TE OGH 1989/7/6 7Ob616/89

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Veröffentlicht am 06.07.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz, Dr.Warta, Dr.Egermann und Dr.Niederreiter als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Wilfried H***, Rechtsanwalt in Salzburg, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des Franz G*** sen., Gastwirt und Hotelier, Salzburg-Hallwang, Esch 5, wider die beklagten Parteien 1. Emilia G*** Gesellschaft mbH, und 2. G*** & S***

Gesellschaft mbH, beide Salzburg-Hallwang, Esch 5, vertreten durch Dr.Friedrich Frühwald, Rechtsanwalt in Wien, wegen Anfechtung und Herausgabe (Streitwert 144.000 S), infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 28.März 1989, GZ 4 R 285/88-31, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 30.Mai 1988, GZ 8 a Cg 4/87-21, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, dem Kläger die mit 7.470,54 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 1.245,09 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Über das Vermögen des Franz G*** sen. wurde am 28.August 1986 das Konkursverfahren eröffnet. Der Kläger wurde zum Masseverwalter bestellt.

Der Gemeinschuldner ist Eigentümer der Liegenschaft EZ 125 KG Hallwang I, auf der der Berghof G***, ein Gast- und Beherbergungsbetrieb, steht und geführt wird.

Die beiden Beklagten wurden mit Gesellschaftsverträgen jeweils vom 27.Jänner 1986, geändert mit den Nachträgen vom 10.März 1986, gegründet und mit 13.März 1986 ins Handelsregister des Landesgerichtes Salzburg eingetragen. Beide Beklagte haben ein Stammkapital von je 500.000 S, das je zur Hälfte bar eingezahlt ist. Gesellschafter der Erstbeklagten sind Heinz S*** mit einer Stammeinlage von 495.000 S und Emilia G*** mit einer Stammeinlage von 5.000 S. Ab Gründung war Emilia G*** zur alleinigen Geschäftsführerin bestellt. Mit 6.November 1986 wurde an ihrer Stelle Franz G*** jun., der Sohn des Gemeinschuldners, eingetragen.

Gesellschafter der Zweitbeklagten sind Heinz S*** mit einer Stammeinlage von 490.000 S, der Gemeinschuldner mit einer Stammeinlage von 5.000 S und Emilia G*** ebenfalls mit einer Stammeinlage von 5.000 S. Ab Gründung dieser Gesellschaft ist Heinz S*** alleiniger Geschäftsführer.

Jeweils am 3.Februar 1986 kam es mit Stichtag vom 27.Juni 1986 einerseits zwischen dem nunmehrigen Gemeinschuldner und der Erstbeklagten zum Abschluß eines Unternehmenspachtvertrages über den obgenannten Hotelrestaurantbetrieb samt sämtlichem Zubehör sowie andererseits zwischen der Erstbeklagten und der Zweitbeklagten zum Abschluß eines Betriebsunterpachtvertrages über denselben Betrieb. Im ersten Vertrag verpachtete der Gemeinschuldner den Betrieb der Erstbeklagten um einen jährlichen Nettopachtzins von 120.000 S, wobei eine Kündigungsfrist von 10 Jahren erstmals zum 27.Jänner des Jahres 2085 oder eines späteren Jahres vereinbart wurde. Das spätere Jahr mußte jeweils die Endzahl Null oder Fünf aufweisen. Der Pachtvertrag sollte sich jeweils um fünf Jahre verlängern, wenn einer der Vertragspartner nicht ordnungsgemäß mit eingeschriebenem Brief gekündigt hat. Außerdem wurde der Pächterin in Ansehung der beweglichen und unbeweglichen Güter das Vorkaufsrecht gemäß §§ 1072 ff. ABGB eingeräumt. Sowohl das Vorkaufsrecht als auch das Bestandrecht wurden ob der Liegenschaft verbüchert. Im zweitgenannten Vertrag hat die Erstbeklagte der Zweitbeklagten das Unternehmen um 144.000 S jährlich unterverpachtet, wobei der Vertrag auf unbestimmte Zeit abgeschlossen und eine Kündigungsfrist von sechs Monaten jeweils zum Ende eines Kalenderjahres vereinbart wurden.

Das Unternehmen des Gemeinschuldners wies seit 1980 ständig Bilanzverluste auf, und zwar 1980 49.700 S, 1981 393.000 S, 1982

713.400 S, 1983 111.700 S und 1984 24.400 S. Zum 31.Dezember 1984 haben die kurzfristigen Verbindlichkeiten rund 2,500.000 S und die langfristigen Verbindlichkeiten gegen 6,000.000 S, die Gesamtverbindlichkeiten also rund 8,500.000 S betragen. Die kurzfristig zur Verfügung stehenden Mittel reichten bei weitem nicht aus, die sofort fälligen Verbindlichkeiten zu decken. Diese Entwicklung war 1985, für welches Jahr keine Bilanz mehr erstellt wurde, noch schlechter. Es war an eine Deckung der sofort fälligen Verbindlichkeiten nicht zu denken. Spätestens im Oktober oder November 1985 hat der Gemeinschuldner erkannt, daß er auch langfristig nicht in der Lage sein würde, die gegen ihn bestehenden Forderungen abzudecken und, daß auch eine Umschuldung nicht möglich ist. Diese Situation schilderte er auch seiner damaligen Lebensgefährtin Emilia G***. Bereits im Herbst 1985 hatte der Gemeinschuldner seinem Steuerberater mitgeteilt, daß er finanziell nicht mehr weiterkönne und auch langfristig auf Dauer aus seiner Situation nicht herauskomme. Etwas später war der Gemeinschuldner durch ein Inserat in den Salzburger Nachrichten auf eine Gruppe gestoßen, die von sich aus Unternehmenssanierungen anbot. Er rief bei der angegebenen Telefonnummer an und gelangte zu Rechtsanwalt Dr.H***, worauf sich dann in weiterer Folge Heinz S*** meldete. Die beiden und auch noch andere Personen waren zu dieser Zeit bereits in einer größeren Anzahl von Fällen damit befaßt, bei Unternehmen in finanziellen Schwierigkeiten, insbesondere solchen, denen Zwangsversteigerungen oder die Konkurseröffnung drohten, den Zugriff von Gläubigern auf das Vermögen dadurch zu verhindern, daß langfristige Bestandverträge über die Liegenschaften bzw. Unternehmen geschlossen und sämtliche Vermögensgegenstände des Schuldners an diesem Unternehmen auch übertragen werden. In der Absicht, den Gläubigern des Gemeinschuldners den Zugriff auf dessen Vermögen zu vereiteln und auch eine Konkurseröffnung zu verhindern, wurden jene Verträge abgeschlossen, die Gegenstand der Anfechtung sind. Diese Vorgangsweise erfolgte jeweils in Absprache mit der damaligen Lebensgefährtin des Gemeinschuldners Emilia G***. Diese wurde nur formell zum Geschäftsführer der Erstbeklagten bestellt, offenbar in der Absicht jemanden vorzuschieben, dessen Gutgläubigkeit man behaupten könne. Tatsächlich wurde die Geschäftsführertätigkeit von Heinz S*** und dem Gemeinschuldner ausgeübt, wie dies auch nach der Geschäftsführerbestellung des Franz G*** jun. unverändert weiterging. Die beiden Verträge wurden so gefaßt, daß auch das Privatvermögen des späteren Gemeinschuldners dem Zugriff der Gläubiger zur Gänze entzogen wurde. Das ursprünglich über dem Existenzminimum liegende Angestelltengehalt des Gemeinschuldners wurde später ebenfalls so weit herabgesetzt, daß es praktisch unpfändbar ist.

Durch den Abschluß der beiden erwähnten Verträge wurde der erzielbare Erlös der Liegenschaft EZ 125 wesentlich verringert. Mit dem von der Erstbeklagten an den Gemeinschuldner zu entrichtenden Pachtzins kann nur ein Bruchteil der allein aus den Hypothekarverbindlichkeiten erwachsenden Zinsen abgedeckt werden. An eine Reduzierung der Kapitalschuld selbst ist nicht zu denken. Die Vorinstanzen erklärten die beiden Pachtverträge für unwirksam und verurteilten die Beklagten im Sinne des Räumungs- und Herausgabeanspruches. Ein Mehrbegehren wurde rechtskräftig abgewiesen.

Die Vorinstanzen erblickten in der geschilderten Vorgangsweise die Erfüllung des Anfechtungstatbestandes des § 28 Abs. 1 Z 1 KO in Verbindung mit § 38 Abs. 2 Z 1 KO.

Das Berufungsgericht hat ausgesprochen, daß der Wert des Streitgegenstandes in beiden Fällen 300.000 S übersteigt.

Rechtliche Beurteilung

Die von den Beklagten gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes wegen § 503 Abs. 1 Z 4 ZPO erhobene Revision ist nicht gerechtfertigt.

Den Anfechtungstatbeständen nach der Konkursordnung liegt - zum Teil unausgesprochen - das Erfordernis der Gläubigerbenachteiligung zugrunde (SZ 59/114, SZ 57/87 ua.). Die Benachteiligung eines Gläubigers ist immer dann gegeben, wenn ohne das geschlossene Rechtsgeschäft bzw. durch dessen Rückgängigmachung für den Gläubiger eine bessere Lage geschaffen werde (EvBl. 1966/285, JBl. 1987, 46 ua.). Für die Anfechtung wegen Benachteiligungsabsicht genügt es, wenn sie zu einer die Befriedigungsaussicht erhöhenden Zugriffsmöglichkeit des Gläubigers führt oder wenn ohne Durchführung der Anfechtung auch nur eine Erschwerung oder Verzögerung in der Zugriffsmöglichkeit für den Gläubiger vorhanden wäre (SZ 53/31 ua.). Es kommt hiebei nur darauf an, daß ohne diesen Vermögensaustausch bzw. dessen Rückgängigmachung für die Konkursgläubiger eine bessere Lage geschaffen wird (SZ 59/114, MietSlg. 33.796 ua.). Auf den Rechtssatz, daß die Veräußerung einer mit Pfandrechten belasteten Sache weder nach der Anfechtungsordnung noch nach der Konkursordnung angefochten werden könne, muß nicht eingegangen werden, weil dieser keinesfalls auf andere Verfügungen über Liegenschaften zu übertragen ist. Bei der Veräußerung der Sache ist davon auszugehen, daß dem Veräußerer in der Regel der Gegenwert für die Liegenschaft zukommt, sodaß im allgemeinen die Konkursmasse mit einem gewissen Äquivalenz rechnen kann. Wird dagegen eine Liegenschaft nur in Bestand gegeben, so ist mit einem sofort verfügbaren Gegenwert nicht zu rechnen. Vielmehr behält in einem solchen Fall der Gemeinschuldner grundsätzlich sein Eigentum an der Liegenschaft, sodaß er für die Aufgabe seines Eigentumsrechtes nichts erhält, während er andererseits durch den Bestandvertrag die Veräußerung entweder unmöglich macht oder zumindest sehr erschwert. Hiezu kommt, daß im vorliegenden Fall nur die Liegenschaft mit Pfandrechten belastet war, die Verpachtung aber das Unternehmen betraf.

Daß durch die Bestandgabe einer Liegenschaft die Verwertungsmöglichkeit und demnach ihr Wert in der Regel erheblich beeinträchtigt wird, hat der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen (MietSlg. 28.713 ua.). Ob es von dieser als Regel zu wertenden Annahme Ausnahmen gibt, z.B. dann wenn es sich um außergewöhnlich günstige Verpachtungen handelt, muß hier nicht erörtert werden. Im vorliegenden Fall wurde nämlich die Liegenschaft an die Erstbeklagte zu außergewöhnlichen Bedingungen verpachtet, nämlich auf einen Zeitraum, der sich jeder vernünftigen Kontrolle und Überlegung entzieht. De facto kommt eine derartige Verpachtung einer ständigen Aufgabe des Verfügungsrechtes über die Liegenschaft gleich. Schon allein dieser Umstand zeigt die Nachteiligkeit des Rechtsgeschäftes. Hiezu kommt, daß der vereinbarte Pachtzins (120.000 S pro Jahr ohne jegliche Wertsicherung) im Hinblick auf die Belastungen der Liegenschaft keinesfalls als eine zur Sanierung des Betriebes zielführende Maßnahme angesehen werden kann. Selbst wenn es richtig wäre, daß dieser Pachtzins im Hinblick auf den Betrieb und dessen Zustand zum Zeitpunkt der Verpachtung realistisch gewesen wäre, würde dies nicht gegen die Nachteiligkeit des Rechtsgeschäftes sprechen. Wäre nämlich ein höherer Pachtzins nicht zu erzielen gewesen dann könnte die Verpachtung als solche nicht als eine vernünftige Sanierungsmaßnahme angesehen werden. Verzichtet nämlich der Gemeinschuldner auf eine Verfügungsmöglichkeit über seinen Betrieb gegen ein Entgelt, das keinesfalls ausreichen kann, auch nur annähernd die Betriebsschulden zu decken, so ist das nicht als eine im Interesse der Gläubiger zweckmäßige Wirtschaftsführung anzusehen. Mit Recht sind daher die Vorinstanzen von der Nachteiligkeit des Pachtvertrages mit der Erstbeklagten ausgegangen, ohne daß es weiterer Erhebungen darüber bedurfte, ob der vereinbarte Pachtzins im Hinblick auf den Zustand des Unternehmens realistisch war oder nicht.

Auf die Erfüllung der subjektiven Voraussetzungen für die Anfechtung kommt die Revision mit Recht nicht mehr zurück. Daß die Verträge in Benachteiligungsabsicht geschlossen worden sind, steht fest. Es steht ferner fest, daß sowohl dem Gemeinschuldner als auch sämtlichen am Vertragsabschluß beteiligten Personen sowohl die Zahlungsunfähigkeit des Gemeinschuldners als auch die Absicht der Gläubigerbenachteiligung bekannt war.

Die vorerwähnte Rechtsansicht hat der Oberste Gerichtshof bereits in seiner Entscheidung vom 9.März 1989, 7 Ob 534/89, der ein völlig gleichgelagerter Sachverhalt zugrundelag, zum Ausdruck gebracht. Diese Entscheidung war dem Vertreter der Beklagten, der auch in dem vorangegangenen Fall die Beklagten vertreten hat, bekannt. Seine nunmehrige Argumentation in der Revision gegen die erwähnte Vorentscheidung besteht jedoch im wesentlichen in einer Verneinung deren Richtigkeit. Tragfähige Argumente gegen die Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofes enthält die Revision nicht. Die weitschweifigen Ausführungen gegen den Rechtssatz, daß grundsätzlich durch die Inbestandgabe eine Entwertung von Liegenschaften eintritt, übersehen, daß es bei der Lösung dieser Frage nicht auf die Behandlung intabulierter Bestandrechte im Exekutionsverfahren, sondern darauf ankommt, wie das potentielle Käuferpublikum im allgemeinen Liegenschaftsverkehr reagiert. Schließlich sind hier aber, ebenso wie in der zitierten Vorentscheidung, die kraß aus dem Rahmen fallenden Bedingungen des Pachtvertrages zu beachten. Die Revision nimmt nach wie vor nicht zu dem Umstand Stellung, daß mit Hilfe des vereinbarten Pachtzinses nicht einmal die Zinsen der intabulierten Forderungen zur Gänze bezahlt werden können, geschweige diese Forderungen selbst. Wenn bei einer derartigen Situation durch Verpachtung eines Unternehmens jegliche Verfügungsmöglichkeit über die Betriebsliegenschaft verloren geht, kann es sich hiebei nur um ein nachteiliges Rechtsgeschäft handeln.

Schließlich muß den Argumenten der Revision für eine Gleichbehandlung einer Verpachtung mit einer Veräußerung einer Liegenschaft entgegengehalten werden, daß im vorliegenden Fall eine solche Gleichbehandlung schon daran scheitern müßte, daß das belastete Objekt nicht identisch mit dem verpachteten ist. Belastet ist nämlich die Liegenschaft, während das Unternehmen verpachtet wurde. Selbst wenn daher, was der Oberste Gerichtshof verneint, die in der Revision gewünschte Gleichstellung grundsätzlich gerechtfertigt wäre, käme sie für den konkreten Fall mangels Objektidentität nicht in Frage.

Im übrigen sei auch hier wieder darauf verwiesen, daß die in der Revision zitierte Literatur und Judikatur keine Fälle im Auge hat, die mit dem vorliegenden vergleichbar wären. Die Bedingungen des vorliegenden Pachtvertrages sind eine derart kraß ins Auge springende versuchte Benachteiligung der Gläubiger, daß sich die allgemein gehaltenen Literaturstellen darauf nicht anwenden lassen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E18110

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0070OB00616.89.0706.000

Dokumentnummer

JJT_19890706_OGH0002_0070OB00616_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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