhalten kann jedoch nicht als berechtigt anerkannt werden. Auf die Auswahl der vom Jugendamt für die Bewältigung seiner Aufgaben eingesetzten Personen haben weder die Mutter, noch der Vater rechtlichen Einfluß. Die Mutter muß sich auf die Fachkunde der von diesem Amt entsandten Personen verlassen bzw beschränken und kann nicht auf der Beiziehung bestimmter, den Kindern persönlich bekannter - allenfalls aber wegen Krankenstandes, Urlaubes udgl gar nicht im Amt anwesender - Personen bestehen, auch wenn sie mit diesen vorerst einmal Gespräche geführt oder verschiedene Vorgangsweisen akkordiert haben sollte, weil dadurch der Rechtsdurchsetzung des Vaters unmeßbare und unerträgliche Beschränkungen entgegengesetzt würden. Will die Mutter bestimmte Personen bei der Kontaktanbahnung zuziehen oder zugezogen haben, wird sie dies in ihrem Bereich und auf ihre Verantwortung zu veranlassen haben. Die Fügung der Mutter - aber auch etwa des Vaters - unter die für die Anbahnung der persönlichen Kontakte zwischen Vater und Kindern von der Fachinstitution angebotenen Begleithilfen stellt einen Teil der beiden Eltern obliegenden Pflicht dar, die Liebe und Zuneigung der Kinder zu beiden Elternteilen zu fördern und die Kontakte zu dem aus der ursprünglichen Familie entfernten Elternteil zum Wohl der Kinder vorzubereiten und zu gestalten (vgl EFSlg 48.345 uva; 1 Ob 533/88). Auf Grund des bereits genannten Berichtes des Jugendamtes ON 120, aber auch des Inhalts des von der Mutter eingebrachten Rekurses ON 123 muß wohl davon ausgegangen werden, daß die Mutter zumindest objektiv ungerechtfertigt - weil im obigen Sinn pflichtwidrig - unter ständiger Wiederholung der von ihr dem Vater vorgeworfenen familienzerstörenden Verhaltensweisen die Kontaktanbahnung der Kinder zu ihrem Vater (be)hindert. Wie bereits in der Entscheidung 1 Ob 533/88 dargelegt wurde, kann sie damit aber auf Dauer das dem Vater grundsätzlich zustehende Besuchsrecht nicht verhindern.

Einer Verfahrensergänzung in erster Instanz bedarf es nicht mehr, so daß spruchgemäß zu entscheiden ist.

Anmerkung

E17664

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0010OB00611.89.0705.000

Dokumentnummer

JJT_19890705_OGH0002_0010OB00611_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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